Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Moderator: Moderatoren Forum 8

Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(04 Apr 2021, 11:44)

Oohh Mann, du schwatzt einen Unsinn im Zusammenhang mit Tradition, dass einem übel werden kann, was aber auch zeigt, dass du schlicht keine Ahnung hast, was der Begriff Tradition eigentlich beinhaltet und bedeutet.
Ich gebe man etwas Nachhilfeunterricht:

Die deutsche Philosophin Ricarda Huch nannte
"Tradition ist gesiebte Vernunft des gesamten Volkes aus einem Jahrhundert in das andere"
"Tradition" bedeutet einfach nur "Weitergabe". Es ist historisch nicht begründbar, dass bei dieser Weitergabe auch eine Art Vernunftsiebung erfolgt. Weiterhin ist der Begriff "Volk" natürlich zu hinterfragen. Eine banale - weil allgemein inzwischen von mitdenkenden Menschen akzeptierte Bemerkung dazu lautet:
Heute geht man davon aus, dass ein Volk nicht objektiv existiert, sondern ein Konstrukt ist, das heißt, dass es erst durch Fremd- und Selbstzuschreibung der Mitglieder im Diskurs entsteht.
Nur ein Beispiel: Die Jugoslawien-Kriege und seine bis heute weiterbestehenden Konflikte kämen auf der Stelle ein gutes Stück voran zu einer Lösung, wenn die Beteiligten die Begriffe "Volk" und "Tradition" kritischer und distanzierter sehen würden.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(04 Apr 2021, 11:19)

Ist das eine Position, die du so in der Welt in nennenswerter Anzahl wiedertriffst?
Meine persönlichen Präferenzen richten sich nicht nach der Frage, ob sie mehrheitskonform sind oder nicht.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
tarkomed
Beiträge: 7930
Registriert: Mittwoch 23. Oktober 2019, 10:03

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von tarkomed »

Wie lenkt man ab am besten von der hässlichen Fratze des Rassismus?
Indem man eine Front aus irrationalen Aktivisten gegen ihn vorbaut.
Wie lenkt man von einem Gedicht ab, das das eigene Weltbild durchkreuzt?
Indem man die Kulissen des Theaters um seine Übersetzung vorschiebt.

…ich wollte es auch mal lyrisch versuchen… :D
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
Wenn sie es trotzdem tun, dann bist du es...
Skeptiker

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Skeptiker »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 09:47)
Meine persönlichen Präferenzen richten sich nicht nach der Frage, ob sie mehrheitskonform sind oder nicht.
Du hast den Hintergrund meiner Frage nicht verstanden.

Du siehst und beschreibst dich als vollkommenen Individualisten, der sich keiner Gruppe zugehörig fühlt und eher die Position eines Beobachters auf andere Gruppen einnimmt.

Aber das stimmt so nicht. Denn wenn Menschen derartige Individuen sein würden, dass müsste es Leute wie dich überall geben. Mit statistischer Wahrscheinlichkeit müssten sie über den Erdball verteilt sein, und sich als Individuen den Gruppen nicht zugehörig sehen.

Aber das kann ich in der Form so nicht erkennen. Es gibt viele Gesellschaften die ein viel stärkeres "wir" leben. Da findest du kaum oder gar nicht diese "Beobachtertypen". Tatsächlich bist du also ein Produkt deiner Umgebung, und bist IHR ZUGEHÖRIG. Das würdest du sogar sehr schnell merken, wenn du einfach nur innerhalb Deutschlands von der Stadt aufs Land ziehst.

Es gibt niemanden, absolut niemanden, der keine Gruppenzugehörigkeit besitzt. Du bist ein liberaler Europäer. Aus dieser Rolle kannst du nicht raus - ob du willst oder nicht.
Skeptiker

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Skeptiker »

Vongole hat geschrieben:(05 Apr 2021, 01:17)
Dieser Satz wurde wirklich gruselig übersetzt. Ob dabei tatsächlich die Intention dahinter steht, die Brodkorb vermutet, weiß ich nicht, dazu müsste ich die gesamte Übersetzung kennen.
Aber ich habe letzt im Netz einen gelungenen Versuch gefunden, der zumindest mir ausgezeichnet gefällt, da er auch den Rhythmus des Poems gut wiedergibt:
https://lyricstranslate.com/en/hill-we- ... inauf.html
Ja. Ich bin zwar kein Lyriker, aber die Übersetzung scheint in Ordnung zu sein.

Ganz offensichtlich kann nur ein hochgewachsener, blonder Arier sie gemacht haben. Diese N... könnten niemals die teutsche Sprache so gut treffen. Das ist ihnen von Natur aus nicht gegeben. Achtung, Ironiealarm
Skeptiker

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Skeptiker »

tarkomed hat geschrieben:(05 Apr 2021, 10:03)
Wie lenkt man ab am besten von der hässlichen Fratze des Rassismus?
Indem man eine Front aus irrationalen Aktivisten gegen ihn vorbaut.
Wie lenkt man von einem Gedicht ab, das das eigene Weltbild durchkreuzt?
Indem man die Kulissen des Theaters um seine Übersetzung vorschiebt.

…ich wollte es auch mal lyrisch versuchen… :D
Wann immer man die Bestie jagt,
der nächste Linke kommt und klagt,
Die Bestie wär das Steicheltier,
zu füttern es, es liegt bei dir.
Nun setz halt deine Brille auf,
und steig nicht auf die Bestie drauf,
sei konstruktiv und nicht verblendet,
sodass der Strang hier nicht bald endet.

;)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(04 Apr 2021, 22:59)

Interessante Erkenntnis eines SPD-Politikers zur deutschen Übersetzung von "The Hill we climb":

https://www.cicero.de/kultur/gedicht-am ... mann-campe


Da bin ich ja beruhigt, dass auch in der SPD noch Leute existieren, die dieses Spiel durchblicken. Er hat vollkommen Recht.
Er hat insofern nicht recht, als dass Lyrik nicht einfach übesetzt werden kann sondern nachgedichtet werden muss. Unabhängig vom Text dieses konkreten Gedichts, seiner konkreten Übertragung und der politischen Haltungen, die dabei durchscheinen. Die Transformation von Lyrik von einer Sprache in die andere ist eben nicht einfach eine Übersetzung. Man kann dabei so nah wie auch immer am ursprünglichen Inhalt sein: Es muss sozusagen die Spannung eines eigentlich dichterischen ursprünglichen Ausdrückenswollens erkennbar sein.

Das ist bei einem lyrischen Text wie "Climb the hill" schon deshalb schwierig, weil es sich um einen literarisch ausgesprochen fragwürdigen um nicht zu sagen einfach schlechten Text handelt. Um politische Haltungsäußerungen, die mit Alliterationen und Rhythmus in ein sprachlich formales Gerüst gebracht wurden.
But while democracy can be periodically delayed
it can never be permanently defeated
In this truth
in this faith we trust
Ich muss nicht Englisch-Muttersprachler sein, um zu erkennen, dass das poilitische Phrasen sind. Die einfach nur durch halbwegs geschickte Zusammenklänge (delayed/defeated, truth/trust) gebunden sind. Gute Lyrik zeichnet sich durch eine persönliche und eigensinnige Bildsprache aus.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(05 Apr 2021, 10:06)

Du hast den Hintergrund meiner Frage nicht verstanden.

Du siehst und beschreibst dich als vollkommenen Individualisten, der sich keiner Gruppe zugehörig fühlt und eher die Position eines Beobachters auf andere Gruppen einnimmt.

Aber das stimmt so nicht. Denn wenn Menschen derartige Individuen sein würden, dass müsste es Leute wie dich überall geben. Mit statistischer Wahrscheinlichkeit müssten sie über den Erdball verteilt sein, und sich als Individuen den Gruppen nicht zugehörig sehen.

Aber das kann ich in der Form so nicht erkennen. Es gibt viele Gesellschaften die ein viel stärkeres "wir" leben. Da findest du kaum oder gar nicht diese "Beobachtertypen". Tatsächlich bist du also ein Produkt deiner Umgebung, und bist IHR ZUGEHÖRIG. Das würdest du sogar sehr schnell merken, wenn du einfach nur innerhalb Deutschlands von der Stadt aufs Land ziehst.

Es gibt niemanden, absolut niemanden, der keine Gruppenzugehörigkeit besitzt. Du bist ein liberaler Europäer. Aus dieser Rolle kannst du nicht raus - ob du willst oder nicht.
Natürlich bin ich nicht nur "Beobachter". Das kann ja gar nicht funktionieren. Es gibt nur kein Merkmal, keine Orientierung, keine Prägung, die so dominant ist, dass ich sagen könnte: Ich verstehe mich vor allem als ein "Mann" oder ich bin ein "Berliner" oder ich bin ein "Deutscher" oder ich bin ein "Mathematiker". Kontextbezogen sind solche Zuschreibungen natürlich als Vereinfachungen normal und praktisch. "Frag die und die. Die ist Tischlerin". Man meint damit ja nicht wirklich, dass da eine Person "Tischlerin" ist, sondern dass sie diesen Beruf erlernt hat und etwas davon versteht.

"Christ sein unter Menschen" und nicht einfach nur ein christlicher Mensch sein ... zum Beispiel .... das ist Gegenstand eines als Mission verstandenen Evangelisierungsauftrags. Das ist etwas anderes. Und ähnlich verhält es sich mit anderen Selbszuschreibungen. Ich habe vor etlichen Jahren mal ein eigentlich ziemlich kluges Buch gelesen. Das hieß im Nebentitel "Was es heißt, Franzose zu sein". Ein britischer Histroriker hat es geschrieben. (Auch hier dient "Historiker" nur als Hinweis darauf, dass er für seine Autorenschaft in erster Linie seine Kenntnisse als Historiker herangezogen hat). Aber der Titel: "Was es heißt, Franzose zu sein" deutet auf etwas anderes hin. Auf etwas, das in der Gegenwart häufig mit dem Begriff "Identität" umschrieben wird. Das lehne ich ab. Für mich selbst wohlgemerkt. Andere mögen anders darüber denken.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zu den "Traditionen" der Sinti gehört es, alles was mit Blut zu tun hat, als "unrein" zu betrachten. Mit der Folge, dass junge Leute mit Sinti-Herkunft, die Ärzte oder Äztinnen werden wollen, sich zum Teil noch heute entweder von ihrer Familiie lossagen oder diesen Berufswunsch aufgeben müssen. Niemals werde ich das im Namen von "Identität" gutheißen. Oder so wie die Userin Dark Angel auf den Gedanken kommen, dass "Tradition" notwendigerweise auf "Vernunftsiebung" hinausläuft. Auch wenn ich mir über die ganze Geschchte der Unterdrückung der Roma und Sinti in Europa und speziell in Deutschland und noch spezieller in Berlin und nochmal spezieller in meinem unmittelbaren Wohnumfeld völlig im Klaren bin. Es ist immer wieder erschreckend für mich, wie wenige Menschen hier im Nordosten Berlins etwas darüber wissen, dass es einen "Gedenkort NS-Zwangslager Marzahn" gibt. Geschweige denn etwas über die entsprechenden historischen Zusammenhänge. Oder was die den meisten bekannte Schlagersängerin Marianne Rosenberg damit zu tun haben könnte.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Skeptiker

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Skeptiker »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 10:52)
Natürlich bin ich nicht nur "Beobachter". Das kann ja gar nicht funktionieren. Es gibt nur kein Merkmal, keine Orientierung, keine Prägung, die so dominant ist, dass ich sagen könnte: Ich verstehe mich vor allem als ein "Mann" oder ich bin ein "Berliner" oder ich bin ein "Deutscher" oder ich bin ein "Mathematiker". Kontextbezogen sind solche Zuschreibungen natürlich als Vereinfachungen normal und praktisch. "Frag die und die. Die ist Tischlerin". Man meint damit ja nicht wirklich, dass da eine Person "Tischlerin" ist, sondern dass sie diesen Beruf erlernt hat und etwas davon versteht.

"Christ sein unter Menschen" und nicht einfach nur ein christlicher Mensch sein ... zum Beispiel .... das ist Gegenstand eines als Mission verstandenen Evangelisierungsauftrags. Das ist etwas anderes. Und ähnlich verhält es sich mit anderen Selbszuschreibungen. Ich habe vor etlichen Jahren mal ein eigentlich ziemlich kluges Buch gelesen. Das hieß im Nebentitel "Was es heißt, Franzose zu sein". Ein britischer Histroriker hat es geschrieben. (Auch hier dient "Historiker" nur als Hinweis darauf, dass er für seine Autorenschaft in erster Linie seine Kenntnisse als Historiker herangezogen hat). Aber der Titel: "Was es heißt, Franzose zu sein" deutet auf etwas anderes hin. Auf etwas, das in der Gegenwart häufig mit dem Begriff "Identität" umschrieben wird. Das lehne ich ab. Für mich selbst wohlgemerkt. Andere mögen anders darüber denken.
Ich frage mich manchmal, ob einer Diskussion wie dieser ein ganz einfaches Missverständnis zugrunde liegt.

Natürlich ist jeder einzelne Mensch ein Individuum. Kein Mensch ist wie der andere. Das hat auch niemand behauptet - es wäre ja dämlich das zu tun.

Mit einer Identität - z.B. als Deutscher oder Europäer - meine ich, dass man Prägungen mit diesem Hintergrund besitzt. Es bedeutet aber ganz sicher nicht, dass "alle Deutschen" oder "alle Europäer" die grundsätzlich gleichen Eigenschaften haben. Man sollte eigentlich meinen, dass das so selbstverständlich ist, dass es da keine Missverständnisse geben könnte - aber manchmal muss man da vielleicht ganz vorne ansetzen.

Es gibt keine Persönlichkeitsidentitäten, welche einen Deutschen oder Europäer exklusiv beschreiben. Als Europäer sind dir aber "typischerweise" bestimmte Werte wichtiger als wenn du z.B. Zentralafrikaner oder Chinese wärest. Diese Zusammenhänge zu leugnen, nur um ein Narrativ zu bestätigen, welches Gruppenidentitäten nicht anerkennen will, ist in meinen Augen offensichtlich unsinnig.
Benutzeravatar
Billie Holiday
Beiträge: 36293
Registriert: Mittwoch 11. Juni 2008, 11:45
user title: Mein Glas ist halbvoll.
Wohnort: Schleswig-Holstein, meerumschlungen

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Billie Holiday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 11:10)

Zu den "Traditionen" der Sinti gehört es, alles was mit Blut zu tun hat, als "unrein" zu betrachten. Mit der Folge, dass junge Leute mit Sinti-Herkunft, die Ärzte oder Äztinnen werden wollen, sich zum Teil noch heute entweder von ihrer Familiie lossagen oder diesen Berufswunsch aufgeben müssen. Niemals werde ich das im Namen von "Identität" gutheißen. Oder so wie die Userin Dark Angel auf den Gedanken kommen, dass "Tradition" notwendigerweise auf "Vernunftsiebung" hinausläuft. Auch wenn ich mir über die ganze Geschchte der Unterdrückung der Roma und Sinti in Europa und speziell in Deutschland und noch spezieller in Berlin und nochmal spezieller in meinem unmittelbaren Wohnumfeld völlig im Klaren bin. Es ist immer wieder erschreckend für mich, wie wenige Menschen hier im Nordosten Berlins etwas darüber wissen, dass es einen "Gedenkort NS-Zwangslager Marzahn" gibt. Geschweige denn etwas über die entsprechenden historischen Zusammenhänge. Oder was die den meisten bekannte Schlagersängerin Marianne Rosenberg damit zu tun haben könnte.
Soll auch Menschen geben, die irrsinnige Traditionen hinterfragen und verwerfen, um angenehme, schöne Traditionen, die niemanden einengen, zu behalten.
Bei uns gibt es eine Trachtengruppe. Die machen das hobbymäßig in ihrer Freizeit. Sieht hübsch aus. Ansonsten beeinflußt diese Tradition niemanden in Alltag und Beruf.
Keine Ahnung, warum einige an einengenden, zwanghaften Traditionen festhalten.
„Wer mich beleidigt, bestimme ich.“ (Klaus Kinski)

„Just because you’re offended, doesn’t mean you’re right.“ (Ricky Gervais)
Benutzeravatar
tarkomed
Beiträge: 7930
Registriert: Mittwoch 23. Oktober 2019, 10:03

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von tarkomed »

Dark Angel hat geschrieben:(04 Apr 2021, 11:44)
Ich gebe man etwas Nachhilfeunterricht:

Die deutsche Philosophin Ricarda Huch nannte
"Tradition ist gesiebte Vernunft des gesamten Volkes aus einem Jahrhundert in das andere"
Also ich verstehe den Satz so, dass die Vernunft durch das Sieb rieselt und was übrigbleibt, wird ins nächste Jahrhundert getragen… :D
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
Wenn sie es trotzdem tun, dann bist du es...
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17855
Registriert: Donnerstag 29. September 2016, 15:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Selina »

tarkomed hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:09)

Also ich verstehe den Satz so, dass die Vernunft durch das Sieb rieselt und was übrig bleibt, wird ins nächste Jahrhundert getragen… :D
:D :D :D

Der war gut.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

tarkomed hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:09)

Also ich verstehe den Satz so, dass die Vernunft durch das Sieb rieselt und was übrigbleibt, wird ins nächste Jahrhundert getragen… :D
Es ist eine scheußliche, schauderhafte Unsitte in Internet-Foren, sozialen Medien usw. mit nicht quellenbelegten Zitaten bekannter historischer Persönlichkeiten zu argumentieren. Der Begriff "gesiebte Vernunft" ist so sprachaußergewöhnlich und die (vermeintliche) Autorin so bekannt, dass man normalerweise per Suche unmittelbar auf ein Originaldokument kommen müsste. Man kommt aber nur auf unendlich viele weitere nicht belegte Zitate von irgendwem. Man muss der Userin Dark Angel einfach mal unseriöses Arbeiten im Sinne wissenschaftlicher Praxis vorwerfen. Zitate sind zu belegen! Das Ricarda-Huch-Zitat mit der Tradition als gesiebter Vernunft des Volks ziert zuallererst als Eingangszitat die Homepage des "Sportschützenkreis 6 Westlausitz e.V.". Verlinke ich nicht. Aus Prinzip. Bitte selbst suchen, wens interessiert. Das ist das Niveau! Web-Design Anfang der 90er. Ich will wissen, wo sie das genau geschrieben hat und ich will mir, wenn ich darauf eingehen soll, den genauen Kontext dieses Zitats erschließen. In sehr sehr vielen Fällen sind solche nicht belegten Zitate verfälscht, falsch übersetzt oder schlicht frei erfunden und nur irgendwie immer wieder re-rezitiert.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Montag 5. April 2021, 12:54, insgesamt 1-mal geändert.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17855
Registriert: Donnerstag 29. September 2016, 15:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 11:10)

Zu den "Traditionen" der Sinti gehört es, alles was mit Blut zu tun hat, als "unrein" zu betrachten. Mit der Folge, dass junge Leute mit Sinti-Herkunft, die Ärzte oder Äztinnen werden wollen, sich zum Teil noch heute entweder von ihrer Familiie lossagen oder diesen Berufswunsch aufgeben müssen. Niemals werde ich das im Namen von "Identität" gutheißen. Oder so wie die Userin Dark Angel auf den Gedanken kommen, dass "Tradition" notwendigerweise auf "Vernunftsiebung" hinausläuft. Auch wenn ich mir über die ganze Geschchte der Unterdrückung der Roma und Sinti in Europa und speziell in Deutschland und noch spezieller in Berlin und nochmal spezieller in meinem unmittelbaren Wohnumfeld völlig im Klaren bin. Es ist immer wieder erschreckend für mich, wie wenige Menschen hier im Nordosten Berlins etwas darüber wissen, dass es einen "Gedenkort NS-Zwangslager Marzahn" gibt. Geschweige denn etwas über die entsprechenden historischen Zusammenhänge. Oder was die den meisten bekannte Schlagersängerin Marianne Rosenberg damit zu tun haben könnte.
Wobei "Traditionen" immer auch mit Lebensverhältnissen zu tun haben. So kann es durchaus früher in sehr armen Verhältnissen, in denen es zum Beispiel kein fließend Wasser gab und sich Wunden relativ schnell infizieren konnten, so entstanden sein, dass im Zusammenhang mit Blut möglicherweise von "unrein" gesprochen worden ist. Solche "Traditionen" halten sich dann lange. Aber selbstverständlich nicht bei allen Sinti und Roma, die meisten leben heute modern und aufgeklärt. Und: Meine Berliner Freunde kennen den erwähnten Gedenkort. Also, alles kein Grund, sich ständig so überlegen zu fühlen.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 81621
Registriert: Samstag 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Tom Bombadil »

Bei Traditionslosen bleibt halt gar nix an Vernunft übrig, die müssen immer wieder bei Null anfangen.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
---
- Don't feed the trolls
- AgD=Alternative gegen Deutschland
- Diffamierer der Linken
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 81621
Registriert: Samstag 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:30)

Der Begriff "gesiebte Vernunft" ist so sprachaußergewöhnlich und die (vermeintliche) Autorin so bekannt, dass man normalerweise per Suche unmittelbar auf ein Originaldokument kommen müsste.
Was heißt "Originaldokument"? Der erste Treffer bei google führt zum Handelsblatt: https://www.handelsblatt.com/meinung/ko ... tjbQrN-ap2
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
---
- Don't feed the trolls
- AgD=Alternative gegen Deutschland
- Diffamierer der Linken
Benutzeravatar
Antonius
Beiträge: 4740
Registriert: Montag 9. Juni 2008, 23:57
user title: SURSUM CORDA
Wohnort: BRD

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Antonius »

Tom Bombadil hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:54)

Bei Traditionslosen bleibt halt gar nix an Vernunft übrig, die müssen immer wieder bei Null anfangen.
Sehr gut erkannt ! :cool:
SAPERE AUDE - Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
Immanuel Kant (1724-1804)
Benutzeravatar
tarkomed
Beiträge: 7930
Registriert: Mittwoch 23. Oktober 2019, 10:03

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von tarkomed »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:30)

Es ist eine scheußliche, schauderhafte Unsitte in Internet-Foren, sozialen Medien usw. mit nicht quellenbelegten Zitaten bekannter historischer Persönlichkeiten zu argumentieren. Der Begriff "gesiebte Vernunft" ist so sprachaußergewöhnlich und die (vermeintliche) Autorin so bekannt, dass man normalerweise per Suche unmittelbar auf ein Originaldokument kommen müsste. Man kommt aber nur auf unendlich viele weitere nicht belegte Zitate von irgendwem. Man muss der Userin Dark Angel einfach mal unseriöses Arbeiten im Sinne wissenschaftlicher Praxis vorwerfen. Zitate sind zu belegen! Das Ricarda-Huch-Zitat mit der Tradition als gesiebter Vernunft des Volks ziert zuallererst als Eingangszitat die Homepage des "Sportschützenkreis 6 Westlausitz e.V.". Verlinke ich nicht. Aus Prinzip. Bitte selbst suchen, wens interessiert. Das ist das Niveau! Web-Design Anfang der 90er. Ich will wissen, wo sie das genau geschrieben hat und ich will mir, wenn ich darauf eingehen soll, den genauen Kontext dieses Zitats erschließen. In sehr sehr vielen Fällen sind solche nicht belegten Zitate verfälscht, falsch übersetzt oder schlicht frei erfunden und nur irgendwie immer wieder re-rezitiert.
Ich habe versucht, das Beste aus dem Zitat zu machen, wie du siehst. Das schont die Nerven... :)

