Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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schokoschendrezki
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2020, 07:56)

@ Orbiter

Vertragsverletzungsverfahren sind doch bis zur Urteilsverkündung abgearbeitet worden. Allerdings müssen die dann einstimmig (ohne den Verurteilten) zugelassen werden. So habe ich die vergangenen Abläufe verstanden. Und da war dann die Gegenstimme aus Budapest.

Ich sehe nicht, wie man mit dem bestehenden Regelwerk aus dieser Falle heraus kommen will.

Deshalb macht die EU nun den Versuch, den Corona-Fonds ohne Polen, Ungarn und Slowenien aus zu handeln, als Privatveranstaltung der übrigen EU-Partner. Daran kann die auch niemand hindern, denn im EU-Vertragswerk ist vorgesehen, daß sich Gruppen von Partnern zur Verwirklichung ihrer Ziele zusammenschließen dürfen. Diese Gruppe besteht dann aus Anhängern des demokratischen Rechtsstaats mit Gewaltenteilung und einem Hilfsprogramm, das dieser Gruppe über die Folgen der Pandemie hinweg hilft.
Die jüngsten Meldungen sehen etwas anders oder zumindest nicht eintheitlich aus. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley (SPD) äußerte sich in aktuellen Interviews dahingehend, dass die EU quasi am längeren Hebel sitzt und Länder wie Ungarn und Polen einfach wegen der auch für sie notwendigen EU-Mittel in Punkto Rechtsstaatlichkeit einknicken werden. Also gerade nicht "Privatveranstaltung". Ich bin der Ansicht: Da irrt sich Frau Barley. Ich setze nur mal eine Meldung von gestern dagegen, die im Rausch der Nachrichten sicherlich nicht ganz vorn präsent sein dürfte ... und zwar vom Produktionsvorstand von BMW in Hinsicht auf strategische Umstellung auf Elektrromobilität.
Wir entwickeln das Werk München kontinuierlich weiter in Richtung Elektromobilität und schaffen dafür effiziente und wettbewerbsfähige Produktionsstrukturen", sagte der Vorstand. Auf dem frei werdenden Gelände des Motorenwerks werde eine ganz neue Fahrzeugmontage aufgebaut, die für die neue, stark auf E-Antriebe ausgerichtete BMW-Plattform ausgelegt sei. Diese Plattform werde Mitte der 20er-Jahre im geplanten BMW-Werk Debrecen in Ungarn anlaufen und dann auf alle anderen Werke ausgerollt.
https://www.rtl.de/cms/bmw-baut-sein-st ... 52757.html
Sie werden sicherlich verstehen, was damit eigentlich gesagt wird. Nicht etwa einfach, dass es einen großen Produktionsstandort im ostungarischen Debrecen geben wird und dort Autos geschraubt werden und vom Band rollen.

Die andere Seite zum Verständnis des "Systems Orbán" hat ganz wesentlich mit dem Wahnsinn "Gemeinsame Agrarpolitik der EU" zu tun. Die zwar immer wieder reformiert wurde aber dennoch ein Wahnsinn geblieben ist. Sie führte dazu, dass Viktor Orbán sich über die Zusammenlegungen und die Verkäufe von Agrarflächen a) ein Clan-System von Protegierten aufbauen konnte und b) sich unter den Wählern eine stabile Mehrheit im ländlichen und kleinstädtitschen Bereich aufbauen konnte. Die Agrarpolitik der EU ist/war genau das passende Vehikel dafür und er und seine Leute sind eben einfach so schlau, so kommunikativ und wenn man so will auch so uneitel-fleißig, sich dieses System zu Nutze zu machen. Die Zusammenhänge werden in dieser aktuellen SWR-Wissen-Sendung eigentlich ziemlich genau und präzise dargestellt: https://www.swr.de/swr2/wissen/orbans-c ... 0-100.html

Die andere Seite dieser Entwicklungen besteht darin, dass sich in den größeren Städten eben auch eine Mehrheit gegen das System Orbán stellt. Genau wie auch in Polen gegen die rechtskonservative PIS-Politik. Wir haben es in Europa mehr und mehr mit einer Fragmentierung der Lebensverhältnisse überall und nicht mit einem Gegensatz der "Kulturkreise" (Ost, West, Nord, Süd) zu tun. Was haben in Frankreich die Leute, die hinter den ökologischen Zukunftsprojekten der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (oder der Bürgermeisterin von Marseille) stehen, denn noch mit den Menschen der Gelbwestenbewegung zu tun, die sich gegen Benzinpreiserhöhungen wenden. Sie stehen den Menschen in Budapest oder Warschau im Grunde genommen näher als ihren eigenen Landsleuten im ländlichen Bereich.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Orbiter1
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2020, 09:51)

Sie werden sicherlich verstehen, was damit eigentlich gesagt wird. Nicht etwa einfach, dass es einen großen Produktionsstandort im ostungarischen Debrecen geben wird und dort Autos geschraubt werden und vom Band rollen.
Da werden BMW und andere Unternehmen ihre Pläne eben ändern müssen wenn sich die begonnene Abspaltung von Ungarn und Polen fortsetzt. Zumindest sollten diese Unternehmen bereits heute unmißverständlich klar machen dass man einen Plan B (den es sowieso gibt) weiter ausdetailliert und sämtliche Investitionstätigkeiten in Polen und Ungarn solange aussetzt bis eine Klärung in Fragen der Rechtsstaatlichkeit auf EU-Ebene erzielt wurde. Im übrigen sollten Unternehmen an ihren internationalen Investitionsstandorten an rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren interessiert sein die von unabhängigen Richtern durchgeführt werden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von King Kong 2006 »

Nichts gegen Ungarn und Polen, aber man würde strukturell mit weniger Mitgliedern besser fahren. Hoffe man hat den Beitritt der Türkei nicht mehr ernsthaft auf den Schirm. Nichts gegen die Türkei oder Türken. Ein enge wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit würde auch mit Ungarn und Polen zu favorisieren sein. Geht sogar mit den Briten. In der NATO ist man ja auch noch.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
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Fliege
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Fliege »

Soweit ist die deutsch-polnische Aussöhnung also gediehen, dass Deutsche den Hinauswurf Polens aus der EU ("Europa") wünschen und betreiben?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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King Kong 2006
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von King Kong 2006 »

PS: Ein Grundgedanke der Mitgliedschaft in der EU ist ja das "Erziehen der Aspiranten" zu einem sogenannten Rechtsstaat. Nur, das geht in beide Richtungen. Was ist wenn Mitglieder sich in die andere Richtung entwickeln. Ziehen sie dann die anderen Mitglieder mit sich, weil sie es bereits schon tolerieren? Das ist nicht mehr der Gedanke beim Beitrittsprozess. Man muss sich daran gewöhnen, das nicht alle gleich ticken. Sonst verschlimmbessert man vieles. Auch sich selbst.
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Dieter Winter
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2020, 12:36)

Soweit ist die deutsch-polnische Aussöhnung also gediehen, dass Deutsche den Hinauswurf Polens aus der EU ("Europa") wünschen und betreiben?
Naja, wer die Regeln missachtet, bekommt auch im politikforum.eu eine Auszeit verpasst.
Never approach a bull from the front, a horse from the rear, or an idiot from any direction.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Dieter Winter hat geschrieben:(20 Nov 2020, 12:39)

Naja, wer die Regeln missachtet, bekommt auch im politikforum.eu eine Auszeit verpasst.
Ein treffender Vergleich. Ohne Prozess, ohne Verteidigung und ohne Richter.
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2020, 12:36)

Soweit ist die deutsch-polnische Aussöhnung also gediehen, dass Deutsche den Hinauswurf Polens aus der EU ("Europa") wünschen und betreiben?
Das läuft doch ganz von allein. Zbigniew Ziobro wird das schon machen. Da braucht er keine deutsche Hilfe.

Die polnische Demokratie ist inzwischen so weit gediehen, daß protestierende Frauen von nationalistischen Schlägertrupps auf offener Straße und unter den Augen der Polizei verprügelt werden. Da gibt es bedrückende Bilder dieser Abläufe. Mit einem solchen politisch entarteten Staat ist offene Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Der kann sich an Bialorus anschmiegen... da sind mehr Gemeinsamkeiten zu erkennen.

KingKong hat Recht: Um Handel und Wandel zu betreiben, braucht man keine EU. Das klappt ja auch ganz gut mit China und anderen Staaten, die ich auf keinen Fall in der EU sehen möchte.

Die EU soll eine zukunftsfähige Gemeinschaft mit offenen Grenzen bleiben, mit demokratischen Rechtsstaaten nach dem Vorbild westlicher europäischer Demokratien. Wer etwas anderes anstrebt, der muß sich dann eben eine andere Gemeinschaft suchen. Die EU ist kein Ort für Geisterfahrer.

Die EU war übrigens schon einmal knapp davor, die Beitrittsverhandlungen mit Polen ab zu brechen. Damals hatte dann der polnische Präsident Lech Kaczyński seinen Bruder und Premierminister Jarosław Kaczyński zu Hause gelassen, als die Gespräche festgefahren waren, um selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Lech Kaczyński sieht dieses unsägliche polnische Theater nun von Wolke 7 aus.
Zuletzt geändert von H2O am Freitag 20. November 2020, 13:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

El Pais 20. November 2020 Die Blockierer abschütteln
https://www.eurotopics.net/de/251428/wa ... ensprinzip
„Die Bestimmungen zur Rechtsstaatlichkeit sind verabschiedet. Falls es keine Einigung über einen neuen Haushalt gibt, wird der alte Haushalt, der Ende 2020 ausläuft, auf jährlicher Basis verlängert. Ungarn und Polen würden im Rahmen dieses Haushalts keinerlei Zahlungen erhalten, weil sie gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen. In ähnlicher Weise könnte der Wiederaufbaufonds mit dem Namen Next Generation EU mittels eines Verfahrens der verstärkten Zusammenarbeit umgesetzt werden, so wie es Guy Verhofstadt vorgeschlagen hat. Schlüge die EU diesen Weg ein, ließe sich das Orbán-Kaczyński-Veto umgehen.“
Es ist Zeit für eine vertiefte Debatte über eine EU der zwei Geschwindigkeiten. Vielleicht führt das Veto gegen den Mittelfristigen Finanzrahmen und den Wiederaufbaufonds zu mehr Ehrlichkeit der EU-Mitgliedsstaaten untereinander. Neue gemeinsame Ziele können nur definiert werden, wenn die unterschiedlichen Interessen von den einzelnen Mitgliedsstaaten klar benannt werden. Ein Weiterso verquaster Rhethorik schadet allen Beteiligten mittel- und langfristig.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2020, 12:36)

Soweit ist die deutsch-polnische Aussöhnung also gediehen, dass Deutsche den Hinauswurf Polens aus der EU ("Europa") wünschen und betreiben?
Gähn... Welche Deutschen befürworten oder betreiben denn den Herauswurf Polens aus der EU?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kritikaster »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2020, 12:36)

Soweit ist die deutsch-polnische Aussöhnung also gediehen, dass Deutsche den Hinauswurf Polens aus der EU ("Europa") wünschen und betreiben?
Das Dumme ist, dass die Polen das mittels ihrer Regierungspolitik selbst erledigen. Auch die haben, ebenso wie Ungarn, keinen Freifahrtschein, wenn es um die Einhaltung der Mitgliedschaftskriterien geht.

Das mag für Freunde autoritärer Gesellschaftsentwürfe schwer verständlich sein, aber so ist es nun einmal.
Der am höchsten entwickelte Sinn ist der Unsinn. (Peter E. Schumacher)
Wo der Sinn aufhört, beginnt der Wahnsinn. (Erhard Horst Bellermann)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Offenbar lässt die EU ihre "Kritiker" in Polen, Ungarn und nunmehr auch Slowenien einfach ins Leere laufen:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 61690.html

Besonders interessant finde ich auch den Hinweis, dass es gar keiner zwischenstaatlichen Vereinbarungen bedarf, um innerhalb der EU den Corona-Hilfsfonds zu verabschieden. Wenn das so funktioniert, würde das Veto Polens und Ungarns nicht mal zu einer Verzögerung führen. Die Gelder könnten problemlos auch schon - wie geplant - ab dem 1.1.2021 ausgezahlt werden. Nur eben nicht an Polen und Ungarn. Aber das macht ja auch gar nichts. Wer nicht will, der hat schon...

Ich bin sehr gespannt, wie sich das alles in den nächsten Tagen noch entwickelt. Es wird zunehmend deutlich, dass Polen und Ungarn (und evtl Slowenien) nun für sich entscheiden müssen, ob sie der EU noch angehören wollen oder nicht. Ich persönlich fände es tragisch, wenn sie sich für eine Abkehr von der EU entscheiden würden. Aber: Reisende soll man nicht aufhalten.
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Nein, wir sollten schon trennen zwischen polnischen und ungarischen Normalverbrauchern und ihren ziemlich durchgeknallten Regierungen. Die Ungarn haben schon in großen Demonstrationen dazu aufgerufen, doch bitte Orban ab zu strafen, und das ungarische Volk nicht an seiner Stelle büßen lassen. Ich erwarte ähnliche Aufmärsche, wenn klar ist, daß die EU es endgültig leid ist, mit diesen merkwürdigen Zeitgenossen in der polnischen Regierung umgehen zu müssen.

Ich kann mir auch vorstellen, daß die nächsten Wahlen nicht erst in 3 Jahren stattfinden, sondern die PiS-Regierung schon vorher zum Teufel gejagt wird. Auch innenpolitisch baut sich erheblicher Unmut auf!

Auf jeden Fall ist es vernünftig, dieser Bande von Stänkerern nicht noch EU-Mittel in die Hand zu drücken. Diese Leute werden nicht zögern, den Fortschritt im Lande ihrem segensreichen Wirken zu zu ordnen. Das deutsch-polnische Verhältnis kann man von Mensch zu Mensch in Polen ganz anders erleben. Und das möchte ich wirklich nicht missen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2020, 16:39)

Nein, wir sollten schon trennen zwischen polnischen und ungarischen Normalverbrauchern und ihren ziemlich durchgeknallten Regierungen. Die Ungarn haben schon in großen Demonstrationen dazu aufgerufen, doch bitte Orban ab zu strafen, und das ungarische Volk nicht an seiner Stelle büßen lassen. Ich erwarte ähnliche Aufmärsche, wenn klar ist, daß die EU es endgültig leid ist, mit diesen merkwürdigen Zeitgenossen in der polnischen Regierung umgehen zu müssen.

Ich kann mir auch vorstellen, daß die nächsten Wahlen nicht erst in 3 Jahren stattfinden, sondern die PiS-Regierung schon vorher zum Teufel gejagt wird. Auch innenpolitisch baut sich erheblicher Unmut auf!

Auf jeden Fall ist es vernünftig, dieser Bande von Stänkerern nicht noch EU-Mittel in die Hand zu drücken. Diese Leute werden nicht zögern, den Fortschritt im Lande ihrem segensreichen Wirken zu zu ordnen. Das deutsch-polnische Verhältnis kann man von Mensch zu Mensch in Polen ganz anders erleben. Und das möchte ich wirklich nicht missen.
Das ist ja auch meine Hoffnung!

Ich hoffe sehr, dass die Menschen in Polen und Ungarn baldmöglichst kapieren, wohin ihre Regierungen sie führen! Gerade von den Polen wissen wir ja, dass sie unbedingt in der EU verbleiben wollen. Aber dann müssen die Menschen in Polen und Ungarn jetzt endlich mal in entsprechender Weise ihre Regierungen bestimmen! Darauf kann die EU kaum einwirken. Die EU kann jetzt nur noch eine klare, harte Grenze setzen. Das hat sie getan, und das EU-Parlament wird dafür sorgen, dass diese Grenze nicht mehr verschoben werden kann. Nun muss Polen "wählen". Ungarn auch. Und wenn sie mit "Nein" stimmen, dann müssen sie eben die Konsequenzen tragen. Ist für die anderen Mitgliedsstaaten vielleicht sogar ein Vorteil. Dann fließen die vielen Milliarden Euro, die eigentlich für Polen bestimmt waren, halt nach Spanien oder Italien oder Frankreich. Mir ist es recht. Genau das wäre die richtige Antwort auf diesen bescheuerten Erpressungsversuch der Regierungen in Polen und Ungarn.

Ich denke auch, dass es genauso kommen wird. Für den Fortbestand der EU sind Länder wie Italien, Spanien und Frankreich sehr viel wichtiger als Polen oder Ungarn. Von Slowenien gar nicht zu reden. Selbst das "kleine" Griechenland ist da sehr viel wichtiger. Die EU darf und wird sich jetzt nicht mehr erpressen lassen. Die Mittel aus dem Corona-Hilfsprogramm werden im ersten Quartal des nächsten Jahres ausgezahlt. Dann halt nur unter Ausschluss von Polen und Ungarn. Deren Problem...
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Fliege
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Fliege »

Kritikaster hat geschrieben:(20 Nov 2020, 15:17)

Das Dumme ist, dass die Polen das mittels ihrer Regierungspolitik selbst erledigen.
Wieso sieht die EU eigentlich Vetos vor, wenn Vetos zum Anlass genommen werden, EU-Mitglieder hinaus zu mobben?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2020, 18:45)

Wieso sieht die EU eigentlich Vetos vor, wenn Vetos zum Anlass genommen werden, EU-Mitglieder hinaus zu mobben?
Weil die EU nicht von Winkeladvokaten vorgeführt werden will.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2020, 18:45)

Wieso sieht die EU eigentlich Vetos vor, wenn Vetos zum Anlass genommen werden, EU-Mitglieder hinaus zu mobben?
Das ist Quatsch mit Soße!

Die EU sieht keine Vetos vor. Die Verträge legen nur fest, dass bestimmte Entscheidungen einstimmig beschlossen werden müssen. Und hier soll auch niemand hinaus gemobbt werden. Zwei Mitgliedsstaaten stellen sich gerade ganz bewusst und aus eigenem Antrieb ins Abseits - in der Hoffnung, die anderen 25 Mitgliedsstaaten erpressen zu können.

Und bei dem ganzen Zank geht es nicht darum, dass die Gemeinschaft den beiden Möchtegern-Erpressern irgendwelche unmoralischen Dinge aufzwingen wollte. Es geht darum, dass die beiden Erpresser-Staaten sowas Grundsätzliches wie "Rechtsstaatlichkeit" ablehnen.

Man muss schon ein sehr eigentümliches "Demokratieverständnis" haben, wenn man sowas als "hinaus mobben" interpretiert.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Kohlhaas hat geschrieben:(21 Nov 2020, 12:44)

Das ist Quatsch mit Soße!

Die EU sieht keine Vetos vor. Die Verträge legen nur fest, dass bestimmte Entscheidungen einstimmig beschlossen werden müssen. Und hier soll auch niemand hinaus gemobbt werden. Zwei Mitgliedsstaaten stellen sich gerade ganz bewusst und aus eigenem Antrieb ins Abseits - in der Hoffnung, die anderen 25 Mitgliedsstaaten erpressen zu können.

Und bei dem ganzen Zank geht es nicht darum, dass die Gemeinschaft den beiden Möchtegern-Erpressern irgendwelche unmoralischen Dinge aufzwingen wollte. Es geht darum, dass die beiden Erpresser-Staaten sowas Grundsätzliches wie "Rechtsstaatlichkeit" ablehnen.

Man muss schon ein sehr eigentümliches "Demokratieverständnis" haben, wenn man sowas als "hinaus mobben" interpretiert.
Der Haushalt erfordert Einstimmigkeit.

Die Verweigerung der Zustimmung ist keine Erpressung, sondern verbrieftes Recht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von naddy »

Die originellste Lösung wurde gestern in der Heute-Show vorgestellt: Da der Austritt aus der EU angeblich jederzeit möglich ist, treten außer Polen und Ungarn einfach alle anderen Staaten aus und gründen unter neuem Namen eine neue Vereinigung. Genial. :)
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Senexx hat geschrieben:(21 Nov 2020, 12:50)

Der Haushalt erfordert Einstimmigkeit.

Die Verweigerung der Zustimmung ist keine Erpressung, sondern verbrieftes Recht.
Toller Kommentar. Du bist eine echte Geistesgröße! Ich verneige mich vor Deiner Großartigkeit.

Und was ändert das?

Fakt ist: Zwei Nationen haben angekündigt, dem Haushalt nicht zustimmen zu wollen. Sie erklären das nicht mit Vorbehalten gegen den Haushalt! Mit dem Haushalt sind sie und müssen sie vollkommen eiverstanden sein, weil die die größten Profiteure dieses Haushalts sind. Sie erklären die "angedrohte" Ablehung des Haushalts mit Gründen, die mit dem Haushalt selbst gar nichts zu tun haben.

Das ist definitiv ein Versuch, zu erpressen. Wer das bestreiten will kann bestenfalls eine IQ haben, der unterhalb eines Regenwurms liegt.

Fakt ist weiterhin: Der EU-Haushalt kann tatsächlich nur einstimmig beschlossen werden. Wenn es keine Einstimmigkeit gibt, dann bedeutet das aber nicht, dass die EU nicht mehr handlungsfähig ist und keinen Haushalt mehr hat. Du hast recht: Es ist das verbriefte Recht Polens und Ungarns, dem Haushalt nicht zuzustimmen. Und? Sollen sie es doch machen. Es wird trotzdem faktisch einen Haushalt geben. Und jetzt?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Orbiter1 hat geschrieben:(20 Nov 2020, 10:31)

Da werden BMW und andere Unternehmen ihre Pläne eben ändern müssen wenn sich die begonnene Abspaltung von Ungarn und Polen fortsetzt. Zumindest sollten diese Unternehmen bereits heute unmißverständlich klar machen dass man einen Plan B (den es sowieso gibt) weiter ausdetailliert und sämtliche Investitionstätigkeiten in Polen und Ungarn solange aussetzt bis eine Klärung in Fragen der Rechtsstaatlichkeit auf EU-Ebene erzielt wurde. Im übrigen sollten Unternehmen an ihren internationalen Investitionsstandorten an rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren interessiert sein die von unabhängigen Richtern durchgeführt werden.
Das Problem bei der Beurteilung dieser aktuellen Entwicklung besteht darin, dass diese massiv von den Pandemieentwicklungen betroffen ist. Nachdem zunächst Länder wie Italien, Frankreich, UK, Spanien betroffen waen und Länder wie Tschechien, Slowakei und Ungarn weitgehend verschont zu bleiben schienen ... verlagert sich nun ein Schwerpunkt der Pandemie ins südliche Mittelosteuropa. Besonders der Raum dieses sogenannten mittelosteuropäischen Autoindustrieclusters vom südlichen Polen über Tschechien und Slowakei bis nach Nordwestungarn und den Raum Wien ist betroffen. Umso interessanter bzw. eigentlich fragwürdiger wird die auf Nichtauszahlung der entsprechenden AUszahlungen des Wiederaufbaufonds der EU hinauslaufende Politik des Systems Orbán. Ich würde mal denken: Es steht auf der Kippe. Weder sitzt die EU am längeren Hebel noch kann ein Land wie Ungarn bei einem Fortgang der aktuellen Entwicklung allein die Krise meistern. Dass Orbán aber eben nicht nur die EU sondern auch die z.B. von der deutsch-ungarischen Handelsvertretung vertretenen Unternehmen fest an seiner Seit weiß, ist Fakt. Und er ist mit seiner Fidesz-Partei nach wie vor Teil der EVP. Nicht vergessen. Vielleicht nicht persönlich er selbst, aber seine Fachleute, sind eben ganz einfach fleißig und uneitel. Sie reden nicht wie etwa Leute wie früher Junker oder heute Asselborn über Demokratie und Freiheit sondern studieren Punkt für Punkt die europäischen Verträge und analysieren ganz genau, wie weit sie wie gehen können. Wundert dich das? Hast du erwartet, dass die irgendwie zu ihrem eigenen Nachteil Politik machen?

Natürlich ist die Industrie an Rechtsstaatlichkeit nicht nur interessiert sondern darauf angewiesen. Der Verlust von Rechtsstaatlichkeit in Ungarn richtet sich aber keineswegs gegen die Wirtschaft. Weder gegen die nationale noch die von Investoren aus dem Ausland. Sie richtet sich gegen die eigenen Intellektuellen, Künstler, Journalisten. Sofern sie liberal und nicht nationalistisch drauf sind.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Sie reden nicht wie etwa Leute wie früher Junker oder heute Asselborn über Demokratie und Freiheit sondern studieren Punkt für Punkt die europäischen Verträge und analysieren ganz genau, wie weit sie wie gehen können. Wundert dich das?
Ja, das wundert mich schon; der Sinn der EU war eine Gemeinschaftsbildung zum gegenseitigen Vorteil mit dem Ziel einer sich stetig vertiefenden Zusammenarbeit. Dieser Grundsatz ist an den bienenfleißigen Analytikern offenbar ganz vorbei gegangen. Können die sich überhaupt erklären, wozu es Nettozahler gibt, die, anstatt ihre Mittel zum eigenen Nutzen aus zu geben, diese zum Aufbau der osteuropäischen Wirtschaft und Infrastruktur bereitstellen? Da ist doch etwas oberfaul!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(21 Nov 2020, 14:04)

Toller Kommentar. Du bist eine echte Geistesgröße! Ich verneige mich vor Deiner Großartigkeit.

Und was ändert das?

Fakt ist: Zwei Nationen haben angekündigt, dem Haushalt nicht zustimmen zu wollen. Sie erklären das nicht mit Vorbehalten gegen den Haushalt! Mit dem Haushalt sind sie und müssen sie vollkommen eiverstanden sein, weil die die größten Profiteure dieses Haushalts sind. Sie erklären die "angedrohte" Ablehung des Haushalts mit Gründen, die mit dem Haushalt selbst gar nichts zu tun haben.

Das ist definitiv ein Versuch, zu erpressen.
Natürlich ist das Erpressung. Was denn sonst. Und?

Gerade jetzt jährt sich zum 25. mal der Mannheimer Parteitag der SPD. Zur Erinnerung: Es ging um den Machtkampf zwischen Scharping, LaFontaine und Schröder. Warum erwähne ich das? Mit allen Mitteln, mit Gemeinheiten, Intrigen, Erpressungen, schlimmsten Vorwürfen wurde dieser Machtkampf geführt. 1995. Knapp 10 Jahre danach trat Ungarn der EU bei. Was erwartet man denn? Gutmenschlichkeit? "Dankbarkeit" vielleicht noch? Ungarn hat ganz wesentlich mit dem Ende des Eisernen Vorhangs dafür gesorgt, dass deutsche Unternehmen plötzlich über einen unfassbar erweiterten leicht zugänglichen Absatzmarkt verfügten. Und mit diesem erweiterten europäischen Markt Milliarden über Milliarden Gewinn machen. Summen, gegen die diese sogenannten "EU-Gelder" marginal sind. Dazu kommt mehr und mehr die Möglichkeit deutscher Unternehmen, ihre Produktions- und Entwicklungskapazitäten in diese Richtung auszudehnen. In Deutschland, ein wenig kann ich das schon beurteilen, ist die Lust am ingenieurmäßigen Tüfteln nur noch mäßig ausgeprägt. Man weiß, dass man schon ein bissel Mathe, Physik, Technik, Programmieren drauf haben muss ... und will dann aber schnell in die Management-Ebene. Das ist in einem Land wie Ungarn anders. Und das wird man in naher Zukunft auch bemerken.

Aber natürlich ist das Problem des Rechtsstaatsabbaus in Ungarn relevant. Und natürlich versorgt Viktor Orbán seine Freundes-Klicke ungehemmt mit EU-Mitteln, die er vornehmlich aus der idiotischen Agrar-Politik der EU bezieht. Leidtragende sind jedoch nicht wir Deutschen. Wir sind die Profiteure! Leidtragende sind ungarische Künstler, Intellektuelle und Journalisten.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(21 Nov 2020, 15:41)

Ja, das wundert mich schon; der Sinn der EU war eine Gemeinschaftsbildung zum gegenseitigen Vorteil mit dem Ziel einer sich stetig vertiefenden Zusammenarbeit. Dieser Grundsatz ist an den bienenfleißigen Analytikern offenbar ganz vorbei gegangen. Können die sich überhaupt erklären, wozu es Nettozahler gibt, die, anstatt ihre Mittel zum eigenen Nutzen aus zu geben, diese zum Aufbau der osteuropäischen Wirtschaft und Infrastruktur bereitstellen? Da ist doch etwas oberfaul!
Das können die sich schon erklären. Zumindest der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der regionalen Energieversorgung dient u.a. dazu, den Abtransport der Güter und den Hintransport der benötigten Teile in den Produktionsstätten internationaler Unternehmen in Ungarn zu gewährleisten. Schauen Sie. Was soll denn "vertiefende Zusammenarbeit" substanziell sein? Man könnte auf außenpolitische, kulturelle, militärische Zusammenarbeit verweisen. Das hat aber in Bezug auf Ungarn nur eine untergeordnete Bedeutung für die EU.

Was soll "Aufbau der osteuropäischen Wirtschaft" durch eigene (Staats)Mittel bedeuten? Die staatsgelenkte Wirtschaft wurde ja gerade abgeschafft. Der Staat kann vielleicht Geld für Kindergärten und Hochschulen bereitstellen. Die Wirtschaft ist europäisiert, globalisiert und geht ihre eigenen Wege. Es gibt nicht diesen "Empfänger" Ungarn mit seiner nationalen Wirtschaft. Ungarn ist Teil eines internationalisierten Wirtschaftsgeflechts mit Eigengesetzlichkeiten.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Leidtragende sind jedoch nicht wir Deutschen. Wir sind die Profiteure!
Eine rührende Geschichte! Und weil wir Alt-EUler die Lust am Gewinn verloren haben, betreiben wir in der EU-Ratspräsidentschaft den Ausschluß Polens und Ungarns aus den geplanten Mitteln zur Überwindung der Folgen der Pandemie.

Aus meiner Sicht ist Gewinn notwendig für wirtschaftliches Handeln, denn sonst kann man sich die Mühe und Arbeit anderen Orts auch ersparen. Dann mache ich es mir zu Hause gemütlich... oder breche auf zu anderen Ufern.

Das Ziel der EU ist aber die Gemeinschaft, die zum gegenseitigen Vorteil besonders gut zusammenarbeitet. Die Zusammenarbeit ist aber nicht nur die Wirtschaft gerichtet, sondern auf sämtliche Gebiete einer Gesellschaft! Wenn erkennbar dieses Ziel verfehlt wird, dann braucht niemand diese Gemeinschaft oder das Mitglied, das gegen den Geist der Gemeinschaft mutwillig und erpresserisch verstößt. Da reden wir wirklich von Ungeheuerlichkeiten.

Entsprechend entschlossen tritt die EU mehrheitlich nun auch auf!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zum Thema Quo Vadis selbst: Wenn ich Außenminister wäre ... ich würde das Maximum der mir zur Verfügung stehenden Mittel in Expertengruppen stecken, die die Möglichkeiten einer engeren französisch-deutsch-polnischen Zusammenarbeit innerhalb der EU ausloten. Dazu muss man zuerst das Phänomen Brexit sehen. Dann die Entwicklungen in den USA. Die Orientierung der USA (egal ob unter Trump oder Biden) auf Osteuropa. Die Rolle Polens gegenüber Russland und die Rolle Polens gegenüber den Staaten, die Schwierigkeiten mit Russland haben: Ukraine, Baltikum, Belarus. Die ganze weltpolitisch-geographische Gesamtlage. Damit will ich nicht die Bedeutung kleinerer Staaten wie Dänemark oder Tschechien herunterspielen. Eine EU mit einem Kernbündnis Frankreich,Deutschland,Polen wäre außenpolitisch einfach die Lösung für längerfristige Stabilität in der EU. Frankreich steht für eine eigenständige EU mit Frankreich als Führungsmacht. Deutschland als Vermittler. Die politische Lage in Polen ist Fifty-Fifty. Man könnte auf die Idee kommen, einfach die liberalen politischen Kräfte in Polen irgendwie zu stärken und dieses fifty-fifty-Verhältnis zu kippen. Keine kluge Idee, glaube ich, Es würde die Legenden von der deutschen Beeinflussung stärken, Man muss letztendlich auch klug und - natürlich ohne Aufgabe von Grundprinzipien - auf die PIS-Partei zugehen. Ich kann mir längerfristig nur eine EU mit einem deutsch-französisch-polnischen Kern vorstellen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(21 Nov 2020, 16:13)

Eine rührende Geschichte! Und weil wir Alt-EUler die Lust am Gewinn verloren haben, betreiben wir in der EU-Ratspräsidentschaft den Ausschluß Polens und Ungarns aus den geplanten Mitteln zur Überwindung der Folgen der Pandemie.
Naja. Am dringlichsten betreiben ja die auszuschließenden beiden Länder selbst ihren eigenen Ausschluss. Und zwar bewusst. So naiv wird kaum einer der Diskutanten hier sein, um nicht zu sehen, dass Ungarn und Polen mit dem Veto vor allem die Auszahlung von Mitteln an sie selbst behindern. Vorsätzlich.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Samstag 21. November 2020, 16:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

@Schokoschendrezki

Im Gegensatz zu den hier dominanten Luftschlossvertretern haben Sie einige vernünftige Gesichtspunkte eingebracht. Hegel ist out, Marx rulez.

Man kann es auch mit Heine sagen: Luftreich der Träume und so...
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Senexx hat geschrieben:(21 Nov 2020, 16:43)

@Schokoschendrezki

Im Gegensatz zu den hier dominanten Luftschlossvertretern haben Sie einige vernünftige Gesichtspunkte eingebracht. Hegel ist out, Marx rulez.

Man kann es auch mit Heine sagen: Luftreich der Träume und so...
Hegel? Marx? Europa?

Ich hab' anlässlich von Hegels 250. Geburtstag unlängst im August in jüngster Zeit etliche Beiträge über diesen Philosophen gehört und gelesen. Dialektik. Vor allem aber auch "Geist" und "Naturzustand". Schwieriger Stoff. Nach Hegel wäre die EU, hätte sie Bestand, vielleicht so etwas wie die Realisierung einer Vernunft des Weltgeists und ... dialektisch betrachtet - dazu gleichzeitig der Widerspruch? Nun ja. Ich gebe zu, dass ich mit der Frage nach dem Zusammenhang Hegel, Quo Vadis EU eigentlich hoffnungslos überfordert bin. :(
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Nov 2020, 15:47)Aber natürlich ist das Problem des Rechtsstaatsabbaus in Ungarn relevant. Und natürlich versorgt Viktor Orbán seine Freundes-Klicke ungehemmt mit EU-Mitteln, die er vornehmlich aus der idiotischen Agrar-Politik der EU bezieht. Leidtragende sind jedoch nicht wir Deutschen. Wir sind die Profiteure! Leidtragende sind ungarische Künstler, Intellektuelle und Journalisten.
Genau darum geht es doch! Genau dieses Problem soll der vereinbarte "Rechtsstaatsmechanismue" doch lösen. Bis es soweit ist, sind aber nicht wir Deutsche die "Profiteure" des Systems, sondern Orban und sie korruptes Machtsystem.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Das können die sich schon erklären. Zumindest der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der regionalen Energieversorgung dient u.a. dazu, den Abtransport der Güter und den Hintransport der benötigten Teile in den Produktionsstätten internationaler Unternehmen in Ungarn zu gewährleisten.
Ganz toll! Man kann auch sagen, daß Ungarn offenbar nur auf wirtschaftliche Entwicklung ausgerichtet ist, und daß es damit gut sein soll... aus ungarischer Sicht. Mitnichten!

Bei jedem China-Besuch wird EU-Spitzenpolitikern die Frage der Menschenrechte in die Aktentasche geschoben, aber bei Ungarn sollen Fragen nach der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte keine wesentliche Rolle spielen? Mit China haben wir aber keinen Gemeinschaftsvertrag (EU-Vertrag) geschlossen. Da muß etwas vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Fliege »

Kohlhaas hat geschrieben:(21 Nov 2020, 12:44)

Das ist Quatsch mit Soße!

Die EU sieht keine Vetos vor. Die Verträge legen nur fest, dass bestimmte Entscheidungen einstimmig beschlossen werden müssen. Und hier soll auch niemand hinaus gemobbt werden. Zwei Mitgliedsstaaten stellen sich gerade ganz bewusst und aus eigenem Antrieb ins Abseits - in der Hoffnung, die anderen 25 Mitgliedsstaaten erpressen zu können.

Und bei dem ganzen Zank geht es nicht darum, dass die Gemeinschaft den beiden Möchtegern-Erpressern irgendwelche unmoralischen Dinge aufzwingen wollte. Es geht darum, dass die beiden Erpresser-Staaten sowas Grundsätzliches wie "Rechtsstaatlichkeit" ablehnen.

Man muss schon ein sehr eigentümliches "Demokratieverständnis" haben, wenn man sowas als "hinaus mobben" interpretiert.
Was du sagst, insbesondere das von mir Unterstrichene, klingt m. E. leider doch so, wie von mir befürchtet.

Dennoch mein Dank für deine Rechtfertigungsbemühung.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Nov 2020, 16:33)

Naja. Am dringlichsten betreiben ja die auszuschließenden beiden Länder selbst ihren eigenen Ausschluss. Und zwar bewusst. So naiv wird kaum einer der Diskutanten hier sein, um nicht zu sehen, dass Ungarn und Polen mit dem Veto vor allem die Auszahlung von Mitteln an sie selbst behindern. Vorsätzlich.
Nein, die beiden hatten nicht auf dem Zettel, daß die EU so weit gehen würde, das gesamte Pandemie-Wiederaufbaupaket als "Privatsache" von 24 EU-Mitgliedern zu entwickeln. Für die Teilhabe daran gelten die bekannten Bedingungen... und schon war die Erpressung ins Leere gelaufen.

Und der gewöhnliche EU-Haushalt kann mit erträglichen Einschränkungen auch auf der Grundlage des alten Haushalts weiter geführt werden. Die Einschränkungen sind für die alten Mitglieder erträglich... Beihilfen zur Regionalförderung fehlen darin.

Und so werden wir wohl gepeinigte Peiniger erleben.

In Polen fürchtet man deshalb schon (Gazeta Wyborcza), daß Orban im nächsten Verhandlungsgang einknicken wird, um an diese Mittel doch noch heran zu kommen. Die Parallele wird gezogen zur Wahl der 2 Ratspräsidentschaft Donald Tusks, als Polen für seine Abwahl einen Wahlsieg 1:27 errang. Wer den Schaden hat...
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(21 Nov 2020, 17:36)

Ganz toll! Man kann auch sagen, daß Ungarn offenbar nur auf wirtschaftliche Entwicklung ausgerichtet ist, und daß es damit gut sein soll... aus ungarischer Sicht. Mitnichten!

Bei jedem China-Besuch wird EU-Spitzenpolitikern die Frage der Menschenrechte in die Aktentasche geschoben, aber bei Ungarn sollen Fragen nach der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte keine wesentliche Rolle spielen? Mit China haben wir aber keinen Gemeinschaftsvertrag (EU-Vertrag) geschlossen. Da muß etwas vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden!
H2O: China ist gerade aktuell mit dem gerade aktuell abgeschlossenen Ostasien-Freihandelsvertrag der Oberherr in einem unglaublichen, riesigen Wirtschaftsgebiet geworden. Das Japan und Australien einschließt. Bei allen politischen Querelen bis hin zu möglichen militärischen Querelen. China wird von einer kommunistischen Partei regiert. Erstens. Die USA sind bei diesem Freihandelsvertrag nicht dabei. Wollen nicht dabei sein. China ist nun der Chef in diesem riesigen Wirtschaftsraum. Ich sag das in keinster Weise als eine Art Triumph sondern als traurige Wahrheit. Der Kommunismus 2.0 scheint im Systemwettbewerb siegen zu können. Und: Wichtig: Auch hier zählt eine Exportnation wie Deutschland zu den Gewinnern, zu den Nettoprofiteuren. Und die eigentlichen Verlierer sind auch hier so wie in Ungarn die Intellektuellen, Künstler, Oppositionellen, Journalisten.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Nov 2020, 19:52)

China ist gerade aktuell mit dem gerade aktuell abgeschlossenen Ostasien-Freihandelsvertrag der Oberherr in einem unglaublichen, riesigen Wirtschaftsgebiet geworden.
Nein, das stimmt nicht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(21 Nov 2020, 19:36)

Nein, die beiden hatten nicht auf dem Zettel, daß die EU so weit gehen würde, das gesamte Pandemie-Wiederaufbaupaket als "Privatsache" von 24 EU-Mitgliedern zu entwickeln. Für die Teilhabe daran gelten die bekannten Bedingungen... und schon war die Erpressung ins Leere gelaufen.

Und der gewöhnliche EU-Haushalt kann mit erträglichen Einschränkungen auch auf der Grundlage des alten Haushalts weiter geführt werden. Die Einschränkungen sind für die alten Mitglieder erträglich... Beihilfen zur Regionalförderung fehlen darin.

Und so werden wir wohl gepeinigte Peiniger erleben.

In Polen fürchtet man deshalb schon (Gazeta Wyborcza), daß Orban im nächsten Verhandlungsgang einknicken wird, um an diese Mittel doch noch heran zu kommen. Die Parallele wird gezogen zur Wahl der 2 Ratspräsidentschaft Donald Tusks, als Polen für seine Abwahl einen Wahlsieg 1:27 errang. Wer den Schaden hat...
Gut. Das werden wir sehen. Schon rein von den Einnahmeausfällen in der Tourismus-Branche ... ich glaube, Polen ist prozentual etwas weniger vom Tourismus abhängig als Ungarn, gibt es Schäden mehr als genug. Eines meine ich jedoch als verhältnismäßig sicher einzuschätzen: Orbán ist im Gegensatz zu Kaczynski ein Opportunist, Taktiker und gewandter politischer Kommunikator. Der weder von Kathollizismus noch von Katzenliebe getrieben wird ... sondern der einfach seine Klicke geschickt mit Macht und Geld versorgt. Und dem Volk irgendwas von der Großartigkeit des Ungarntums erzählt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(21 Nov 2020, 20:08)

Nein, das stimmt nicht.
Gut. Anderes Thema. Ich bin da auch nicht sonderlich kompetent. Ich habe damit einfach nur 90 Prozent der seriösen Kommentare der letzten Woche zu diesem Thema, die mir zugänglich waren, zusammengefasst.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(21 Nov 2020, 17:15)

Genau darum geht es doch! Genau dieses Problem soll der vereinbarte "Rechtsstaatsmechanismue" doch lösen. Bis es soweit ist, sind aber nicht wir Deutsche die "Profiteure" des Systems, sondern Orban und sie korruptes Machtsystem.
Unabhängig davon: Eine Exportnation ist immer Profiteur von Marktöffnungen. Die Osterweiterung der EU führte dazu, dass die Exportnationen sich dumm und dämlich verdienen. Die Infrastruktur-Ausgleichshilfen sind Peanuts dagegen. Als wenn es in Ländern wie Polen oder UNgarn nicht bereits eine dichte und funktionierende Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur gegeben hätte. Schon vor dem EU-Beitritt.

Jetzt und kurz- und mittelfristig geht es jedoch noch um was anderes: Wo wird künftig in Europa produziert, entwickelt und getüftelt. Wo werden die hidden champions sitzen. Und welche Rolle wird die Übermacht China und das Projekt Seidenstraße dabei spielen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Nov 2020, 20:11)

Ich habe damit einfach nur 90 Prozent der seriösen Kommentare der letzten Woche zu diesem Thema, die mir zugänglich waren, zusammengefasst.
Die deutschen Medien ergehen sich gerne in Schwanengesängen und Wehklagen. Hier eine mMn. realistische Einschätzung: https://www.finanzen.net/nachricht/akti ... ep-9520128 Logisch, denn Japan, Südkorea, Australien und Indonesien sind auch keine wirtschaftlichen Leichtgewichte, die China mal einfach so übertölpelt hat. Und warum ist Russland nicht dabei?
Zwei wichtige Staaten fehlen: Indien und Taiwan. Sollten die USA nicht RCEP doch noch beitreten, sollten sie sich auf diese zwei Staaten fokussieren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Nov 2020, 20:19)

Wo wird künftig in Europa produziert, entwickelt und getüftelt.
Wenn es nach Willen von grün-rot-blutrot geht: nirgends.
Und welche Rolle wird die Übermacht China...
China ist keine Übermacht. Wenn man sich aber immer nur vor China auf den Boden wirft und im Dreck wälzt, dann sieht das schon sehr dominant aus. Da fehlt es aber insbesondere den Deutschen an Selbstbewusstsein, es herrscht immer die diffuse Angst, deutsche Produkte könnten nicht mehr gefragt sein, wenn man sich nicht möglichst unterwürfig verhält.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Klopfer »

H2O hat geschrieben:(21 Nov 2020, 15:41)

