Ein essentieller Aspekt zum Thema sind die Restriktionen in Bezug auf finanzielle Hilfen für Opfer von Naturkatastrophen, die erst 2017 und mit einer erneuten Verschärfung 2019 ins Feld geführt wurden. Söder war hier der Vorreiter. Aber auch NRW unter Laschet zog sofort nach.
(...)Im Jahr 2017 jedoch beschlossen die Ministerpräsident:innen, staatliche Soforthilfen ab sofort nur noch an jene auszuzahlen, die sich entweder ohne Erfolg um ausreichenden Versicherungsschutz beworben hatten oder aber ein wirtschaftlich unzumutbares Versicherungsangebot ausschlagen mussten.
Einige Bundesländer gingen zwei Jahre später noch einen Schritt weiter. 2019 nämlich beschloss beispielsweise die bayerische Landesregierung unter CSU-Ministerpräsident Markus Söder, Hochwasseropfern keine finanzielle Soforthilfe mehr zu gestatten. Die Bayern ließen also am 30. Juni 2019 ihre Richtlinie zur Gewährung von Nothilfen auslaufen und kündigten an, ab sofort nur noch Ausnahmen in Härtefällen zu gewähren.
Doch Bayern blieb mit dieser strikten Linie nicht allein. Nach und nach schlossen sich andere Bundesländer an. Unter ihnen: Nordrhein-Westfalen unter Ministerpräsident Armin Laschet. Grund für den Ausstieg aus der unbürokratischen Soforthilfe waren steigende Ausgaben infolge immer rascher aufeinander folgender Katastrophen, welche mit erheblichen finanziellen Einbußen für die Landeskassen einhergingen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verwies 2019 auf eine eigene Klimastudie, wonach sich die Unwetterschäden bis Ende dieses Jahrhunderts alleine durch Hochwasser verdoppeln würden, je nach zugrunde liegendem Klimamodell sogar verdreifachen. Die Bundesländer, also auch NRW unter Laschet, beschlossen nun, die immensen Kosten, welche beispielsweise in den Wiederaufbau privaten Wohneigentums flossen, nicht mehr der Allgemeinheit aufbürden zu wollen.
Bemerkenswert an dieser Stelle finde ich, dass genau die Zukunftperspektiven, die den Grünen und FFF als Hysterie und Panikmache angekreidet und leidenschaftlich bis jetzt gegen sie verwendet wird, auch bei Unionspolitikern schon lange als realistische Szenarien gewertet werden, gegen die es sich abzusichern gilt. Vor allem vor den etwaigen Hilfe Ansprüchen der
schlechter verdienenden Bürger. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, dass die Schere zwischen arm und reich in den letzten Jahrzehnten immer weiter auseinanderklaft und die Hälfte der Bevölkerung überhaupt nicht in der Lage ist, ein relevantes Vermögen aufzubauen.
Schließlich, so hieß es, werde diese schon mit dem Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur und der Instandsetzung von Hochwasserschutzanlagen genügend belastet. Damit nicht genug: Die Beseitigung von Schäden an landwirtschaftlichen Flächen und kommunalem Eigentum kosten schließlich auch Steuergelder. Und nicht nur, wenn das Wasser bereits in den Kellern stand, ist die öffentliche Hand gefragt. Der präventive Hochwasserschutz, also beispielsweise die Schaffung von Übergangsflächen und der Ausbau von Deichen, kostet ebenfalls Geld.
NRW unter Armin Laschet: Wer genügend verdient, profitiert vom Hilfsprogramm
Zwei Jahre später scheint sich das Blatt zu wenden. Allerdings zunächst nicht in Form unbürokratischer Soforthilfe für alle. Vielmehr hat Armin Laschet ein mehrstufiges Hilfsprogramm angekündigt, das eine Soforthilfe für „Privatleute und Unternehmen“ lediglich in Härtefällen vorsieht. Zusätzlich sollen die Kommunen Strukturhilfen für den Wiederaufbau beschädigter Infrastruktur wie Straßen und Anlagen erhalten. Für alle anderen bleiben Steuerabschreibungen für den Wiederaufbau ihres Wohnraums und die Neuanschaffung von Kleidung und Hausrat. Das heißt: Wer genügend verdient, wird davon profitieren.
Darüber hinaus klingt Armin Laschet aktuell anders, als es die geplante Eindämmung der Soforthilfen 2019 vermuten ließe. So würden die finanziellen Mittel, die nach Soforthilfen bei Starkregenereignissen zur Verfügung stünden, „bei weitem nicht ausreichen“, sprach der Ministerpräsident und Kanzlerkandidat. Und: Nordrhein-Westfalen wolle den Menschen, die nach dem Unwetter „ohne alles auf der Straße“ stünden, „schnell helfen“.
Fraglich ist nun, wie diese „schnelle Hilfe“ aussieht. Sollte Armin Laschet entgegen seiner Absichten aus dem Jahr 2019 Gelder freimachen, um allen zu helfen, könnte ihm dies als Griff in die Staatskasse zur Förderung des eigenen Wahlkampfes ausgelegt werden. Schließlich will der CDU-Chef im Herbst eine Bundestagswahl gewinnen und Bundeskanzler werden. Sollte die unionsgeführte Bundesregierung einspringen, könnte das leicht als Wahlkampfhilfe für den eigenen Parteichef verstanden werden.
Armin Laschet steckt nun also in einer Zwickmühle. Zahlt er freigiebig, könnte die Frage aufkommen, ob eine Soforthilfe nur vor einer Bundestagswahl gezahlt werden soll. Künftige Flutopfer hingegen könnten es bedeutend schwerer haben, an finanzielle Unterstützung zu gelangen.(...)
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