Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

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Kohlhaas
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(15 Jan 2022, 18:21)
Den Verzicht auf post-pandemischen Wiederaufbau bewerte ich als ein Scheitern von EU-Politik, sowohl im formalen wie auch im substantiellen Sinne.
Aber den "post-pandemischen" Wiederaufbau leistet die EU doch. Sogar mit gewaltigen Finanzmitteln. So ziemlich die größte Summe dafür (anteilig!) ist Polen in Aussicht gestellt worden. Gescheitert ist doch nur die von der PiS vertretene Idee, dass die EU so eine Art wertfreier Geldautomat ist.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Kohlhaas hat geschrieben:(15 Jan 2022, 18:39)

Aber den "post-pandemischen" Wiederaufbau leistet die EU doch. Sogar mit gewaltigen Finanzmitteln. So ziemlich die größte Summe dafür (anteilig!) ist Polen in Aussicht gestellt worden. Gescheitert ist doch nur die von der PiS vertretene Idee, dass die EU so eine Art wertfreier Geldautomat ist.
Das ist unzutreffend. PM Morawiecki sprach vor dem EU-Parlament sogar ganz explizit über Werte und Prinzipien.
Die Vorstellung vom Geldautomaten wird doch eher von den Zentralisten vertreten. Dazu passt dann ja auch der zusammenhanglose, pädagogische Ansatz, dem gegenüber wiederum Warschau den Wert der Nichtkäuflichkeit entgegensetzt.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(15 Jan 2022, 19:56)

Das ist unzutreffend. PM Morawiecki sprach vor dem EU-Parlament sogar ganz explizit über Werte und Prinzipien.
Die Vorstellung vom Geldautomaten wird doch eher von den Zentralisten vertreten. Dazu passt dann ja auch der zusammenhanglose, pädagogische Ansatz, dem gegenüber wiederum Warschau den Wert der Nichtkäuflichkeit entgegensetzt.
Die Werte der PiS-Polen sind aber nicht die Werte derer, die die Mittel für den Wiederaufbau nach überstandener Pandemie erwirtschaften sollen. Also unterbleiben die Zahlungen. Fuß aufstampfen und sagen: "Wir sind nicht käuflich!" setze ich einmal "Wir sind doch nicht blöd!" gegenüber.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(15 Jan 2022, 18:39)

Aber den "post-pandemischen" Wiederaufbau leistet die EU doch. Sogar mit gewaltigen Finanzmitteln. So ziemlich die größte Summe dafür (anteilig!) ist Polen in Aussicht gestellt worden. Gescheitert ist doch nur die von der PiS vertretene Idee, dass die EU so eine Art wertfreier Geldautomat ist.
Das stimmt schon erstmal nicht. Für Polen sind ungefähr 37,7 Milliarden Euro eingeplant. Und Polen hat 2021 37,8 Millionen Einwohner. Leichte Rechnung: ziemlich genau 1000 Euro pro Einwohner. Italien: 81 Milliarden durch 59 Millionen.1373 pro Kopf. Spanien: 77 Milliarden durch 47 Millionen. 1638 Pro Kopf.
https://de.statista.com/infografik/2185 ... se-der-eu/

Diese Erzählung vom "Geldautomaten" wird bis zum geht nicht mehr überdehnt. Es ist zwar nicht so, dass Polen nicht zu den Nettoempfängern beim Infrastrukturfond der EU gehört ... aber man muss die Rolle dieses Infrastrukturfonds richtig bewerten. Und bei den Pandemiegeldern ... jedem Menschen mit einem Rest von politischem Verstand ist doch klar, dass das irgendwie, irgendwann und vom irgendwem in der einen oder anderen Form zurückgezahlt werden muss. Und da dürfte ein Land wie Polen mittel- und langfristig ganz vorn stehen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Tatsächlich geht es aber um viel mehr Geld aus der Gemeinschaftskasse, denn das sind zusätzliche Mittel für den "Wiederaufbau", nicht etwa regionale Entwicklungsfonds. Ausbleibende Strafzahlungen in Höhe von 1 Mio/Tag nach dem Urteil des EuGH vergrößern diese Beträge noch.. Das alles sollte man schon im Zusammenhang sehen.

Es ist aber auch gar nicht so leicht, das alles auf zu dröseln.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(15 Jan 2022, 20:15)

Die Werte der PiS-Polen sind aber nicht die Werte derer, die die Mittel für den Wiederaufbau nach überstandener Pandemie erwirtschaften sollen. Also unterbleiben die Zahlungen. Fuß aufstampfen und sagen: "Wir sind nicht käuflich!" setze ich einmal "Wir sind doch nicht blöd!" gegenüber.
Das Hauptprinzip der Europäischen Union sei das Demokratieprinzip, sagt Morawiecki.

Und viele Bürger würden sich fragen, ob es wirklich eine Gleichberechtigung gäbe, wenn die Spaltung in starke und schwache, reiche und arme, alte und neue Mitgliedsstaaten vertieft werden.
Die Bürger seien nicht blind und nicht taub.
Angesichts mancher Praktiken der EU-Institutionen würde Vertrauen verloren gehen, so der Premierminister.

Heute falle in den Gründungsländern das Vertrauen in die Union auf ein historisch niedriges Niveau, in Frankreich seien es beispielsweise nur noch 36 %, in Polen hingegen über 85 %.

Schlußendlich plädiert er für ein starkes Europa, das für Gerechtigkeit, Solidarität und Chancengleichheit kämpfe, ein Europa, das sich gegen autoritäre Regime behaupten kann und ein Europa, das die Kultur und Traditionen respektiert, aus denen es erwachsen sei.
Denn nur so würden die Bürgerinnen und Bürger Europas die Hoffnung auf eine bessere Zukunft schöpfen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(15 Jan 2022, 21:32)

Das Hauptprinzip der Europäischen Union sei das Demokratieprinzip, sagt Morawiecki.
(...)
Damit hat Herr Morawiecki ins Schwarze getroffen. Das EU-Parlament hat die EU-Kommission zum Handeln aufgefordert, und die EU-Kommission hat gehandelt. Ist wohl so ungefähr abgelaufen. Herr Morawiecki hat immer noch Gelegenheit, das Rechtsstaatsprinzip nach europäischem Muster wieder in Kraft zu setzen, oder er wird sich mit Strafen und ausbleibenden Zahlungen anfreunden müssen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(16 Jan 2022, 03:19)

Damit hat Herr Morawiecki ins Schwarze getroffen. Das EU-Parlament hat die EU-Kommission zum Handeln aufgefordert, und die EU-Kommission hat gehandelt. Ist wohl so ungefähr abgelaufen. Herr Morawiecki hat immer noch Gelegenheit, das Rechtsstaatsprinzip nach europäischem Muster wieder in Kraft zu setzen, oder er wird sich mit Strafen und ausbleibenden Zahlungen anfreunden müssen.
Die Demokratiedefizite der EU-Institutionen sind hinlänglich und seit Jahrzehnten bekannt. Der Premier schlägt daher vor, das Volk solle mandatieren und kontrollieren, nicht Beamte.
Zum Dialog über Reformen sei man bereit, Erpressung sei aber nicht die Art, wie Demokratien miteinander umgehen sollten.
Kommissare und Beamte sollten sich mit den Bürgerinnen und Bürger der Union anfreunden, um Vertrauen zu erlangen und zu rechtferigen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(15 Jan 2022, 13:16)

Eben, den Zusammenhang zwischen Wiederaufbau-Gegnern und EU verstehen einige Beobachter sowie die polnische Opposition auch nicht so ganz.
An die absurde “Dagegen“ Haltung, sei es PiS oder in Deutschland AfD wird sich hoffentlich niemand gewöhnen und diese unwidersprochen hinnehmen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 07:47)

Die Demokratiedefizite der EU-Institutionen sind hinlänglich und seit Jahrzehnten bekannt. Der Premier schlägt daher vor, das Volk solle mandatieren und kontrollieren, nicht Beamte.
Zum Dialog über Reformen sei man bereit, Erpressung sei aber nicht die Art, wie Demokratien miteinander umgehen sollten.
Kommissare und Beamte sollten sich mit den Bürgerinnen und Bürger der Union anfreunden, um Vertrauen zu erlangen und zu rechtferigen.
Nun wäre zu untersuchen, wo denn "Demokratiedefizite" größer sind... im EU-Parlament oder im Sejm, und wo Beamten mehr Mißbrauch ihrer Funktion vorgehalten werden muß. Daß Richter Beamte sind, das ist nicht ganz ungewöhnlich; daß der EU-Ministerrat aus gewählten Politikern besteht, sollte auch keine Überraschung sein. Und alle drei Institutionen haben sich inzwischen jahrelang mit diesen Widerborsten östlich der Oder zu befassen.

Die allergrößte Verfehlung sehe ich allerdings darin, lauthals "Demokratiedefizite" zu rufen und dabei zugleich die gemeinschaftliche Demokratie verhindern zu wollen... zurück ins 19. Jahrhundert, allerdings mit Geldautomat. Nein, dann lieber ohne diese scheinheilige Bande in Warschau.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 08:07)

An die absurde “Dagegen“ Haltung, sei es PiS oder in Deutschland AfD wird sich hoffentlich niemand gewöhnen und diese unwidersprochen hinnehmen.
Es ist ja eine "Dafür"-Haltung und die polnische Opposition entspricht auch gar nicht der deutschen AfD.
Man ist für den post-pandemischen Wiederaufbau und selbst die Bevölkerung steht zu über 85 % hinter der EU - deutlich mehr als etwa in Frankreich.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 08:56)

Es ist ja eine "Dafür"-Haltung und die polnische Opposition entspricht auch gar nicht der deutschen AfD.
Man ist für den post-pandemischen Wiederaufbau und selbst die Bevölkerung steht zu über 85 % hinter der EU - deutlich mehr als etwa in Frankreich.
Es ist eine “Dafür unter unseren Konditionen“ Haltung.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(16 Jan 2022, 08:40)

Nun wäre zu untersuchen, wo denn "Demokratiedefizite" größer sind... im EU-Parlament oder im Sejm, und wo Beamten mehr Mißbrauch ihrer Funktion vorgehalten werden muß. Daß Richter Beamte sind, das ist nicht ganz ungewöhnlich; daß der EU-Ministerrat aus gewählten Politikern besteht, sollte auch keine Überraschung sein. Und alle drei Institutionen haben sich inzwischen jahrelang mit diesen Widerborsten östlich der Oder zu befassen.

Die allergrößte Verfehlung sehe ich allerdings darin, lauthals "Demokratiedefizite" zu rufen und dabei zugleich die gemeinschaftliche Demokratie verhindern zu wollen... zurück ins 19. Jahrhundert, allerdings mit Geldautomat. Nein, dann lieber ohne diese scheinheilige Bande in Warschau.
Der Ministerrat ist ein intergouvernementales Instrument, also eben gerade kein bundesstaatliches. Dort sind die einzelnen Regierungen vertreten, wie in der UNO. Es gibt kein Volk, das diesen Rat wählen könnte. Der deutsche Wähler hat mit dem Vertreter Polens wenig zu tun, und umgekehrt.

Warschau schlägt keinesfalls vor, Demokratie verhindern zu wollen, vielmehr lautet der Vorschlag, die Demokratie wieder zu stärken.
Das heißt, die Entscheidungen sollen zurück in die Parlamente, die direkt vom Volk mandatiert und kontrolliert werden. Das ist ja der Vorschlag.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 09:03)

Es ist eine “Dafür unter unseren Konditionen“ Haltung.
Der Wiederaufbau ist eine gemeinschaftliche Anstrengung, aber kein einziger EU-Staat gibt dafür seine Souveränität auf. Es entspräche ohnehin nicht den Verträgen.

Die "Konditionen" stellt der Virus. Und dieser ist, wir wir alle wissen, grenz- und parteiübergreifend.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 09:13)

Der Wiederaufbau ist eine gemeinschaftliche Anstrengung, aber kein einziger EU-Staat gibt dafür seine Souveränität auf. Es entspräche ohnehin nicht den Verträgen.