Ich gehe das Thema Traditionen ganz unwissenschaftlich an. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Traditionen fremder Kulturen auf mich oft befremdlich gewirkt haben und ich habe oft ähnliches aus meinem internationalen Bekanntenkreis erfahren, wenn es um unsere Traditionen ging. Wo die Vernunft da ihren Platz gefunden haben kann, leuchtet mir nicht ein. Traditionen stärken vielleicht das Zusammengehörigkeitsgefühl der sozialen Gruppen und nachdem ich nur in Gruppen, die unumgänglich sind, versuche das Beste daraus zu machen, brauche ich das nicht. Traditionen werden seit vielen Jahren auch immer mehr kommerzialisiert, und somit sehe ich mich auch in meiner Haltung Traditionen gegenüber immer mehr bestätigt.

Ich habe gerade die Ostertradition im familiären Kreis überstanden, aber dafür hätte Freizeit für die ganze Familie auch gereicht und für ein gepflegtes Essen mit der Familie bräuchte, ich zumindest, keinen besonderen Anlass. Am wenigsten jedenfalls diese Tradition.
Zuletzt geändert von tarkomed am Montag 5. April 2021, 13:10, insgesamt 3-mal geändert.
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
Wenn sie es trotzdem tun, dann bist du es...
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:53)

Wobei "Traditionen" immer auch mit Lebensverhältnissen zu tun haben. So kann es durchaus früher in sehr armen Verhältnissen, in denen es zum Beispiel kein fließend Wasser gab und sich Wunden relativ schnell infizieren konnten, so entstanden sein, dass im Zusammenhang mit Blut möglicherweise von "unrein" gesprochen worden ist. Solche "Traditionen" halten sich dann lange. Aber selbstverständlich nicht bei allen Sinti und Roma, die meisten leben heute modern und aufgeklärt. Und: Meine Berliner Freunde kennen den erwähnten Gedenkort. Also, alles kein Grund, sich ständig so überlegen zu fühlen.
Tradition heißt einfach nur "Weitergabe von Handlungsmustern". Historischer Fortschritt im Sinne von Aufklärung und Humanismus ergibt sich daraus nicht notwendigerweise. Der folgt in der Regel durch so etwas wie Nutzung von Umbruchsituationen. Der für mich treffendste Begriff für solche Pfade hin zu Fortschritt jenseits von einfach nur Chaos und Auflösung ist "Edge of Chaos". In einem Randbereich von Systemstabilität und Dynamik gibt es Wege hin zu einem nächsten stabilen Systemzustand. Es ist vielleicht nicht ganz verkehrt zu behaupten, dass "Leben" im Kern in der Beibehaltung eines solchen Balance-Zustands zwischen Stabilität und Transition besteht.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 81621
Registriert: Samstag 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Tom Bombadil »

Selina hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:53)

Aber selbstverständlich nicht bei allen Sinti und Roma, die meisten leben heute modern und aufgeklärt.
Quelle? Und wie viele sind "die meisten"?
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
---
- Don't feed the trolls
- AgD=Alternative gegen Deutschland
- Diffamierer der Linken
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17855
Registriert: Donnerstag 29. September 2016, 15:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 13:07)

Tradition heißt einfach nur "Weitergabe von Handlungsmustern". Historischer Fortschritt im Sinne von Aufklärung und Humanismus ergibt sich daraus nicht notwendigerweise. Der folgt in der Regel durch so etwas wie Nutzung von Umbruchsituationen. Der für mich treffendste Begriff für solche Pfade hin zu Fortschritt jenseits von einfach nur Chaos und Auflösung ist "Edge of Chaos". In einem Randbereich von Systemstabilität und Dynamik gibt es Wege hin zu einem nächsten stabilen Systemzustand. Es ist vielleicht nicht ganz verkehrt zu behaupten, dass "Leben" im Kern in der Beibehaltung eines solchen Balance-Zustands zwischen Stabilität und Transition besteht.
Aber die Tradition des Osterfests wird dir doch vermutlich etwas bedeuten. Erwähntest du nicht, du lebtest in einem Pfarrerinnen-Haushalt? Mir gehts da eher so wie targomed, siehe oben.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Uffhausen
Beiträge: 1943
Registriert: Mittwoch 14. Dezember 2016, 22:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Uffhausen »

Skeptiker hat geschrieben:(05 Apr 2021, 10:06)
Es gibt viele Gesellschaften die ein viel stärkeres "wir" leben.
Es gibt niemanden, absolut niemanden, der keine Gruppenzugehörigkeit besitzt.
Das ist vollkommen korrekt - aber: Verpflichtet Gruppenzugehörigkeit zu einem bestimmten Empfinden?

Bzgl. des Konfliktes zwischen Deutschland und der Türkei wegen des Flüchtlingsabkommens, bekam man den Eindruck, dass persönliche Kritik bspw. von der Merkel auf Erdogan allein bezogen von vielen Türken als gesamtgesellschaftliche Kritik von allen Deutschen an der Nation Türkei verstanden wird. Das ist etwas, was mensch in Deutschland gar nicht (mehr?) kennt (wonach sich aber vorrangig Rechte zutiefst sehnen). Wenn Erdogan die Merkel eine blöde Kuh schimpfen würde, würde sich in Deutschland niemand auch nur ansatzweise persönlich angesprochen fühlen, bzw. aufgrund nationaler Gruppenzugehörigkeit Deutschland und alle Deutsche durch die Türkei und alle Türken als beleidigt betrachten.

Ich denke, viele Ausländer nehmen uns Deutsche deswegen auch nicht sonderlich ernst, weil uns eben Nationalbewusstsein und -stolz fehlt - was von vielen Angehörigen anderer Nationen schon quasi mit der Muttermilch aufgenommen wird. Vielleicht ist Deutschland deswegen auch so attraktiv für Einwanderer: Man muss bei uns kein neues Leben beginnen, sondern kann sein altes Leben weiterführen.

Natürlich hat jeder eine Gruppenzugehörigkeit - wenn man es genau nimmt, sondern unzählige davon. In Deutschland, bzw. für Deutsche, spielt das aber in der Regel keine Rolle - wir achten eher darauf, was uns unterscheidet und weniger darauf, was uns verbindet. Keine Ahnung, ob es das auch in anderen Nationen so gibt; ist es vielleicht ein Beweis für das Klischee des angeblich typisch-deutschen Pessimismus oder ist es vielleicht ein rein "westlich-demokratisches" Phänomen? Ist es eine natürliche Entwicklung oder politische Manipulation? :?:
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner
Benutzeravatar
Ammianus
Beiträge: 6404
Registriert: Samstag 17. Dezember 2011, 22:05

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Ammianus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:30)

Es ist eine scheußliche, schauderhafte Unsitte in Internet-Foren, sozialen Medien usw. mit nicht quellenbelegten Zitaten bekannter historischer Persönlichkeiten zu argumentieren. Der Begriff "gesiebte Vernunft" ist so sprachaußergewöhnlich und die (vermeintliche) Autorin so bekannt, dass man normalerweise per Suche unmittelbar auf ein Originaldokument kommen müsste. Man kommt aber nur auf unendlich viele weitere nicht belegte Zitate von irgendwem. Man muss der Userin Dark Angel einfach mal unseriöses Arbeiten im Sinne wissenschaftlicher Praxis vorwerfen. Zitate sind zu belegen! Das Ricarda-Huch-Zitat mit der Tradition als gesiebter Vernunft des Volks ziert zuallererst als Eingangszitat die Homepage des "Sportschützenkreis 6 Westlausitz e.V.". Verlinke ich nicht. Aus Prinzip. Bitte selbst suchen, wens interessiert. Das ist das Niveau! Web-Design Anfang der 90er. Ich will wissen, wo sie das genau geschrieben hat und ich will mir, wenn ich darauf eingehen soll, den genauen Kontext dieses Zitats erschließen. In sehr sehr vielen Fällen sind solche nicht belegten Zitate verfälscht, falsch übersetzt oder schlicht frei erfunden und nur irgendwie immer wieder re-rezitiert.
Dumm nur, dass das Zitat massenhaft bei Google erscheint. Unteren anderem auch auf Dokumenten der Humboldt-Universität. Was dir hier passiert ist, wenn man schon beim Suchen nicht bereit ist, die eigene Wunschwelt zu verlassen. Das Zitat sollte unbedingt nicht echt sein.

Ricarda Huch, Deutsche Tradition. Ein Vortrag. Weimar, Erich-Lichtenstein-Verlag 1931, S. 53
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

tarkomed hat geschrieben:(05 Apr 2021, 13:07)

Ich habe versucht, das Beste aus dem Zitat zu machen, wie du siehst. Das schont die Nerven... :)

Ich gehe das Thema Traditionen ganz unwissenschaftlich an. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Traditionen fremder Kulturen auf mich oft befremdlich gewirkt haben und ich habe oft ähnliches aus meinem internationalen Bekanntenkreis erfahren, wenn es um unsere Traditionen ging. Wo die Vernunft da ihren Platz gefunden haben kann, leuchtet mir nicht ein. Traditionen stärken vielleicht das Zusammengehörigkeitsgefühl der sozialen Gruppen und nachdem ich nur in Gruppen, die unumgänglich sind, versuche das Beste daraus zu machen, brauche ich das nicht. Traditionen werden seit vielen Jahren auch immer mehr kommerzialisiert, und somit sehe ich mich auch in meiner Haltung Traditionen gegenüber immer mehr bestätigt.

Ich habe gerade die Ostertradition im familiären Kreis überstanden, aber dafür hätte Freizeit für die ganze Familie auch gereicht und für ein gepflegtes Essen mit der Familie bräuchte, ich zumindest, keinen besonderen Anlass. Am wenigsten jedenfalls diese Tradition.
Ich habe gestern einen wunderschönen tradtitionellen Osterspaziergang mit einem Teil der Familie gemacht. Drei Generationen beteiligt. Sonnenschein. Aufblühende Natur. Und nebenbei (zum wiederholten male) das Mies-Van-der-Rohe Haus in Berlin-Hohenschönhausen besucht. Rein konnte man nicht. Aber wir hatten ein längeres Schwätzchen mit dem (übrigens sprachlich deutlich aus BW stammenden) Betreuer gehabt. Es ging unter anderem um die Frage, warum Deutschland in den 20er Jahren des 20. Jahhrunderts eigentlich bereits ein so hohes intellektuelles, politisches und auch soziales Niveau erreichen konnte ... Dinge wie Volkshochschulen, Fachhochschulen, sozialer Wohnungsbau etc. wurden entwickelt ... und dann in eine solche Zeit der FInsternis geraten konnte. Offensichtlich verläuft Geschichte nicht linear und nicht einfach durch "Vernunftaussiebung". Auch der Zeit der Renaissance und des Aufbruchs folgte eine Zeit der Rückbesinnung und der finsteren Religionskriege.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ammianus hat geschrieben:(05 Apr 2021, 13:40)

Dumm nur, dass das Zitat massenhaft bei Google erscheint. Unteren anderem auch auf Dokumenten der Humboldt-Universität. Was dir hier passiert ist, wenn man schon beim Suchen nicht bereit ist, die eigene Wunschwelt zu verlassen. Das Zitat sollte unbedingt nicht echt sein.

Ricarda Huch, Deutsche Tradition. Ein Vortrag. Weimar, Erich-Lichtenstein-Verlag 1931, S. 53
Natürlich erscheint es massenhaft. Das ist ja gerade das Problem! Es ist ein Leichtes, einem Zitat einen entsprechenden Quellenverweislink beiseite zu stellen. Es ist gut Sitte. Und erspart eine Menge Zeit.

Was degegen nicht gute Sitte ist: Mit lediglich antizipierten Annahmen zu argumentieren. Zum Beispiel der Annahme, ich würde nach diesem Originaldokument in der Hoffnung suchen, es nicht zu finden. Da irrst du dich! Und gute Sitte ist es, nur mit dem zu argumentieren, was tatsächlich geschrieben wurde.

Ricarda Huch als Historikerin ist nicht ganz leicht einzuordnen. In "Deutsche Tradition" äußert sie im Prinzip den Wunsch einer Rückkehr zu den Idealen der Romantik und den Wunsch einer durchgehenden Linie deutscher Kulturtradition. Als Ansichten einer Außenseiterin ist mir das per se erstmal sympathisch. Kommt man mir mit einem Zitat wie "Tradition ist gesiebte Vernunft des gesamten Volkes aus einem Jahrhundert in das andere" so klingt das, als wäre das gewissermaßen kanonisiertes und nicht mehr hinterfragbares Wissen. Das ist es aber keineswegs. Es handelt sich um die subjektive Sichtweise einer Außenseiterin.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Troh.Klaus
Beiträge: 7449
Registriert: Samstag 28. Oktober 2017, 21:56

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Troh.Klaus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:30)
Es ist eine scheußliche, schauderhafte Unsitte in Internet-Foren, sozialen Medien usw. mit nicht quellenbelegten Zitaten bekannter historischer Persönlichkeiten zu argumentieren. Der Begriff "gesiebte Vernunft" ist so sprachaußergewöhnlich und die (vermeintliche) Autorin so bekannt, dass man normalerweise per Suche unmittelbar auf ein Originaldokument kommen müsste. Man kommt aber nur auf unendlich viele weitere nicht belegte Zitate von irgendwem. Man muss der Userin Dark Angel einfach mal unseriöses Arbeiten im Sinne wissenschaftlicher Praxis vorwerfen. Zitate sind zu belegen.
Komisch, ich habe das Zitat in Anführungszeichen eingegeben und Google spuckte als erstes (!) Ergebnis "Ricarda Huch | zitate.eu" aus. Und voilà - wenn man auf der verlinkten Seite nach unten scrollt, steht das Zitat sauber da.
Seriös geht anders.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Uffhausen hat geschrieben:(05 Apr 2021, 13:23)

Das ist vollkommen korrekt - aber: Verpflichtet Gruppenzugehörigkeit zu einem bestimmten Empfinden?

Bzgl. des Konfliktes zwischen Deutschland und der Türkei wegen des Flüchtlingsabkommens, bekam man den Eindruck, dass persönliche Kritik bspw. von der Merkel auf Erdogan allein bezogen von vielen Türken als gesamtgesellschaftliche Kritik von allen Deutschen an der Nation Türkei verstanden wird. Das ist etwas, was mensch in Deutschland gar nicht (mehr?) kennt (wonach sich aber vorrangig Rechte zutiefst sehnen). Wenn Erdogan die Merkel eine blöde Kuh schimpfen würde, würde sich in Deutschland niemand auch nur ansatzweise persönlich angesprochen fühlen, bzw. aufgrund nationaler Gruppenzugehörigkeit Deutschland und alle Deutsche durch die Türkei und alle Türken als beleidigt betrachten.

