Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

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Ein Terraner
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Ein Terraner »

Zunder hat geschrieben:(30 May 2020, 23:20)

Es wird in diesem Land niemand gezwungen, seine eigene Sozialisation anzunehmen oder gar irgendwelche Traditionen fortzuführen.
Das gehört zu den erfreulichen Errungenschaften der abendländischen Kultur - also Humanismus und Aufklärung.
Diese erfreulichen Errungenschaften sehe als Teil meiner ganz persönlichen Identität. Da muß niemand mit mir teilen. Trotzdem tun es viele. Du eigentlich auch.
Na sowas, jetzt sind wir schon beim Abendland. Da ist ja nicht viel Deutsches übrig geblieben.

Hast du jetzt noch irgendwelche expliziten Gemeinsamkeiten oder bleibt es bei dem Kultur Wischiwaschi ?
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schokoschendrezki
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(30 May 2020, 21:36)

Es sind Gemeinsamkeiten, die Teil der individuellen Identität werden. Insofern gibt es auch kollektive Identitäten. Das ist vollkommen banal.
Das Kapitel "Kollektive Identität" in der "Bonner Enzyklopädie der Globalität" von 2016 beginnt so
Kollektive Identität ist ein in den Wissenschaften und global im Alltag boomender und problematischer Begriff. Terminus und Konzeption ›kollektive Identität‹ leiten sich von der Identität des einzelnen Menschen ab. Identität (lateinisch idem, ›dasselbe seiend‹) als Wort steht für das Gleichbleibende beziehungsweise Gleichsein einer Sache oder einer Person mit sich selbst oder mit etwas anderem.
(https://link.springer.com/chapter/10.10 ... 13819-6_35)
Ich bin nicht der einzige, der den Begriff "kollektive Identität" grundsätzlich, begriffslogisch und an und für sich problematisch sieht. Die Ideologie beginnt damit, dass die eigentliche Logik eines Begriffs gebeugt. eigentlich ad absurdum geführt wird. Gemeinsamkeiten sind eben das: Gemeinsamkeiten. "Übereinstimmungen hinsichtlich ...." "Identität" ist eben das genau nicht. Identität ist "ein- und dasselbe sein".

Wenn die Identität eines gesuchten Kriminellen ermittelt wurde, dann bedeutet dies, dass alles Kollektive eliminiert wurde und wir bei genau einer Person landen. "kollektive Identität" ist "drinnen saßen stehend Leute, schweigend ins Gespräch vertieft".
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Zunder
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zunder »

Ein Terraner hat geschrieben:(30 May 2020, 23:26)

Na sowas, jetzt sind wir schon beim Abendland. Da ist ja nicht viel Deutsches übrig geblieben.

Hast du jetzt noch irgendwelche expliziten Gemeinsamkeiten oder bleibt es bei dem Kultur Wischiwaschi ?
Das "Kultur-Wischiwaschi" bewahrt z.B. Homosexuelle davor, an Baukränen aufgehängt zu werden, auch wenn du das nicht begreifst.

Falls du in der Lage bist, Landkarten zu entziffern, wirst du feststellen, daß Deutschland Teil des Abendlandes ist.
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Ein Terraner
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Ein Terraner »

Zunder hat geschrieben:(30 May 2020, 23:35)

Das "Kultur-Wischiwaschi" bewahrt z.B. Homosexuelle davor, an Baukränen aufgehängt zu werden, auch wenn du das nicht begreifst.

Falls du in der Lage bist, Landkarten zu entziffern, wirst du feststellen, daß Deutschland Teil des Abendlandes ist.
Gähn, das nennt sich Rechtssprechung, und vor noch gar nicht langer Zeit ging es Homosexuellen in Deutschland auch nicht gut. Nur was hat das jetzt mit diesem Thema hier zu tun? Hier geht es um die ewig Rechtsextreme Leier was denn nun einen Deutschen zu einem Deutschen macht,
und du hast mal allgemein "Gemeinsamkeiten" in den Raum geworfen. Und du meinst jetzt, keine Homophobie?
Zuletzt geändert von Ein Terraner am Samstag 30. Mai 2020, 23:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Vor fast auf den Tag genau 25 Jahren gabs übrigens das sogenannte "Kruzifix"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Nach welchem die verbindliche Anordnung der Anbringung eines Kreuzes in bayerischen Schulen verfassungswidrig ist. Wohlgemerkt die Verbindlichkeit der Anordnung, nicht die Anbringung selbst. Dementsprechend kann man aktuell in Berichten darüber aktuell wieder einmal den aufgebrachten Theo Waigel nachhören: Sinngemäß Bla bla ... linke Ideologen wollen uns unser bayerisches Brauchttum, unsere Heimat, unsere Identität verbieten. Etwas genauer und mit dem zeitlichen Abstand: Das Kreuz ist ein Symbol christlichen Glaubens. Genau das. Wäre ich ein gläubiger Christ, wäre ich mit Sicherheit empört über das Ansinnen, meinen Glauben in eine Reihe mit Bier, Bratwurst, Lederhose und Sauerkraut zu stellen und auf diese Weise herabzuwürdigen. Christentum als Heimattradition?
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(30 May 2020, 23:35)

Das "Kultur-Wischiwaschi" bewahrt z.B. Homosexuelle davor, an Baukränen aufgehängt zu werden, auch wenn du das nicht begreifst.

Falls du in der Lage bist, Landkarten zu entziffern, wirst du feststellen, daß Deutschland Teil des Abendlandes ist.
Die Karte zeige mir mal, auf der entzifferbar ist, dass Deutschland "Teil des Abendlands" ist. "Abendland" war ursprünglich im 5. Jahrhundert und ist immernoch ein ideologischer Kampfbegriff (oder wie es in einem SZ-Artikel unmissverständlich heißt: Geistiger Müll!) Das Konzept eines Rechtsstaats, das in erster Linie gegen die Vorstellung, Homosexuelle an Baukränen aufzuhängen, steht, beruht ganz wesentlich auf Vorstellungen wie sie in Kants "Metaphysik der Sitten" dargelegt werden. Und dort wird die Sittenlehre eben gerade entkulturalisiert und entgeographisiert, indem Sittengesetze auf einer allgemeinen, abstrakten Grundlage formuliert werden.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 May 2020, 23:32)

Das Kapitel "Kollektive Identität" in der "Bonner Enzyklopädie der Globalität" von 2016 beginnt so
(https://link.springer.com/chapter/10.10 ... 13819-6_35)
Ich bin nicht der einzige, der den Begriff "kollektive Identität" grundsätzlich, begriffslogisch und an und für sich problematisch sieht. Die Ideologie beginnt damit, dass die eigentliche Logik eines Begriffs gebeugt. eigentlich ad absurdum geführt wird. Gemeinsamkeiten sind eben das: Gemeinsamkeiten. "Übereinstimmungen hinsichtlich ...." "Identität" ist eben das genau nicht. Identität ist "ein- und dasselbe sein".

Wenn die Identität eines gesuchten Kriminellen ermittelt wurde, dann bedeutet dies, dass alles Kollektive eliminiert wurde und wir bei genau einer Person landen. "kollektive Identität" ist "drinnen saßen stehend Leute, schweigend ins Gespräch vertieft".
Mir geht es bei der "kollektiven Identität" weniger darum, ob der Begriff problematisch ist oder nicht - er ist es natürlich, wie viele andere Begriffe auch -, sondern darum, ob es dergleichen gibt.

Jeder Kegelklub weist eine kollektive Identität auf, jede Religionsgemeinschaft, jede Handwerksinnung, jeder Stammtisch, jedes Milieu und auch jeder Staat. Daraus folgt doch nicht, daß jedes einzelne Mitglied eines jeden Kollektivs mit jedem anderen Mitglied desselben Kollektivs in jeder denkbaren Hinsicht übereinstimmen muß. Wer zusammen im Dachdeckerverband gemeinsame Interessen verfolgt, kann auf der Kegelbahn auch gegeneinander antreten. Die persönliche Identität besteht aus sehr vielen verschiedenen Facetten, zu denen eben auch Zugehörigkeiten zu verschiedenen Kollektiven gehören.

