Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Nov 2021, 06:55)

Ja. Das werden sie nur nicht. Jedenfalls nicht mehrheitlich und nicht in den urbanen Millieus. Die sind es aber letztendlich, die für den wirtschaftlichen Aufstieg Polens in erster Linie sorgen. Und für die ist die EU-Zugehörigkeit wahrscheinlich auch nicht so sehr pragmatisch verursacht sondern einfach Teil einer weltzugewandten Kultur.

Ich muss ehrlich sagen. Obwohl ich UK eigentlich und auch aus direkter Erfahrung kenne ... das Brexit-Referendum ist mir bis heute ein Rätsel, ein Mysterium geblieben. Wie ein Polexit-Referendum in Polen ausgehen würde ... daran gibts nun wirklich überhaupt keinen Zweifel.
So ganz sicher bin ich mir wirklich nicht, wie eine dem BREXIT-Vorgeplänkel entsprechende Volksbefragung ausgehen könnte, wenn es am Schengener Abkommen und am Marktzugang zum Gemeinsamen Markt keinen Zweifel gäbe. Vor einiger Zeit
https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 0#p5087243
gab es in der Gazeta Wyborcza das Umfrageergebnis eines Meinungsforschungsinstituts
  • 50 % stramm für EU-Mitgliedschaft
    37 % sehen eher die wirtschaftlichen Vorteile der EU
    5 % stramm gegen die EU
    8 % hatten keine Meinung zur EU-Mitgliedschaft.
Wer weiß, wie viele der 50%-igen auch eher die wirtschaftlichen Vorteile sehen? Natürlich gibt es hier in Polen glühende Europäer! Aber ob die wirklich in der Mehrheit sind?

Vergessen wir nicht, daß die PiS-Regierung mit 35% Zustimmung seit fast 7 Jahren vergleichsweise stramm das Land regiert, skandalöse Entscheidungen trifft, zwielichtige Bündnisse unterhält (Straż Narodowy), und dennoch schafft es die Opposition nicht, diese Regierung aus dem Sattel zu heben!
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(04 Nov 2021, 02:23)

Das mag sein.

Überdies wirft die Selbstdarstellung der EU-Institutionen als Krämer-Verein neue Fragen auf, die sonst kaum gestellt werden würden.
Das ist doch jetzt wirklich Quatsch. Es geht letztlich doch um die Frage, ob Polen der EU angehören will oder nicht. Diese Frage kann nicht der "Krämer-Verein EU" beantworten, sondern nur Polen. Polen kann allerdings nicht den Anspruch erheben, die EU verändern zu dürfen. Genau darum dreht sich letzlich dieser ganze Streit.
Unterdessen geht die polnische Regierung in die Pose, die EU-Außengrenze zu verteidigen und dem Operetten-Diktator Lukaschenko die Stirn zu bieten.
Sollte das ein Witz sein oder meinst Du das ernst?

Polen hat sich in der Vergangenheit auf den Standpunkt gestellt, dass es Polen einen Scheißdreck interessiert, welche Probleme Griechenland mit Flüchtlingen hat. Wieso sollte die EU jetzt ein Problem damit haben, welche Probleme Polen mit Flüchtlingen hat? Das ist nach polnischer Definition ein rein polnisches Problem. Die EU leistet trotzdem Hilfe. Also komm mir nicht mit der völlig bescheuerten Idee, dass Polen gerade die EU verteidigen würde. Die PiS leitet Flüchtlinge einfach nach Deutschland durch, obwohl Polen verpflichtet ist, diese Leute unterzubringen. Hier kommt eine völlige Pervertierung der europäischen Verträge zum Ausdruck, die von der PiS angestrebt wird. Und Du verteidigst das auch noch.

Jetzt nurmal zur Klarstellung: Deutschland hat noch keinen Flrüchtling zurückgewiesen, der über Polen nach Deutschland gekommen ist. Und dies, obwohl die Leute eigentlich gemäß gültigen Verträgen in Polen behandelt werden müssten. Die polnische Regierung hat nicht verstanden, was der Begriff "Solidarität" überhaupt bedeutet. Rein rechtlich könnte Deutschland jeden Flüchtling, der aus Polen nach Deutschland gekommen ist, sofort zrück nach Polen verfrachten. Das passiert nur deshalb nicht, weil Deutschland wieder mal Solidarität zeigt, die in Polen nie akzeptiert worden ist.

Polen verteidigt nicht die europäischen Außengrenzen. Die PiS-Polen wollen nur ihre eigenen Ärsche verteidigen. Die heulen jetzt rum, weil es an ihre eigenen Ärsche geht. Als es um die Ärsche der Griechen gegangen ist, war das den PiS-Pissern völlig egal. Da war das ein "griechisches" Problem. Von Rechts wegen sollte, müsste und dürfte Deutschland gnadenlos alle Flüchtlinge sofort nach Polen zurück verfrachten. Das passiert nur deshalb nicht, weil Deutschland sich als EU-Mitgliede solidarisch verhält. Und das ist eine Idee, die der PiS völlig fremd ist.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Nov 2021, 06:02)

NIcht nur die EU-Kommission, auch die deutsche Noch-Regierung. Noch-Innenminister Seehofer dankte der polnischen Regierung ausdrücklich für die Verteidigung der EU-Außengrenze. (...)
Aber vor allem: Frankreich, Deutschland und Polen bilden geographisch zusammen den zentralen europäischen Raum. (...)
Sehe ich sehr ähnlich.
Auch MP Kretschmer unterstützt die Republik Polen in der Grenzsicherungsfrage.

Der Clinch EU-Kommission - Warschau ist in der gegenwärtigen Situation völlig kontraproduktiv.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(04 Nov 2021, 06:49)

Ich fasse vorstehende Beiträge zusammen: Polen braucht den Binnenmarkt, aber nicht die EU. Finde ich auch in Ordnung; ein Status Norwegen/Schweiz tut es dann auch. Und die EU kann Polen von der Liste der Geldempfänger streichen, das schafft Polen also ohne weiteres. Finde ich eine gute Lösung. Nun müssen nur noch die polnischen Mitbürger damit zufrieden sein.
Anders zusammengefasst: Polen IST die EU.
Und wenn man die Bürger fragen würde, hätte weder das Sparmodell noch Kommissionspräsidentin Von der Leyen überhaupt eine Chance.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Vongole »

Kohlhaas hat geschrieben:(04 Nov 2021, 15:08)

(..)

Polen verteidigt nicht die europäischen Außengrenzen. Die PiS-Polen wollen nur ihre eigenen Ärsche verteidigen. Die heulen jetzt rum, weil es an ihre eigenen Ärsche geht. Als es um die Ärsche der Griechen gegangen ist, war das den PiS-Pissern völlig egal. Da war das ein "griechisches" Problem. Von Rechts wegen sollte, müsste und dürfte Deutschland gnadenlos alle Flüchtlinge sofort nach Polen zurück verfrachten. Das passiert nur deshalb nicht, weil Deutschland sich als EU-Mitgliede solidarisch verhält. Und das ist eine Idee, die der PiS völlig fremd ist.
Darüber hinaus hält sich die polnische Regierung nicht mal an die einfachsten menschlichen Regeln, und lässt auch keine Ärzte zu den Flüchtlingen:
https://www.tagesschau.de/ausland/europ ... s-123.html
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(04 Nov 2021, 07:04)

Zudem ist Polen seit 1999 Nato Mitglied. Das effektivere Mittel um den Ängsten Polens Russland gegenüber zu begegnen.
Es sind sogar US-Truppen im Land.
Trotzdem dürfte eine Schwächung oder Zerschlagung der EU im Interesse des Kreml sein. Oder auch nur ein Keil zwischen Deutschland und Polen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Vongole »

Genau darüber sollte Herr Morawiecki mal nachdenken.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Vongole hat geschrieben:(04 Nov 2021, 15:41)

Genau darüber sollte Herr Morawiecki mal nachdenken.
Er will sie ja nicht zerschlagen, er möchte nach eigenen Worten ein "starkes und großartiges Europa".
Man respektiere auch die Grundsätze der Union, lasse sich aber nicht "einschüchtern".

