Ob es wirklich "nur darum geht" - darüber zu diskutieren wäre schon früh in der Pandemie nötig gewesen ...ist aber früh im Keim erstickt worden. Aber dazu unten mehr.
Haegar hat geschrieben:(01 Dec 2021, 14:23)
Der Artikel sagt:
Mit Lockdown knapp 50k zusätzliche Tote bis zum Frühjahr
Ohne Lockdown mind. 150k zusätzliche Tote bis zum Frühjahr
Differenz der beiden Varianten mindestens 100k zusätzliche Tote
Für die Wirtschaft halt und so.
Wer ist denn "die Wirtschaft"? Am Ende sind das Menschen, die (mehrheitlich) einer Erwerbsarbeit nachgehen und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.
Ich habe beruflich regelmäßig mit Menschen zu tun, die man, ohne sie abzuwerten, "arm" nennen darf; und insofern kann ich Dir sagen: Armut lähmt, Exitenzängste lähmen. Sie machen krank.
Zudem ist es so: Teile "der Wirtschaft" profitieren sogar noch von der Krise, siehe DAX an. Und Jeff Bezos kommt vor Lachen nicht in den Schlaf, in unseren Städten stirbt zeitgleich der Einzelhandel und die Eckkneipe. Wenn die Einschränkungen und Einschnitte alle gleich hart treffen würden: No big deal. Dem ist aber nicht so. Es sollen als gleichermaßen "Solidarität" zeigen - aber die Konsequenzen daraus sind sehr, sehr unterschiedlich hart für die Betroffenen.
Wir müssen uns dieser Folgen doch mindestens mal bewusst werden, bevor wir entscheiden, ob und wofür wir sie in Kauf nehmen. Von Kindern und dem Thema Bildung fange ich gar nicht erst an...
Das von Dir verlinkte Szenario (das "Nicman" zuerst ins Spiel brachte, weil der Modellierer als absolut anerkannter Experte gilt) sagt ja, dass die Pandemie insgesamt schlimmstenfalls 300.000 Tote am Ende der 4. Welle verursacht hätte - bei sofortiger Einstellung aller Schutzmaßnahmen. Was ja nicht wirklich realistisch ist, weil ein erheblicher Teil der Bevölkerung sicher freiwillig noch eine gewisse Zeit AHA-L praktizieren - und die Regierung dies wohl kaum verbieten wird.
Aber sei's drum, nehmen wir 300 Tsd. Eine monströse Zahl, dennoch bedeutet dies im Umkehrschluss, dass - selbst wenn es schlimmstmöglich kommt - 99,64% aller Bürger in unserem Land nicht an Covid-19 versterben werden. Und hier kommt dann noch "relativierend" (Autsch ...) hinzu, dass 80% dieser Toten über 70 Jahre alt sein werden.
Und dass ist halt die Frage: Einen Bevölkerungsverlust in Höhe von 0,36% nicht nicht hinnehmen zu wollen und dafür die benannten Kollateralschäden, die Dutzende Millionen betreffen komplett hinten anzustellen ...
... das kann ja durchaus gesellschaftlicher Konsens sein/werden. Darum geht es mir gar nicht.
Aber dann bitte als Ergebnis eines offenen, ehrlichen Diskurses. Und dazu müsste man eben offen benennen, was hier gegenüber, bzw. auf dem Spiel steht. Und das hat für mein Empfinden nicht ausreichend stattgefunden.
Oder, an Dein Eingangszitat anknüpfend:
"Es ist mir klar, dass nackte Fakten, die nicht geeignet sind, die Dramatik der Lage zu betonen, nicht gemocht werden."