Platon hat geschrieben:(25 Nov 2021, 10:38)
Ich würde in der aktuellen Situation in Sachsen ehrlich gesagt eine allgemeine Ausgangssperre beschließen und die Bundeswehr aufmarschieren lassen die das durchsetzt.
Wenn ich so etwas lese, weiß nicht, ob wir da nicht langsam die Relationen verlieren ... (Wenn überhaupt, dann sollte die Bundeswehr am Eingang von Pflegeheimen Impfnachweise kontrollieren ...)
Ich möchte daher mal folgendes zur Diskussion stellen. "NicMan" verlinkte kürzlich diese Modellierung hier, die seiner Aussage nach von einem der renommiertesten deutschen Experten zu de Thema stammt:
https://www.mdr.de/wissen/covid-vierte- ... e-100.html
Das "worst case"-Szenario (KEINE Einschränkungen) geht davon aus, dass bis zum Ende des Frühjahrs bis zu 200.000 Tote dazu kommen könnten. Ich halte dieses Szenario für nicht realistisch, weil die Regierung ja nicht verbieten würde, weiterhin Masken zu tragen oder nach eigenem Ermessen Kontakte zu vermeiden; Millionen Menschen würden mit Sicherheit auch bei Aufhebung aller Einschränkungen noch lange Zeit vorsichtig bleiben (manche wohl auch für Jahre oder für immer ...).
Wie dem auch sei: Man sieht an den Kurven, dass dieses Szenario die Pandemie in unserem Land am schnellsten nach unten fährt (die Kurven der anderen Szenarien fallen langsam ab): Covid-19 hätte in vergleichsweise kurzer Zeit sein ganzes Potential entfaltet. Eine Zahl von dann insgesamt 300.000 Toten läge in dem Bereich, der schon früh in der Pandemie als der Rahmen prognostiziert wurde, falls keine Gegenmaßnahmen erfolgten (250-500 Tote).
Dieses Szenario wäre dann vergleichbar mit dem, mangels Impfstoffen, unfreiwilligen Weg Indiens: Da stieß das Virus (erstmals als Delta-Variante) in der ersten Jahreshälfte auf wenig Widerstand. Indien hatte dadurch bisher 466.000 Tote zu beklagen - bei allerdings bei 1,38 Milliarden Einwohnern.
Ich weiß, Relationen zu betrachten, verursacht einigen hier körperliche Schmerzen, aber das wären (von max. 300.000 Toten in Deutschland ausgehend) 1,5 mal soviel Tote wie bei uns - bei einer 16,5 fach größeren Bevölkerung. Selbst wenn offizielle Zahlen aus Indien sicher mit Vorsicht zu betrachten sind, ist das interessant.
Indien hat (Stand heute) eine Inzidenz von 5,1, Tendenz fallend. Nachdem, was ich hier über "exponentielles Wachstum" gelernt (?) habe, wären die damit für's erste durch, zumindest mit der "Delta"-Welle. In Indien sind übrigens 30% vollständig geimpft, 56% haben die Erstimpfung erhalten.
Ich ziehe daraus mal die provokante (?) These: Das Virus entfaltet ein gewisses Potential (mehr aber eben auch nicht) so oder so: Wir können durch Gegenmaßnahmen den Zeitverlauf stretchen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten (das war ja auch lange die "offizielle" Strategie). Wir verlängern damit aber auch die Zeitspanne, in der das Virus unter uns ist und arbeiten kann. Das "stretchen" der Zeitspanne erfolgt mit Gegenmaßnahmen - die wiederum haben auch ihren Preis.
Wir befinden uns bald im dritten Jahr der Diskussion, welcher Preis höher ist. Unter den Verantwortlichen findet sich seit Beginn der Krise keinen, der dies deutlich ausformulieren würde. Kann ich verstehen. Hätte ich auch keinen Bock drauf. Da könnte man auch gleich zurücktreten.
Ich anonymes, kleines Licht dagegen kann sagen: 300.000 (die es aber nicht sein werden, siehe oben) als Preis für 3 Jahre Pandemie ist relativ (!) betrachtet kein "Weltuntergang". Das sind 100.000 pro Pandemie-Jahr, die unter die durchschnittlich jährlichen 900.000 Toten fallen, die wir ohnehin haben. Das ergäbe eine überschaubare Übersterblichkeit.
Die Zahlen allein sind es nicht, die kompromisslose Gegenmaßnahmen rechtfertigen würden - wenn man in der Lage ist, sie rational zu betrachten und in Relation zu setzen zu anderen Sterbeursachen, die durch die Pandemie aus der Welt sind, sondern parallel ablaufen (im Gegenteil, verschleppte Symptome und ausbleibende Vorsorge erhöhen die andere Seite der Rechnung) und einer Zeitachse.
Was aber natürlich die Zahlen nicht ausdrücken: Was hier tatsächlich in den Krankenhäusern los sein wird, wenn die Situation selbst bei abgemilderten Szenarien im Frühjahr so "peakt", wie die obige Modellierung es prognostiziert.
Deswegen plädiere ich keinesfalls dafür, "freiwillig" den Weg zu gehen, den Indien - unfreiwillig - gegangen ist. Aber es sollte uns klar sein, dass unsere "moralischer Eigenanspruch" - und nichts anderes lässt uns einen anderen Weg gehen - einen Preis hat, der unter Bewertung aller Aspekte einen Preis hat - der nicht unbedingt niedriger ist, wie ich meine.