sünnerklaas hat geschrieben:(18 Dec 2020, 11:00)
Geht ganz einfach: bei den letzten verbotenen Demonstrationen haben die Querdenker gemeint, man würde "Jetzt-erst-recht" demonstrieren. Dank konsequentem Vorgehen der Polizei wurden diese Leute festgesetzt und ihre Personalien aufgenommen. Die könnte man jetzt z.B. zum Test antreten lassen.
Nein, so einfach ist das leider nicht. Es benötigt mindestens einen "triftigen" Grund, damit du (offiziell!) getestet wirst: Ganz bestimmte Symptome, direkter Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person oder Aufenthalt in einem offiziellen Risikogebiet. Die ledigliche Teilnahme an einer regelbrechenden Querdenker-Demo berechtigt, bzw. verpflichtet dich (noch) zu nichts. Gegenteiliges würde man längst wissen.
Das ist eben sowas, das mich stört - dieses folgenlose Rumgeschimpfe massgeblich seitens der Politik über die verantwortungslosen Querdenker. Was für ein (gesundheitliches) Risiko die für sich und auch für andere darstellen würden, aber anstatt dass den Worten Taten folgen, lässt man sie (ungetestet!) lieber wieder auf die Menschheit los. Eben, weil kein "triftiger" Grund vorhanden ist. Eigentlich können sich die Querdenker dadurch nur darin bestätigt fühlen, das sie stärker sind als die Mühlen der Politik.
Oder es könnten behördenintern mal die Daten der Infizierten bzw. Erkrankten mit den Teilnehmern an den verbotenen Demonstrationen abgeglichen werden. Letzteres wird sicherlich auch irgendwann kommen - dann nämlich, wenn die Pandemie vorbei ist und politisch aufgearbeitet wird.
Ich glaube nicht, dass die Behörden sämtliche Daten jeglicher Teilnehmer aller Demonstrationen vorliegen haben. Einen Bruchteil höchstens, aber der dürfte nicht sonderlich aussagekräftig sein. Und selbst wenn, die Bearbeitung und Auswertung würde viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen - Corona macht dafür keine Pause.
Und die politische Aufarbeitung wird mit ziemlicher Sicherheit dann kommen müssen.
Was in meinen Augen unbedingt politisch aufgearbeitet werden sollte ist, ob die Schwere der zweiten Corona-Welle darauf zurückzuführen ist, dass im Gegensatz zur ersten Welle weniger bis gar keine Absonderungpflichten ausgesprochen wurden - oder ist das nur bei uns in BaWü so? Oder vielleicht nur in meinem Landkreis?
Ich arbeite in der Altenpflege und während der ersten Welle musste ich mich auf Geheiß der Behörden von Mitte April bis Anfang Juli "absondern"; ich durfte wie gewohnt meiner Arbeit nachgehen (weil systemrelevant), musste ansonsten aber Zuhause bleiben (weil Mehrparteienhaus, nicht mal in den Keller gehen oder zum Müllhäusle auf der anderen Straßenseite). Dasselbe galt für alle meine Kolleginnen und Kollegen auch. Offizielle (Behörden-)Begründung war, dass eine Corona-Infektion eben auch vollkommen symptomfrei verlaufen kann und man deshalb lieber auf Nummer sicher gehen wolle. Das war zwar ein schweres Los, aber dennoch logisch und nachvollziehbar.
Bei der zweiten Welle, die Anfang November bei uns losbrach, galt das alles seltsamerweise nicht. Niemand musste sich absondern, niemand hat Post vom den Behörden bekommen. Nach den ersten neuen Infektionen bei Bewohnern (zurückzuführen auf einen infizierten Physiotherapeuten von außerhalb), wurden zwar alle Bewohner und alles Personal neuerlich getestet, behördenrelevant waren aber lediglich die positiven Testergebnisse. Und im Gegensatz zum Frühjahr läuft das meiste nur noch über die Corona-App = und bei der ist bekanntlich alles freiwillig.
Demzufolge könnte es also sein, dass viele Neuinfektionen durch Menschen verursacht wurden, die infiziert, aber symptomfrei sind; sich jedoch nicht vorsorglich absondern mussten, weil die Behörden vermehrt über die App kommunizieren, deren Nutzung und Empfehlungen unkontrolliert, folglich insgesamt ziemlich unsicher ist. Oder hängt die ausbleibende Absonderungspflicht mit dem "Lockdown light" zusammen - quasi, wozu soll sich ein unwissend infizierter Mensch absondern, wenn der Spielraum zur Virusverbreitung für ihn durch politische Maßnahmen begrenzt wurde?
Oder liegt es daran, dass im Gegensatz zum Frühjahr u. a. die Landesgrenzen nicht geschlossen wurden? Aufgefallen ist mir am Anfang der zweiten Welle, dass nebst Großstädten und Ballungsräumen viele Grenzregionen von starkem Infektionsgeschehen betroffen waren. Und momentan verbindet man ja die Intensität des Infektionsgeschehen in Sachsen mit dem dort höheren Wählerzuspruch zur AfD, deren politische Haltung zu Corona höchst fragwürdig ist.
Jedenfalls, Schuld nur und ausschließlich bei Querdenkern zu suchen, so verurteilswert deren Umgang mit Corona auch immer sein mag, wäre schlicht fatal.
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner