franzmannzini hat geschrieben:(10 Mar 2021, 16:08)
Immer dieses "Hier liegst Du falsch". Natürlich gab es Menschen die wußten was es bedeuten würde wenn die Nazis an die Macht kommen, ein Großteil wußte es aber nicht.
Das ist das übliche "Entschuldigungsmuster". Und das ist falsch. Punkt. Deutschland war zu der Zeit hochpolitisiert. Es fanden auf offener Straße regelmäßig Straßenschlachten statt, politische Morde waren an der Tagesordnung, allein das Reichsbanner hatte in Spitzenzeiten drei Millionen Mitglieder. Die Mehrheit der Menschen wusste ganz genau, was die Nazis wollten. Dass mal Massenvernichtungslager eingerichtet würden, wusste man damals natürlich noch nicht. Aber als die Lager existierten, wussten auch darüber sehr viel mehr Menschen Bescheid als später zugegeben wurde. Und widersetzt hat sich auch dann nur eine Minderheit. Die Phrase "Ich wusste ja nichts..." sollte nach dem Zusammenbruch nur bemänteln, dass niemand aufbegehrt hat. Es ist doch wohl lächerlich, zu behaupten, dass den anständigen deutschen und "arischen" Bürgern entgangen sein soll, was in der "Kristallnacht" mit den Juden passiert ist. Dass sie nicht gemerkt haben, wie ihre jüdischen Nachbarn plötzlich entrechtet, mit Judensternen stigmatisiert und später sogar weggeschafft wurden. Das alles passierte ja auch nicht in einer nächtlichen Handstreichaktion. Das war über Jahre hinweg ideologisch vorbereitet worden.
Das ist auch eigentlich gar nicht mehr umstritten. Also musst Du damit leben, wenn jemand auf so eine Aussage von Dir antwortet "Hier liegst Du falsch".
Du mußt immer von Menschen ausgehen, häufig die Mehrzahl, die sich überhaupt nicht für Politik interessieren.
Die wollen einen Wohnung haben, Geld und Arbeit um ihren Alltag zu bestreiten und Freizeitvergnügungen. Gibt man ihnen das, dann sind sie meist zufrieden.
Da ist sicher was dran. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Deutschen damals mehrheitlich blöd waren und nicht wussten, was vorging. Die haben die Nazis gewähren lassen, weil die Mehrheit eigentlich gar keine Demokratie wollte und weil eine Mehrheit der Meinung war, das "Diktat von Versailles" müsse rückgängig gemacht werden. Das ist den Deutschen damals nicht "passiert". Die haben es sehenden Auges zugelassen.
Ist dieser Zeitpunkt in Russland erreicht ?
Putin scheint das zu befürchten. Sonst hätte er nicht mit solcher selbst für Russland beispielloser Härte reagiert. Ich persönlich kann schwer beurteilen, ob der Zeitpunkt gekommen ist oder ob der jemals kommen wird. DU kannst das aber auch nicht! Deshalb ist Deine Haltung, dass es blöd wäre, jetzt auf die Straße zu gehen, durch nichts begründbar ---- außer durch den Grundsatz, dass zuerst das Fressen kommt, und erst hinterher die Moral. Ist der Zeitpunkt erreicht? Keine Ahnung. Das kann man nur rauskriegen, wenn man es versucht.
Die innere Emigration ist die Phase vor dem Zeitpunkt bis offener Widerstand erfolgen kann.
Schon wieder muss ich den verhassten Satz schreiben: Hier liegst Du falsch. Innere Emigration führt zu gar nichts, außer zur Stabilisierung der herrschenden Verhältnisse. Innere Emigration ist genau das, was die Machthaber erreichen wollen. Sie wollen, dass die Untertanen schön die Schnauze halten, egal was sie denken.
Und mal so als Frage, war der Widerstand der Weissen Rose innere
Emigration, oder offener Widerstand ?
Na, die Frage beantwortet sich doch eigentlich von selbst. Für den "Straftatbestand" der inneren Emigration ist noch niemand hingerichtet worden. Die Geschwister Scholl und ihr Freund Probst landeten aber unter dem Fallbeil.
Was soll also Deine Frage? Meinst Du, die drei waren selbst schuld, dass sie geköpft wurden? Meinst Du, die hätten schön weiter die Schnauze halten und in innerer Emigration ihr Leben leben sollen?
Ich sehe das halt anders. Ich rechne es Probst und den Geschwistern Scholl hoch an, dass sie sich widersetzt haben. Erbärmlich ist nur die Entscheidung der Mehrheit, sich dem Widerstand nicht anzuschließen. Schuld an dem Elend in der Welt sind nämlich nie die Menschen, die Böses tun. Schuld sind die, die Böses dulden. Der Beweis dafür ist eben die NS-Geschichte Deutschlands. Wenn es tatsächlich stimmen würde, dass Deutschland von einer kleinen Minderheit von Nazis in den Abgrund gerissen wurde, dann muss man der "schweigenden Mehrheit" vorwerfen, dass sie halt die Schnauze gehalten hat. Wenn die Mehrheit das alles nicht wollte, dann hätte sie es beenden können. Aber sie hat ja lieber in innerer Emigration verharrt.
Es begann damit, das der "große Bruder" die DDR fallen gelassen hat, wie eine heiße Kartoffel, und nicht nur die DDR sondern die gesamten Blocksstaaten.
Für die war nicht mehr zu erwarten, das der "große Bruder" noch Eingriffe tätigt.
Und der Grenzzaun von Ungarn wurde geöffnet, weil Gorbatschow dies erlaubte.
Unterm Strich war der "große Bruder" unter Gorbatschow hauptsächlich dafür verantwortlich, das sich hier etwas bewegte, er hat einfach die Zügel fallen lassen.
Und nun solltest Du Dich fragen, wann Putin die Zügel fallen läßt,
und ober er überhaupt schon den Griff gelockert hat !
Oh, oh, das ist jetzt wieder eine sehr eigenwillige Interpretation der Vorgänge...
Hast Du Dir mal die Frage gestellt, WARUM der "Große Bruder" die Blockstaaten "fallengelassen" hat? Allein der Begriff "fallengelassen" ist in dem Zusammenhang schon mehr als fragwürdig! Ist das passiert, weil Gorbi am Abend vorher zu viel Wodka intus hatte und am Morgen dann sagte "Ach, mir tut der Kopf weh, lasst mich in Ruhe mit dem ganzen Mist, der Warschauer Pakt ist hiermit aufgelöst..."? Du hast offensichtlich die Chronologie der Ereignisse nicht mehr in Erinnerung. ZUERST gab es die Montagsdemos (und andere Erhebungen wie z.B. Solidarnosc), DANACH gab es die Öffnung der ungarischen Grenze und erst DANACH ist die Sowjetunion zusammengebrochen. Der "große Bruder" hat sich nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit entschlossen, sich selbst aufzulösen. Er wurde dazu gezwungen. Das war ein Unrechtsregime, das irgendwann nicht mehr zu vertretbaren Kosten aufrecht erhalten werden konnte. Und da sind wir bei einem entscheidenden Punkt: Kosten! Innere Emigration verursacht keine Kosten.
Revolution müsste hier erst mal definiert werden.
Na, wenn Du meinst... Ich denke, dass der Begriff hinreichend genau definiert ist, um hier nicht mehr streitig gestellt werden zu müssen.
Verdeckte Operationen gehen auch einer Revolution vorher.
Definier doch mal, was Du mit "verdeckten Operationen" überhaupt meinst. Innere Emigration kann per Definition nicht dazugehören.
Wenn nämlich die Machtelite merkt, das sich da etwas zusammenbraut,
dann wird sie in jedem Fall dagegen vorgehen, von ganz weich bis ganz hart. Also darf sie es nicht bemerken.
Jetzt bist Du auf dem richtigen Weg! Denk bitte ab hier weiter! Eine "Revolution" kann grundsätzlich NIEMALS unbemerkt von der Machtelite ablaufen. Es führt einfach überhaupt kein Weg daran vorbei, dass die Machtelite "bemerkt", dass eine Revolution stattfindet oder geplant ist. Es ist genau der Sinn der Übung, dass die Machtelite das bemerkt. Dass die Machtelite sich dann wehrt und nicht stillschweigend ihre Niederlage einräumt, ist ja wohl zu erwarten. Oder kennst Du eine "Revolution", die ohne das abgelaufen ist?
Widerstand muß organisiert werden, und das möglichst ungestört, wie Du auch schon oben festgestellt hast, kann dann zu einem gewissen Zeitpunkt der Widerstand offen erfolgen.
Auch hier macht erst Masse Klasse.
Du willst es offenbar nicht verstehen. Widerstand kann erst dann "organisiert" werden, wenn Widerstand überhaupt erstmal "stattfindet". Und Widerstand "kann" nicht irgendwann offen erfolgen, er "muss" offen erfolgen! Innere Emigration ist KEIN WIDERSTAND! Innere Emigration ist Kapitulation! Und wie soll man denn bitte aus der inneren Emigration heraus "Massen" in Bewegung setzen? Nachts im Traum vielleicht.
Lass mich in Ruhe mit Deinem Boris. Das ist ein einzelner Mensch. Der ist gewiss nicht aussagekräftigt, um Dein Plädoyer für innere Emigration zu rechtfertigen. Im Übrigen hat er auch gar nicht gesagt, dass er den Kampf jetzt einstellen will. Er hat nur gesagt, dass man nach anderen Formen des Widerstands suchen sollte. Zu dieser Erkenntnis wäre er nicht gelangt, wenn er diese eine Form des Widerstands nicht ausprobiert hätte. Er hätte dann auch nicht erfahren, dass es noch andere "Widerstandswillige" gibt. Er hätte dann keine Kontakte knüpfen können.
Zehn Tage in der Baracke mit Plumpsklo usw reichen diesem Widerstandskämpfer schon aus, um seinen offenen Widerstand einzustellen.
Und deshalb bin ich auch der Meinung, das der Zeitpunkt für offenen
Widerstand noch lange nicht erreicht ist.
Deine "Meinung" gipfelt immer wieder in der Aussage, dass man schön die Schnauze halten sollte, wenn man keine Garantie für einen sicheren und schmerzfreien Sieg hat. Ist ja auch in Ordnung. Niemand verlangt von Dir, dass Du kämpfst. In Russland ist das genauso. Auch da gibt es Leute, die kämpfen wollen, und Leute, die ohne Kampf irgendwann vom Sieg profitieren werden. Die künftigen Profiteure sollten nur die Kämpfenden nicht auch noch für blöd erklären, weil sie kämpfen.
Du hast die "Weiße Rose" zitiert. Informier Dich mal über diese Bewegung und frag Dich, welche Bedeutung Begriffe wie "Zivilcourage" haben.