Ja, das wundert mich schon; der Sinn der EU war eine Gemeinschaftsbildung zum gegenseitigen Vorteil mit dem Ziel einer sich stetig vertiefenden Zusammenarbeit. Dieser Grundsatz ist an den bienenfleißigen Analytikern offenbar ganz vorbei gegangen. Können die sich überhaupt erklären, wozu es Nettozahler gibt, die, anstatt ihre Mittel zum eigenen Nutzen aus zu geben, diese zum Aufbau der osteuropäischen Wirtschaft und Infrastruktur bereitstellen? Da ist doch etwas oberfaul!
Zusammenarbeit sieht anders aus. Momentan lässt sich die EU von den beiden grössten Nehmerländern erpressen. Sollte dem stattgegeben werden sehe ich das als Anfang vom Ende. Europa steigt ab in die dritte Liga. Was ich nicht verstehe dass es gegen diese dreiste Erpressung keine Mittel und Möglichkeiten gibt. Streichung aller EU-Zuschüsse, fertig. Diesen widerliche Orban kann man nicht mehr ertragen und sein polnischer Kollege mit seinen Auftritten im Stile eines Mafiapaten machen es nicht besser. Es kann nicht sein dass man da keine Möglichkeiten hat. Liegts an der Ursel?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Klopfer hat geschrieben:(22 Nov 2020, 08:41)

Zusammenarbeit sieht anders aus. Momentan lässt sich die EU von den beiden grössten Nehmerländern erpressen. Sollte dem stattgegeben werden sehe ich das als Anfang vom Ende. Europa steigt ab in die dritte Liga. Was ich nicht verstehe dass es gegen diese dreiste Erpressung keine Mittel und Möglichkeiten gibt. Streichung aller EU-Zuschüsse, fertig. Diesen widerliche Orban kann man nicht mehr ertragen und sein polnischer Kollege mit seinen Auftritten im Stile eines Mafiapaten machen es nicht besser. Es kann nicht sein dass man da keine Möglichkeiten hat. Liegts an der Ursel?
Wir Europäer sollten schon hart in der Sache Solidarität und sich vertiefender Zusammenarbeit bleiben. Diese Haltung kann sich aber nur gegen eine polnische Regierungspolitik richten, die tatsächlich der Gemeinschaft Schaden zufügen will. Wir Europäer sollten nicht mit "den Polen" fremdeln!

Heute ist ein Jahrestag... an die Nürnberger Prozesse und die Urteilsverkündung wurde erinnert. Heute nun der Versöhnungsbrief der polnischen Bischöfe: "Wir vergeben und wir bitten um Vergebung!" 1965 war das... eine wahre Ewigkeit in dieser schnelllebigen Zeit.

Bevor ich vor Rührung zerfließe... machen wir immer klar, daß unser heiliger Zorn sich nicht gegen unsere ponlischen Nachbarn richtet, sondern gegen eine böswillige (sich zumindest so verhaltende) Regierung richtet. Denn es hat ja auch schon mit Polen auf Staatsebene in der EU viel bessere Beziehungen gegeben. Dahin sollten auf der Ebene unserer Mitbürger unsere Bemühungen gerichtet sein. Mitgefühl mit Frauen, denen man von Staats wegen auferlegt, ein schwer geschädigtes Ungeborenes aus zu tragen mit dem erwartbaren Ergebnis, lebenslänglich einen schweren Pflegefall betreuen zu müssen. Menschen, die ihrer sexuellen Orientierung wegen ebenso verprügelt werden wie die Frauen, die um ihre Selbstbestimmung kämpfen. Menschen, die durch eine starrköpfige Regierung ohne die bestmögliche Pflege an Corvid-19 verrecken müssen. Tagtäglich derzeit etwa 600 Menschen... dreimal mehr als in Deutschland bei in etwa gleicher Durchseuchung. Eine Regierung, die sich eher die Zunge abbeißt als angebotene Hilfe an zu nehmen... die allenfalls mit hinterhältiger Bosheiten darauf eingeht.

Auch das ist Polen, aber bitte nicht nur diese national-klerikale Schar von Sturköpfen. In allem, was wir tun, sollten wir diesen Widerspruch immer in unserem Gewissen bewegen! Wie können wir den gepeinigten Menschen helfen und diese bösartige Führung kalt abblitzen lassen?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Senexx hat geschrieben:(22 Nov 2020, 09:30)

Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
Da bin ich ausnahmsweise mal bei ihnen. Und die PiS-Regierung wurde wie auch die Orban-Regierung durch Wiederwahl bestätigt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(22 Nov 2020, 09:30)

Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
Ja, so wie wir auch Mitgefühl mit Menschen haben sollten, die gegen ihren Willen drangsaliert werden; überall auf der Welt. Polen sind nun einmal unsere östlichen Nachbarn. Ich lebe dort und meine, die Verhältnisse in Polen besser einschätzen zu können. Durchaus denkbar, daß dieses Herrschaftssystem von den Polen vorzeitig in die Wüste gejagt wird. Je eher, desto besser. Und dann? Helle Begeisterung, oder wie?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Auch wir werden von der Merkel-Regierung seit 2015 drangsaliert. Und demnächst von Schwarz-Grün.

Hat jemand Mitleid mit uns?

Die Mehrheit der Deutschen wollte und wird das so. So ist das in der Demokratie.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von garfield336 »

H2O hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:11)

Vor allem aber gewalttätige Einsätze staatlich gedungener Schläger und angeblicher Geheimpolizei. Wie in Minsk; nicht zu fassen! Dieser unmöglichen Regierung ist offenbar auch der mutwillige Polexit zu zu trauen.
Ist das deren Ernst?

Mit dem Abtreibungsverbot könnte die EU sich noch arrangieren. Aber wenn Grundrechte massiv mit den Füssen getreten werden ist das schwer zu akzeptieren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Senexx hat geschrieben:(22 Nov 2020, 09:30)
Mitgefühl mit den Polen, die sich diese Regierung doch selbst eingebrockt haben?

Nein.
Und die andere Hälfte, die sie nicht gewählt hat?
Never approach a bull from the front, a horse from the rear, or an idiot from any direction.
Senexx

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Dieter Winter hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:50)

Und die andere Hälfte, die sie nicht gewählt hat?
Hat jemand Mitgefühl mit mir? Der ich unter Merkel leiden muss? Und dass es demnächst noch schlimmer kommt?

Na also.

Die Minderheit ist immer Opfer der Mehrheit.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Dieter Winter »

Senexx hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:19)

Hat jemand Mitgefühl mit mir? Der ich unter Merkel leiden muss? Und dass es demnächst noch schlimmer kommt?

Na also.

Die Minderheit ist immer Opfer der Mehrheit.
Worin besteht Dein Leid?
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