Der Identitätsbegriff ist doch keine Eiserne Jungfrau, in die das Individuum hineingeschraubt wird. Es sei denn, man versteht jeden Begriff grundsätzlich ideologisch. Wenn Identität, auf den Menschen als Individuum und als soziales Wesen bezogen, tatsächlich bedeuten würde, "ein- und dasselbe sein", dann wäre jede Entwicklung, jeder Fortschritt nichts anderes als Verrat.
Zuletzt geändert von Zunder am Sonntag 31. Mai 2020, 00:31, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Ein Terraner »

Zunder hat geschrieben:(31 May 2020, 00:12)

Jeder Kegelklub weist eine kollektive Identität auf, jede Religionsgemeinschaft, jede Handwerksinnung, jeder Stammtisch, jedes Milieu und auch jeder Staat. Daraus folgt doch nicht, daß jedes einzelne Mitglied eines jeden Kollektivs mit jedem anderen Mitglied desselben Kollektivs in jeder denkbaren Hinsicht übereinstimmen muß. Wer zusammen im Dachdeckerverband gemeinsame Interessen verfolgt, kann auf der Kegelbahn auch gegeneinander antreten. Die persönliche Identität besteht aus sehr vielen verschiedenen Facetten, zu denen eben auch Zugehörigkeiten zu verschiedenen Kollektiven gehören.
Genau hier täuscht du dich, es gibt schlicht keine Verbindungen als die Sache an sich. Und selbst die ist schon grenzwertig da das Interesse oder die Leidenschaft unterschiedlich ausgeprägt ist. Menschen in solchen Gruppen kommen und gehen und hinterlassen meistens nicht mal einen Eindruck, wie willst du mit solchen Voraussetzungen von Identität sprechen?
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Zunder
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2020, 00:02)

Die Karte zeige mir mal, auf der entzifferbar ist, dass Deutschland "Teil des Abendlands" ist. "Abendland" war ursprünglich im 5. Jahrhundert und ist immernoch ein ideologischer Kampfbegriff (oder wie es in einem SZ-Artikel unmissverständlich heißt: Geistiger Müll!) Das Konzept eines Rechtsstaats, das in erster Linie gegen die Vorstellung, Homosexuelle an Baukränen aufzuhängen, steht, beruht ganz wesentlich auf Vorstellungen wie sie in Kants "Metaphysik der Sitten" dargelegt werden. Und dort wird die Sittenlehre eben gerade entkulturalisiert und entgeographisiert, indem Sittengesetze auf einer allgemeinen, abstrakten Grundlage formuliert werden.
Wenn man weiß, was der Begriff "Abendland" bedeutet, kann man auf der Landkarte tatsächlich entziffern, daß Deutschland Teil des Abendlandes ist.
Für Ideologen schwer vorstellbar, ist aber trotzdem so.
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Selina
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Selina »

Mir graut vor dieser kollektiven Sauerkraut-Identität. Mit der wahnwitzigen Vorstellung einer großen deutschen Sache im Kopf ist schon zu viel Unheil angerichtet worden. Und ich kann Russen, Polen und Franzosen gut verstehen, die sehr skeptisch in Richtung "deutsche Gruppenidentität" schauen. Bitte nicht schon wieder!
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Bolero »

Selina hat geschrieben:(31 May 2020, 00:33)

Mir graut vor dieser kollektiven Sauerkraut-Identität. Mit der wahnwitzigen Vorstellung einer großen deutschen Sache im Kopf ist schon zu viel Unheil angerichtet worden. Und ich kann Russen, Polen und Franzosen gut verstehen, die sehr skeptisch in Richtung "deutsche Gruppenidentität" schauen. Bitte nicht schon wieder!
Dann empfehle ich dir die schnellste Ausreise aus dem bösen Deutschland.
Am besten Richtung Osten.
Ein dreifaches Hoch auf die Zukunft! ;)
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zeitflucht »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2020, 00:02)

Die Karte zeige mir mal, auf der entzifferbar ist, dass Deutschland "Teil des Abendlands" ist. "Abendland" war ursprünglich im 5. Jahrhundert und ist immernoch ein ideologischer Kampfbegriff (oder wie es in einem SZ-Artikel unmissverständlich heißt: Geistiger Müll!) Das Konzept eines Rechtsstaats, das in erster Linie gegen die Vorstellung, Homosexuelle an Baukränen aufzuhängen, steht, beruht ganz wesentlich auf Vorstellungen wie sie in Kants "Metaphysik der Sitten" dargelegt werden. Und dort wird die Sittenlehre eben gerade entkulturalisiert und entgeographisiert, indem Sittengesetze auf einer allgemeinen, abstrakten Grundlage formuliert werden.
Warum wollt ihr so gnaden- restlos jede Bindung, jede Verwurzelung, jede Bodenhaftung, auch jedes Märchen, den Mythos und jeden Zauber und alles "Ewige" oder Überzeitliche austilgen und eine absolute Reinheit der technokratisch-wissenschaftlichen Vereinzelungs-Gesellschaft herbeiführen, deren Prämissen keineswegs weniger konstruiert sind und diesen Frankenstein erschaffen, der absolut einzigartig und zugleich genau wie alle sein soll. Die Architektonik dieser Zukunftswelt ist derart schauerlich, dass Jedem noch fühlenden Wesen das blanke Entsetzen packt. Und wie das aussehen wird, können wir schon in der westlichen Welt begutachten, in der in jeder Großstadt die gleichen Konsumenten aus 200 Nationen, die nur noch geistig in Jetztpunkten gefangen sind und in die selben Fresstempel gehend, den Burger mit der weltweit identischen Anzahl von 2 Gurken herunter schlingen, ehe sie auseinander stoben, um sich die gleiche Folge 37 der beliebten Netflix-Serie anzuschauen.

Gerade werden die aller-letzten Verbindungslinien zu den Urahnen gekappt. Und eurer tabula rasa, mit globalen Anspruch versehen, macht aus der Erde eine Wüste. Alles ist ein und dasselbe statt überall verschieden und getrennt. Warum habt ihr soviel Angst, vor Vielfalt und einer wirklichen, bunten Welt? Und warum kann man glauben, wenn man die letzte, mündlich überlieferte Volkserzählung ausradiert hat, diese eintönige Welt wäre dann eine Bessere? Das Alte hat nicht immer gut, aber doch funktioniert. Euer neues Projekt eines, in meinen Augen, Zombieplaneten kann krachend scheitern, wenn sich heraus-schält, dass Menschen so nicht funktionieren. Und dann? Das Abendland, "dieser Müll-Begriff", wird jedenfalls nie wieder zu errichten sein, wenn die letzten Träger, die "Abendländler", nimmer sind.
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Ein Terraner
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Ein Terraner »

Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)

Warum wollt ihr so gnaden- restlos jede Bindung, jede Verwurzelung, jede Bodenhaftung, auch jedes Märchen, den Mythos und jeden Zauber und alles "Ewige" oder Überzeitliche austilgen und eine absolute Reinheit der technokratisch-wissenschaftlichen Vereinzelungs-Gesellschaft herbeiführen, deren Prämissen keineswegs weniger konstruiert sind und diesen Frankenstein erschaffen, der absolut einzigartig und zugleich genau wie alle sein soll. Die Architektonik dieser Zukunftswelt ist derart schauerlich, dass Jedem noch fühlenden Wesen das blanke Entsetzen packt. Und wie das aussehen wird, können wir schon in der westlichen Welt begutachten, in der in jeder Großstadt die gleichen Konsumenten aus 200 Nationen, die nur noch geistig in Jetztpunkten gefangen sind und in die selben Fresstempel den Burger mit der weltweit identischen Anzahl von 2 Gurken herunter schlingen, ehe sie auseinander stoben, um sich die gleiche Folge 37 der beliebten Netflix-Serie anzuschauen.

