Platon » Sa 1. Okt 2011, 07:42 hat geschrieben:In diesen Tagen scheint ein weiterer Schritt in Richtung Bürgerkrieg unternommen worden zu sein, nachdem es in den letzten Monaten immer wieder auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften kam. Zumeist mit tribalem Hintergrund (also das ein ansässiger Clan sich für gewalttätige Aktionen gerächt hat, zumeist in den Grenzgebieten zum Libanon, Jordanien und zur Türkei) scheinen immer mehr sunnitische Soldaten zu desertieren. Hierbei scheint es sich einerseits um den Beginn von Guerilla-Aktionen zu handeln, andererseits beginnen die Demonstranten - welche nach wie vor zu zehntausenden auf die Straße gehen - ihre Demonstrationen von Bewaffneten schützen zu lassen.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2011 ... te-kaempfe
http://www.google.com/hostednews/afp/ar ... 3e1d8f5.41
http://de.reuters.com/article/worldNews ... E320110930
http://topics.nytimes.com/top/news/inte ... index.html
Seit 6 Monaten anhaltende Proteste welche allem Anschein nach und nach in einen Bürgerkrieg in den Provinzen abgleitet. Im Folgenden will ich versuchen die Gründe aufzulisten warum Bashar al Assad noch im Amt ist.
Die zentrale Figur für das gewaltsame Niederschlagen der Proteste ist allerdings keineswegs Basher Al Assad, bei dem man längst die Frage stellen darf ob er überhaupt noch Herr der Lage ist, sondern sein Bruder
Maher al-Assad. Jemand der längere Zeit in Syrien gelebt hat, hat es mir so erklärt: Bashar Al Assad verkündet Reformen, die Aufhebung des Notstandes, die Zulassung von neuen Parteien usw. allerdings wird derjenige welcher zum Wahlbüro geht um seine neue Partei offiziell anerkennen zu lassen von Maher al-Assad persönlich erschossen.
Ein weiteres überaus wichtiges Kontrollorgan für die Syrier im In- und sogar im Ausland ist der syrische Geheimdienst der
Muchaberat welcher zusammen mit anderen Geheimdiensten zu den mächtigsten aber auch brutalsten im Nahen Osten überhaupt gehört. Er hat Syrien in einen Polizeistaat verwandelt wohingegen der Iran wie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wirkt. Leute haben mir erzählt, dass man unlängst innerhalb der eigenen Familie politische Themen nicht diskutiert weil man nicht weiß ob irgendein Cousin, irgendeine Cousine möglicherweise für den Geheimdienst arbeitet und einen umgehend verpfeift und abholen lässt.
Ein weiterer wichtiger Grund warum Assad noch im Amt ist, ist seine Fähigkeit anhaltende und umfangreiche Proteste in Damaskus gegen seine Regierung zu vermeiden. Neben der allmächtigen Präsenz der Geheimdienste ist hierbei vor allem die Angst der Christen und anderer Minderheiten vor einem Zustand, ähnlich der im Irak nach der US-Invasion 2003, bzw. die Angst vor einer sunnitisch-islamisch dominierten Regierung welche die Rechte und Möglichkeiten der Minderheiten beschränkt. Dazu kommt die Angst vor islamistischen Extremisten, welche Gewalttaten an Christen begehen. Gerade in Damaskus gibt es 25% Christen, welche ebenso wie die wirtschaftliche Oberschicht keinerlei Bereitschaft zeigt gegen das Regime zu demonstrieren. Und solange im Zentrum von Damaskus alles ruhig bleibt ist ein Sturz des syrischen Regimes überaus unwahrscheinlich.
http://www.washingtonpost.com/world/for ... story.html
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterstützung Assads durch den Iran. So soll der Iran Syrien mit
Geld, Truppen, Know-How,
Waffen und Technologie versorgen.
http://www.insideiran.org/featured/how- ... -in-syria/
http://www.vancouversun.com/news/Iran+s ... story.html
Auch sind die bisherigen internationalen Reaktionen wie die Sanktionen gegen das syrische Regime ein Witz. Zwar gibt es Ausreiseverbote für syrische Offizielle und zentrale Figuren des Regimes und Wirtschaftssanktionen der USA und verschiedener europäischer Länder, aber selbst das Öl-Embargo welches ein wirksames Mittel sein könnte um das Regime mittelfristig in Geldnöte zu bringen läuft erst Mitte November an, weil ein italienischer Ölkonzern gegen die umgehende Umsetzung Widerstand geleistet hat. Dazu leisten im UN-Sicherheitsrat eine Reihe von Staaten wie Russland, China oder Brasilien&Co Widerstand für eine starke UN-Resolution gegen die brutale Niederschlagung der Proteste. Hierbei fürchten sie natürlich ein neues Libyen wo ihnen die Situation nach einer deutlichen UN-Resolution umgehend aus der Hand geglitten ist. Wenngleich ein solches Szenario eben wegen Libyen derzeit unwahrscheinlich ist, ein militäriches Eingreifen des Westens ist langfristig zwar nicht auszuschließen derzeit aber nicht wirklich realistisch zu erwarten. Ebenso würde ein Fall des syrischen Regimes eine deutliche Machtverschiebung zugunsten der arabischen Staaten um Saudi-Arabien/Ägypten sowie der USA bedeuten.
Ein Punkt für den Machterhalt des Regimes dürfte die Zersplitterung der Opposition sein. Weil zwar gibt es eine ganze Reihe von Oppositionellen welche teilweise seit Jahrzehnten gegen Assad opponieren, jedoch handelt es sich hierbei um überaus unterschiedliche Charaktere und die meisten dürften auch kaum etwas mit den Protesten und bewaffneten Aufständen zu tun haben welche lokal organisiert werden wie z.B. von den
Local Coordination Committees, und keine effektive umfassende Struktur aufweisen.
Der britische Botschafter in Syrien bloggt über die Situation vor Ort:
http://blogs.fco.gov.uk/roller/collis/e ... s_what_big