Der Oppositionsführer Donald Tusk ist übrigens dafür, dass die Corona-Hilfen freigegeben werden.
Die Bevölkerung könne ja nichts für die Verfehlungen der Regierung, so sein Argument.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(04 Nov 2021, 15:26)

Anders zusammengefasst: Polen IST die EU.
Und wenn man die Bürger fragen würde, hätte weder das Sparmodell noch Kommissionspräsidentin Von der Leyen überhaupt eine Chance.
Schön wär's, aber so liegen die Dinge leider nicht. Frau Witek, Vize-Marschallin des Sejm, also Parlamentspräsidentin, ist hiermit in Otyn / Wartenberg auf Demonstranten mit der EU-Flagge zugegangen: "Tu jest Polska, nie Unia. Jestem ciekawa, czy któryś z nich nie korzysta z emerytury w wieku 60 lub 65 lat, nie bierze 500 plus albo 300 plus, albo z darmowych leków dla seniorów..."
  • Und das heißt nun einmal: "Hier ist Polen, nicht die (Europäische) Union. Ich bin neugierig, ob jene, die im Alter von 60 oder 65 Jahren mit ihrer Rente nicht auskommen, nicht doch 500 oder 300 (złote) mehr annehmen, oder kostenfreie Arznei für Senioren..."
Sie können sich den Spaß machen, und unter "Tu jest Polska, nie Unia..." oder "Tu jest Polska, nie Bruksela..." einmal etwas besser unterrichten.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(04 Nov 2021, 16:06)

Er will sie ja nicht zerschlagen, er möchte nach eigenen Worten ein "starkes und großartiges Europa".
Man respektiere auch die Grundsätze der Union, lasse sich aber nicht "einschüchtern".
Und die EU als Gemeinschaft von 27 Mitgliedsstaaten sollte sich nicht von solchen Hütchenspielern am Nasenring durch die Manege führen lassen!
Der Oppositionsführer Donald Tusk ist übrigens dafür, dass die Corona-Hilfen freigegeben werden.
Die Bevölkerung könne ja nichts für die Verfehlungen der Regierung, so sein Argument.
Ja, dann soll doch das Wahlvolk diese unmögliche Regierung zum Teufel jagen...
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(04 Nov 2021, 16:22)

Und die EU als Gemeinschaft von 27 Mitgliedsstaaten sollte sich nicht von solchen Hütchenspielern am Nasenring durch die Manege führen lassen!
Die Parlamente sind legitimiert, im Gegensatz zu manchen Hinterzimmern.
Der Corona-Wiederaufbaufonds ist der größte EU-Subventionstopf der Geschichte. Aber weder der Bundestag noch die meisten anderen nationalen Parlamente hatten echte Mitsprache bei der Mittelverwendung – und auch das EU-Parlament nicht.
https://www.welt.de/politik/deutschland ... fluss.html
Ja, dann soll doch das Wahlvolk diese unmögliche Regierung zum Teufel jagen...
Das wünscht sich der Oppositionsführer Donald Tusk bestimmt auch, nur eben nicht auf dem Rücken der Corona-Hilfe.

Ich glaube ja nicht, dass die Benachteiligung des polnischen Volkes ein gutes Argument sein kann, um polnische Wähler zu überzeugen. Tusk wird das erkannt haben.
Aber Kommissionspräsidentin Von der Leyen hat ja auch keinen Wahlkampf vor sich.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Vongole »

Ich zitiere mal aus einem Gastbeitrag zu Polen von Prof. Franz C.Mayer aus der ZEIT:
Warum also diese frontale Kampfansage von Regierung und regierungstreuem Verfassungsgericht an das Europarecht? Paradoxerweise geht es vorrangig wohl gar nicht so sehr um Europa, sondern um die polnische Innenpolitik. Die PiS-geführte Regierung will die Gesetze so ändern, dass sie dauerhaft an der Macht bleiben kann, sie will einen Umbau des Systems. Im Rahmen ihrer sogenannten Justizreform ab 2015 wurde zuerst das Verfassungsgericht entmachtet. Dann wurde die Unabhängigkeit der polnischen Justiz durch verschiedene Maßnahmen ausgehebelt. Europäische Regelungen stören dabei nur.
(..)
Es geht aber nicht an, dass ein Mitgliedstaat auf Dauer Verpflichtungen aus den Verträgen nicht gelten lassen will. Zumal wenn es – wie hier – um den Kern der Rechtsgemeinschaft geht, die Anerkennung der Autorität des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und den Vorrang des Unionsrechts. Beides wird von Polen grundsätzlich infrage gestellt: Was immer der offizielle Schiri pfeift – man will sich nur an das halten, was der eigene Schiedsrichter entscheidet.
Dabei haben die Mitgliedstaaten sich von Anfang an in den Verträgen verpflichtet, dass sie "Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen" regeln wollen. Vorgesehen ist der EuGH.
Und auch der Vorrang europäischen vor nationalen Rechts findet sich, anders als es Polen und auch Ungarn immer wieder behaupten, sehr wohl verschriftlicht: In einer gemeinsamen Erklärung zum Vertrag von Lissabon haben die Mitgliedstaaten 2007 ausdrücklich festgehalten, dass das Europarecht "im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten" hat.
https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... ettansicht
Auch seine weiteren Ausführungen und Schlussfolgerungen sind lesenswert.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Aber Kommissionspräsidentin Von der Leyen hat ja auch keinen Wahlkampf vor sich.
Dafür aber einen ständigen Vertragsbrecher in seine Schranken zu weisen. Aus dem polnischen Wahlkampf hat die EU sich heraus zu halten... es sei denn, daß dort EU-Vertragsbrüche offen vorbereitet werden.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(04 Nov 2021, 16:54)

Dafür aber einen ständigen Vertragsbrecher in seine Schranken zu weisen. Aus dem polnischen Wahlkampf hat die EU sich heraus zu halten... es sei denn, daß dort EU-Vertragsbrüche offen vorbereitet werden.
Es ist zumindest fraglich, ob die beteiligten EU-Institutionen juristisch sauber handeln - und das sagt nicht nur die polnische Seite, diese sagt ja gleich, es sei ungesetzlich und erpresserisch.
Das Thema wurde in einem ARD-Presseclub besprochen, wobei ein oder zwei Statements empfahlen, die EU solle oder müsse sauber bleiben.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Vongole hat geschrieben:(04 Nov 2021, 16:48)

Ich zitiere mal aus einem Gastbeitrag zu Polen von Prof. Franz C.Mayer aus der ZEIT:



Auch seine weiteren Ausführungen und Schlussfolgerungen sind lesenswert.
Selbst in diesem Meinungsbeitrag wird das Vorgehen von Ländern, die nicht osteuropäische Neumitglieder sind, nicht zur Gänze verschwiegen.
Erwähnt wird ein französischer Fall, in dem es um die Vorratsdatenspeicherung ging. Aber auch ein deutscher Fall:
Die Pkw-Maut hat hierzulande gezeigt, wie schnell die damaligen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD die Europarechtsbindung für einen kleinen taktischen Vorteil zu opfern bereit waren.
https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... ettansicht

Die Intention des Herrn Professors ist klar, aber dass sich auch die wohlhabenderen Länder nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, dürfte nahezu bekannt sein.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Vongole »

DarkLightbringer hat geschrieben:(04 Nov 2021, 23:56)

(..)

Die Intention des Herrn Professors ist klar, aber dass sich auch die wohlhabenderen Länder nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, dürfte nahezu bekannt sein.
Du bist echt zu bedauern.
Am Yisrael Chai

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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Vongole hat geschrieben:(04 Nov 2021, 23:58)

Du bist echt zu bedauern.
Und der Professor?
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Vongole »

DarkLightbringer hat geschrieben:(05 Nov 2021, 00:00)

Und der Professor?
Der weiß im Gegensatz zu dir, wovon er spricht.
Am Yisrael Chai

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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Vongole hat geschrieben:(05 Nov 2021, 00:01)

Der weiß im Gegensatz zu dir, wovon er spricht.
Er deutet das offene Geheimnis jedenfalls an, was für Verfechter der Eskalation eher ein Tabu zu sein scheint.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Wähler »

Vongole hat geschrieben:(04 Nov 2021, 16:48)
Ich zitiere mal aus einem Gastbeitrag zu Polen von Prof. Franz C.Mayer aus der ZEIT:
Auch seine weiteren Ausführungen und Schlussfolgerungen sind lesenswert.
Folglich gibt es ja auch die Möglichkeit der Suspendierung der EU-Mitgliedschaft über Artikel 7 des Lissabon-Vertrages. Nur funktioniert dieses Verfahren in der politischen Praxis wegen des Einstimmigkeitsprinzips nicht. Das Verfahren mittels des EUGH ist formaljuristisch nicht so eindeutig klar, wie Franz C. Mayer das darstellt:
Badische Zeitung 25. Juni 2021 Verfassungsrichter kritisiert das Vorgehen des EuGH bei der Justizkontrolle in Polen
https://www.genios.de/document?id=BADZ_ ... t&offset=0
"Doch 2018 hatte sich der EuGH - in einem Urteil zur Situation in Portugal - doch eine Kontroll-Kompetenz für die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Staaten verschafft. Er stützte sich dabei auf Artikel 2 des EU-Vertrags, in dem die Rechtsstaatlichkeit als gemeinsamer Wert der EU erwähnt ist. "Aus einer vagen Formulierung hat der EuGH einen präzisen Maßstab zur Rechtsstaatskontrolle entwickelt", monierte Voßkuhle...
Um Konflikte zwischen dem EuGH und nationalen Verfassungsgerichten einzuhegen, schlug Voßkuhle einen Kompetenzgerichtshof vor. Dieser könne zu einem Drittel mit EuGH-Richtern und zu zwei Dritteln mit nationalen Verfassungsrichtern besetzt sein"
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

@ Wähler:

Das Bestreben des deutschen Verfassungsrichters ist doch durchsichtig: Er möchte einen Zipfel der Entscheidungsmacht in seinen deutschen Händen haben. Ich meine, daß die EU sich mit dem EuGH ohne Gegenwehr eine Einrichtung geschaffen hat, die mehr als hinreichend fachlich vorgebildet ist, um Streitigkeiten auf EU-Ebene zu entscheiden. Noch 'ne Instanz und noch 'ne Instanz.... dann dauern Streitigkeiten ewig.
Das Gericht besteht aus je zwei Richtern oder Richterinnen pro Mitgliedsstaat, also insgesamt 54 Richtern. Die Richter und Richterinnen beider Gerichte sowie die Generalanwälte und Generalanwältinnen werden von ihren nationalen Regierungen für 6 Jahre ernannt. Beide Gerichte wählen einen Präsidenten für 3 Jahre. Zudem können sogenannte Fachgerichte gebildet werden.
Wenn ein Land die Rechtslage hartnäckig anders einschätzt als die Mehrheit der 54 EuGH-Richter, dann sollte es seine Sachen packen und die EU verlassen. Da waren die Briten wirklich glasklar. So weh mir diese britische Entscheidung tut... sie war durch diese Brille gesehen nur fair!
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(04 Nov 2021, 15:35)

Es sind sogar US-Truppen im Land.
Trotzdem dürfte eine Schwächung oder Zerschlagung der EU im Interesse des Kreml sein. Oder auch nur ein Keil zwischen Deutschland und Polen.
Um so irritierender, dass die polnische Regierung bei der von Ungarn initiierten Spaltung mitspielt.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

https://www.youtube.com/watch?v=9FBu2rVuXGI
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Haegar »

Wähler hat geschrieben:(05 Nov 2021, 06:12)

.. Das Verfahren mittels des EUGH ist formaljuristisch nicht so eindeutig klar, wie Franz C. Mayer das darstellt:
Badische Zeitung 25. Juni 2021 Verfassungsrichter kritisiert das Vorgehen des EuGH bei der Justizkontrolle in Polen
https://www.genios.de/document?id=BADZ_ ... t&offset=0
"Doch 2018 hatte sich der EuGH - in einem Urteil zur Situation in Portugal - doch eine Kontroll-Kompetenz für die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Staaten verschafft. Er stützte sich dabei auf Artikel 2 des EU-Vertrags, in dem die Rechtsstaatlichkeit als gemeinsamer Wert der EU erwähnt ist. "Aus einer vagen Formulierung hat der EuGH einen präzisen Maßstab zur Rechtsstaatskontrolle entwickelt", monierte Voßkuhle...
Um Konflikte zwischen dem EuGH und nationalen Verfassungsgerichten einzuhegen, schlug Voßkuhle einen Kompetenzgerichtshof vor. Dieser könne zu einem Drittel mit EuGH-Richtern und zu zwei Dritteln mit nationalen Verfassungsrichtern besetzt sein"
Voßkuhle versteht als Jurist natürlich genau, dass das Fortentwickeln einer "vagen" Formulierung zu einem präzisen Maßstab hin, ja genau die Aufgabe eines Gerichts ist. Und welchen "Konflikt" der Ex-Verfassungsrichter dabei sehen will führt Dein Zitat nicht aus.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(04 Nov 2021, 15:08)

Polen verteidigt nicht die europäischen Außengrenzen. Die PiS-Polen wollen nur ihre eigenen Ärsche verteidigen. Die heulen jetzt rum, weil es an ihre eigenen Ärsche geht. Als es um die Ärsche der Griechen gegangen ist, war das den PiS-Pissern völlig egal. Da war das ein "griechisches" Problem. Von Rechts wegen sollte, müsste und dürfte Deutschland gnadenlos alle Flüchtlinge sofort nach Polen zurück verfrachten. Das passiert nur deshalb nicht, weil Deutschland sich als EU-Mitgliede solidarisch verhält. Und das ist eine Idee, die der PiS völlig fremd ist.
Mal abgesehen davon, dass solche sprachvulgären Abgleitungen nicht in ein Politik-Forum gehören. Nur zur Aufklärung: Die über 80prozentige Zustimmung der polnischen Bevölkerung zur EU ist natürlich widersrprüchlich. Allgemein heißt es: EU ist gut. Wenns an konkrete Fragestellungen geht, wie zum Beispiel Abtreibung, sexuelle Orientierung usw. siehts auf einmal ganz anders aus. So widersprüchlich sind die realen Verhältnisse nun mal. Nicht nur in Polen.