Gerade werden die aller-letzten Verbindungslinien zu den Urahnen gekappt. Und eurer tabula rasa, mit globalen Anspruch versehen, macht aus der Erde eine Wüste. Alles ist ein und dasselbe statt überall verschieden und getrennt. Warum habt ihr soviel Angst, vor Vielfalt und einer wirklichen, bunten Welt? Und warum kann man glauben, wenn man die letzte, mündlich überlieferte Volkserzählung ausradiert hat, diese eintönige Welt wäre dann eine Bessere? Das Alte hat nicht immer gut, aber doch funktioniert. Euer neues Projekt eines, in meinen Augen, Zombieplaneten kann krachend scheitern, wenn sich heraus-schält, dass Menschen so nicht funktionieren. Und dann? Das Abendland, "dieser Müll-Begriff", wird jedenfalls nie wieder zu errichten sein, wenn die letzten Träger, die "Abendländler", nimmer sind.
Das genaue Gegenteil ist der Fall, du kannst ja mal in den Abgegrenzten Ländern Nachfragen wie schön bunt und aufblühenden es da ist. Wenn es noch eine Lebenswerte Zukunft gibt, das besteht die definitiv nicht in Abschottung und Ausgrenzung.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von franzmannzini »

Ein Terraner hat geschrieben:(31 May 2020, 00:57)

Das genaue Gegenteil ist der Fall, du kannst ja mal in den Abgegrenzten Ländern Nachfragen wie schön bunt und aufblühenden es da ist. Wenn es noch eine Lebenswerte Zukunft gibt, das besteht die definitiv nicht in Abschottung und Ausgrenzung.
Ausgrenzung scheint aber momentan, gerade im politischen Diskurs, das Mittel der Wahl zu sein.
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Zunder
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zunder »

Selina hat geschrieben:(31 May 2020, 00:33)

Mir graut vor dieser kollektiven Sauerkraut-Identität. Mit der wahnwitzigen Vorstellung einer großen deutschen Sache im Kopf ist schon zu viel Unheil angerichtet worden. Und ich kann Russen, Polen und Franzosen gut verstehen, die sehr skeptisch in Richtung "deutsche Gruppenidentität" schauen. Bitte nicht schon wieder!
Außer Nazis und ihren Antipoden dürfte kaum jemand die großdeutsche Sache im Kopf haben - jedenfalls niemand, der halbwegs bei Trost ist.

Wer vor lauter Antifaschismus sich das Begriffsverständnis der Faschisten zu eigen macht, ist ihnen schon auf den Leim gegangen.
Die identitäre Ideologie ist das Problem, nicht die Identität. Es gibt nichts, was keine Identität hat. Den Begriff der Identität zu denunzieren, weil Faschisten glauben, ihn vereinnahmen zu können, geht am Problem vorbei.
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Zunder
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zunder »

Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)
........Gerade werden die aller-letzten Verbindungslinien zu den Urahnen gekappt......
Sollte dem so sein, wäre das zu begrüßen.
Dieses antiaufklärerische Geraune braucht niemand, der seine sieben Zwetschgen noch halbwegs beieinander hat.
Skeptiker

Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Skeptiker »

Selina hat geschrieben:(31 May 2020, 00:33)
Mir graut vor dieser kollektiven Sauerkraut-Identität. Mit der wahnwitzigen Vorstellung einer großen deutschen Sache im Kopf ist schon zu viel Unheil angerichtet worden. Und ich kann Russen, Polen und Franzosen gut verstehen, die sehr skeptisch in Richtung "deutsche Gruppenidentität" schauen. Bitte nicht schon wieder!
Gute Güte, es wirkt schon fast komisch. Wie kann man kollektiv das Thema "Deutsche Identität" so fundamental missverstehen und ein derartigen Pathos auflegen, für etwas das derart banal ist, wie die Fragestellung "Was macht die Menschen in Deutschland aus?".

Zunder hat es doch schon ausgiebig erklärt und ich hatte das mit dem Beispiel über die Familie, den Ort, die Region, das Bundesland, Staat, Kontinent und letztentlich Menschheit ebenfalls schon versucht zu beschreiben. Aber da gibt es wohl ein Dogma welches irgendwie den Weg versperrt.

Was hier permanent durcheinander gewürfelt wird, sind die Identität als Person und identitätsstiftende Eigenschaften. Jede Person gibt es nur einmal - Punkt. Diese Identität beschreibt also nur diese eine Person.
Es gibt aber eine vielzahl von identitätsstiftenden Eigenschaften die sich über oben beschriebene Regionale Einflüsse, über Hobbies, Fortbildungsgruppen, Bundeswehr/Zivildienst und weiss der Kukuck was, auf den Menschen einwirken. Alles das formt die Identität der einzelnen Person, die aber niemals identisch mit einer anderen Person sein wird.

Nun kommen hier aber alle an und tun so, als wenn es ausschliesslich der Kaninchenzüchterverein wäre der zu 100% identitätsstiftend wäre - und im gleichen Athemzug trtt man triumphierend das Gegenargument los, dass das ja nicht sein könne, weil ja nicht alle Kaninichenzüchter gleich wären. Da frage ich mich doch echt, ob hier manche gehörig einen an der Waffel haben.

Nein, natürlich sind nicht alle Deutschen gleich, und nein, es gibt keine Eigenschaft die alle Deutschen haben. Aber es muss doch dem einen oder anderen schon aufgefallen sein, dass es auch in Deutschland, so wie in jedem anderen Land der Welt, typische bzw. charakteristische Eigenschaften gibt, die uns z.T. von anderen Ländern unterscheiden (z.T. auch nicht).

Um das mal greifbar zu machen nenne ich nochmal welche, die wurden ja schon genannt:
  • Erinnerung an und Überwindung des Faschismus
  • Die deutsche Sprache
  • Eine gewisse Neigung zur Pedanz
  • Mittlerweile geringe Neigung zur Religiosität
Das hat mit Schreckgespenst nichts zu tun. Das hat auch nichts damit zu tun, dass irgendwer irgendwen in ein Identitätskorsett zwingen möchte. Das hat schlicht etwas damit zu tun, wie die Leute in dieser Region der Welt "typischerweise so drauf sind".

Mir ist wirklich schleierhaft wie man aus einer so trivialen Angelegenheit ein so dermaßen hochtrabende Diskussion ableiten kann. Die ist ebenfalls absolut charakteristisch für Deutschland - ihr könntet garnicht deutscher sein :thumbup:
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Ein Terraner
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Ein Terraner »

franzmannzini hat geschrieben:(31 May 2020, 01:03)

Ausgrenzung scheint aber momentan, gerade im politischen Diskurs, das Mittel der Wahl zu sein.
Das kommt davon wenn Rechtspopulisten an die Macht kommen, dann gibts halt Mauern.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zeitflucht »

Zunder hat geschrieben:(31 May 2020, 01:10)

Sollte dem so sein, wäre das zu begrüßen.
Dieses antiaufklärerische Geraune braucht niemand, der seine sieben Zwetschgen noch halbwegs beieinander hat.

Ich glaube, bei Sieferle war es, ihm wurde bei der medialen Hatz bei seinem dir wohl bekannten Buch unterstellt zu "raunen". Seither scheint es zum links-gutbürgerlichen Kanon zu gehören, vom Geraune zu schwafeln, wenn sich die Erzählung von der schönen neuen Welt nicht in Anhimmelei ergeht.

Und wenn es niemand braucht, dann erzähle es doch nicht immer nur den Deutschen oder Europäern. Wie wollt ihr das denn bitte machen, wie wollt ihr, meinetwegen, die arabische Welt ganzheitlich "umerziehen"? Irgendwann müsst ihr ja schon die Bequemlichkeit und Leichtigkeit hinter euch lassen. :rolleyes:
franzmannzini

Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von franzmannzini »

Ein Terraner hat geschrieben:(31 May 2020, 01:21)

Das kommt davon wenn Rechtspopulisten an die Macht kommen, dann gibts halt Mauern.
Mauern sind häufig in den Köpfen, und da sie vom Schädel geschützt werden, lassen sich auch schwer einreissen,
besonders wenn die Augen und Ohren geschlossen sind.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Vongole »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 01:19)

(..)

Mir ist wirklich schleierhaft wie man aus einer so trivialen Angelegenheit ein so dermaßen hochtrabende Diskussion ableiten kann. Die ist ebenfalls absolut charakteristisch für Deutschland - ihr könntet garnicht deutscher sein :thumbup:
Der Sinn einer Threaderstellung ist die Diskussion und nicht das wohlwollende Nicken zu den vom TE aufgestellten Thesen.

Und wenn der TE diese Aussage: "Die IB hat nicht umsonst das Wort "identitär" seinem Namen vorangestellt. Es ist das wesentliche Merkmal um das es geht." im Zusammenhang mit deutscher Identität in die
Diskussion einbringt, dann gehen bei mir jedenfalls die Warnleuchten an.
Wenn du diese Reaktion für ein deutsches Charakteristikum hälst, ja, dann bin ich sehr deutsch.
Am Yisrael Chai

"It's God's job to judge the terrorists, it's our duty to arrange that meeting." (IDF)
Skeptiker

Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Skeptiker »

Vongole hat geschrieben:(31 May 2020, 01:46)
Der Sinn einer Threaderstellung ist die Diskussion und nicht das wohlwollende Nicken zu den vom TE aufgestellten Thesen.

