Gibt es nicht - und gab es vor der Pandemie auch nicht.
Vor ziemlich genau einem Jahr hörte ich in einer Talkrunde (ich meine, bei Maybritt Illner) eine Vertreterin der gewrkschaft für Pflegekräfte und die rechnete vor, dass in den letzten 5 Jahren über 200.000 ausgebildete Pflegekräfte den Job gewechselt haben: Zu hohe Arbeitsbelastung, unterbesetzte Teams, Sonderschichten, wenig Wertschätzung und demzufolge eine dem Stress unangemessene Bezahlung.
Die Frau sagte, sie sei überzeugt, dass man Zehntausende dieser "Aussteiger" reaktivieren könne, wenn Änderungen bei Arbeitsbedingungen und Bezahlungen glaubhaft in Aussicht gestellt würden; so einen Beruf ergreift ja niemand, um "reich" zu werden, das sind Menschen, die von ihrem Naturell her einfach gerne helfen wollen. Aber irgendwann geht's halt nicht mehr.
So - hat es darauf irgendeine Reaktion gegeben?
Natürlich nicht. Das Gesundheitssystem wurde über Jahre (Jahrzehnte) "effizienzgesteigert", d.h. es ist so gestrickt, dass es unter "normalen" Umstanden gerade so ausreicht (mit den oben genannten "Kollateralschäden" beim Personal. Aber hey: Wenn in einem nach betriebswirtschaflichen Kriterien geführten Krankenhaus 9 Kräfte (notgedrungen, irgendwie) die Arbeit von 10 schaffen und irgendwann 8 oder 7 - Bingo!
Und natürlich kalkulieren jetzt alle so, dass man ohne Investitionen durch die Krise kommt - denn wozu jetzt mit viel Kapazitäten aufbauen, die anschließend nicht mehr benötigt würden? Warum wieder 10 Menschen beschäftigen, wenn 7 oder 8 doch bewiesen haben, dass sie auch klarkommen?
Ich bin beruflich in einem anderen sozialen Bereich unterwegs und habe in den letzten 14 Monaten keine 10 Tage Urlaub nehmen können, arbeite zum Glück aber nicht in der Pflege oder gar auf einer Intensivstation. Ich denke, ich verfüge aber über ausreichend Empathie, um wenigstens erahnen zu können, was das für eine Belastung dort sein muss.
Dennoch finde ich es zynisch, dass der Politik nichts einfällt, die Zustände dort kurzfristig zu verbessern. Ausbaden muss es die breite Masse.
Auch ein Indiz, dass die Pandemie von den Politikern nicht ganz so ernst genommen wird, wie sie es vor laufenden Kameras bekunden?
Man stelle sich vor, es wäre Krieg und es käme der Befehl, an der Front alle Kampfhandlungen einzustellen - weil die Lazarette voll sind ...
Schiefer Vergleich? Wie oft beschworen denn Politiker den "Krieg gegen das Virus"?
Es gab und gibt jedoch keinerlei Hinweise, dass der Staat in unserem Fall auf "Kriegswirtschaft" umgestellt hätten:
- es wurden nicht schon vor einem Jahr umgehend wirksame Masken beschafft oder nötigenfalls selbst produziert
- es wurden weder Material noch Personal auf die wichtigsten "Frontabschnitte" (= die Altenpflege) konzentriert
- es wurde kein Geld in die Hand genommen, um Filter-/Lüftungsanlagen ind Klassenräume zu stellen
- es wurde bei der Impfstoffbeschaffung gespart
- es gibt zu wenig Impfzentren (meiner Meinung nach; ich war vorgestern im Impfzentrum für den Kreis Gütersloh/360.000 Einwohner. Alles super dort, aber die Halle ist so groß wie zwei Turnhallen, natürlich wird das Monate dauern, bis da alle geimpft wurden; ginge es wirklic "um Leben und Tod", dann hätte jedes Dorf sein eigenes Impfzentrum in der Turnhalle und ein Teil der lokalen Hausärzte würde dort eingesetzt, zusammen mit DRK, Freiwilliger Feuerwehr und weiteren Freiwilligen. Für Orga-Dienste benötigt man keinen medizinischen Background)
- Liste beliebig fortzusetzen ...
Meine Meinung nach ist es diese Diskrepanz zwischen "Reden" (= Teufel an die Wand malen) und "Handeln", der die Menschen zunehmend frustriert.
Dem Bürger wird jede Menge abverlangt, mit äußerst beängstigenden Argumenten - der Staat wirkt in seinem Handeln, bzw. Unterlassen überhaupt nicht so, als "gehe es um die Wurst". Mittels Verboten wird die Verantwortung einfach an die Bürger delegiert.