Wichtiger noch: Es heult niemand rum. Noch einmal und zum wiederholtem Male: Polen steht nach allen seriösen Wirtschaftsprognosen vor einer Verdopplung des BIP in einem Zeitraum von nur einmal 10 Jahren (bis 2030). Und Polen ist in Bezug auf Deutschland an großen EU-Ländern wie Italien oder Frankreich zum viertwichtigsten Importland weltweit vorbeigezogen. Das was da irgendwie an Geldern aus politischen Gründen zurückgehalten wird, sind Peanuts dagegen. Würde man den Importhandel Polen-Deutschland auf die Einwohnerzahl beziehen - mir fehlen da jetzt die entsprechenden genauen Werte - wäre Polen neben Niederlande für Deutschland vermutlich das überhaupt wichtigste Lieferland.

Jetzt muss man noch mal berücksichtigen, dass mit dem Brexit eines der gravierendsten Probleme Polens einem Ende zugeht: Die Fachkräfteabwanderung. In einem Interview kürzlich zu den wirklich verwirrenden AUswirkungen des Nordirland-Protokolls meinte der Chef einer nordirischen Fischereigemeinschaft sinngemäß: Wissen Sie, das mit den Fanggebieten und Grenzkontrollen usw. das bekommen wir schon alles gemanaget. Was wir nicht gemanaget bekommen: Dass uns die polnischen Arbeitskräfte fehlen.

Die Entgegensetzung "Warschau" hier und "Brüssel" dort ist schon einmal falsch. Polen ist Mitglied der EU. Es handelt sich also nicht um eine Auseinandersetzung "der EU" mit irgendwas Außenstehendem sonden um einen internen EU-Konflikt.

Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Konstruktion "EU" fragwürdig ist. Erst kürzlich hörte ich in einem Kommentar die Formulierung, bei der EU handele es sich im Kern um eine Tafel mit 27 Königen und Königinnen. Auch wenn es Institutionen wie die Kommission, die EZB oder das Parlament gibt. Beigestellte Institutionen gab es auch schon in den Königshäusern des Mittelalters. Und eine gewisse Macht hatten die auch schon. Zum Beispiel bei der Bewilligung von Geldern für die verschiedenen Feldzüge. Auch die Könige von heute werden ihre Macht unter keinen Umständen irgendwie soweit abgeben, dass sie nicht mehr die Dinge unter Kontrolle haben. Da braucht man sich keine Illusionen zu machen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(04 Nov 2021, 23:56)

Selbst in diesem Meinungsbeitrag wird das Vorgehen von Ländern, die nicht osteuropäische Neumitglieder sind, nicht zur Gänze verschwiegen.
Erwähnt wird ein französischer Fall, in dem es um die Vorratsdatenspeicherung ging. Aber auch ein deutscher Fall:
https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... ettansicht

Die Intention des Herrn Professors ist klar, aber dass sich auch die wohlhabenderen Länder nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, dürfte nahezu bekannt sein.
Mein Gott, jetzt wird auch noch das deutsche Maut-Debakel als Beispiel dafür herangeführt, dass die polnische PiS das legitime Recht hat, den Rechtsstaat abzuschaffen! Dabei ist doch gerade dieses Maut-Debakel der beste Beweis dafür, dass Deutschland sich im Zweifel euopäischem Recht fügt. Weder die SPD noch die CDU noch die CSU hat die Europarechtsbindung für irgendwas geopfert. Es gibt in Deutschland heute keine Maut. Deutschland hat in vollem Umfang akzeptiert, dass Europa bestimmte Vorstellungen bayerischer Separatisten nicht akzeptiert hat. Punkt. Das ist etwas völlig anderes als das, was die PiS gerade probiert.

Und jetzt mach Dich mal locker und denk entspannt darüber nach, was Du eigentlich willst. Willst Du tatsächlich für das "Recht" der PiS streiten, den Rechtsstaat und die Demokratie abzuschaffen???? Willst Du das? Genau das passiert nämlich gerade, und genau das versuchst Du unausgesetzt zu rechtfertigen.

Ich hatte Dich bislang nicht so eingeschätzt, dass Dir Demokratie und Rechtsstaat scheißegal sind. Aber wenn Du es zwanghaft willst, ändere ich meine Einschätzung natürlich.

Unter dem Strich bleibt die Tatsache, dass Polen sich an die europäischen Verträge halten muss. Wenn die PiS das nicht mehr will, dann soll sie den Austritt aus der EU anstreben. Offen und ehrlich. Das wird dann natürlich einen Bürgerkrieg in Polen auslösen. Fakt ist jedenfalls, dass die EU sich nicht verbiegen muss, damit Kaczynski einen schönen Abgang hat. Pacta sunt servanda. Polen hat Verträge unterzeichnet. Diese Verträge müssen ohne Wenn und Aber erfüllt werden.

Dass Du es als "demokratisches" Recht betrachtest, die Demokratie durch Mehrheitsentsscheidung abschaffen zu dürfen, ist Dein ganz spezelles Problem. Ich finde nur, dass Du Dich nicht mehr Demokrat nennen darfst, wenn Du das ernst meinst.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(05 Nov 2021, 13:31)

Mein Gott, jetzt wird auch noch das deutsche Maut-Debakel als Beispiel dafür herangeführt, dass die polnische PiS das legitime Recht hat, den Rechtsstaat abzuschaffen! Dabei ist doch gerade dieses Maut-Debakel der beste Beweis dafür, dass Deutschland sich im Zweifel euopäischem Recht fügt. Weder die SPD noch die CDU noch die CSU hat die Europarechtsbindung für irgendwas geopfert. Es gibt in Deutschland heute keine Maut. Deutschland hat in vollem Umfang akzeptiert, dass Europa bestimmte Vorstellungen bayerischer Separatisten nicht akzeptiert hat. Punkt. Das ist etwas völlig anderes als das, was die PiS gerade probiert.
Nun mal langsam. "Den Rechtsstaat abschaffen" (zur Gänze) will auch die PiS nicht. Es geht um die Frage des Rechststaatlichkeitsabbaus. Und hier vor allem um die Unabhängigkeit der Presse und der Justiz. Es ist nicht so, dass zu erwarten ist, dass irgendwann in Polen jedermann jeden straflos abknallen kann. Wenn man das politisch und historisch einordnen will, sollte man sich die Parallelen dazu in aller Welt anschauen. Türkei ist das erste Beispiel, das mir dazu einfällt. Seit der Trump-Ära gibt es in den USA so etwas wie einen Kampf um die Regeln der SUpreme-Court-Besetzung. Momentan gehts wieder in eine liberalere Richtung. (Nicht Lebenszeit). Darüber muss man mal eine Weile nachdenken. Das ist nicht als whataboutism-Argument gemeint. Was steckt als historische Tendenz eigentlich hinter diesem Trend?
Und jetzt mach Dich mal locker und denk entspannt darüber nach, was Du eigentlich willst. Willst Du tatsächlich für das "Recht" der PiS streiten, den Rechtsstaat und die Demokratie abzuschaffen???? Willst Du das? Genau das passiert nämlich gerade, und genau das versuchst Du unausgesetzt zu rechtfertigen.

Ich hatte Dich bislang nicht so eingeschätzt, dass Dir Demokratie und Rechtsstaat scheißegal sind. Aber wenn Du es zwanghaft willst, ändere ich meine Einschätzung natürlich.