Und wenn der TE diese Aussage: "Die IB hat nicht umsonst das Wort "identitär" seinem Namen vorangestellt. Es ist das wesentliche Merkmal um das es geht." im Zusammenhang mit deutscher Identität in die
Diskussion einbringt, dann gehen bei mir jedenfalls die Warnleuchten an.
Wenn du diese Reaktion für ein deutsches Charakteristikum hälst, ja, dann bin ich sehr deutsch.
Das ist ein klassischer "Jehova"-Effekt, und ja, der ist sehr deutsch.

Die Identitären haben diesen Begriff doch sehr geschickt gewählt, weil er eben so offensichtlich das beschreibt, was wir kaum diskutieren können, aber was aber dennoch so offensichtlich ist. Nämlich, dass wir eine Identität haben, aber nicht wagen darüber zu diskutieren was uns ausmacht. Wir trauen uns nicht zu sagen was wir wollen, weil wir zu ängstlich sind unsere Eigenschaften positiv zu benennen.

Auch wenn ich mich da wiederhole: Das ist der pure Selbsthass der in einer nationalen Neurose gemündet ist, deren Ergebnisse wie hier in der Diskussion wiederfinden können. Selbst trivialste Zusammenhänge werden geleugnet, weil es das Luftschloss gefährden könnte, welches wir zu unserem Schutz erbaut haben.

Und da glauben wir, dass unsere Nachbarn Angst vor einem Deutschland haben und dass dieses zu selbstbewusst und dominant wäre. Umgekehrt wird etwas daraus: Deutschland ist ein Land mit gigantischer Identitätskrise aber gleichzeitig missionarischem und stets bedeutungsschwangerem Sendungsbewusstsein. Mehr Selbstbewusstsein aber weniger Klugscheißerei, das würde uns gut tun.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Schnitter »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 02:03)
Die Identitären haben diesen Begriff doch sehr geschickt gewählt, weil er eben so offensichtlich das beschreibt, was wir kaum diskutieren können, aber was aber dennoch so offensichtlich ist. Nämlich, dass wir eine Identität haben, aber nicht wagen darüber zu diskutieren was uns ausmacht.
Hanebüchener Quatsch.

Deine Identität hat mit meiner null und nichts gemeinsam. Die von Nachbar X schon mehr, Nachbar Y gar nicht, Nachbar Z ein bißchen.

Völlig unabhängig davon welche Herkunft sie haben. Eine "deutsche Identität" existiert nicht. Deine eigene Identität hat niemand außer dir. Identität ist individuell.

Dass du mit dem Narrativ des "Schuldkults" hausieren gehst spricht übrigens Bände. Manchmal flutscht es halt so raus, ist ja nicht das erste mal. ;)
Schnitter
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Schnitter »

Zeitflucht hat geschrieben:(30 May 2020, 20:35)
Dann kann es aber logischerweise auch keine historische Verantwortung oder Schuld eines deutschen Volkes geben. Wie wollt ihr dass hinbiegen? Es gab kein deutsches Volk, außer von 1914-18 und 1933-1945?
Ich bin wegen des Holocausts an gar nichts schuld, denn ich war noch nicht auf der Welt.

Eine historische Verantwortung hat Deutschland nicht aufgrund einer "Schuld des deutschen Volkes", sondern weil dieser, unserer Staat in der Verantwortung dieses Verbrechens steht.

Diese neurechten Taschenspielertricks durchschaut jeder Schulbub.

Beantworte doch einfach meine Frage an statt zu schwurbeln:
Wer darf sich denn jetzt deutsch nennen damit gemäß deiner "Wissenschaft" (ROFL) Schaden am deutschen Volkskörper vermieden wird ?

Der Pole der seit 100 Jahren hier lebt ? Der Türke dessen Familie vor 60 Jahren kam ? Keiner von denen ?
Warum kannst du das nicht ?

Oder wähle andere Kategorien als die Nationalität....irgendwelche Gemeinsamkeiten muss es ja geben,
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Zeitflucht »

Schnitter hat geschrieben:(31 May 2020, 02:38)

Ich bin wegen des Holocausts an gar nichts schuld, denn ich war noch nicht auf der Welt.

Eine historische Verantwortung hat Deutschland nicht aufgrund einer "Schuld des deutschen Volkes", sondern weil dieser, unserer Staat in der Verantwortung dieses Verbrechens steht.

Diese neurechten Taschenspielertricks durchschaut jeder Schulbub.

Beantworte doch einfach meine Frage an statt zu schwurbeln:



Warum kannst du das nicht ?

Oder wähle andere Kategorien als die Nationalität....irgendwelche Gemeinsamkeiten muss es ja geben,



Das damalige deutsche Volk hatte für dich keine Schuld, sondern nur ein abstrakter Staat und Menschen? Mein Lieber, dass bewegt sich ja schon in Richtung Relativierung und Verharmlosung. Mit der Begründung, hätte ja ein Chinese die gleiche Verantwortung, eine Wiederholung von damals zu verhindern, denn es gibt ja nur böse Menschen und Staaten in deiner kruden "Entschuldigung" für die Deutschen! Und deine Verbindung zu einem Staat, der nicht mehr ist, besteht ja nur in der Komponente der Vorfahren, die Menschen und keine Deutschen sind und dein Geburtsort ist "Zufall"! Willst du etwa das deutsche Volk "reinwaschen", anders kann man es ja gar nicht mehr sehen. Empörend, wie hier die Maske fällt!

Ansonsten gilt: Bei allen (mit natürlich extrem beleidigenden Anspielungen servierten) Pseudo-Aufforderungen, etwas zu beantworten, muss man leider immer den ganzen Strang im Auge haben und lesen um zu chronologisch nachzuvollziehen, wie schnitter und 2-3 andere Spezialisten "arbeiten" ergo "trollen" . :rolleyes: Wem das zu Recht zu mühsam ist und wer sich da doch lieber gute Musik anhört, statt diese Litanei zu ertragen, der ist ist freilich entschuldigt und nutzt seine Lebenszeit produktiver!
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)

Warum wollt ihr so gnaden- restlos jede Bindung, jede Verwurzelung, jede Bodenhaftung, auch jedes Märchen, den Mythos und jeden Zauber und alles "Ewige" oder Überzeitliche austilgen und eine absolute Reinheit der technokratisch-wissenschaftlichen Vereinzelungs-Gesellschaft herbeiführen, deren Prämissen keineswegs weniger konstruiert sind und diesen Frankenstein erschaffen, der absolut einzigartig und zugleich genau wie alle sein soll.
Wer ist hier "ihr"? Schon den den ersten drei Worten deiner Entgegnung steckt die leicht verschwörungstheoretische Annahme der Existenz einer Gruppe von "Herbeiführern".

Die Auflösung traditioneller Bindungen ist ein Prozess, der in der Welt objektiv und im Hintergrund ohnehin läuft. Und ein Phänomen wie die Renaissance der Religionen oder auch der stark wachsende Nationalismus in einigen Regionen der Welt oder in Teilen der Bevölkerung vieler Länder sind nicht etwa der Gegenbeweis für diese These sondern - im Gegenteil - ein Beleg dafür. Es dürfte im Wesentlichen davon abhängen, ob man diesen objektiv laufenden Prozess der Bindungsauslösungen selbst und persönlich als Entwertung erlebt oder nicht.

Tatsächlich können wir gerade auch in westlichen Demokratien eine zunehmende Schwierigkeit bei Regierungsbildungen feststellen sowie eine Polarisierung bei Volksabstimmungen oder Präsidentschaftswahlen. Waren politische Differenzen noch in den 70er, 80er Jahren normal und bestand sonst im Großen und Ganzen und zum Beispiel in der Ablehnung des globalen Ostens Einigkeit, so spricht man heute zunehmend davon, dass ein "Riss" durch die Gesellschaft und selbst auch quer durch Familien gehe. Siehe Spanien, siehe Brexit. In einem Interview mit dem Autor eines politischen Buches über die aktuelle Lage in Frankreich hieß es unlängst klipp und klar: "Heute gibt es zwei französische Nationen“.

Auf einem ganz anderen Blatt steht die sprachlogische Inkonsistenz des "Identitäts"-Begriffs, wenn man ihn so gebraucht wie er in den politisch befeuerten Disputen gebraucht wird. Und wo - trocken gesprochen - eigentlich so etwas wie Äquivalenzklassen gemeint sind. Durch Auswahl eines oder mehrerer Merkmale aus einer Grundgesamtheit entstehen Äquivalenzrelationen: Die Menge der Menschen, die in irgendeiner Form christlich geprägt sind. Oder die Menge der Frauen. Oder die Menge der Besservedienenden. Oder die der in Deutschland geborenen. Oder die der muttersprachlich deutsch sprechenden. Wird ein solches Merkmal zur "Identität" gemacht so steckt die Ideologisierung eben schon in dieser Begriffsbildung.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Sonntag 31. Mai 2020, 06:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von unity in diversity »

Selina hat geschrieben:(31 May 2020, 00:33)

Mir graut vor dieser kollektiven Sauerkraut-Identität. Mit der wahnwitzigen Vorstellung einer großen deutschen Sache im Kopf ist schon zu viel Unheil angerichtet worden. Und ich kann Russen, Polen und Franzosen gut verstehen, die sehr skeptisch in Richtung "deutsche Gruppenidentität" schauen. Bitte nicht schon wieder!
Wer gehört zur deutschen Gesellschaft, heute und morgen, war die Eingangsfrage.
Du gehörst dazu, steht einfach mal fest. Ob du das als Vorwurf empfindest, oder als Glücksfall für Deutschland, weißt nur du.
Das Gerede vom Abendland stammt aus einer Zeit, als die Welt hinter dem Orient noch mit Brettern vernagelt war.
Heute wird hin und wieder eine europäische Identität beschworen, wobei die Frage im Raume steht, ob die EU-Identität keine Fehlprägung ist, die einer progressiven Entwicklung nach Kräften Abbruch tut. Weil sie überwunden geglaubte Nationalismen nach oben spült.
Zum Thema Essen gehen. Wenn man zum Chinesen sagt, daß sein Essen gut schmeckt, wirkt das anders, als wenn man sachlich feststellt, das er auch nur Essen im Angebot hat, mit Wasser gekocht.
Dem Franzosen zu erklären, er könne keine Identität haben, hat gesundheitliche Folgen, vor allem , wenn das mit „Kennerblick" aus anmaßenden, deutschen Mäulern kommt, die sich demagogisch als links tarnen.
Brandgefährliches Glatteisthema, insgesamt.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dass eine Neukombination von irgendetwas zwangsläufig mit einer Entordnung verbunden sei, ist eigentlich auch kein "Glatteisthema" sondern schlicht und einfach ein logischer Irrtum. Dass das Herausnehmen von Zeugs aus den Schachteln zwangsläufig in einer amorphen Masse endet. Das erzählen die Ethnopluralistmus-Anhänger seit Jahren. Es ist aber Unsinn. Eine Ideologie, die auf Mangel an Denkfähigkeit beruht.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(31 May 2020, 00:21)

Wenn man weiß, was der Begriff "Abendland" bedeutet, kann man auf der Landkarte tatsächlich entziffern, daß Deutschland Teil des Abendlandes ist.
Für Ideologen schwer vorstellbar, ist aber trotzdem so.
Wenn man weiß, was der Begriff "Abendland" bedeutet, weiß man vor allem, dass es sich dabei um einen ideologischen Kampfbegriff handelte und immer noch handelt. Aus einer Zeit, in der die Abendsonne nach dem Abend irgendwo in ein Unbekanntes entschwindet.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(31 May 2020, 00:12)

Mir geht es bei der "kollektiven Identität" weniger darum, ob der Begriff problematisch ist oder nicht - er ist es natürlich, wie viele andere Begriffe auch -, sondern darum, ob es dergleichen gibt.

Jeder Kegelklub weist eine kollektive Identität auf, jede Religionsgemeinschaft, jede Handwerksinnung, jeder Stammtisch, jedes Milieu und auch jeder Staat. Daraus folgt doch nicht, daß jedes einzelne Mitglied eines jeden Kollektivs mit jedem anderen Mitglied desselben Kollektivs in jeder denkbaren Hinsicht übereinstimmen muß. Wer zusammen im Dachdeckerverband gemeinsame Interessen verfolgt, kann auf der Kegelbahn auch gegeneinander antreten. Die persönliche Identität besteht aus sehr vielen verschiedenen Facetten, zu denen eben auch Zugehörigkeiten zu verschiedenen Kollektiven gehören.

Der Identitätsbegriff ist doch keine Eiserne Jungfrau, in die das Individuum hineingeschraubt wird. Es sei denn, man versteht jeden Begriff grundsätzlich ideologisch. Wenn Identität, auf den Menschen als Individuum und als soziales Wesen bezogen, tatsächlich bedeuten würde, "ein- und dasselbe sein", dann wäre jede Entwicklung, jeder Fortschritt nichts anderes als Verrat.
Die Verwendung des Begriffs "Identität" für eine Gruppe von Menschen mit einem gemeinsamen Merkmal macht nach meinem Verständnis nur dann einen, Sinn, wenn man diesem einen Merkmal eine überragende primäre, durch und durch persönlichkeits- und schicksalsprägende Wirkung zuschreibt. Das ist bereits in der Begriffsbildung Ideologie. Weil sie den Menschen von Anfang an in einen Kasten zu zwängen versucht.

In Deutschland ist es völlig offensichtlich, das zum Beispiel Mutterrsprachlichkeit, Staatsangehörigkeit und Herkunft auseinanderfallen können. Das eine ist die deutsche Sprache, das andere die der Bundesrepublik Deutschland (und nicht Österreich) und das dritte kann in sehr vielen Fällen eine Region sein, die heute zu Polen, Tschechien, Ungarn oder Rumänien gehört,
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ich habe seit langem eine Vermutung. Aber wirklich nur Vermutung, vages Gefühl: Das Ende des kommunistischen Weltsystems, das Ende des Ostens ist in gewisser Weise auch das Ende des Westens. Das kann man sehr wohl auch als eine Art Entwertung sehen oder auch erleben. Das was westliche Demokratien ausmacht: Gewaltenteilung, Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit, freie Wahlen usw. präsentiert sich nun nicht mehr als Gegenentwurf sondern als Wert an und für sich. Damit könnte bei einigen Menschen eine Art Gefühl subjektiv empfundener Ordnungsaulösung verbunden sein. Die durch eine Neubelebung von Begriffen wie "Nation" oder "Abendland" kompensiert werden soll. Von der Auflösung des Ostens selbst als Grund für ein allgemeines Auflösungsgefühl mal ganz abgesehen.

Dabei eröffnet sich einfach die Chance, eine alte Ordnung durch eine neugestaltete neue Ordnung zu ersetzen. Nur zu. Nur herbei damit. Der Flughafen Berlin-Tegel ist in Wahrheit ein stockhässliches Gebäude und überdies auch noch disfunktional weil nicht an das ansonsten dichte Schienennetz angebunden. Für viele ist er ein Symbol der Freiheit.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von PeterK »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 01:19)
Gute Güte, es wirkt schon fast komisch. Wie kann man kollektiv das Thema "Deutsche Identität" so fundamental missverstehen und ein derartigen Pathos auflegen, für etwas das derart banal ist, wie die Fragestellung "Was macht die Menschen in Deutschland aus?".
Naja, die Fragestellung ist halt unsinnig. Menschen sind unterschiedlich und haben Gemeinsamkeiten. Beides orientiert sich jedoch nicht an Staatsgrenzen oder Staatsbürgerschaften.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Selina »

Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)

Warum wollt ihr so gnaden- restlos jede Bindung, jede Verwurzelung, jede Bodenhaftung, auch jedes Märchen, den Mythos und jeden Zauber und alles "Ewige" oder Überzeitliche austilgen und eine absolute Reinheit der technokratisch-wissenschaftlichen Vereinzelungs-Gesellschaft herbeiführen, deren Prämissen keineswegs weniger konstruiert sind und diesen Frankenstein erschaffen, der absolut einzigartig und zugleich genau wie alle sein soll. Die Architektonik dieser Zukunftswelt ist derart schauerlich, dass Jedem noch fühlenden Wesen das blanke Entsetzen packt. Und wie das aussehen wird, können wir schon in der westlichen Welt begutachten, in der in jeder Großstadt die gleichen Konsumenten aus 200 Nationen, die nur noch geistig in Jetztpunkten gefangen sind und in die selben Fresstempel gehend, den Burger mit der weltweit identischen Anzahl von 2 Gurken herunter schlingen, ehe sie auseinander stoben, um sich die gleiche Folge 37 der beliebten Netflix-Serie anzuschauen.

