Gin-Tonic hat geschrieben:(21 Mar 2020, 10:04)
Ich bin ja kein Psychologe, aber mal angenommen die Ausgangssperre würde kommen (also nur noch arbeit, einkaufen, hund zum pinkeln bringen). Wie lange können Menschen ohne soziale Kontakte überhaupt leben ohne durchzudrehen?
Es könnte also sein dass spätestens im April (wenn nicht früher) die Leute sich gegen diese Bestimmungen stemmen werden.
Jemand aus dem Milieu hier? (Psychologie?)
Ich halte das für eine ziemlich westlich geprägte weinerliche Sichtweise auf Einschränkungen, die schlicht einmal notwendig sind.
In China waren die Einschränkungen viel stärker und konsequenter. Die haben es überlebt, ohne dass die Leute amok gelaufen wären.
Mir scheint es fast so, als wäre die verwöhnte Mentalität ein Hauptproblem bei der Bekämpfung einer solchen Bedrohung. In China sind harte Maßnahmen in kurzer Zeit durchgedrückt worden, und sie waren erfolgreich. Hier ist alles eher symbolisch und wird nicht ernst genommen. Die Folge ist, dass es umso ineffektiver ist und umso länger dauert.
Ich denke wir benötigen mehr Zwangsmaßnahmen und striktere Kontrolle der Einhaltung. Dadurch dürfte auch die Dauer der Maßnahmen verkürzt werden.
Hier mal ein Bericht eines deutschen Arztes in China:
WELT: Warum gab es diese Maßnahme auch in Ihrer Klinik?
Teichmann: Weil man die Politik verfolgt hat, Menschen streng voneinander zu isolieren. Da gab es ganz klare Vorgaben. Man durfte auch nur alle zwei Tage auf die Straße, um einkaufen zu gehen. Wenn es Corona-Verdachtsfälle gab, wurden diese Patienten in einem eigenen Krankenhaus untergebracht, das nur dafür bestimmt war. Es gab also eine Infektionsklinik in Luzhou, und der große Rest wurde weitgehend dichtgemacht.
WELT: Wie haben Sie persönlich das Vorgehen erlebt?
Teichmann: Ich saß da morgens mit meinem Team von deutschen Ärzten im Hotel, und wir durften plötzlich nicht mehr in den Frühstücksraum. Das Essen wurde durch die Tür ins Zimmer geschoben, ohne Kontakt mit den Hotelmitarbeitern. Wir waren die einzigen Gäste im Hotel, kein Restaurant war geöffnet. Morgens wurden wir von einem Fahrer abgeholt und in die Klinik gebracht. Uns wurde gefühlt 40 Mal am Tag Fieber gemessen, ständig mussten wir Auskunft über unseren Gesundheitszustand und mögliche Symptome geben.
„Extrem rigide, aber erfolgreich“
WELT: Am Donnerstag wurde aus China zum ersten Mal seit Beginn der Krise keine einzige Neuinfektion gemeldet. Was war das Rezept?
Teichmann: Die absolute Konsequenz. Wenn man durch die konsequente Beschränkung der Sozialkontakte die Welle der sich weiter fortpflanzenden Infektionen unterbrechen will, dann geht es nur so kompromisslos, wie China das gemacht hat. Das ist extrem rigide, aber erfolgreich. Und diese Maßnahmen sind ja jetzt nicht einfach vorbei.
Und dann zu Deutschland:
WELT: Die meisten Menschen scheinen in Deutschland mittlerweile verstanden zu haben, welch ernste Gefahr von Corona ausgeht. Und die Regierung bemüht sich, die Ausbreitung zu verlangsamen.
Teichmann: Aber das Land ist konsequent inkonsequent. Wenn ich sehe, dass Cafés und Bäckereien morgens geöffnet haben, nachmittags und abends aber nicht, dann fragt man sich doch, ob irgendjemand annimmt, Covid-19 sei ein ausschließlich nachtaktiver Erreger. Das ist doch schlicht unvernünftig. Bis vor wenigen Tagen lag ich als chirurgischer Patient eine Woche in Deutschland im Krankenhaus, alle Informationen zu dieser Epidemie waren bekannt. Und trotzdem liefen da ständig hustende Pfleger an mir vorbei, ohne Mundschutz.
Niemand hat der hohen Infektiosität des Virus Rechnung getragen. Auch heute noch sind in deutschen Krankenhäusern Cafeterien geöffnet, mit der Begründung, dass es für den Pächter so schwierig sei, die Miete zu bezahlen. Das erscheint wenig durchdacht und gänzlich unprofessionell.
https://www.welt.de/politik/deutschland ... .206674665