Unter dem Strich bleibt die Tatsache, dass Polen sich an die europäischen Verträge halten muss. Wenn die PiS das nicht mehr will, dann soll sie den Austritt aus der EU anstreben. Offen und ehrlich. Das wird dann natürlich einen Bürgerkrieg in Polen auslösen.
Einen Bürgerkrieg wird es nicht auslösen. Es wird nur das nochmal verstärken, was in der Gesellschaft ohnehin schon bemerkbar ist: Ein Riss. In verschiedenen soziologischen Untersuchungen zum Brexit war häufig von einem "Glaubenskrieg" die Rede. Und von einem RIss, der sich quer durch Freundschaften und Familien ziehe. So in etwa wäre es auch in Polen. Der Unterschied ist (und hier gehts ja grade um die xy-exits): Der Austritt aus dem EU-Binnenmarkt steht - anders als in UK - für keinen einzigen Polen zur Debatte. Das will wirklich niemand. Und das will auch niemand außerhalb von Polen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Der Unterschied ist (und hier gehts ja grade um die xy-exits): Der Austritt aus dem EU-Binnenmarkt steht - anders als in UK - für keinen einzigen Polen zur Debatte. Das will wirklich niemand. Und das will auch niemand außerhalb von Polen.
Das sehen Sie richtig! Aber von ständig auf Krawall gebürsteten polnischen Regierungen will auch kein Europäer etwas wissen. Deshalb meine ich, daß Polen sich aussuchen sollte, ob das Land eine Rolle spielen will wie Norwegen oder die Schweiz... also Binnenmarkt, Schengener Abkommen, aber auch Mitgliedsbeitrag zur Pflege des Gemeinsamen Markts. Dafür aber nicht im EU-Parlament, nicht im EU-Ministerrat, nicht in der EU Kommission, nicht im Euro, nicht in den Transferzahlungen für Landwirte und Entwicklung seiner Regionen oder im Fonds zur Überwindung der Folgen der Pandemie und auch nicht im EuGH, wobei Entscheidungen des EuGH dennoch im Binnenmarkt verbindlich sind.

Beides, also Souveränität nach Belieben und Einbindung in die Institutionen der EU ist jedenfalls nicht zu haben. Mich wundert ein wenig, daß "elder statesmen" Polen das noch nicht klipp und klar entgegnet haben... spätestens als MP Morawiecki meinte, daß die EU Polen erpressen wolle. Die EU will, daß Polen die geschlossenen Verträge erfüllt und sich in die EU einfügt wie andere Mitgliedsstaaten auch. Oder eben den anderen Weg geht, der ihm (fast) jede Freiheit läßt.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Haegar hat geschrieben:(05 Nov 2021, 09:47)

Voßkuhle versteht als Jurist natürlich genau, dass das Fortentwickeln einer "vagen" Formulierung zu einem präzisen Maßstab hin, ja genau die Aufgabe eines Gerichts ist. Und welchen "Konflikt" der Ex-Verfassungsrichter dabei sehen will führt Dein Zitat nicht aus.
Artikel 4 und 5 des EU-Vertrages sind dafür weit weniger vage formuliert und die Selbstermächtigung zur Kompetenz-Kompetenz ist schon etwas gewagt.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Haegar »

DarkLightbringer hat geschrieben:(05 Nov 2021, 15:07)

Artikel 4 und 5 des EU-Vertrages sind dafür weit weniger vage formuliert und die Selbstermächtigung zur Kompetenz-Kompetenz ist schon etwas gewagt.
Er hat auch gesagt, dass der EuGH dieses Wagnis bereits vorher gegangen ist und auch mangels gesetzlicher/vertraglicher Regelungen gehen musste. Ebenso sieht er in der aktuellen Entwicklung in Polen selbst auch ein Rechtsstaatsproblem.
Er eignet sich nicht als Anwalt der polnischen Regierung in ihrem Rechtsstaatsproblem.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(05 Nov 2021, 15:07)

Artikel 4 und 5 des EU-Vertrages sind dafür weit weniger vage formuliert und die Selbstermächtigung zur Kompetenz-Kompetenz ist schon etwas gewagt.
Das Gerede über die angebliche Selbstermächtigung wird langsam ermüdend. Mit dem Beitritt zur EU hat Polen sich verpflichtet, demokratische Prinzipien zu achten und Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Um mehr geht es nicht. Du argumentierst die ganze Zeit, dass Polen jetzt keine Rechtsstaatlichkeit mehr wahren müsse. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Du das wirklich so meinst. Das alles hat mit "Selbstermächtigung" überhaupt nichts zu tun. Es geht allein um die Frage, dass Polen Grundprinzipie des EU-Rechts mal anerkannt hat und diese jetzt nicht mehr infrage stellen darf.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Haegar hat geschrieben:(05 Nov 2021, 19:34)

Er hat auch gesagt, dass der EuGH dieses Wagnis bereits vorher gegangen ist und auch mangels gesetzlicher/vertraglicher Regelungen gehen musste. Ebenso sieht er in der aktuellen Entwicklung in Polen selbst auch ein Rechtsstaatsproblem.
Er eignet sich nicht als Anwalt der polnischen Regierung in ihrem Rechtsstaatsproblem.
Ein hochrangiger deutscher Jurist und ehemaliger Verfassungsrichter wäre für Polen auch zu viel der Ehre, ein Pflichtverteidiger muss hier genügen. ;)

Der EU-interne Konflikt wirft m. E. ohnehin mehr Fragen auf als Antworten.
Klar ist, die Rechtsreform in Polen ist umstritten, sowohl im Land selbst - die Opposition ist dagegen - wie auch außerhalb.

Bekannt sind aber auch die Demokratiedefizite der EU-Institutionen und die Gewaltenteilung ist nicht gerade glänzend, vorsichtig ausgedrückt.
Kompetenzerweiterungen sind naheliegenderweise strittig. Zum einen, weil das viele EU-Staaten in der Praxis so nicht hinnehmen, zum andern weil das der EU-Vertrag auch gar nicht hergibt.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Kohlhaas hat geschrieben:(05 Nov 2021, 19:47)

Das Gerede über die angebliche Selbstermächtigung wird langsam ermüdend. Mit dem Beitritt zur EU hat Polen sich verpflichtet, demokratische Prinzipien zu achten und Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Um mehr geht es nicht. Du argumentierst die ganze Zeit, dass Polen jetzt keine Rechtsstaatlichkeit mehr wahren müsse. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Du das wirklich so meinst. Das alles hat mit "Selbstermächtigung" überhaupt nichts zu tun. Es geht allein um die Frage, dass Polen Grundprinzipie des EU-Rechts mal anerkannt hat und diese jetzt nicht mehr infrage stellen darf.
Eben auf die Einhaltung des EU-Vertrages dringt ja Warschau. Kritisiert werden Mauscheleien. Gegen die Zurückhaltung der Corona-Hilfe wird, glaube ich, auch formell geklagt.
Und es ist auch nicht zutreffend, dass ein EU-Staat bzw. dessen Regierung keine Fragen stellen dürfte.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(05 Nov 2021, 23:49)

Eben auf die Einhaltung des EU-Vertrages dringt ja Warschau. Kritisiert werden Mauscheleien. Gegen die Zurückhaltung der Corona-Hilfe wird, glaube ich, auch formell geklagt.
Und es ist auch nicht zutreffend, dass ein EU-Staat bzw. dessen Regierung keine Fragen stellen dürfte.
Polen kann sämtliche Rechte der EU für die Verteidigung seiner Rechtsauffassung nutzen, muß aber ertragen, daß EU Kommission und EuGH das Recht aus ihrer Sicht auch so sehen. Am Ende entscheidet der EuGH mit Mehrheit, und jedes EU-Mitglied hat diese Entscheidung zu ertragen... oder siehe GB. Etwas belustigt nehme ich zur Kenntnis, daß Polen ein vermeintliches Recht formell einklagen möchte von einer EU-Instanz, deren Urteil Polen nicht anerkennen will. Na ja, der Lockruf des Geldes wird schon für die notwendigen Einsichten sorgen.

Eine völlig andere Kanne Bier ist das Recht der EU-Partner und auch Polens, unangenehme Fragen stellen zu dürfen. Unter Partnern redet man darüber mit offenem Visier und sucht eine gütliche Einigung... oder beugt sich dem abschließenden Urteil des EuGH. Oder man ist kein Partner mehr, sondern ein Querulant.

Für das deutsch-polnische Verhältnis gibt es gute Nachrichten: Der polnischen Botschafter in Berlin, Prof. Dr. Wolfgang Przylebski, wird nach dem polnischen Unabhängigkeitstag (11. November 1918) am kommenden Donnerstag seinen Posten aufgeben, um sich an der Universität Adam Mickiewicz in Posen wieder ganz den Wissenschaften zuwenden zu können. Meine aufrichtige Teilnahme gilt den Studierenden und dem Lehrkörper dieser Universität. Jetzt sollten wir Deutschen hoffen, daß an seiner Stelle nicht Herr Robert Bąkiewicz nach Berlin abgeordnet wird, um die Verbundenheit von Straż Narodowy "Volkswacht" und AfD aus zu bauen. Ja, auf solche Gedanken kommen Leser der Gazeta Wyborcza, die den Vorgang auf ihre Weise kommentieren :D .

Frau Julia Przylębska ist die Ehefrau des Botschafters... und jene frisch ernannte Verfassungsrichterin, die die Unverträglichkeit der polnischen Verfassung mit dem EU-Recht festgestellt hatte, nicht etwa um das polnische Recht daran an zu gleichen, sondern seinen Vorrang vor dem EU-Recht ein zu fordern... zumindest in Polen. So hängt eben in Polen vieles mit vielem zusammen... :thumbup:
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2021, 14:49)

Polen kann sämtliche Rechte der EU für die Verteidigung seiner Rechtsauffassung nutzen, muß aber ertragen, daß EU Kommission und EuGH das Recht aus ihrer Sicht auch so sehen. Am Ende entscheidet der EuGH mit Mehrheit, und jedes EU-Mitglied hat diese Entscheidung zu ertragen... oder siehe GB. Etwas belustigt nehme ich zur Kenntnis, daß Polen ein vermeintliches Recht formell einklagen möchte von einer EU-Instanz, deren Urteil Polen nicht anerkennen will. Na ja, der Lockruf des Geldes wird schon für die notwendigen Einsichten sorgen.

Es gibt keine Austrittsbewegung wie in GB. Der Vergleich ist also schräg. Ebenso könnte man fantasievoll die Frage erheben, ob Deutschland aus der EU austreten wird oder vlt. der EUGh.
Die Republik Polen respektiert das Unionsrecht, Morawiecki hat das sehr deutlich gesagt, wie aber auch die eigene Verfassung. Andere EU-Staaten handhaben das im Prinzip nicht anders.
Wir haben in Deutschland sogar eigens einen Verfassungsschutz, nur um die Nämliche zu verteidigen.

Die Republik Polen wird schon allein deshalb an das EUGh wenden, weil es nunmal keine höhere oder unbefangene Instanz gibt. Formal ist dieser Schritt daher nur logisch.
Und nebenbei stehen die EU-Institutionen ja auch irgendwie unter Beobachtung, seitens der Presse. Es obliegt also wohlbedacht im Ermessen der Instanz, mehr oder weniger sauber zu arbeiten.
Hinzu kommt, dass die Handlungsweise in der Frage der Corona-Hilfe juristisch begründet werden muss. Das finden manche spannend.
Eine völlig andere Kanne Bier ist das Recht der EU-Partner und auch Polens, unangenehme Fragen stellen zu dürfen. Unter Partnern redet man darüber mit offenem Visier und sucht eine gütliche Einigung... oder beugt sich dem abschließenden Urteil des EuGH.
Die EU-interne Krise ist weitestgehend selbstverschuldet, gerade weil man auf Eskalation gesetzt hat.
Oder man ist kein Partner mehr, sondern ein Querulant.
Das wäre eine riskante Ansicht der Instanz, die weder über Gewehre noch über Gerichtsvollzieher oder Stimmrecht verfügt, um ein EU-Land ernsthaft bedrohen zu können.
Für das deutsch-polnische Verhältnis gibt es gute Nachrichten: Der polnischen Botschafter in Berlin, Prof. Dr. Wolfgang Przylebski, wird nach dem polnischen Unabhängigkeitstag (11. November 1918) am kommenden Donnerstag seinen Posten aufgeben, um sich an der Universität Adam Mickiewicz in Posen wieder ganz den Wissenschaften zuwenden zu können. Meine aufrichtige Teilnahme gilt den Studierenden und dem Lehrkörper dieser Universität. Jetzt sollten wir Deutschen hoffen, daß an seiner Stelle nicht Herr Robert Bąkiewicz nach Berlin abgeordnet wird, um die Verbundenheit von Straż Narodowy "Volkswacht" und AfD aus zu bauen. Ja, auf solche Gedanken kommen Leser der Gazeta Wyborcza, die den Vorgang auf ihre Weise kommentieren :D .
Es gibt überall Leser, die mal mit mehr oder weniger originellen Gedanken aufwarten.
Frau Julia Przylębska ist die Ehefrau des Botschafters... und jene frisch ernannte Verfassungsrichterin, die die Unverträglichkeit der polnischen Verfassung mit dem EU-Recht festgestellt hatte, nicht etwa um das polnische Recht daran an zu gleichen, sondern seinen Vorrang vor dem EU-Recht ein zu fordern... zumindest in Polen. So hängt eben in Polen vieles mit vielem zusammen... :thumbup:
Wie schon gesagt, die Ehe ist kein Verbrechen. Zumindest wäre das doch eine sehr, sehr weite Auslegung des EU-Vertrages (den ja alle unterschrieben haben).
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

...die Ehe ist kein Verbrechen.
Parteienfilz ist aber schon arg anrüchig... zumindest in meiner Vorstellungswelt.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2021, 15:35)

Parteienfilz ist aber schon arg anrüchig... zumindest in meiner Vorstellungswelt.
Okay, Deutschland tritt aus der EU aus. In welcher Welt auch immer.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(06 Nov 2021, 15:37)

Okay, Deutschland tritt aus der EU aus. In welcher Welt auch immer.
Zumindest wäre ein sehr hartes Vorgehen gegen solche Machenschaften angezeigt, nicht nur in Polen, das ist auch wahr. Dennoch ist das Ausmaß des Filzes in Polen erschreckend groß. Vor 4 Wochen wurde in der Gazeta Wyborcza ausgebreitet, wie sich die PiS-Partei der Betriebe und Einrichtungen bemächtigt, in denen der Staat ein Mitspracherecht hat.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2021, 15:43)

Zumindest wäre ein sehr hartes Vorgehen gegen solche Machenschaften angezeigt, nicht nur in Polen, das ist auch wahr. Dennoch ist das Ausmaß des Filzes in Polen erschreckend groß. Vor 4 Wochen wurde in der Gazeta Wyborcza ausgebreitet, wie sich die PiS-Partei der Betriebe und Einrichtungen bemächtigt, in denen der Staat ein Mitspracherecht hat.
Mag sein, wobei eine regierungsnahe Journalistin mal meinte, Posten werden eben getauscht, sie selbst habe unter der früheren Regierung trotz guter Ausbildung keinerlei Chance gehabt.

Aber hören Sie sich mal Christian Lindner an, was dieser über den VW-Aufsichtsrat sagt.
Wenn man wegen solcher Belange jedesmal die EU umbauen oder verkleinern würde, dann wäre binnen weniger Jahre nur noch das Atommodell in Brüssel übrig.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(06 Nov 2021, 15:51)

Mag sein, wobei eine regierungsnahe Journalistin mal meinte, Posten werden eben getauscht, sie selbst habe unter der früheren Regierung trotz guter Ausbildung keinerlei Chance gehabt.

Aber hören Sie sich mal Christian Lindner an, was dieser über den VW-Aufsichtsrat sagt.
Wenn man wegen solcher Belange jedesmal die EU umbauen oder verkleinern würde, dann wäre binnen weniger Jahre nur noch das Atommodell in Brüssel übrig.
Nun ja, verstehendes Lesen ist nicht jedermanns Sache. Es ging um eine gute Nachricht für das deutsch-polnische Verhältnis und eine rein zufällige Verbindung zum polnischen Verfassungsgericht.

Der VW-Aufsichtsrat und das Atomium gehören also auch noch irgendwie zusammen. Toll!
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2021, 16:10)

Nun ja, verstehendes Lesen ist nicht jedermanns Sache. Es ging um eine gute Nachricht für das deutsch-polnische Verhältnis und eine rein zufällige Verbindung zum polnischen Verfassungsgericht.

Der VW-Aufsichtsrat und das Atomium gehören also auch noch irgendwie zusammen. Toll!
E pluribus unum, alles gehört zusammen, das macht die Vielfalt in Europa aus, trotz oder wegen der Verschiedenheiten.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Haegar »

DarkLightbringer hat geschrieben:(05 Nov 2021, 23:36)

Ein hochrangiger deutscher Jurist und ehemaliger Verfassungsrichter wäre für Polen auch zu viel der Ehre, ein Pflichtverteidiger muss hier genügen. ;)

Der EU-interne Konflikt wirft m. E. ohnehin mehr Fragen auf als Antworten.
Klar ist, die Rechtsreform in Polen ist umstritten, sowohl im Land selbst - die Opposition ist dagegen - wie auch außerhalb.

Bekannt sind aber auch die Demokratiedefizite der EU-Institutionen und die Gewaltenteilung ist nicht gerade glänzend, vorsichtig ausgedrückt.
Kompetenzerweiterungen sind naheliegenderweise strittig. Zum einen, weil das viele EU-Staaten in der Praxis so nicht hinnehmen, zum andern weil das der EU-Vertrag auch gar nicht hergibt.
Die Rechtsreform in Polen ist nicht umstritten, sondern in seiner Ausgestaltung unstrittig Rechtsstaatswidrig.
Dieser Zustand wird nicht gemildert durch auch strittige Kompetenzerweiterungen.
Zumal ich der Meinung bin, dass sowohl der EU-Vertrag und die rechtskonstituierende Rechtssprechung des EuGH die Kompetenz des EuGH begründen.
Deshalb wird es deutlich, dass der EU-Vertrag verfassungsbildene Kraft entfaltet.
Und gegen diese faktische Entwicklung wehren sich nationalkonservative Kräfte.
Also ein politischer Kampf gegen rechtlich schon eingesetzte Pfosten.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Haegar hat geschrieben:(06 Nov 2021, 21:39)

Die Rechtsreform in Polen ist nicht umstritten, sondern in seiner Ausgestaltung unstrittig Rechtsstaatswidrig.
Dieser Zustand wird nicht gemildert durch auch strittige Kompetenzerweiterungen.
Zumal ich der Meinung bin, dass sowohl der EU-Vertrag und die rechtskonstituierende Rechtssprechung des EuGH die Kompetenz des EuGH begründen.
Deshalb wird es deutlich, dass der EU-Vertrag verfassungsbildene Kraft entfaltet.
Und gegen diese faktische Entwicklung wehren sich nationalkonservative Kräfte.
Also ein politischer Kampf gegen rechtlich schon eingesetzte Pfosten.
Das ist zwar grundsätzlich richtig. Aber man kommt einfach nicht zu den relevanten Schliussfolgerungen, wenn man seinen Blick auf Polen verengt. Jahrelang war öfter mal die Rede davon, dass Österreich an der Kippe zum Orbanismus steht. Ich verfolge das schon seit einiger Zeit. Dieser Kipppunkt ist längst erreicht. Auch wenn der Kanzler zurückgetreten ist. Andere EVP-Parteien wehren sich irgendwie gegen den Verlust ihrer Rolle als (verbliebene) Volkspartei. Die ÖVP nicht! Die hat ihre Drift in Richtung Rechtspopulismus und Personenkult sogar aktiv befördert. Von "roten Netzwerken" in der Justiz war von seiten der ÖVP die Rede. Das erinnert fatal an Polen. Wenns so wäre, wäre es schlimm, aber es handelt sich einfach um den Versuch, da mal mit dem Besen durchzufegen.

Worum geht es eigentlich wirklich und im Kern? Darum dass die Gesellschaften des sogenannten Westens keine Konsensgesellschaften mehr sind. WIe noch in den Nachkriegsjahrzehnten bis etwa 1990. Selbst Intimfeinde wie Strauß und Wehner gelten heute als eine Art Kult. Politiker, von denen man sich vorstellen kann, dass sie abends im Wirtshaus ein Bierchen trinken, Zusammen mit Gewerkschaftsvertretern und Arbeitgeberchefs. Das ist vorbei! Wie also organisiert man so etwas wie längerfistige Einflussmöglichkeiten? Das erste was den Parteichefs einfällt, ist immer Justiz und Presse und Medien. Und dann als zweites sowas wie Heimat, Nation, traditionelle Werte. Der Prozess der Aufspaltung der Gesellschaften in völlig disjunkte Sozialmillieus lässt sich aber so nicht aufhalten.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Haegar hat geschrieben:(06 Nov 2021, 21:39)

Die Rechtsreform in Polen ist nicht umstritten, sondern in seiner Ausgestaltung unstrittig Rechtsstaatswidrig.
Was allerdings bestritten wird.
Dieser Zustand wird nicht gemildert durch auch strittige Kompetenzerweiterungen.
Das wiederum könnte man in der Tat so sehen.
Zumal ich der Meinung bin, dass sowohl der EU-Vertrag und die rechtskonstituierende Rechtssprechung des EuGH die Kompetenz des EuGH begründen.
Da würde ich mir nochmal Artikel 2 und 5 des EU-Vertrages zu Gemüte führen.
Deshalb wird es deutlich, dass der EU-Vertrag verfassungsbildene Kraft entfaltet.
Man nennt es auch Selbstermächtigung. Kraftentfaltung klänge aber poetischer.
Und gegen diese faktische Entwicklung wehren sich nationalkonservative Kräfte.
Also ein politischer Kampf gegen rechtlich schon eingesetzte Pfosten.
Nicht nur. Auch andere Regierungen hören auf die eigenen, obersten Gerichte.

Die tiefere Problematik liegt eigentlich darin, dass man hier mehr oder weniger mit Tricks und Winkelzügen arbeitet. Das mag für beide Seiten zutreffen, vielleicht auch zu unterschiedlichen Anteilen und sicher mit unterschiedlichen Motiven, aber die Zurschaustellung dieser Tricks, so nenne ich das mal ganz unpoetisch, ist der maßgebliche Faktor für diesen EU-internen Konflikt, der sich zu einer nahezu ernsten Rechts- und Glaubwürdigkeitskrise ausweiten kann.

Der Hinweis der Bundeskanzlerin, Politik könne ja nicht nur aus einer Kaskade an Rechtsstreitigkeiten bestehen, ihr zartes Anraten zur Dialogbereitschaft, das war wahrscheinlich gar nicht unweise.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Prof. Dr. habil. Adam Bodnar von der privaten Universität für Sozialwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften (SWPS) in Warschau geht in der Gazeta Wyborcza auf die europäische Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung ein. In der Regel liefern EU-Mitglieder gemäß Fahndungsblättern der EU (Grundlage: ENA= Europäische Netzwerk Gemeinschaft) aufgegriffene Straftäter an den Heimatstaat aus. Norwegen, das nicht Vollmitglied der EU ist, arbeitet in dieser Gemeinschaftseinrichtung mit. Ein norwegisches Gericht hat nun entschieden, daß ein in Polen gesuchter Straftäter nicht aus norwegischer Haft nach Polen ausgeliefert werden darf, weil ihn dort kein neutrales Rechtsverfahren erwarte.

