3x schwarzer Kater hat geschrieben:(28 Sep 2020, 08:54)
Das zeugt leider von einem vollkommen falschen Verständnis des Grundgesetzes. Das GG richtet sich ausschließlich an den Staat und beschränkt damit sein Handeln. Es stellt sozusagen Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat dar. Nicht der Bürger muss nachweisen, dass er nach dem GG handelt, sondern der Staat. Betrachtet man den gegenständlichen Artikel, dann bedeutet das, dass staatliche Eingriffe in das Eigentum nur dann erlaubt sind, wenn sie denn dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Der Bürger muss gar nichts nachweisen. Wenn dann muss der Staat was nachweisen. Nämlich das sein Zugriff auf das Eigentum, das er ja garantiert hat, dem Wohle der Allgemeinheit dient. Aber auch hier ist im GG immer die korrekte Reihenfolge zu beachten. Gerade im ersten Teil des GG (Grundrechte), sind ja primär die Grundrechte definiert und erst nachrangig die möglichen Einschränkungen dieser Grundrechte. Die Grundrechte sind prinzipiell nicht in Frage zu stellen, in Frage zu stellen sind immer die staatlichen Eingriffe.
Und nun nochmal zum konkreten Artikel. Artikel 14 zählt wohl zu den (zumindest hier) oft zitierten Artikel und wahrscheinlich sind die Einschränkungen des Artikel 14 (2) die wohl in ihrer Konsequenz am meisten missverstandenen. Die wesentliche Funktion des Artikels 14 (2) (in Verbindung mit anderen Artikeln des GG) dürfte darin liegen, dass er letztendlich den Staat überhaupt dazu legitimiert Steuern und Abgaben zu erheben. Denn genau dieses Recht findet sich nirgends explizit im GG - und das ist auch gut so.
Das kannst du so erklären - aber im Internet findet man durchaus eine ganze Reihe an Quellen, die den Dualismus von Artikel 14 durchaus anerkennen, die damit also deiner Meinung entgegenstehen. Ganz sicher bin ich bei dir, dass Artikel 14 Eigentum nicht nur zulässt, sondern auch das Eigentum vor dem Zugriff des Staates schützt. Andererseits gibt es aber gerade 14(2) - und der richtet sich nicht nur an den Staat, sondern zeigt auch die Grenzen auf, die mit Eigentum einhergehen. Das Grundgesetz richtet sich nämlich gar nicht nur ausschließlich an den Staat - vielmehr organisiert es sehr wohl auch das Zusammenleben der Bürger und beschreibt, was eben geht und was nicht (auf sehr grundsätzliche Art und Weise). Es geht dabei auch um Freiheit - und Entfaltungsmöglichkeiten. Und bei letzteren ist nicht nur der Staat ein potentieller Kandidat, der die Entfaltung der einzelnen Bürger verhindern kann, sondern das können auch die Bürger untereinander tun - und der Staat hat für diesen Fall durchaus den Auftrag, Übergriffe eines Menschen oder von Menschengruppen gegenüber anderen zu verhindern, wenn diese gerade nicht im Einklang mit den Grundsätzen des Grundgesetzes stehen. Schon der Satz in Artikel 1(1):
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Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
richtet sich eben nicht nur als konkreten Auftrag an den Staat, sondern eben auch an die Menschen, die dem Grundgesetz im Rechtsraum unterstehen (wenn nicht sogar darüber hinaus!). Es ist also sehr wohl auch eine Norm, die das Zusammenleben der Menschen im Rechtsraum organisiert - wobei auch ganz konkret als Aufgabe des Staates definiert wird, für den Schutz dieses Grundsatzes auch im Zusammenleben der Menschen zu sorgen.
Artikel 14(2) begründet damit nach gängiger Rechtsauslegung durchaus auch den Sozialstaat in dem Sinne, dass Eigentum kein Selbstzweck ist, sondern eben zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden
soll.
Solche Sätze im GG sind in aller Regel ein wenig schwammig und unkonkret definiert - auch deshalb, weil sie zwar im Grundsatz gelten, aber im Kontext von Zeit, gesellschaftlichem Wandel und Kultur jeweils auch individuell interpretiert werden sollen. Diese Interpretationsaufgabe und damit auch den Gestaltungsauftrag hat primär die Politik - ob eine solche Interpretation im Einzelfall mit dem GG konform geht, kontrolliert im Zweifel juristisch dann das BVerfG.
Eigentum ist nach Artikel 14 (2) also kein Selbstzweck - je relevanter das Eigentum und seine individuelle Nutzung ist, desto mehr gerät das Eigentum auch in den Fokus der Betrachtung im Sinne von Artikel 14 (2). Dazu auch ein paar Links, die man im Internet findet:
Zum schnellen Verständnis auf Einstiegsniveau:
https://www.planet-schule.de/wissenspoo ... el-14.html
https://www.helpster.de/eigentum-verpfl ... -gg_151905
https://www.nachrichtenleicht.de/das-gr ... _id=443415
Etwas schwerere Kost:
http://www.juraindividuell.de/blog/sche ... 14-i-1-gg/
https://www.bundestag.de/resource/blob/ ... f-data.pdf
Und aus letzterem noch ein relevanter Absatz:
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Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sind dann verfassungsmäßig, wenn sie einen sachgerechten Ausgleich der unterschiedlichen Interessen
nach Verhältnismäßigkeitskriterien bewirken, unter Berücksichtigung insbesondere des
personalen Bezugs des Eigentums einerseits, seiner Sozialbindung andererseits, die Eigenart des jeweiligen Gutes und seiner Bedeutung für den Eigentümer wie die Allgemeinheit.
In die Abwägung des Gesetzgebers muss die Bedeutung der vermögenswerten Rechtsposition für den Eigentümer einfließen. Stellt sich das Eigentum als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit dar, genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz30
.
Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung reicht umso
weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht
So gesehen halte ich meine Sichtweise durchaus im Einklang mit gängiger Rechtsauffassung - und sehe deine Sichtweise als deutlich verkürzte und einseitige Blickrichtung auf Themen wie Eigentum. Gerne aber lese ich auch nach, aufgrund welcher Ideen und Hintergrundinfos du zu deiner Überzeugung kommst.