Die "Konditionen" stellt der Virus. Und dieser ist, wir wir alle wissen, grenz- und parteiübergreifend.
Um so bedauerlicher, dass die PiS meint ihren "Anti-Rechtstaat-Virus" EU weit zusätzlich streuen zu wollen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(15 Jan 2022, 20:57)

Tatsächlich geht es aber um viel mehr Geld aus der Gemeinschaftskasse, denn das sind zusätzliche Mittel für den "Wiederaufbau", nicht etwa regionale Entwicklungsfonds. Ausbleibende Strafzahlungen in Höhe von 1 Mio/Tag nach dem Urteil des EuGH vergrößern diese Beträge noch.. Das alles sollte man schon im Zusammenhang sehen.

Es ist aber auch gar nicht so leicht, das alles auf zu dröseln.
Natürlich. Und es sowieso klar, dass das in der einen oder anderen Form zurückgezahlt werden muss. Durch Inflation? Im Euro-Raum? Und ist Polen mit der Möglichkeit der Abwertung seiner eigenen Währung, also der exklusiven Verbilligung eigener Arbeitkskräfte, Produkte und Dienstleistungen dann nicht eventuell besser aufgestellt? Polen kann immer ein wenig drunter bleiben.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am So 16. Jan 2022, 10:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 10:07)

Um so bedauerlicher, dass die PiS meint ihren "Anti-Rechtstaat-Virus" EU weit zusätzlich streuen zu wollen.
Trotz dieser Ansicht meint die polnische Opposition, dass die Wiederaufbau-Hilfe der Bevölkerung zugute kommen würde.
So wie in anderen EU-Ländern mit unterschiedlichen Regierungen und Parteien auch.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 10:49)

Trotz dieser Ansicht meint die polnische Opposition, dass die Wiederaufbau-Hilfe der Bevölkerung zugute kommen würde.
So wie in anderen EU-Ländern mit unterschiedlichen Regierungen und Parteien auch.
Womit sich die Opposition in einen Zwiespalt begibt.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 11:35)

Womit sich die Opposition in einen Zwiespalt begibt.
Finde ich so gar nicht. Warum sollte die Opposition gegen den Wiederaufbau oder gegen die Interessen des Landes sein?
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 09:09)

Der Ministerrat ist ein intergouvernementales Instrument, also eben gerade kein bundesstaatliches. Dort sind die einzelnen Regierungen vertreten, wie in der UNO. Es gibt kein Volk, das diesen Rat wählen könnte. Der deutsche Wähler hat mit dem Vertreter Polens wenig zu tun, und umgekehrt.

Warschau schlägt keinesfalls vor, Demokratie verhindern zu wollen, vielmehr lautet der Vorschlag, die Demokratie wieder zu stärken.
Das heißt, die Entscheidungen sollen zurück in die Parlamente, die direkt vom Volk mandatiert und kontrolliert werden. Das ist ja der Vorschlag.
Die Abgeordneten des Bundestags stehen auch in keiner körperlich festen Verbindung zueinander. Sie stimmen oft nach eigenem Gewissen ab, manchmal aber auch parteitaktisch. Sind aber entweder über Listen oder direkt gewählt. Und die Minister im EU-Ministerrat sind auch gewählt, nämlich von den Abgeordneten ihrer nationalen Parlamente, also gemäß dem Volkswillen. Wo ist da der Unterschied in der Legitimation? Dort, wo sich die EU auf Mehrheiten geeinigt hat, wird einerseits jedes Land mit einer Stimme gezählt, Parallel dazu wird aber auch auf Einwohner je Land bezogen gewichtet. Bei 2/3-Mehrheit beider Stimmkonzepte ist die Entscheidung gültig. Ich erkenne da kein 4. Reich! In einigen wenigen Fragen gibt es ein nationales Veto, mit dem Polen und Ungarn Mißbrauch treiben und die EU beschäftigen. Das Verfahren muß verschwinden; wer der Gemeinschaft mißtraut, der soll sich eine bessere Gemeinschaft suchen!

Für die Zukunft wünsche ich mir den EU-Ministerrat als eine zweite nachgeordnete Kammer, die Gesetze des EU-Parlaments noch einmal prüft auf Verträglichkeit mit den nationalen Gesetzen und die einmal oder zweimal darauf dringen kann, ein Gesetz des EU-Paraments daran an zu passen. Aber mich fragt ja keiner... ;)

Über die Abgeordneten des EU-Parlaments muß ich hoffentlich nicht so viel erzählen. Die sind von den Unionsbürgern gewählt nach einem degressiven Verfahren, das kleinen Ländern mehr Einfluß je Einwohner sichert als großen. Das hat die EU politisch entschieden... und ich finde das nur fair. Also keine Spur von 4. Reich und derartigem Unfug.

Diese Dinge liegen so klar, daß darüber zu räsonieren schon etwas kindisch wirkt. Und dort liegt auch die politische Macht innerhalb der EU. Nirgendwo sonst.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(16 Jan 2022, 10:49)

Natürlich. Und es sowieso klar, dass das in der einen oder anderen Form zurückgezahlt werden muss. Durch Inflation? Im Euro-Raum? Und ist Polen mit der Möglichkeit der Abwertung seiner eigenen Währung, also der exklusiven Verbilligung eigener Arbeitkskräfte, Produkte und Dienstleistungen dann nicht eventuell besser aufgestellt? Polen kann immer ein wenig drunter bleiben.
Sie werden Polen hier doch nicht verdächtigen, die EU unfair aus zu nutzen? :D
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 11:40)

Finde ich so gar nicht. Warum sollte die Opposition gegen den Wiederaufbau oder gegen die Interessen des Landes sein?
Weil sie, schafft sie den von Ihnen oben vermuteten Zusammenhang, damit das Aushebeln der Rechtstaatlichkeit zugunsten des Erhalts von Geldern akzeptiert.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 09:03)

Es ist eine “Dafür unter unseren Konditionen“ Haltung.
Das ist der eine Teil der Wahrheit. Der andere ist jedoch, daß die polnischen Oppositionsparteien "dafür" sind, ohne die EU verändern zu wollen in einen Bund unabhängiger Nationalstaaten. Ja, noch nicht einmal an ein 4. Reich haben die gedacht... das 4. Reich hat hier die Polen, die ich kenne, auch geradezu umgehauen!