Ich denke, viele Ausländer nehmen uns Deutsche deswegen auch nicht sonderlich ernst, weil uns eben Nationalbewusstsein und -stolz fehlt - was von vielen Angehörigen anderer Nationen schon quasi mit der Muttermilch aufgenommen wird. Vielleicht ist Deutschland deswegen auch so attraktiv für Einwanderer: Man muss bei uns kein neues Leben beginnen, sondern kann sein altes Leben weiterführen.

Natürlich hat jeder eine Gruppenzugehörigkeit - wenn man es genau nimmt, sondern unzählige davon. In Deutschland, bzw. für Deutsche, spielt das aber in der Regel keine Rolle - wir achten eher darauf, was uns unterscheidet und weniger darauf, was uns verbindet. Keine Ahnung, ob es das auch in anderen Nationen so gibt; ist es vielleicht ein Beweis für das Klischee des angeblich typisch-deutschen Pessimismus oder ist es vielleicht ein rein "westlich-demokratisches" Phänomen? Ist es eine natürliche Entwicklung oder politische Manipulation? :?:
Was könnte es denn heißen, im SInne von "Woke" sich als ein in Deutschland Geborener auf eine Deutsche Kulturtradition zu besinnen. Was einem als erstes einfällt, ist natürlich "Goethe". Das Goethe-Institut vertritt mit Niederlassungen in 98 Ländern sowas wie die Deutsche Kultur? Nein! Es vertritt die Deutsche Sprache. Das ist nicht dasselbe. Die Person Goethe selbst hat sich zuallererst als Dichter der deutschen Sprache (und darüberhinaus und weitestgehend vergeblich als Naturforscher) und keineswegs als "Deutscher" verstanden. Goethe ist genau eine Generation vor den vielen der nächsten Generation, die entweder unbedingt "Deutsche" sein wollten order unbedingt nicht so gesehen werden wollten. Die Bedeutenderen unter ihnen, Heine, Büchner stammen aus zweiterer Gruppe. Die Unbedeutenderen, Arndt, Novalis zum Beispiel, aus ersterer.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Uffhausen
Beiträge: 1943
Registriert: Mittwoch 14. Dezember 2016, 22:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Uffhausen »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 15:10)
Was könnte es denn heißen, im SInne von "Woke" sich als ein in Deutschland Geborener auf eine Deutsche Kulturtradition zu besinnen.
Wieso im Sinne von "Woke" - brauchst du "Woke" für irgendwas? :?:
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner
Benutzeravatar
Ammianus
Beiträge: 6404
Registriert: Samstag 17. Dezember 2011, 22:05

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Ammianus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 14:38)

...

Was degegen nicht gute Sitte ist: Mit lediglich antizipierten Annahmen zu argumentieren. Zum Beispiel der Annahme, ich würde nach diesem Originaldokument in der Hoffnung suchen, es nicht zu finden. Da irrst du dich! Und gute Sitte ist es, nur mit dem zu argumentieren, was tatsächlich geschrieben wurde.

...
Nein, dein Text legt zwingend nahe, dass du versuchtest den Anschein zu erwecken, dieses Zitat wäre unseriös, vielleicht sogar gefälscht. Da es auch auf der Seite irgendeines Schützenvereins stand nutztes du diesen Umstand aus und hast sogar noch auf das völlig veraltete Webdesign hingewiesen. Statt irgendwelcher sachlicher Gegenargumente kam fast nur so etwas.

Und nun versuchst du eben davon abzulenken und versteckst dich sogar hinter Begriffen wie "gute" oder "schlechte "Sitte(n)" ...
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
Troh.Klaus
Beiträge: 7449
Registriert: Samstag 28. Oktober 2017, 21:56

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Troh.Klaus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 15:10)
Was könnte es denn heißen, im SInne von "Woke" sich als ein in Deutschland Geborener auf eine Deutsche Kulturtradition zu besinnen. Was einem als erstes einfällt, ist natürlich "Goethe". Das Goethe-Institut vertritt mit Niederlassungen in 98 Ländern sowas wie die Deutsche Kultur? Nein! Es vertritt die Deutsche Sprache. Das ist nicht dasselbe.
Wir wissen ja schon, dass es so etwas wie eine "spezifisch deutsche Kultur jenseits der deutschen Sprache" überhaupt nicht gibt, nicht wahr. Und dieses Nicht-Existenz-Paradigma spezifischer "nationaler" Kultur gilt selbstverständlich für alle "Kulturen" der Welt.
Seriös geht anders.
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 81621
Registriert: Samstag 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Tom Bombadil »

Ammianus hat geschrieben:(05 Apr 2021, 15:18)

Und nun versuchst du eben davon abzulenken und versteckst dich sogar hinter Begriffen wie "gute" oder "schlechte "Sitte(n)" ...
Ist die wissenschaftliche Zitierweise nicht auch Ausdruck einer Art kultureller Identität?
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
---
- Don't feed the trolls
- AgD=Alternative gegen Deutschland
- Diffamierer der Linken
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mittwoch 4. Juni 2008, 15:00

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 14:38)

Natürlich erscheint es massenhaft. Das ist ja gerade das Problem! Es ist ein Leichtes, einem Zitat einen entsprechenden Quellenverweislink beiseite zu stellen. Es ist gut Sitte. Und erspart eine Menge Zeit.
Warum hältst du dich dann nicht selbst an die Maßstäbe, nach denen du andere bewertest?

Das Zitat von Ricarda Huch habe ich im Internet gefunden.
Das angebliche Originalzitat von Frank Zappa über sein Verhältnis zum Dominantseptakkord, für das du keine Quelle angegeben hast, ist als Origanl jedenfalls nicht so leicht zu finden. Falls es dieses Zitat überhaupt gibt. Abgesehen davon hat es mit dem Thema ohnehin nichts zu tun.
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mittwoch 4. Juni 2008, 15:00

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 15:10)

Das Goethe-Institut vertritt mit Niederlassungen in 98 Ländern sowas wie die Deutsche Kultur? Nein! Es vertritt die Deutsche Sprache.
Über die Aufgaben und Ziele des Goethe-Instituts kannst du dich hier informieren:
https://www.goethe.de/ins/de/de/uun/auf.html
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Troh.Klaus hat geschrieben:(05 Apr 2021, 14:49)

Komisch, ich habe das Zitat in Anführungszeichen eingegeben und Google spuckte als erstes (!) Ergebnis "Ricarda Huch | zitate.eu" aus. Und voilà - wenn man auf der verlinkten Seite nach unten scrollt, steht das Zitat sauber da.
Lieber User Troh.Klaus. Ich muss mich wirklich etwas zusammennehmen, um nicht Polemisch zu werden. Natürlich spuckt Google und "zitate.eu" das Zitat wortwörtlich wieder so aus. So schlau, das herauszufinden, bin ich auch noch. Das ist doch aber kein Quellenbeleg! Sondern eher ein Beleg für eine Art Zitierungskartell. Unter einem Quellenbeleg verstehe ich den Hinweis auf ein Originaldokument. In welchem ich ein Zitat nicht herausgerissen und isoliert sondern in seinem Original-Kontext nachlesen kann. Das Zitat von Ricarda Huch existiert aber tatsächlich in dem von User ammianus freundlicherweise hingewiesenen Dokument. Das vielleicht meistzitierte Fehlzitat der jüngeren Geschichte, "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" hat der angebliche Autor Gorbatschow nie so gesagt oder geschrieben. Du kannst es aber massenhaft wiedefinden. Glaub nicht alles, was google ausspuckt.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(05 Apr 2021, 15:39)

Über die Aufgaben und Ziele des Goethe-Instituts kannst du dich hier informieren:
https://www.goethe.de/ins/de/de/uun/auf.html
Ja. Das ist die Selbstdarstellung. Glaubst Du allen Selbsdarstell8ungen? Meiner zum Beispiel?