Prof. Bodnar hält diese Bewertung des norwegischen Gerichts in der Region Vestfold für ein starkes Warnsignal, daß Polen sich eben nicht nur im Streit um vorenthaltene Mittel der EU befindet, sondern praktisch aus der Rechtsgemeinschaft der EU ausgeschlossen wird. Das norwegische Gericht ist auch nicht das einzige oder erste der EU, das so entschieden hat. In einem ähnlich gelagerten Fall hat ein Gericht in Irland mit gleicher Begründung ebenfalls verhindert, daß ein polnischer Straftäter nach Polen überstellt wird.

Die übliche polnische Antwort darauf wird sicher so sein, daß man den übrigen Gerichten innerhalb der EU die Urteilsfähigkeit über innerpolnische Angelegenheiten abspricht. Vielleicht nutzt Polen aber auch diese Signale als Wecksignale, endlich doch konstruktiv über entstandene Widersprüche zu europäischen Rechtsnormen nach zu denken und vor allem: Diese Widersprüche zu beseitigen. Diese Hoffnung bleibt immerhin!
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Es ist ja sicherlich schön, wenn ein polnisches Blatt wie z. B. die Gazeta Wyborcza Wahlkampf macht, das spricht für die Medienvielfalt, sofern es auch Blätter mit anderer Ausrichtung gibt - aber die gibt es, so weit mir bekannt.
Die Staatsgewalt geht in allen Demokratien allerdings vom Volke aus, an diesem Punkt kann man sich nicht vorbeimogeln, auch nicht als habilitierter Professor.

Vielleicht lesen die polnischen Staatsbürger die falschen Zeitungen und sind deshalb verwirrt, kann ja sein. Wissen wir aber nicht, weil wir gemeinhin von den innerpolnischen Diskursen nur sehr wenig mitbekommen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(07 Nov 2021, 22:54)

Es ist ja sicherlich schön, wenn ein polnisches Blatt wie z. B. die Gazeta Wyborcza Wahlkampf macht, das spricht für die Medienvielfalt, sofern es auch Blätter mit anderer Ausrichtung gibt - aber die gibt es, so weit mir bekannt.
Die Staatsgewalt geht in allen Demokratien allerdings vom Volke aus, an diesem Punkt kann man sich nicht vorbeimogeln, auch nicht als habilitierter Professor.

Vielleicht lesen die polnischen Staatsbürger die falschen Zeitungen und sind deshalb verwirrt, kann ja sein. Wissen wir aber nicht, weil wir gemeinhin von den innerpolnischen Diskursen nur sehr wenig mitbekommen.

“Wenn dir die Nachricht nicht gefällt, töte den Boten.“

Inhaltlich würde es mir zu denken geben, wenn Auslieferungsabkommen ausgesetzt werden, weil Justizia politisch diszipliniert wird. Immerhin könnte ich die Nächste sein, die davon betroffen ist.
Inwieweit der polnische Bürger per se sich darüber Gedanken macht, das kann ich nicht beurteilen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Nun handelt es sich um Tatsachen der ganz nackten Art auf EU-Ebene, die von einem unabhängigen Fachmann für Rechtswissenschaften der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Da hielte ich es für angebrachter, die Tatsachen als Lügen zu brandmarken als der Zeitung Parteilichkeit vor zu halten. Ein liberaldemokratisches Blatt kann schlecht in Lobgesänge der augenblicklichen politischen Macht einstimmen. Ein liberalkonservatives Blatt wie die Rzeczpospolita hat in dieser Hinsicht auch Schluckbeschwerden. Aber die in Staatsbesitz befindliche Firma Orlen hat genügend viele regionale Käseblätter erworben, die die ganze Welt für verrückt erklären, und nur den polnischen Weg gutheißen.

Am Sonnabend hat es wieder in ganz Polen Demonstationen gegen das irrsinnige Verbot eines Schwangerschaftsabbruchs auch bei schwer kranker Leibesfrucht gegeben. Die Vergatterung der Ärzteschaft ist so weit gediehen, daß Ärzte sich nicht mehr getrauen, einen sehr offensichtlich sterbenden Fötus zu entfernen. Jetzt ist eine junge Frau mit 30 Jahren an dieser Zögerlichkeit gestorben. Sie hinterläßt eine Tochter und ihren Mann.

Aber Ihnen wird schon etwas einfallen, was diesen Irrsinn in ein gutes Licht rückt. Zur Not sind die Berichte eben nur parteiisch.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(08 Nov 2021, 08:07)

“Wenn dir die Nachricht nicht gefällt, töte den Boten.“

Inhaltlich würde es mir zu denken geben, wenn Auslieferungsabkommen ausgesetzt werden, weil Justizia politisch diszipliniert wird. Immerhin könnte ich die Nächste sein, die davon betroffen ist.
Inwieweit der polnische Bürger per se sich darüber Gedanken macht, das kann ich nicht beurteilen.
Über den durchkommenden Boten muss man sich doch keine Sorgen machen, er wird mit Speis und Trank versorgt. Die Frage ist eher, was mit den Boten ist, die nicht durchkommen.

Immerhin, vor einigen Wochen gab es einen ARD-Presseclub, in dem Nuancen diskutiert wurden.
Und vor einigen Jahren hat man sogar eine regierungsnahe Journalistin aus Polen eingeladen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(07 Nov 2021, 22:54)

Es ist ja sicherlich schön, wenn ein polnisches Blatt wie z. B. die Gazeta Wyborcza Wahlkampf macht, das spricht für die Medienvielfalt, sofern es auch Blätter mit anderer Ausrichtung gibt - aber die gibt es, so weit mir bekannt.
Die Staatsgewalt geht in allen Demokratien allerdings vom Volke aus, an diesem Punkt kann man sich nicht vorbeimogeln, auch nicht als habilitierter Professor.

Vielleicht lesen die polnischen Staatsbürger die falschen Zeitungen und sind deshalb verwirrt, kann ja sein. Wissen wir aber nicht, weil wir gemeinhin von den innerpolnischen Diskursen nur sehr wenig mitbekommen.
Soll man das so deuten, dass die polnischen Zeitungen derartige Fakten den Bürgern besser vorenthalten sollten? Das käme der PiS sicher gelegen.

Die Verbreitung einer Nachricht hat nichts mit Wahlkampf zu tun.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(08 Nov 2021, 08:30)Am Sonnabend hat es wieder in ganz Polen Demonstationen gegen das irrsinnige Verbot eines Schwangerschaftsabbruchs auch bei schwer kranker Leibesfrucht gegeben. Die Vergatterung der Ärzteschaft ist so weit gediehen, daß Ärzte sich nicht mehr getrauen, einen sehr offensichtlich sterbenden Fötus zu entfernen. Jetzt ist eine junge Frau mit 30 Jahren an dieser Zögerlichkeit gestorben. Sie hinterläßt eine Tochter und ihren Mann.
Das Paradoxe an dem Fall ist, dass die Ärzte jetzt suspendiert sind und gegen sie ermittelt wird, weil den Schwangerschaftsabbruch NICHT vorgenommen haben. Deutet auch wieder darauf hin, dass es in Polen mit der Rechtssicherheit nicht mehr weit her ist.
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