BenJohn hat geschrieben:(12 Feb 2020, 00:46)
Ich fand z.B. das Höcke-Interview absolut miserabel. Stümperhaft und handwerklich einfach nur schlecht. Man hatte das Gefühl, dass da jemand kein Bock hatte sich vorzubereiten und Höcke einfach nur provozieren und beleidigen wollte, um sich dann danach als kritischen Journalisten feiern zu lassen. Das war einfach billig.
So, ich habe jetzt auf Youtube das komplette Interview bis zum Abbruch angesehen. Ich sage gleich vorweg, Deine Einschätzung, dass es miserabel und handwerklich schlecht gemacht wurde, teile ich überhaupt nicht. Zur Einordnung, der Interviewer stellte Fragen zur Sprache und Sprachbilder von Höcke. Er spricht ihn darauf an, dass nicht nur politische Gegner sondern auch Parteikollegen über die Sprachähnlichkeit und Wortgleichheit mit Ausdrücken aus dem 3.Reich irritiert sind. Höcke begründet seine Art zu schreiben sinngemäß damit, dass er gerne poetisch schreibt und nicht einsehe, warum er bestimmte Ausdrücke nicht verwenden soll, wenn sie auch im 3.Reich verwendet wurden. Das sei für ihn politische Korrektheit, die es zu überwinden gilt. Man kann nun Höckes Ansicht teilen oder nicht, das ist gar nicht der Punkt. Zur Untermauerung seiner These hat der Interviewer einen Einspieler gebracht, wo AfD-Abgeordnete zwei Zitate aus Höckes Buch vorgelesen wurden. Anschließend wurden sie gefragt, ob die Abgeordneten denken, ob das von Höcke oder von Hitler ist. Einige Abgeordnete mussten lachen, aber fast alle wollten sich nicht die Blöße geben und in kein Fettnäpfchen treten und sagten, sie können das nicht einschätzen, weil sie Höckes Buch und Hitlers Kampf nicht gelesen haben.
Noch allgemeines, der Interviewer redete in einem ruhigen Ton. Natürlich waren das keine seichten Fragen, sondern setzte sich hart aber im Rahmen mit der Sprache von Höcke in seinem Buch und in Reden auseinander. Klar, Höcke konnte das nicht gefallen, aber ich glaube er war vermutlich noch mehr enttäuscht darüber, dass seine AfD-Bundestagsabgeordneten sein Buch nicht gelesen haben, und so rumdrucksten und sich nicht positiv über ihn äußerten.
Dann kam eine Stelle, die mich sehr überrascht hat und persönlich unglaublich spannend fand. Denn es war nicht Höcke, sondern sein Medienberater Lachmann(?), der im Hintergrund saß und sich abrupt einschaltete. Er meinte (O-Ton): "Darf ich mal kurz unterbrechen... ich würde sagen, dass sollten wir nochmal wiederholen, das geht so nicht, sie haben ihn mit Fragen konfrontiert, die ihn stark emotionalisiert haben......das sollte man nicht im fernsehen zeigen....das sollten wir nochmal von vorne machen....". Dann folgte eine längere Diskussion zwischen Herrn Lachmann und dem Interviewer. Höcke wirkte plötzlich wie ein Schulkind, bei dem die Erwachsenen über ihn in der 3.Person sprechen, obwohl er im selben Raum ist. Es schien so, als wüsste er in dem Moment nicht, ob er seinem Medienberater Lachmann zustimmen sollte, oder ob er sagt, ach wir können das Interview weitermachen. Alles andere als souverän. Erst nach dem sich Lachmann und der Interviewer länger unterhalten hatten, stieg Höcke auf das ein, was sein Medienberater sagte. Dann kamen so Sätze wie "das kann man so nicht machen".
Zwei Dinge sind für mich interessant. Einmal das nicht Höcke das Heft in der Hand hatte, sondern sein Berater. Er wirkte sprichwörtlich unmündig, was natürlich nach außen kein gutes Bild abgab. Zum anderen zeigt es die Vorstellung, wie sich Höcke oder die AfD allgemein ein Interview vorstellen. Er versteht gar nicht, dass es überhaupt nicht üblich ist, dass ein Interview wiederholt wird, wenn der Politiker meint, er komme gerade nicht gut rüber. Zum anderen ist ein Journalist kein Stichwortgeber, sondern sucht die Kontroverse in der Sache und er bestimmt, welche Fragen gestellt werden und nicht der Politiker.
Man könnte darüber noch mehr schreiben, aber im Grundsatz sage ich, ein politisches Interview ist nun mal kein Wunschkonzert.