Das ist tatsächlich ein grundsätzlicher Unterschied im Denken. Die Charakterisierung der Russen als Tätervolk, die man für die Aktionen der russischen Armee in der Ukraine kollektiv bestrafen müsse, ist wirklich etwas dem ich nicht folgen kann und das ich grundlegend ablehne. Ich denke nicht, dass ich Verbrechen an den Ukrainern relativiere, wenn ich sage, dass man die Russen als Volk nicht für diese bestrafen müsse. Vielmehr denke ich, dass die Schuld für Gräueltaten zu 100% bei denen liegt, welche sie anordnen bzw. durchführen. Diese müssen angeprangert und wenn möglich angeklagt werden. Ich halte es vielmehr für ethisch extrem bedenklich, wenn man meint die moralische Autorität zu besitzen ganze Völkerschaften als Strafmaßnahme ins Unglück stürzen zu müssen.Bobo hat geschrieben: ↑Di 16. Aug 2022, 08:20[...]Gleichzeitig missachtest du mit der Wortwahl, dass sich hinter "einem Land" das Opfervolk und hinter "anderem Land" das Tätervolk verbirgt.
Deine Message im Klartext.
"Es wäre unangemessen hart, russischen Zivilisten ein Reiseverbot aufzuerlegen, nur weil in der Ukraine Zivilisten ermordet werden!"
[...]
Wirtschaftssanktionen sind keine Kollektivbestrafungen irgendeines Tätervolks, sondern es handelt sich um ein politisches Instrument, um eine Verhaltensänderung von politischen Akteuren zu bewirken, indem man dessen Kosten-Nutzen-Rechnung verändert. Gleichzeitig ist zu beachten, dass es sich hier um ein Instrument mit großer Macht handelt, welche das Leben von Millionen Menschen unmittelbar prägen können. Diese Menschen kommen im politischen Diskurs letztlich nicht vor, bzw. sie haben keine eigene Stimme, aber sie existieren und müssen in die Abwägung, ob eine Sanktion sinnvoll ist, mit einbezogen werden.
Um das mal an einem konkreten Beispiel zu verdeutlichen: Trump hatte als Präsident Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei verhängt, damit diese einen inhaftierten christlichen Priester freilässt. Ist es jetzt wirklich gerechtfertigt zigMillionen Türken in Armut zu stürzen, damit ein Priester freigelassen wird? Nun kann man natürlich sagen, die Verantwortung tragen die Türken, weil sie den Priester ja freilassen könnten. Aber das ist eine Täter-Opfer-Umkehr, weil die Verantwortung für eine Handlung immer derjenige trägt, der sie anordnet bzw. durchführt. Das heißt bei Sanktionen muss immer auch eine Abwägung getroffen werden, ob der Zweck die Mittel rechtfertigt. Hier sehe ich aber bei Sanktionen, welche ganze Völker und Länder betreffen, dass mitunter eine groteske Schieflage besteht, wenn diejenigen, deren Leben von den Sanktionen tatsächlich negativ beeinflusst werden, im politischen Diskurs des Landes, welches die Sanktionen verhängt, schlichtweg keine Stimme haben und kein Faktor sind.
Nun handelt es sich bei dem Bann von Touristenvisas nicht um die denkbar härteste Strafmaßnahme und ich denke man kann durchaus der Meinung sein, dass hier der Zweck die Mittel rechtfertigt. Wie Misterfritz schon sagte, man kann die Verwandten in Russland ja besuchen und so schlimm ist das alles nicht. Auch wenn ich das etwas anders sehe und denke es wäre besser die Maßnahme möglichst zielgerichtet einzusetzen. Wie es ja jetzt die Finnen wohl auch umsetzen.
Die Logik von Kollektivstrafen gegen ein Tätervolk halte ich aber für für grotesken Unsinn.