De facto gehen sicher mehr als 90 Prozent oder mehr als 95 Prozent oder vielleicht sogar mehr als 99 Prozent der Aktivitäten des Goethe-Instituts im Ausland für Sprachkurse und Sprachprüfungen drauf.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Chajm
Beiträge: 2687
Registriert: Mittwoch 4. Juni 2008, 13:27
Wohnort: Tel Aviv

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Chajm »

Zunder hat geschrieben:(05 Apr 2021, 15:39)

Über die Aufgaben und Ziele des Goethe-Instituts kannst du dich hier informieren:
https://www.goethe.de/ins/de/de/uun/auf.html
ZITAT aus Deinem Link:
"Das Goethe-Institut e.V. ist das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland.

Wir fördern die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland und pflegen die internationale kulturelle Zusammenarbeit. Wir vermitteln ein umfassendes Deutschlandbild durch Information über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben in unserem Land. Unsere Kultur- und Bildungsprogramme fördern den interkulturellen Dialog und ermöglichen kulturelle Teilhabe. Sie stärken den Ausbau zivilgesellschaftlicher Strukturen und fördern weltweite Mobilität.
Mit unserem Netzwerk aus Goethe-Instituten, Goethe-Zentren, Kulturgesellschaften, Lesesälen sowie Prüfungs- und Sprachlernzentren sind wir seit fast siebzig Jahren für viele Menschen der erste Kontakt mit Deutschland. Die langjährige partnerschaftliche Zusammenarbeit mit führenden Institutionen und Persönlichkeiten in über 90 Ländern schafft nachhaltiges Vertrauen in unser Land. Wir sind Partner für alle, die sich aktiv mit Deutschland und seiner Kultur beschäftigen und arbeiten eigenverantwortlich und parteipolitisch ungebunden."

;) Ist aber reichlich viel von Kultur die Rede in dieser Selbstdarstellung des Goethe-Institutes. ;)
"Where no counsel is, the people fall, but in the multitude of counselors there is safety."
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mittwoch 4. Juni 2008, 15:00

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 10:21)
........"Climb the hill".......
Das Gedicht heißt "The Hill We Climb".
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(05 Apr 2021, 15:35)

Warum hältst du dich dann nicht selbst an die Maßstäbe, nach denen du andere bewertest?

Das Zitat von Ricarda Huch habe ich im Internet gefunden.
Das angebliche Originalzitat von Frank Zappa über sein Verhältnis zum Dominantseptakkord, für das du keine Quelle angegeben hast, ist als Origanl jedenfalls nicht so leicht zu finden. Falls es dieses Zitat überhaupt gibt. Abgesehen davon hat es mit dem Thema ohnehin nichts zu tun.
Ja. Akzpetiert. Die Quelle hätte ich angeben sollen. http://docplayer.org/108968617-Frank-za ... zappa.html

Hat mit dem Thema schonetwas zu tun.
Paradebeispiel musikalischer uglyness ist die harmonische Fortschreitung, die vor nicht allzu langer Zeit die Musikschulen hierzulande als Improvisationsgerüst für zeitgemäße Instrumentalpädagogik entdeckt haben: die
II -V - I - Verbindung. Für Zappa ist sie - ähnlich seinem Furor gegenüber sogenannter Klassischer Musik, die er abschätzig und global mit dem Malen nach Zahlen gleichsetzt - "a hateful practice", eine verabscheuungswürdige musikalische Praxis, die im Jazz durch einige Zusatztöne aufpolierte "subconscious formula that all those pukers use", die all diese Kotzbrocken benutzen, kurz: die Essenz einer "bad 'white-person music' " Inbegriff eines "ugly chord" aber ist für Zappa der Dominantseptakkord: "Den hasse ich wie die Pest"
Was steckt im Kern dahinter: Die Abneigung gegen Musterreproduktion. Man könnte auch sagen: Gegen Traditionslinien.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Chajm hat geschrieben:(05 Apr 2021, 16:09)

ZITAT aus Deinem Link:
"Das Goethe-Institut e.V. ist das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland.

Wir fördern die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland und pflegen die internationale kulturelle Zusammenarbeit. Wir vermitteln ein umfassendes Deutschlandbild durch Information über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben in unserem Land. Unsere Kultur- und Bildungsprogramme fördern den interkulturellen Dialog und ermöglichen kulturelle Teilhabe. Sie stärken den Ausbau zivilgesellschaftlicher Strukturen und fördern weltweite Mobilität.
Mit unserem Netzwerk aus Goethe-Instituten, Goethe-Zentren, Kulturgesellschaften, Lesesälen sowie Prüfungs- und Sprachlernzentren sind wir seit fast siebzig Jahren für viele Menschen der erste Kontakt mit Deutschland. Die langjährige partnerschaftliche Zusammenarbeit mit führenden Institutionen und Persönlichkeiten in über 90 Ländern schafft nachhaltiges Vertrauen in unser Land. Wir sind Partner für alle, die sich aktiv mit Deutschland und seiner Kultur beschäftigen und arbeiten eigenverantwortlich und parteipolitisch ungebunden."

;) Ist aber reichlich viel von Kultur die Rede in dieser Selbstdarstellung des Goethe-Institutes. ;)
Natürlich ist dort davon die Rede ... Wie sind wir denn drauf gekommen? Bei der Frage nach einer irgendwie durchgängigen Traditionslinie "deutscher Kultur". Die ist aber nunmal durchbrochen und fragmentiert. Und Goethe als Person eignet sich einfach nicht als Beleg für anderslautende Behauptungen. Ich kann ja auch mal zitieren:
Deutschland ist nichts, aber jeder einzelne Deutsche ist viel, und doch bilden sich letztere gerade das Umgekehrte ein. Verpflanzt und zerstreut wie die Juden in alle Welt müssen die Deutschen werden, um die Masse des Guten ganz und zum Heile aller Nationen zu entwickeln, das in ihnen liegt.
So sah er das. Aus: Gespräch mit Kanzler von Müller vom 14. Dezember 1808. Gedenkausgabe, Bd. XXII: Goethes Gespräche, 1. Teil. Zürich 1949, S. 527
Um es mal genau zu nehmen. Und stand damit in krassem Gegensatz zu den jungen Dichtern der aufkommenden Deutschen Romantik.

Man muss das nicht so akzeptieren. Wie man überhaupt ein kritisches Verhältnis zu Goethe als Person haben darf. Insbesondere zu Goethe als jemanden, der sich selbst als bedeutenden Naturforscher sah. So sehen ihn heute nur noch die anthroposophischen Goetheaner. Aber die Person als Verkörperung "deutscher Kultur" ... das haut wohl nicht ganz hin. Mit der deutschen Sprache verhält es sich natürlich anders.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Montag 5. April 2021, 16:55, insgesamt 1-mal geändert.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Ammianus
Beiträge: 6404
Registriert: Samstag 17. Dezember 2011, 22:05

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Ammianus »

Na ja, immerhin habe ich jetzt gelernt, was ein "Dominantseptakkord". Da wurde ich also schon in früher Jugend versaut, denn einer der 4 Akkorde dich ich mir gleich am Anfang raufdrückte war "D7".

Oh, was bin ich doch für eine Traditionsverhuchte Toppsau ...

... so`n Mist, bei "Life on Mars" sind auch Dominantseptakkorde ...
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 21124
Registriert: Mittwoch 15. September 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ammianus hat geschrieben:(05 Apr 2021, 16:53)

Na ja, immerhin habe ich jetzt gelernt, was ein "Dominantseptakkord". Da wurde ich also schon in früher Jugend versaut, denn einer der 4 Akkorde dich ich mir gleich am Anfang raufdrückte war "D7".

Oh, was bin ich doch für eine Traditionsverhuchte Toppsau ...

... so`n Mist, bei "Life on Mars" sind auch Dominantseptakkorde ...
Ich weiß nicht, wieviel hundert male ich dieses Akkordschema ich im Leben selbst auch mitgespielt habe. Wenn man mal versucht beim Thema zu bleiben: Es handelt sich dabei einfach um ein verfestigtes und immer wieder reproduziertes Muster. Was sagt denn Zappa im Kern mit solchen frechen, arroganten und provokanten Bemerkungen: Nicht mehr, als dass er seinen Respekt verweigert, diesen Mustern zu folgen. Und sei es, dass er damit irgendwie Traditionalisten vor den Kopf stößt. Und das auch dann, wenn diese Muster von einer zum Teil rassistisch verfolgten Bevölkerungsgruppe stammen. Oder auch von den rassistischen Verfolgern.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17855
Registriert: Donnerstag 29. September 2016, 15:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 17:09)

Ich weiß nicht, wieviel hundert male ich dieses Akkordschema ich im Leben selbst auch mitgespielt habe. Wenn man mal versucht beim Thema zu bleiben: Es handelt sich dabei einfach um ein verfestigtes und immer wieder reproduziertes Muster. Was sagt denn Zappa im Kern mit solchen frechen, arroganten und provokanten Bemerkungen: Nicht mehr, als dass er seinen Respekt verweigert, diesen Mustern zu folgen. Und sei es, dass er damit irgendwie Traditionalisten vor den Kopf stößt. Und das auch dann, wenn diese Muster von einer zum Teil rassistisch verfolgten Bevölkerungsgruppe stammen. Oder auch von den rassistischen Verfolgern.
Alles immer mal gegen den Strich bürsten, originell, unverwechselbar und im Denken völlig unabhängig sein... all das ist sicher irgendwo erstrebenswert. Fortschritt und Entwicklung werden jedoch derart vereinzelt nicht funktionieren. Überall tun sich Menschen zweckgebunden zusammen. Temporäre Bündnisse können unter Umständen lebensnotwendig sein. Das bedeutet trotzdem nicht, in das identitäre Volks-und-Nationen-Gerede mit einstimmen zu müssen.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 23490
Registriert: Freitag 7. August 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 09:44)

"Tradition" bedeutet einfach nur "Weitergabe". Es ist historisch nicht begründbar, dass bei dieser Weitergabe auch eine Art Vernunftsiebung erfolgt. Weiterhin ist der Begriff "Volk" natürlich zu hinterfragen. Eine banale - weil allgemein inzwischen von mitdenkenden Menschen akzeptierte Bemerkung dazu lautet:


Nur ein Beispiel: Die Jugoslawien-Kriege und seine bis heute weiterbestehenden Konflikte kämen auf der Stelle ein gutes Stück voran zu einer Lösung, wenn die Beteiligten die Begriffe "Volk" und "Tradition" kritischer und distanzierter sehen würden.
Ahja - der Herr Schokoschendretzki stellt mal wieder sein Unwissen bzw Halbwissen über eine wissenschaftliche Hausarbeit (Seminararbeit).
Die Bedeutung des Begriffes "Tradition" ist eben nicht nur Weitergabe, sondern einiges mehr.
Darum beinhaltet dieser Begriff u.a. Überlieferungen, Sitten, Gebräuche, Regeln und Normen, welche ebenfalls weiter gegeben werden UND er unterscheidet zwischen ihnen.
Tradiert werden sowohl normative Regeln (Gesetze/Rechtssstem) und informelle Regeln u.a..
Allerdings haben Traditionen herzlich wenig mit der, von dir abgesonderten cerebralen Diarrhö zu tun, genau aus diesem Grund auch der Hinweis auf Adorno!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 23490
Registriert: Freitag 7. August 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

tarkomed hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:09)

Also ich verstehe den Satz so, dass die Vernunft durch das Sieb rieselt und was übrigbleibt, wird ins nächste Jahrhundert getragen… :D
Und was ist an dieser Aussage so lächerlich?
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 23490
Registriert: Freitag 7. August 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:11)

:D :D :D

Der war gut.
Das kann nur jemand schreiben und lächerlich finden, der den Sinn dieser Aussage nicht versteht!
(dbddhkpukku)
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 23490
Registriert: Freitag 7. August 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2021, 12:30)

Es ist eine scheußliche, schauderhafte Unsitte in Internet-Foren, sozialen Medien usw. mit nicht quellenbelegten Zitaten bekannter historischer Persönlichkeiten zu argumentieren. Der Begriff "gesiebte Vernunft" ist so sprachaußergewöhnlich und die (vermeintliche) Autorin so bekannt, dass man normalerweise per Suche unmittelbar auf ein Originaldokument kommen müsste. Man kommt aber nur auf unendlich viele weitere nicht belegte Zitate von irgendwem. Man muss der Userin Dark Angel einfach mal unseriöses Arbeiten im Sinne wissenschaftlicher Praxis vorwerfen. Zitate sind zu belegen! Das Ricarda-Huch-Zitat mit der Tradition als gesiebter Vernunft des Volks ziert zuallererst als Eingangszitat die Homepage des "Sportschützenkreis 6 Westlausitz e.V.". Verlinke ich nicht. Aus Prinzip. Bitte selbst suchen, wens interessiert. Das ist das Niveau! Web-Design Anfang der 90er. Ich will wissen, wo sie das genau geschrieben hat und ich will mir, wenn ich darauf eingehen soll, den genauen Kontext dieses Zitats erschließen. In sehr sehr vielen Fällen sind solche nicht belegten Zitate verfälscht, falsch übersetzt oder schlicht frei erfunden und nur irgendwie immer wieder re-rezitiert.
Ooh du möchtest einen Link, aus dem ich das Zitat habe?
Bitte sehr!
Du findest noch 49 weitere Zitate der Historikerin, Philosophin und Schriftstellerin Ricarda Huch, auf dieser Seite.
Also unterlass bitte deine haltlosen Verleumdungen!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17855
Registriert: Donnerstag 29. September 2016, 15:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Selina »

Auch nicht schlecht, was Brecht zum Stichwort "Tradition" sagt:

Ich brauche einen neuen (im Original: "großen") Brauch, den wir sofort einführen müssen; nämlich den Brauch, in jeder neuen Lage neu nachzudenken.
Aus: Die Jasager und Die Neinsager.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 23490
Registriert: Freitag 7. August 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(06 Apr 2021, 13:39)

Auch nicht schlecht, was Brecht zum Stichwort "Tradition" sagt:

Ich brauche einen neuen (im Original: "großen") Brauch, den wir sofort einführen müssen; nämlich den Brauch, in jeder neuen Lage neu nachzudenken.
Aus: Die Jasager und Die Neinsager.
Dumm nur, dass Tradition und Brauch nicht gleichbedeutend sind, sondern ein Brauch nur ein klitzekleiner Bestandteil der Tradition.
Aber woher sollst DU solche Feinheiten wissen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17855
Registriert: Donnerstag 29. September 2016, 15:33

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(06 Apr 2021, 13:42)

Dumm nur, dass Tradition und Brauch nicht gleichbedeutend sind, sondern ein Brauch nur ein klitzekleiner Bestandteil der Tradition.
Aber woher sollst DU solche Feinheiten wissen.
Das ist ein ironisches Dichterwort, ein passendes, und kein wissenschaftlicher Lehrsatz. Stichwort: "Denken als die größte Vergnügung der menschlichen Rasse" :D
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Gesperrt