Gerade werden die aller-letzten Verbindungslinien zu den Urahnen gekappt. Und eurer tabula rasa, mit globalen Anspruch versehen, macht aus der Erde eine Wüste. Alles ist ein und dasselbe statt überall verschieden und getrennt. Warum habt ihr soviel Angst, vor Vielfalt und einer wirklichen, bunten Welt? Und warum kann man glauben, wenn man die letzte, mündlich überlieferte Volkserzählung ausradiert hat, diese eintönige Welt wäre dann eine Bessere? Das Alte hat nicht immer gut, aber doch funktioniert. Euer neues Projekt eines, in meinen Augen, Zombieplaneten kann krachend scheitern, wenn sich heraus-schält, dass Menschen so nicht funktionieren. Und dann? Das Abendland, "dieser Müll-Begriff", wird jedenfalls nie wieder zu errichten sein, wenn die letzten Träger, die "Abendländler", nimmer sind.
So ein Quatsch. Du tust das, was bei der Neuen Rechten üblich ist, die Tatsachen einfach verdrehen, um dem alten völkischen Gedanken ein Mäntelchen umzuhängen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Welt der "kollektiven Identität" ist das eigentlich Eintönige, das immer Gleiche, das Stolze, das Nationalistische, das "Deutschland erwache" Singende. Mir graust bei dieser Vorstellung. Niemand, der wirklich klar bei Verstand ist, kann so eine Welt noch einmal wollen. Schau sie dir an die Ferien- und Schulungslager der Neuen Rechten, das Leben der Familie Kubitschek, die merkwürdigen zombiehaften Traditionsgruppen, die in Brandenburg ganze Höfe aufkaufen, um dort ein völkisch-teutsches streng bezopftes Leben zu führen. Furchtbar diese Gleichförmigkeit, dieses Ausgrenzen von allem, was anders lebt, anders denkt.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Selina »

Zunder hat geschrieben:(31 May 2020, 01:05)

Außer Nazis und ihren Antipoden dürfte kaum jemand die großdeutsche Sache im Kopf haben - jedenfalls niemand, der halbwegs bei Trost ist.

Wer vor lauter Antifaschismus sich das Begriffsverständnis der Faschisten zu eigen macht, ist ihnen schon auf den Leim gegangen.
Die identitäre Ideologie ist das Problem, nicht die Identität. Es gibt nichts, was keine Identität hat. Den Begriff der Identität zu denunzieren, weil Faschisten glauben, ihn vereinnahmen zu können, geht am Problem vorbei.
Wieso? Das, was du mit Sozialisation meinst oder mit dem, was passiert, wenn man sich in diversen Klubs trifft, Hobbies miteinander teilt, mit Freunden zusammen feiert, etwas unternimmt, all das hat nix mit dem hier zelebrierten Gruppen-Identitäts-Begriff zu tun. Sozialisation (wie du an anderer Stelle erklärst) hat nichts mit dieser "kollektiven Identität" zu tun. Letztere ist ein Konstrukt, eine Erfindung. Denn identisch bin ich, wie schokoschendrezki schon sagte, nur mit mir selbst, nicht mit irgendeiner Gruppe. Dass man andere gerne und oft trifft, ist ein bestimmtes Freizeitverhalten, ein Zusammentreffen von Leuten mit ähnlichen oder gleichen Interessen. So eine Identität, wie sie hier erdichtet und erträumt wird, gibt es nicht. Das ist eine leere Phrase. Der Wunsch der Vater des Gedankens. Allerdings ein Wunsch mit einer ziemlich klaren Motivation. Man muss diesen Deutschen-Identitäts-Quatsch nur oft genug erzählen, am Ende glaubt es ja vielleicht sogar einer.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von tarkomed »

Ein Terraner hat geschrieben:(30 May 2020, 21:41)

Weil es kein normales Essen mehr gibt. Ich habe das in dieser intensiven Ausprägung noch in keinem anderen Land erlebt. Bist du schon mal in Italien italienisch oder Essen gegangen?
In Italien zwangsläufig, weil ich den Unterschied zwischen der Küche im Ursprungsland und in Deutschland kennenlernen wollte und es gibt einen nicht unerheblichen Unterschied.
Ich habe auch in Griechenland und in China gegessen und da gilt genau das Gleiche.
Hier in Deutschland gehe ich mit meiner Familie zum Griechen, zum Italiener oder zum Chinesen essen, wenn es uns danach ist. Zuhause wird deutsch gekocht, mit griechischem, italienischem, chinesischem oder sonstigem Einfluss. Die Esskultur internationalisiert sich immer mehr, insodern gebe ich dir recht.
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Alexyessin »

Skeptiker hat geschrieben:(30 May 2020, 20:08)

Natürlich toleriere ich auch Meinungsäußerungen innerhalb der legalen Grenzen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich keine Meinung dazu habe, ob ich solche Leute im Land haben möchte, wenn sie keinen deutschen Pass haben. Da bin ich durchaus der Meinung, dass der Staat da sein Interesse sehen sollte, dass der soziale Friede nicht gefährdet wird.
Auch hier gilt. Die Meinungsfreiheit ist durch Gesetze geregelt. Egal ob ein Deutscher oder nicht Deutscher diese äussert.
Skeptiker hat geschrieben:(30 May 2020, 20:08)
Es ging nicht um deutsche Staatsbürger. Dazu hatte ich mich klar geäußert - die muss mal tolerieren. Es ging explizit um Ausländer.
Auch Nichtdeutsche haben Grundrechte hier. Und das ist gut so.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Alexyessin »

tarkomed hat geschrieben:(30 May 2020, 20:44)

Ich kenne auch einige Griechen in München und es gibt tatsächlich griechische Schulen in München, sogar ein Gymnasium, aber verheiratet sind einige meiner Bekannten mit Deutschen, einer mit einer Polin und einer mit einer Französin. Dass sie nur griechisch sprechen, ist mir nicht aufgefallen. Ich weiß, dass es griechische Vereine gibt, die Tanzfeste veranstalten, weil sie schöne Gruppentänze haben; die Griechenlandurlauber kennen das. Ghettoisierung, wie bei anderen Volksgruppen in Deutschland, ist mir bei den Griechen jedoch nicht aufgefallen.
Wir haben hier in Dachau zwei Blöcke. Ghettoisierung als Begriff lehne ich aber komplett ab. Mei, die bleiben halt unter sich.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Selina »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 01:19)

Gute Güte, es wirkt schon fast komisch. Wie kann man kollektiv das Thema "Deutsche Identität" so fundamental missverstehen und ein derartigen Pathos auflegen, für etwas das derart banal ist, wie die Fragestellung "Was macht die Menschen in Deutschland aus?".

Zunder hat es doch schon ausgiebig erklärt und ich hatte das mit dem Beispiel über die Familie, den Ort, die Region, das Bundesland, Staat, Kontinent und letztentlich Menschheit ebenfalls schon versucht zu beschreiben. Aber da gibt es wohl ein Dogma welches irgendwie den Weg versperrt.

Was hier permanent durcheinander gewürfelt wird, sind die Identität als Person und identitätsstiftende Eigenschaften. Jede Person gibt es nur einmal - Punkt. Diese Identität beschreibt also nur diese eine Person.
Es gibt aber eine vielzahl von identitätsstiftenden Eigenschaften die sich über oben beschriebene Regionale Einflüsse, über Hobbies, Fortbildungsgruppen, Bundeswehr/Zivildienst und weiss der Kukuck was, auf den Menschen einwirken. Alles das formt die Identität der einzelnen Person, die aber niemals identisch mit einer anderen Person sein wird.

Nun kommen hier aber alle an und tun so, als wenn es ausschliesslich der Kaninchenzüchterverein wäre der zu 100% identitätsstiftend wäre - und im gleichen Athemzug trtt man triumphierend das Gegenargument los, dass das ja nicht sein könne, weil ja nicht alle Kaninichenzüchter gleich wären. Da frage ich mich doch echt, ob hier manche gehörig einen an der Waffel haben.

Nein, natürlich sind nicht alle Deutschen gleich, und nein, es gibt keine Eigenschaft die alle Deutschen haben. Aber es muss doch dem einen oder anderen schon aufgefallen sein, dass es auch in Deutschland, so wie in jedem anderen Land der Welt, typische bzw. charakteristische Eigenschaften gibt, die uns z.T. von anderen Ländern unterscheiden (z.T. auch nicht).

