TheManFromDownUnder hat geschrieben:(03 Sep 2021, 06:45)
Ich leugne nicht das es alltaeglichen Rassismus gibt ich sage lediglich das Bezeichnungen wie Neger, Zigeunerschnitzel usw nicht zwangslaufig unterschwellig und alltaeglich rassistisch sind. Feiner Unterschied.
Man muss nicht mal eine andere Hautfarbe haben, aus einem anderem Kulturkreis stammen, einen anderen Glauben haben usw. um gesellschaftliche Ausgrenzung, niveaulosen Spott oder körperliche Gewalt zu erfahren. Ich meine, vieviele Leute werden bspw. darauf reduziert und dementsprechend minderwertig erachtet, weil sie bspw. dick sind, eine Brille tragen, ihnen in frühen Jahren bereits die Haare ausfallen, bestimmten Mode-Trends nicht folgen, wenig Geld haben usw.
Logisch ist es nicht desselbe, wenn bspw. ein homosexueller Mensch ein "Scheiß Schwuchtel!" hinterhergerufen bekommt und ein dicker Mensch ein "Ekliger Fettsack!" = ABER: es tut bestimmt genauso weh und ist genauso unverständlich, weckt genauso viel Ängste und Selbstzweifel.
Persönlich habe ich die Erfahrungen gemacht, dass diesbezüglich jene Teile der Gesellschaft, welche u. a. unter Rassismus, Sexismus, Homophie usw. zu leiden haben, kein Stück besser sind. Der Schwule aus meiner damaligen Realschul-Clique, der von uns regelmäßig vor homophoben Attacken geschützt werden musste, entpuppte sich als der übelste Mobber einer neuen Mitschülerin, welche unter stark abstehenden Ohren litt. "Da kommt wieder die Dumbo!" rief er immer. Sein Handeln rechtfertigte er so, dass er das dürfe, weil sie sich die Ohren schließlich korrigieren lassen, während er an seiner Homosexualität nichts ändern könne. Damals habe ich gelernt, dass Angehörige von gesellschaftlichen Minderheiten auch nur ganz normale Arschlöcher sind.
Ich unterhielt mich mal mit einer ghanaischen Arbeitskollegin über das Thema Rassismus; ich konnte ich auch nur sagen, dass Weißsein nicht vor Anfeindungen schützt. Und selbst jene hier im Forum, die sich vehement gegen Rassismus und Co einsetzen, sind in ihrem Leben bestimmt schon in die Situation geraten, wo sie ihre Mitmenschen auf deren äußerlichen/körperlichen Merkmale reduziert haben - sie deswegen vielleicht sogar unterwürdigst abwerteten = ohne sich die moralischen Grundfragen zu stellen, welche sie anderen im Umgang und der Bewertung von expliziten gesellschaftlichen Minderheiten beständig um die Ohren hauen.
Oder wie steht es in den heutigen Zeiten mit Andersdenkenden? Wie einfach lassen wir uns in Schubladen verfrachten - und mal ehrlich: Machen wir nicht auch ohne Vorbedacht tagtäglich? Ich persönlich schließe mich da nicht aus. Es geht schneller als gedacht; entweder wird man in eine Schublade gesteckt, oder man steckt jemanden in eine Schublade. Für die einen bin ich einen "rechtsblauner Nazi", für die anderen ein "linksgrünversiffter Traumtänzer". Gestern habe ich den Wahl-O-Mat ausprobiert - bei die Linke oder der AfD komme ich jeweils auf über 50% = was bin ich denn nun? Bei den anderen im Bundetag vertretenden Parteien sieht es nicht anders aus. Ich bin kein Nazi, ich bin kein Traumtänzer, ich bin ich.
Als Nazi oder als Traumtänzer diffamiert zu werden - weil man der linken wie auch der rechten Politik etwas abgewinnen kann - ist im Prinzip nichts anderes, als jemandem als Terroristen zu deuten - weil er Muslim ist; jemanden als pädophil zu bezeichnen - weil er schwul ist; jemanden als kriminell zu sehen - weil er aus Afrika stammt usw. Der einzige Unterschied besteht darin, dass einige bei den letzteren Beispielen u. a. sofort "Rassismus!" kreischen, ansonsten aber die Klappe halten. Warum eigentlich? Sind einige Menschen mehr wert, als andere?
Jeder Mensch ist einzigartig. Das ist das, was wir sehen. Das ist das, worin wir uns unterscheiden. Das ist das, was wir uns bestätigen können: Ich bin nicht wie du. Du bist nicht wie ich. Im Grunde eine grundlogische Feststellung. Alles, was wir lernen müssen - bzw., wohl niemals lernen werden - ist, dass Unterschiedlichsein nichts Nagatives ist. Nicht mal etwas Positives. Sondern etwas ganz neutrales.
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner