______
I. Ich frage mich seit längerem, ob ich irgendetwas entscheidendes an der Flüchtlingskrise missverstehe, oder ob sie wirklich so heuchlerisch geführt wird, wie ich denke. Falls ersteres der Fall ist, erklärt mir bitte, wo mein Denkfehler liegt. Irgendwas muss ich missverstanden haben.
Einerseits empfindet man es skandalös, wenn die Grenzen kontrolliert werden sollen (was theoretisch auch Waffengewalt einschließen kann) oder wenn die CSU von einer Obergrenze spricht. Andererseits sichert man unsere Grenzen in der Tat, aber eben nicht hier, sondern in Libyen und in der Türkei, und man kooperiert dabei mit Autokraten und Warlords, die bestimmt nicht mit Samthandschuhen vorgehen. Auch erlässt die EU ein Gesetz, was den Export von Schlauchbooten blockieren soll. Angeblich alles, um die bösen Schlepper aufzuhalten. Komischerweise gilt das, im Gegensatz zu dem, was die AfD vorhat, als legitim. Ich sehe da eigentlich kaum einen Unterschied.
Das ist ungefähr so wie in "Super Mario", wo sich Bowser allerhand Fallen und Blockaden ausdenkt, um Mario an der Ankunft an seiner Festung zu hindern - mit dem Unterschied, dass er ihn mit heuchlerisch mit Handschlag begrüßt, sobald er jene Festung erreicht hat.
Die Idee, eine Obergrenze prinzipiell abzulehnen, erscheint mir absurd. Es geht gar nicht darum, dass sie niedrig sein muss, aber das Gegenteil davon wäre eine unbegrenzte Aufnahme. Die Sache ist die - wenn alle Menschen, die das Bedürfnis danach haben, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen, es problemlos hierher schaffen würden, hätten wir vermutlich -zig Millionen Flüchtlinge. Wir sind nunmal eine reiche, stabile "Insel der Seligen" im Vergleich zu einem überwiegend trostlosen und gefährlichen Nordafrika. Die Regierung stellte es nach meinem Eindruck oft so dar, als würden wir derzeit allen helfen wollen, die unsere Hilfe ernsthaft beanspruchen. Aber mir scheint es so, dass wir das immer noch bei weitem nicht tun und wir dazu auch als einzelnes Land überhaupt nicht in der Lage wären.
Es existiert eine Abwägung zwischen 2 Faktoren, und je nach rechter und linker Seite wird fast immer die jeweils andere Seite ignoriert:
Durch die Aufnahme von Flüchtlingen in siebenstelliger Höhe akzeptieren wir zwar in der Tat hohe Kosten, hohen Integrationsaufwand, kulturelle Uneinigkeit und eine erhöhte Gewaltkriminalität.
Wir retten aber auch extrem vielen Menschen durch unsere Aufnahme ihr Leben. Und auch diejenigen, die nicht aus einer Lebensgefahr heraus hierher gekommen sind, kommen in der Regel aus erbärmlichsten Verhältnissen. Ein Begriff wie "Glücksritter" zu verwenden, ist zynisch. Keinen Beitrag zur Hilfe zu leisten, wäre meines Erachtens zwar nicht faschistisch, aber enorm rücksichtslos und ignorant.
Die Tatsache, dass überwiegend nur junge und männliche Flüchlinge kommen, spiegelt im Übrigen auch nicht die reale Bedürftigkeit wieder. Man kann sich denken, dass Frauen unter dem Krieg mindestens so sehr leiden müssen wie die Männer, diese aber die Überfahrt oft körperlich nicht schaffen oder schlicht nicht von der Familie finanziell ausreichend unterstützt werden. Diese ungleiche demographische Verteilung erschwert obendrein massiv die Integration in den westlichen Ländern.
Verstehe ich an dieser Sache irgendetwas grundsätzlich nicht oder ist es wirklich so heuchlerisch und albern, wie ich denke? Wenn nein, komme ich zu Punkt 2.
___
II. Warum führen wir nicht einerseits Grenzkontrollen ein, übernehmen aber andererseits den Transport der Flüchtlinge aus Krisengebieten selbst?
Mein Eindruck ist, dass wir uns einerseits über die AfD und die ertrinkenden Flüchtlinge im Mittelmeer empören, es aber andererseits von den Kosten her zu vernachlässigen wäre, sich selbst um den Transport zu kümmern. Wir verdammen diejenigen, die ehrlich sagen, dass sie keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, tun aber trotzdem so, dass das Problem die vergleichsweise kostengünstige Reise hierher sei. Mein Eindruck ist, dass man zwar einerseits nicht zu den schlechten Menschen gehören will, die Flüchtlinge an der Grenze abweisen, aber andererseits es als Recht und Billig empfindet, wenn diese Flüchtlinge es erst gar nicht hierher schaffen.
Denn wenn ich das Problem richtig verstanden habe, ist es eben in Wahrheit letztendlich doch eine quantitative Frage. Die Nachfrage nach Hilfe ist viel zu hoch, und wir bekommen das nur deshalb nicht zu sehen, weil wir eben die Schicksale all jener ausblenden, die die Reise hierher erst gar nicht antreten oder gar auf dem Weg sterben.
Wenn wir das selbst machen würden, könnten wir vorher politisch festlegen, wie viele wir aufnehmen, und sogar die Einreise in einer Art und Weise quotieren, so dass es demographisch gleichmäßig wäre. Wir könnten die Flugzeuge, mit denen man die Flüchtlinge abholt, direkt dorthin schicken, wo man weiß, dass es Brennpunkte sind und die Hilfe am dringendsten gebraucht wird. Man könnte die Personalien vorher checken und die Verteilung auf Wohnungen, soziale Einrichtungen etc. schon viel früher planen und koordinieren. Und vor allem, niemand müsste diesen gefährlichen, entwürdigenden Weg mit den Schlauchbooten antreten. Es wäre ja sogar heute schon möglich, dass sie per Flugzeug kommen - ein Flugticket wäre meines Wissens sogar billiger als das, was teilweise für die Schlepper ausgegeben wird. Da stehen nur Formalien im Weg.
Es geht mir erstmal überhaupt nicht um die Zahl - sowohl eine niedrige als auch eine sehr hohe wäre möglich - aber dann könnte man das doch viel koordinierter Regeln, auch mit den anderen EU-Staaten. Wir könnten vielen Flüchtlingen helfen und hätten trotzdem nicht den von rechter Seite teils zu Recht beklagten Kontrollverlust. Dass wir am liebsten alle aufnehmen würden, aber nicht die fiesen Schlepper unterstützen wollen, glaubt uns im Anbetracht unseres Verhaltens doch eh niemand - oder?
Wie gesagt, vielleicht verstehe ich irgendwas falsch an der Debatte.