Um das mal greifbar zu machen nenne ich nochmal welche, die wurden ja schon genannt:
  • Erinnerung an und Überwindung des Faschismus
  • Die deutsche Sprache
  • Eine gewisse Neigung zur Pedanz
  • Mittlerweile geringe Neigung zur Religiosität
Das hat mit Schreckgespenst nichts zu tun. Das hat auch nichts damit zu tun, dass irgendwer irgendwen in ein Identitätskorsett zwingen möchte. Das hat schlicht etwas damit zu tun, wie die Leute in dieser Region der Welt "typischerweise so drauf sind".

Mir ist wirklich schleierhaft wie man aus einer so trivialen Angelegenheit ein so dermaßen hochtrabende Diskussion ableiten kann. Die ist ebenfalls absolut charakteristisch für Deutschland - ihr könntet garnicht deutscher sein :thumbup:
Du verwechselst einfach den Begriff "Sozialisation" mit "Identität". Eine "deutsche Identität" gibt es nicht. Eine "Identitätsstiftung" gibt es nicht. Das ist eine Erfindung, eine Träumerei, Großmannssucht. Dieses akribische Herausarbeiten-Wollen, was das Deutschsein nun wirklich ist oder ob es das überhaupt gibt, dient nur dazu, aufzuzeigen, dass Menschen mit anderen Religionen, anderen Lebensgewohnheiten, anderen Sitten und Bräuchen, anderer Herkunft hier nicht erwünscht sind, nicht dazugehören. Das hast du an anderen Stellen in der Diskussion schon unverblümt zugegeben, dass es dir genau darum geht. Nochmal: Der Kampf des "Eigenen" gegen das "Fremde" ist Krampf. Ausgrenzung ist in letzter Konsequenz immer menschenfeindlich. Ich zum Beispiel bin gerne mit anderen zusammen, weil ich mit ihnen ähnliche oder gleiche Interessen teile, weil es mir Freude macht, mit ihnen zu feiern, zu singen, zu diskutieren, Sport zu treiben. Und nicht wegen ihrer Herkunft. Die ist dabei völlig schnurz.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Selina »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 02:03)

Das ist ein klassischer "Jehova"-Effekt, und ja, der ist sehr deutsch.

Die Identitären haben diesen Begriff doch sehr geschickt gewählt, weil er eben so offensichtlich das beschreibt, was wir kaum diskutieren können, aber was aber dennoch so offensichtlich ist. Nämlich, dass wir eine Identität haben, aber nicht wagen darüber zu diskutieren was uns ausmacht. Wir trauen uns nicht zu sagen was wir wollen, weil wir zu ängstlich sind unsere Eigenschaften positiv zu benennen.

Auch wenn ich mich da wiederhole: Das ist der pure Selbsthass der in einer nationalen Neurose gemündet ist, deren Ergebnisse wie hier in der Diskussion wiederfinden können. Selbst trivialste Zusammenhänge werden geleugnet, weil es das Luftschloss gefährden könnte, welches wir zu unserem Schutz erbaut haben.

Und da glauben wir, dass unsere Nachbarn Angst vor einem Deutschland haben und dass dieses zu selbstbewusst und dominant wäre. Umgekehrt wird etwas daraus: Deutschland ist ein Land mit gigantischer Identitätskrise aber gleichzeitig missionarischem und stets bedeutungsschwangerem Sendungsbewusstsein. Mehr Selbstbewusstsein aber weniger Klugscheißerei, das würde uns gut tun.
Nein, das ist kein Selbsthass. Im Gegenteil, aus Liebe zu mir selbst und aus Liebe zu anderen kann ich nur hoffen, es kommt nie wieder zu einer "kollektiven deutschen Identität". Und mal nur nebenbei: Die oft zitierte Gründlichkeit, die Disziplin, den Fleiß und die Nachdenklichkeit, all das gibt es selbstverständlich auch in anderen Nationen. Genauso, wie es umgekehrt auch faule, oberflächliche und weniger disziplinierte Zeitgenossen gibt, und auch das in allen Nationen gleichermaßen.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von PeterK »

Alexyessin hat geschrieben:(31 May 2020, 08:52)
Wir haben hier in Dachau zwei Blöcke. Ghettoisierung als Begriff lehne ich aber komplett ab. Mei, die bleiben halt unter sich.
So was gibt's hier auch. Sind dann eher Deutsche und Briten. Meins wäre das nicht, aber wenn sie so leben wollen - warum nicht?
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Alexyessin »

PeterK hat geschrieben:(31 May 2020, 09:14)

So was gibt's hier auch. Sind dann eher Deutsche und Briten. Meins wäre das nicht, aber wenn sie so leben wollen - warum nicht?
Eben, darum geht´s.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Alexyessin »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 02:03)

Die Identitären haben diesen Begriff doch sehr geschickt gewählt, weil er eben so offensichtlich das beschreibt, was wir kaum diskutieren können, aber was aber dennoch so offensichtlich ist. Nämlich, dass wir eine Identität haben, aber nicht wagen darüber zu diskutieren was uns ausmacht. Wir trauen uns nicht zu sagen was wir wollen, weil wir zu ängstlich sind unsere Eigenschaften positiv zu benennen.
Wir . uns . usw.
Warum dieses Pauschalisieren?
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von tarkomed »

Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)

Warum wollt ihr so gnaden- restlos jede Bindung, jede Verwurzelung, jede Bodenhaftung,
Das überlassen wir den Pflanzen. Wir sind vernunftbegabte mobile Wesen und das wollen wir auskosten. :D
Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)
auch jedes Märchen, den Mythos und jeden Zauber und alles "Ewige" oder Überzeitliche austilgen und eine absolute Reinheit der technokratisch-wissenschaftlichen Vereinzelungs-Gesellschaft herbeiführen, deren Prämissen keineswegs weniger konstruiert sind und diesen Frankenstein erschaffen, der absolut einzigartig und zugleich genau wie alle sein soll. Die Architektonik dieser Zukunftswelt ist derart schauerlich, dass Jedem noch fühlenden Wesen das blanke Entsetzen packt. Und wie das aussehen wird, können wir schon in der westlichen Welt begutachten, in der in jeder Großstadt die gleichen Konsumenten aus 200 Nationen, die nur noch geistig in Jetztpunkten gefangen sind und in die selben Fresstempel gehend, den Burger mit der weltweit identischen Anzahl von 2 Gurken herunter schlingen, ehe sie auseinander stoben, um sich die gleiche Folge 37 der beliebten Netflix-Serie anzuschauen.
Du scheinst von Märchen und Mythen geleitet zu sein, das ist mir schon aufgefallen und die westliche Welt scheinst du auch nur aus dieser Perspektive zu kennen. Deine Texte könnte man unter der Rubrik Schauerromantik ablegen und unter Staubschichten verschwinden lassen. :D
Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)
Gerade werden die aller-letzten Verbindungslinien zu den Urahnen gekappt.
Meine Urahnen haben für sich und ihre Nachkommen gelebt und ich tu es auch. Sie haben sich geliebt und gehasst, wie es unter Menschen so ist. Sie haben sich in nichts von den Urahnen anderer unterschieden. Sofern ich sie gekannt habe, leben sie noch in meiner Erinnerung, gleichgültig wo ich mich gerade befinde, ob auf der Nord- oder auf der Südhalbkugel.
Zeitflucht hat geschrieben:(31 May 2020, 00:50)
Und eurer tabula rasa, mit globalen Anspruch versehen, macht aus der Erde eine Wüste. Alles ist ein und dasselbe statt überall verschieden und getrennt. Warum habt ihr soviel Angst, vor Vielfalt und einer wirklichen, bunten Welt? Und warum kann man glauben, wenn man die letzte, mündlich überlieferte Volkserzählung ausradiert hat, diese eintönige Welt wäre dann eine Bessere? Das Alte hat nicht immer gut, aber doch funktioniert. Euer neues Projekt eines, in meinen Augen, Zombieplaneten kann krachend scheitern, wenn sich heraus-schält, dass Menschen so nicht funktionieren. Und dann? Das Abendland, "dieser Müll-Begriff", wird jedenfalls nie wieder zu errichten sein, wenn die letzten Träger, die "Abendländler", nimmer sind.
Sagt die der Begriff Naive Malerei etwas? Dort sind die Farben säuberlich getrennt voneinander. Wenn dir eine solche Welt zusagt, geschenkt. Ich liebe Impressionismus, denn dort geben die Farben dem Bild die Form und nicht die Linien. Sie spielen miteinander und verschwimmen ineinander und werden zu Licht und Schatten und formen bunte Welten. Das ist die Welt, die mir zusagt.
Du präferierst eine Welt aus einzelnen Nordkoreas.
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Skeptiker »

Alexyessin hat geschrieben:(31 May 2020, 09:50)
Wir . uns . usw.
Warum dieses Pauschalisieren?
Weil "wir" typischerweise das richtige Personalpronomen für die eigene Gruppe ist. Die eigene Gruppe hatte ich als "die Bevölkerung in Deutschland" definiert. Ich könnte auch von der Bevölkerung meines Ortes oder meines Bundeslandes reden, oder der EU oder der Menschheit als Ganzes. Neu ist mir aber, dass nun das auch schon anrüchig ist.

Bereitet es dir Unbehagen von der Bevölkerung in Deutschland zu reden? Sollten wir das lieber lassen, weil es soetwas wie eine "Bevölkerung in Deutschlands" auch nicht gibt?

Mal ehrlich - langsam wird es hier ein wenig Meschugge. Wir hatten schon eine Diskussion um "abgrenzen" und "wer". "Identität" löst offenbar allseits Pickel aus - geht es noch um etwas anderes als Worte hier?
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Skeptiker »

Alexyessin hat geschrieben:(31 May 2020, 08:52)
Wir haben hier in Dachau zwei Blöcke. Ghettoisierung als Begriff lehne ich aber komplett ab. Mei, die bleiben halt unter sich.
Wie kommt es denn eigentlich, dass jemand dazu "Ghetto" sagt? Bei Ghetto würde ich an ärmliche Verhältnisse und Unordnung/Dreck denken, wodurch man sich von den umliegenden Ortsteilen unterscheidet.

Ich persönlich nenne Dinge gerne beim Namen. Ein Ghetto nenne ich ein Ghetto und ein Gebiet wo viele Leute unter sich leben, würde ich halt einfach eine Gegend nennen, in der viele Leute unter sich wohnen.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von tarkomed »

Alexyessin hat geschrieben:(31 May 2020, 08:52)

Wir haben hier in Dachau zwei Blöcke. Ghettoisierung als Begriff lehne ich aber komplett ab. Mei, die bleiben halt unter sich.
Während der Wirtschaftskrise in Griechenland, die eigentlich noch andauert, haben viele Griechen ihren Arbeitsplatz verloren und sofern sie bekannte oder Verwandte in Deutschland hatten, sind sie hierhergekommen, weil sie hier bessere Aussichten auf Arbeit hatten. Diese Griechen sprechen natürlich kein Deutsch, oft weil sie einfache Arbeiten verrichten, die keine besonderen Sprachkenntnisse voraussetzen.
Die Griechen, die ich in München kenne, leben in zweiter oder dritter Generation hier und diese Bekanntschaften stammen aus meiner Studentenzeit in München. Deshalb sprechen wir vermutlich von unterschiedlichen griechischen Gruppen.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Alexyessin »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 10:02)

Weil "wir" typischerweise das richtige Personalpronomen für die eigene Gruppe ist. Die eigene Gruppe hatte ich als "die Bevölkerung in Deutschland" definiert. Ich könnte auch von der Bevölkerung meines Ortes oder meines Bundeslandes reden, oder der EU oder der Menschheit als Ganzes. Neu ist mir aber, dass nun das auch schon anrüchig ist.
Ich habe nicht geschrieben, das wäre anrüchig. Was ich meine ist, warum du Prämissen für ein wir feststellen möchtest - in einem Staat von 83 Millionen Individuen - eben dein "uns" und "wir".
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Alexyessin »

tarkomed hat geschrieben:(31 May 2020, 10:31)

Während der Wirtschaftskrise in Griechenland, die eigentlich noch andauert, haben viele Griechen ihren Arbeitsplatz verloren und sofern sie bekannte oder Verwandte in Deutschland hatten, sind sie hierhergekommen, weil sie hier bessere Aussichten auf Arbeit hatten. Diese Griechen sprechen natürlich kein Deutsch, oft weil sie einfache Arbeiten verrichten, die keine besonderen Sprachkenntnisse voraussetzen.
Die Griechen, die ich in München kenne, leben in zweiter oder dritter Generation hier und diese Bekanntschaften stammen aus meiner Studentenzeit in München. Deshalb sprechen wir vermutlich von unterschiedlichen griechischen Gruppen.
Also unsere Griechen hier sind seit drei, vier Generationen hier, also keine aktuellen Flüchtlinge. Die kamen schon vor dem Krieg als Arbeiter in der hiesigen Industrie - so wenig es auch davon gab. Also nicht der klassische Gastarbeiter aus den Nachkriegsjahren.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von Alexyessin »

Skeptiker hat geschrieben:(31 May 2020, 10:18)

Wie kommt es denn eigentlich, dass jemand dazu "Ghetto" sagt? Bei Ghetto würde ich an ärmliche Verhältnisse und Unordnung/Dreck denken, wodurch man sich von den umliegenden Ortsteilen unterscheidet.

Ich persönlich nenne Dinge gerne beim Namen. Ein Ghetto nenne ich ein Ghetto und ein Gebiet wo viele Leute unter sich leben, würde ich halt einfach eine Gegend nennen, in der viele Leute unter sich wohnen.
Ghetto ist schon etwas spezielles, deswegen finde ich die Verweichlichung dieses Begriffes ebenso verkehrt.
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Re: Die deutsche Gesellschaft - wer gehört dazu, heute und morgen?

Beitrag von imp »

tarkomed hat geschrieben:(30 May 2020, 21:02)

Weil es eine bayrische Küche gibt, eine griechische oder eine chinesische und sie unterscheiden sich teilweise gravierend voneinander. Was ist daran schlimm, wenn sie dann unterschiedlich heißen?
Es gibt kulinarische Traditionen und Ideengeschichten. Deren Rahmen verschiebt sich über die Zeit schon immer auch geographisch. Wie Handelsrouten und Verfügbarkeiten sich ändern, so ändern sich Zutaten und Anrichteweisen. Die jeweils aktuellen Entwicklungen sind dabei oft schwer zu scheiden. Bestimmte Gerichte, die wir heute mit Österreich verbinden, haben ihren Ursprung am Balkan oder im türkischen Raum. Manches Gericht, das wir mit der Küche im Nordwesten unseres Landes identifizieren, hat seine Wurzeln im slawischen. Der Kartoffelkloß war in Bayern oder Thüringen vollkommen unbekannt, als Columbus, Magellan und Da Gama die Welt erkundeten. Dünne Scheiben Rindfleisch rollen und mit Speck, Senf und saurer Gurke füllen, wer hatte die Idee? Ist das wichtig? Heute ist unsere "Deutsche Küche" von Produkten und Anrichteweise geprägt, die nicht von hier stammen: Kartoffel, Reis, das ist offensichtlich. Etwas vertrackter schon die allgegenwärtige Nudel, deren Ursprung man in Italien oder Asien suchen mag. Zu ihr gehört meist die Tomatensauce. Doch die Tomate kommt aus Südamerika. Streichen wir von der Karte auch Gulasch und Hefeknödel, Erdnuss, Cognac, Pfeffer und Chili, vieles weiteres, es ist ein Trauerspiel. Viele Fische, Tierprodukte und Gemüse, die noch vor wenigen Generationen den Speiseplan bestimmten, sind heute vergessen oder verpönt.

Es ist auch die andalusische Küche nicht ohne den Handel mit Afrika und den intensiven Verkehr und Kulturaustausch mit dem muslimisch geprägten Süden denkbar. Gerade die Küche regt dazu an, immer wieder auszuprobieren, anzuschauen, einzubauen und gerade nicht fein säuberlich nebeneinander her und geschieden nur das alte unverändert darzubieten.

Essen die Menschen in anderen Weltregionen im Durchschnitt anders? Schon, aber es wird immer schwieriger, zu sagen, ob wir unserem Nachbarn in den Topf schauen oder jemandem am anderen Ende der Welt. Kulinarische Ideen werden weiter Namen tragen. Sie einer nationalen Kultur zuzuordnen, ist aber immer mehr doppelt falsch: Falsch mit Blick auf ihre Verbreitung in der Welt und falsch als Beschreibung des typischen Speiseplans aller Leute in einem Land.
"Don't say words you gonna regret" - Eric Woolfson
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