Beim anberaumten Treffen der europäischen Rechtsparteien in Warschau hat man die AfD nicht eingeladen. Finde ich tröstlich. Ansonsten hat die Solidarna Polska in etwa diese Vorstellungen, natürlich auf Polen bezogen. Aber oh Freude: Es sieht danach aus, als ob diese Anti-Europäer demnächst nicht mehr ins Parlament gewählt werden würden, also auch die PiS nicht länger erpressen können, wo sie das Zünglein an der Waage zur Mehrheit bilden.

Aber bis zur Wahl im Herbst 2023 können die noch weiterhin große gesellschaftspolitische Schäden anrichten und Polen immer weiter von der Gemeinschaft der Europäer entfernen... ganz gegen den Mehrheitswillen der Polen. Denn die politische Macht der PiS wäre mit dem Absturz der Solidarna Polska dann Geschichte.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 12:20)

Weil sie, schafft sie den von Ihnen oben vermuteten Zusammenhang, damit das Aushebeln der Rechtstaatlichkeit zugunsten des Erhalts von Geldern akzeptiert.
Vorsicht, Glatteis! Die polnische Opposition ist zwar zersplittert durch persönliche Eitelkeiten, aber sie ist verläßlicher Anhänger des europäischen Projekts. Die Opposition im Sejm will natürlich den unabhängigen Rechtsstaat, die stetig sich vertiefende Zusammenarbeit der EU-Partner und die EU-Mittel. Und sie freut sich darüber, daß die Regierungspartei von der EU aus gesehen keinen Zugriff auf diese Mittel erhält, damit in Polen auch keine Günstlingswirtschaft betreiben kann..
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(16 Jan 2022, 12:12)

Die Abgeordneten des Bundestags stehen auch in keiner körperlich festen Verbindung zueinander. Sie stimmen oft nach eigenem Gewissen ab, manchmal aber auch parteitaktisch. Sind aber entweder über Listen oder direkt gewählt. Und die Minister im EU-Ministerrat sind auch gewählt, nämlich von den Abgeordneten ihrer nationalen Parlamente, also gemäß dem Volkswillen. Wo ist da der Unterschied in der Legitimation? Dort, wo sich die EU auf Mehrheiten geeinigt hat, wird einerseits jedes Land mit einer Stimme gezählt, Parallel dazu wird aber auch auf Einwohner je Land bezogen gewichtet. Bei 2/3-Mehrheit beider Stimmkonzepte ist die Entscheidung gültig. Ich erkenne da kein 4. Reich! In einigen wenigen Fragen gibt es ein nationales Veto, mit dem Polen und Ungarn Mißbrauch treiben und die EU beschäftigen. Das Verfahren muß verschwinden; wer der Gemeinschaft mißtraut, der soll sich eine bessere Gemeinschaft suchen!

Für die Zukunft wünsche ich mir den EU-Ministerrat als eine zweite nachgeordnete Kammer, die Gesetze des EU-Parlaments noch einmal prüft auf Verträglichkeit mit den nationalen Gesetzen und die einmal oder zweimal darauf dringen kann, ein Gesetz des EU-Paraments daran an zu passen. Aber mich fragt ja keiner... ;)

Über die Abgeordneten des EU-Parlaments muß ich hoffentlich nicht so viel erzählen. Die sind von den Unionsbürgern gewählt nach einem degressiven Verfahren, das kleinen Ländern mehr Einfluß je Einwohner sichert als großen. Das hat die EU politisch entschieden... und ich finde das nur fair. Also keine Spur von 4. Reich und derartigem Unfug.

Diese Dinge liegen so klar, daß darüber zu räsonieren schon etwas kindisch wirkt. Und dort liegt auch die politische Macht innerhalb der EU. Nirgendwo sonst.
Nun, wo die Problematiken im Detail liegen, ist ja alles nachlesbar. Da gibt es lange Abhandlungen dazu. Wir müssen hier nicht unbedingt das Rad neu erfinden.
Gerne verlinke ich Ihnen auch noch mal eine Referenz, die rein gar nichts mit Polen zu tun hat, wenn Sie wünschen.

Intergouvernementale Instrumente sind nunmal etwas anderes als das, was Staaten im Innern nach dem one-man-one- vote-Prinzip so machen.
Denken Sie an die UNO. Theoretisch wäre das demokratisch, wenn ein Weltvolk so wählen würde, es ist nur nicht die Realität.
Ebenso gibt es ja kein einheitliches Unionsvolk, welches direkt ein Parlament wählen würde. Die Franzosen wählen das ihrige, die Deutschen das ihrige, etc. und das ganze Konstrukt ist deutlich von intergouvernementalen - nicht bundesstaatlichen - Elementen durchzogen. In der Praxis sogar noch eher als in der Theorie.
Es ist kein Zufall, dass die nationalen Wahlen stets als wichtig erachtet werden und EU-Wahlen als nebensächlich gelten.

Und wenn man etwas anderes will, so kann man unmöglich die Bürger außer acht lassen. Jedenfalls nicht, wenn es demokratisch sein soll. Dann ist direkte Legitimation unerlässlich.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 12:20)

Weil sie, schafft sie den von Ihnen oben vermuteten Zusammenhang, damit das Aushebeln der Rechtstaatlichkeit zugunsten des Erhalts von Geldern akzeptiert.
Das heißt, Sie sind mit der Haltung der polnischen Opposition nicht einverstanden.

Nun gut, das ist Ihr Recht als Bürgerin, wenn auch als Bürgerin eines Drittlandes.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

H2O hat geschrieben:(16 Jan 2022, 12:39)

Vorsicht, Glatteis! Die polnische Opposition ist zwar zersplittert durch persönliche Eitelkeiten, aber sie ist verläßlicher Anhänger des europäischen Projekts. Die Opposition im Sejm will natürlich den unabhängigen Rechtsstaat, die stetig sich vertiefende Zusammenarbeit der EU-Partner und die EU-Mittel. Und sie freut sich darüber, daß die Regierungspartei von der EU aus gesehen keinen Zugriff auf diese Mittel erhält, damit in Polen auch keine Günstlingswirtschaft betreiben kann..
Ich habe bewusst auf die persönliche Interpretation der Zusammenhänge meines Vorredners hingewiesen. ;)
Meines Erachtens kann die Opposition in Polen sehr wohl zwischen den Interesse der EU, dem Interesse der PiS und ihrem eigenen Interesse trennen. Dass die EU Wiederaufbaugelder der Bevölkerung zugute kommen würden ist ein Allgemeinplatz. Uninteressant,da diese Gelder explizit dafür gedacht sind. Interessant ist ausschließlich, zu welchen Konditionen diese Gelder geliefert werden und wie diese angewandt werden sollen. Hier dürfte der Unterschied zwischen Regierung und Opposition zu finden sein.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 12:52)

Das heißt, Sie sind mit der Haltung der polnischen Opposition nicht einverstanden.

Nun gut, das ist Ihr Recht als Bürgerin, wenn auch als Bürgerin eines Drittlandes.
Nicht einverstanden bin ich mit dem, was Sie meinen aus der Zustimmung der polnischen Opposition die Gelder Brüssels betreffend, suggerieren zu können.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Nun geht ja ausgerechnet Polen recht sorgsam mit EU-Geldern um, wie ein neutraler Beobachter bescheinigt hat. Da gäbe es ganz andere Länder in der EU, wo die tatsächliche Korruption praktisch unübersehbar wäre - selbst, wenn man noch so angestrengt wegsieht. ;)

Aber egal, des Menschen Wille ist sein Himmelreich, wie der Volksmund so schön sagt. Es soll halt so sein wie gewünscht, wozu da unnötige Komplikationen.

Ich kann nur sagen, mir ist es völlig nachvollziehbar, was dieser Journalist und Befürworter einer engeren Union (!) gesagt hat, wonach die EU unabhängig von der PIS eigentlich sauber bleiben sollte.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 12:57)

Nicht einverstanden bin ich mit dem, was Sie meinen aus der Zustimmung der polnischen Opposition die Gelder Brüssels betreffend, suggerieren zu können.
Die Maßnahmen gegen die Pandemie-Folgen sind praktischer Natur, was gibt es da zu suggerieren?
Die Pandemie in Polen ist seinem Wesen nach nicht viel anders als in übrigen EU-Staaten und der EU-Beschluß ist ja selbstreferenziell.
Man müsste ja eher das Sonder- oder Ausnahmerecht für Polen begründen, doch nicht die grundlegende Idee des Wiederaufbaus.

Die polnische Opposition wird die Folgen der Pandemie nicht gut finden, ebensowenig wie die Regierung. Da gibt es an sich nicht viel zu deuteln.
Der Unterschied ist nur, dass die Opposition die Regierung naturgemäß kritisch sieht und die Regierung umgekehrt. Das ist aber wohl kein großes Wunderwerk.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 13:10)

Die Maßnahmen gegen die Pandemie-Folgen sind praktischer Natur, was gibt es da zu suggerieren?
Die Pandemie in Polen ist seinem Wesen nach nicht viel anders als in übrigen EU-Staaten und der EU-Beschluß ist ja selbstreferenziell.
Man müsste ja eher das Sonder- oder Ausnahmerecht für Polen begründen, doch nicht die grundlegende Idee des Wiederaufbaus.

Die polnische Opposition wird die Folgen der Pandemie nicht gut finden, ebensowenig wie die Regierung. Da gibt es an sich nicht viel zu deuteln.
Der Unterschied ist nur, dass die Opposition die Regierung naturgemäß kritisch sieht und die Regierung umgekehrt. Das ist aber wohl kein großes Wunderwerk.
Siehe meine Antwort an H2O.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(16 Jan 2022, 13:11)

(...)

Sie müsste nur noch gewählt werden.
Das ist überhaupt ein kleines, kosmetisches Problemchen an der Sache.

Der Rechtsstaat ist sicherlich toll, da dürften sich alle einig sein, dazu gehört aber unabdingbar die Demokratie an sich.
Man kann ja schlecht sagen, ah, die Situation ist günstig, Richter X ist auf unserer Seite, sitze er eben in Luxemburg oder sonstwo, übernehmen wir also dessen Ansicht und vergessen mal die zwei anderen Gewalten. Dann nämlich stimmt ja die Balance wieder nicht. Es sind ja drei Gewalten, die vom Volke ausgehen sollten, nicht eine.
So kann Rechtsstaatlichkeit eigentlich nicht als Argument hergenommen werden, um die gewichtige Legitimation durch das Volk selbst auszuhebeln. Das ist ein Widerspruch in sich.
Noch schlimmer würde es, wenn man die Rechtsstaatlichkeit der EU-Institutionen unparteiisch untersuchte. Darüber sollte man besser erst gar nicht nachdenken.
Die Schönheit der Kosmetik lebt ja nicht von rationalen Schwierigkeiten, sie lebt von der Optik, nicht von juristischen Essays, sondern allenfalls von plastischer Anschaulichkeit.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Troh.Klaus »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 13:17)
Das ist überhaupt ein kleines, kosmetisches Problemchen an der Sache.

Der Rechtsstaat ist sicherlich toll, da dürften sich alle einig sein, dazu gehört aber unabdingbar die Demokratie an sich.
Man kann ja schlecht sagen, ah, die Situation ist günstig, Richter X ist auf unserer Seite, sitze er eben in Luxemburg oder sonstwo, übernehmen wir also dessen Ansicht und vergessen mal die zwei anderen Gewalten. Dann nämlich stimmt ja die Balance wieder nicht. Es sind ja drei Gewalten, die vom Volke ausgehen sollten, nicht eine.
So kann Rechtsstaatlichkeit eigentlich nicht als Argument hergenommen werden, um die gewichtige Legitimation durch das Volk selbst auszuhebeln. Das ist ein Widerspruch in sich.
Noch schlimmer würde es, wenn man die Rechtsstaatlichkeit der EU-Institutionen unparteiisch untersuchte. Darüber sollte man besser erst gar nicht nachdenken.
Die Schönheit der Kosmetik lebt ja nicht von rationalen Schwierigkeiten, sie lebt von der Optik, nicht von juristischen Essays, sondern allenfalls von plastischer Anschaulichkeit.
Das Ist ja mal eine Einordnung: Der Rechtsstaat, das ist Kosmetik. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich eine Regierung wählt, die es mit der Kosmetik nicht so hat, dann muss man das so akzeptieren.
Putin würde Beifall klatschen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Troh.Klaus hat geschrieben:(16 Jan 2022, 14:28)

Das Ist ja mal eine Einordnung: Der Rechtsstaat, das ist Kosmetik. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich eine Regierung wählt, die es mit der Kosmetik nicht so hat, dann muss man das so akzeptieren. Putin würde Beifall klatschen.
Das verstehst du miss. Gemeint ist, dass man Wahlen und Parlament nicht einfach weglassen kann. Oder, spitzer ausgedrückt, ein Richter in Luxemburg macht noch keine Demokratie.

Mr. Putin ist auf solche Kleinigkeiten aber ohnehin nicht angewiesen.
Selbst der Blogger Nawalny fragte ja erstaunt nach, wo die Richterin eigentlich Jura studiert habe.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 12:46)
(...)

Es ist kein Zufall, dass die nationalen Wahlen stets als wichtig erachtet werden und EU-Wahlen als nebensächlich gelten.
Nichts dagegen ein zu wenden, wenn ansonsten Gleichklang angestrebt und erreicht wird.
Und wenn man etwas anderes will, so kann man unmöglich die Bürger außer acht lassen. Jedenfalls nicht, wenn es demokratisch sein soll. Dann ist direkte Legitimation unerlässlich.
Die Bürger sind und waren nicht außer Acht gelassen; wenn sie die EU für weniger wichtig erachten, dann müssen sie eben auf Mittel der Gemeinschaft pfeifen. Ist ja auch nicht schlimm; dafür gibt es immer Verwendung anderen Orts.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(16 Jan 2022, 22:47)

Nichts dagegen ein zu wenden, wenn ansonsten Gleichklang angestrebt und erreicht wird.
Ein gewisser Pluralismus hat Tradition in Europa.
Die Bürger sind und waren nicht außer Acht gelassen; wenn sie die EU für weniger wichtig erachten, dann müssen sie eben auf Mittel der Gemeinschaft pfeifen. Ist ja auch nicht schlimm; dafür gibt es immer Verwendung anderen Orts.
Geld ist kein Demokratieprinzip. Legitimation wird nicht erkauft, sondern durch Wahlen verliehen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Jan 2022, 23:05)

Ein gewisser Pluralismus hat Tradition in Europa.

Geld ist kein Demokratieprinzip. Legitimation wird nicht erkauft, sondern durch Wahlen verliehen.
Nein, das Geld ist für die Entwicklung der EU zu einer funktionierender Gemeinschaft mit annähernd gleichen Lebenschancen erwirtschaftet worden. Wer von diesem Ziel nichts hält, der sollte sich notwendiges Geld andernorts suchen. Welchen anderen Sinn sollten diese Querfinanzierungen der EU denn haben?
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(17 Jan 2022, 00:34)

Nein, das Geld ist für die Entwicklung der EU zu einer funktionierender Gemeinschaft mit annähernd gleichen Lebenschancen erwirtschaftet worden. Wer von diesem Ziel nichts hält, der sollte sich notwendiges Geld andernorts suchen. Welchen anderen Sinn sollten diese Querfinanzierungen der EU denn haben?
Eben. Das sollte dann auch gemeinschaftlich angewendet und nicht für Spielereien missbraucht werden. Ziel in diesem Fall ist ja nicht der Verzicht auf Wiederaufbau, sondern deren Umsetzung.
Bayern und Berlin legen sich auch nicht gegenseitig lahm, nur um des Gezänkes willen. Meinungsverschiedenheiten gibt es wohl, diese werden jedoch vorwiegend verbal ausgetragen.

Das große Manna fällt im übrigen nicht vom Himmel, wie wir alle wissen, es wird von den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet. Deren Votum, ausgedrückt in demokratischen Wahlen, sollte entsprechend respektiert werden.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(17 Jan 2022, 06:05)
(...)
Das große Manna fällt im übrigen nicht vom Himmel, wie wir alle wissen, es wird von den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet. Deren Votum, ausgedrückt in demokratischen Wahlen, sollte entsprechend respektiert werden.
Das ist geschehen, der gemeinsam als Schiedsstelle anerkannte EuGH hat Recht gesprochen. Das Geld der europäischen Steuerzahler wird nicht verschleudert. Der polnische Wähler kann seine Regierung bei kommenden Wahlen dafür abstrafen... oder ihren Auftritt gut finden. Und die EU kann weiter gemeinsame Beschlüsse fassen, mit dafür vorgesehenen Mehrheiten im Rahmen geschlossener Verträge.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(17 Jan 2022, 06:18)

Das ist geschehen, der gemeinsam als Schiedsstelle anerkannte EuGH hat Recht gesprochen. Das Geld der europäischen Steuerzahler wird nicht verschleudert. Der polnische Wähler kann seine Regierung bei kommenden Wahlen dafür abstrafen... oder ihren Auftritt gut finden. Und die EU kann weiter gemeinsame Beschlüsse fassen, mit dafür vorgesehenen Mehrheiten im Rahmen geschlossener Verträge.
Natürlich werden Steuergelder verschleudert, wenn man den eigentlichen Zweck des Wiederaufbaus parteipolitischen Interessen unterordnet. Im Grunde ist das nah an der Korruption.
Aber weder deutsche, noch französische oder polnische Wähler können da was machen.
Die Polen sind zwar sehr optimistisch im Hinblick auf die EU, aber just in den Gründungsländern ist das Vertrauen der Bürger in die Institutionen stark geschrumpft.

Es wäre daher sinnvoll, sich Reformen zu überlegen, um Korruption und Demokratiedefizite zu überwinden - unter Einbeziehung des jeweiligen Souveräns.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Die nationalen Wähler sind eingeschaltet, was die Entscheidungen der EU betrifft! Sie haben das EU-Parlament bestimmt, und sie haben über ihre Parlamentswahl die Minister des Ministerrats bestimmt. Sie erzählen hier blühenden Unsinn!

Mir gefällt dieser Aufbau der EU auch nicht sonderlich; aber der ließe sich ja ändern. Im Ergebnis würde sich gar nichts ändern. Und klar ist schon, daß die Nettozahler allmählich leid sind, daß Nettoempfänger praktisch im Alleinverfahren bestimmen wollen, was die Nettozahler unterstützen sollen. Das kann ich wieder gut verstehen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(17 Jan 2022, 11:48)

Die nationalen Wähler sind eingeschaltet, was die Entscheidungen der EU betrifft! Sie haben das EU-Parlament bestimmt, und sie haben über ihre Parlamentswahl die Minister des Ministerrats bestimmt. Sie erzählen hier blühenden Unsinn!
Sicher, wenn sich zwei Regierungschefs treffen, dann können beide gewählt sein. Dennoch ist das intergouvernemental.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(17 Jan 2022, 12:12)

Sicher, wenn sich zwei Regierungschefs treffen, dann können beide gewählt sein. Dennoch ist das intergouvernemental.
Warum nicht auf Ebene der Regierungen in der EU? In demokratischen Staaten kontrolliert das Parlament die Regierung auch dann, wenn sie Politik über die Landesgrenzen hinaus gestaltet.

Mir wäre die Umkehrung der Rangfolge auch lieber: Gesetzgeber ist das EU-Parlament, der EU-Ministerrat schmeckt diese Gesetze ab, bevor der Ratspräsident sie freigeben kann. Darüber kann man verhandeln und den EU-Wähler befragen... ohne deshalb aber den Charakter der EU in Frage zu stellen. Wenn das die Zielsetzung der neuen Machtverteilung sein sollte, dann bleibt es eben bei der heutigen Machtverteilung in der EU. Sie folgt Gesetzen und Regeln, die sich bewährt haben.

Die Möglichkeit eines EU-Austritts hat GB schließlich nachgewiesen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Gesetzsgebungsprozess in der EU ist kompliziert, um nicht zu sagen verkorkst. Es gibt mit der Kommission etwas, das formal die Exekutive darstellt. Die, die im Wesentlichen Gesetzesinitiativen erarbeiten. Aber anders als die Exekutive in den Einzelstaaten ist die Kommission nicht vom Parlament gewählt sondern (vom Rat) letztendlich ernannt. Wir haben es in der EU mit einer Mischung aus demokratischer Gewaltenteilung und Monarchie in Form einer Monarchentafelrunde zu tun.

Und da braucht man sich überhaupt nicht wundern, wenn einzelne Mitglieder dieser Tafelrunde quer schießen. Man hat im 14. Jahrhundert bei den Verhandlungen über die goldene Bulle auch über so etwas wie verschiedene oder überall gleiche "Tischhöhen" palavert. Oder auch über die offiziell zugelassenen Sprachen.

Die böhmische Krone war Teil der Goldenen Bulle. Also wurde die tschechische Sprache in die Liste der "offiziellen" Sprachen aufgenommen. 1356. Vor vielen hundert Jahren. So weit reicht die Vorgeschichte der EU zurück.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Nun ja, dann gab es damals sicher auch schon den POLEXIT; Międzymorze oder Trójmorze neben dem HRR, in dem man tschechisch sprach, zur Freude der Niederländer... aber gut, machen wir einen neuen Anlauf!

In der Gazeta Wyborcza bezieht sich ein Bericht auf eine Veröffentlichung in der Frankfurter Allgemeinen vom Sonntag, 2022-01-16. Dort wurde aus einer vertraulichen Sitzung der EU-Kommission durchgestochen, daß bis 2025 in der EU der EURO die einzige Währung der 27 Mitgliedsstaaten sein soll. Vertraglich geschützt gegen diese Zumutung ist allein Dänemark, das schwarz auf weiß im Beitrittsabkommen zugesichert bekommen hat, daß die dänische Krone als Landeswährung beibehalten werden darf (war seinerzeit so ähnlich auch mit den Briten vereinbart und dem britischen Pfund, aber das ist Schnee von vorgestern). Die Schweden wollten sich dem EUR anschließen, aber eine Volksabstimmung hatte 2003 für den Verbleib in der schwedischen Krone gestimmt. Verrückte Welt!

In Polen stimmen Wirtschaftskreise in der Politik und in der Wirtschaft seit Jahren auf den EURO ein, aber Umfragen belegen, daß 72% der Polen beim złoty bleiben möchten. Der Beitrittsvertrag mit Polen schreibt allerdings den Übergang auf den EURO fest. Also große Aufregung allerorten und natürlich auch in Polen.

Der Regierungschef im Hintergrund, Jarosław Kaczyński, hat festgelegt, daß Polen dem EURO beitreten wird, wenn das Land 85% des Pro-Kopfeinkommens Deutschlands erreicht haben wird. Nach derzeitiger Berechnung wird das in 75 Jahren so weit sein.
https://wyborcza.biz/biznes/7,177151,21 ... polna.html
Prezes Prawa i Sprawiedliwości Jarosław Kaczyński nie chce wprowadzenia euro w Polsce. Uważa, że nie pozwala na to sytuacja gospodarcza Polski i że po prostu to nam nie opłaca. W wywiadzie dla „Rzeczpospolitej” w połowie marca Kaczyński mówił, że o wejściu do strefy euro będziemy mogli mówić, gdy osiągniemy poziom 85 proc. niemieckiego PKB na mieszkańca. Eksperci policzyli, że będzie to najwcześniej za 75 lat.
  • Der Vorsitzende der (Partei) Prawo i Sprawiedlość Jarosław Kaczyński will nicht die Einführung des EURO in Polen. Er wies darauf hin, daß das die Lage der polnischen Wirtschaft nicht zuließe und sich schlicht nicht auszahle. In einem Bericht der "Rzeczpospolita" Mitte März (2021?) sagte Kaczyński, daß man darüber reden könne, wenn wir (Polen) 85% der deutschen Wirtschaftskraft je Einwohner erreichten. Fachleute berechneten, daß das in frühestens 75 Jahren sein wird
Na ja, man kann so auch den Sankt-Nimmerleinstag festlegen. Wer weiß, was in 75 Jahren sein wird? Ich weiß, was vor 75 Jahren in Europa angesagt war...

Die jüngste Aufregung nach der durchgestochenen vertraulichen Sitzung der EU-Kommission
https://wyborcza.biz/biznes/7,177151,28 ... :undefined
hat ja nicht nur in Polen Wellen geschlagen, sondern auch in anderen Ländern der EU, die noch nicht der EURO-Gruppe (19 von 27 Partnerländern der EU) angehören. Pikant war die Überschrift in der Gazeta Wyborcza:
Wprowadzenie euro w Polsce to wiele korzyści. Kandydatka PiS-u do Rady Polityki Pieniężnej chce zmiany waluty
  • Einführung des EUROs in Polen sehr sinnvoll. Bewerberin der PiS für den Ausschuß für Geldpolitik (der EU) will den Währungswechsel
Die Bewerberin, Frau Professorin Elżbieta Ostrowska, dürfte sich wohl einen Nasenstüber "zu Hause" verdient haben... oder ihren Status als Bewerberin verlieren...

Die stellvertretende EU-Kommissionsvorsitzende, Frau Valdis Dombrovski, beeilte sich auch, die Meldung "EURO für alle 2025" auf zu weichen: Nein, das sei nicht der leitenden Gedanke gewesen, sondern im Vordergrund stehe die Absicht, daß die Wechselkurse der EU-Mitglieder eingefroren werden sollten, um das Wirtschaften im gemeinsamen Markt zu vereinfachen. Nun ja, auch das ist ein ehrgeiziges Ziel, weil die erklärte Absicht Polens ist, mit veränderlichen Wechselkursen seine Wettbewerbsfähigkeit steuern zu können. Damit unterscheidet sich Polen vom Verhalten Dänemarks, das seine Krone eisern an den EURO gebunden hat, also das abgeschwächte Ziel "2025" schon von Anfang an erfüllt hat.

Insofern kann man sich wieder mit der Überschrift "Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU" beschäftigen. Untreue und Vertragsbruch als Staatskonzept sollte sich auch in der Geldpolitik nicht lohnen.

Natürlich gibt s auch in Polen Stimmen, die zur Vernunft aufrufen. So denn auch Herr Janusz Lewandowski, der ehemalige Vorsitzende des EU-Haushaltsausschusses. Herr Lewandowski ist überraschenderweise PiS-Parteimitglied... Er merkte an, daß es zwischen der EURO-Gruppe und dem russischen Einflußgebiet in Osteuropa dann ein Polen zweiter Klasse geben werde, eine Art wirtschaftspolitischen Pufferstaats. Also ungesund, aber (so meine Vermutung) sogar von der PiS so gewollt.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Atue001 »

Dass es sinnvoll ist, in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum auch eine gemeinsame Währung zu haben, sollte eigentlich trivial sein.

Dass man auf Befindlichkeiten der jeweiligen Länder die noch nicht zum Euro-Raum gehören Rücksicht nehmen muss, ist halt auch ein wenig klar.

Insofern könnte man aber auch Übergangsszenarien definieren - beispielsweise indem Polens Währung im ersten Schritt hart und zu einem festen Wechselkurs an den Euro gebunden wird.
Im zweiten Schritt könnte man in Polen dazu übergehen, dass mit beiden Währungen gleichberechtigt bezahlt werden kann.

Nach wenigen Jahren wäre die Akzeptanz ausreichend hoch, unter diesen Bedingungen auf den Zloty dann auch irgendwann zu verzichten - vor allem wenn man das Endedatum nicht zu nah definiert.....
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(17 Jan 2022, 12:25)

Warum nicht auf Ebene der Regierungen in der EU? In demokratischen Staaten kontrolliert das Parlament die Regierung auch dann, wenn sie Politik über die Landesgrenzen hinaus gestaltet.

Das gesuchte Wort lautet Außenpolitik.
Mir wäre die Umkehrung der Rangfolge auch lieber: Gesetzgeber ist das EU-Parlament, der EU-Ministerrat schmeckt diese Gesetze ab, bevor der Ratspräsident sie freigeben kann. Darüber kann man verhandeln und den EU-Wähler befragen... ohne deshalb aber den Charakter der EU in Frage zu stellen. Wenn das die Zielsetzung der neuen Machtverteilung sein sollte, dann bleibt es eben bei der heutigen Machtverteilung in der EU. Sie folgt Gesetzen und Regeln, die sich bewährt haben.
(...)
Wünsche kann man haben und haben auch manche. Man wird aber am eigentlichen Souverän nicht vorbeikommen. Und dieser kann in Frage stellen, was auch immer er will.
Hat er ja auch schon, etwa beim Referendum 2005. Deswegen wären m. E. eben Argumente viel wichtiger als noch so kunstvolle Spielereien.
Die Leute wissen sonst nicht, was für was steht und interpretieren ziemlich frei.
Zuletzt geändert von DarkLightbringer am Do 20. Jan 2022, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

@ Atue001:

Das ist ein sehr vernünftiger Gedanke... genau genommen war das auch die Prozedur der europäischen Währungsschlange, die die Gründiungsmitglieder der EU zum Euro führte. Im Fall Polens hatte ich aber beschrieben, daß es gewollt keine Hinarbeit zum Euro gibt, weil Polen mit dem Eingriff in den Wechselkurs seine Wettbewerbsfähigkeit steuern will. Also im Grunde der Gegenentwurf zur Gemeinschaftswährung. Man sollte Polen deshalb wegen vertragswidrigen Verhaltens "auf den Topf setzen". In 75 Jahren wird Polen zu Hause den EUR einführen. :cool:
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

Ich kann verstehen, dass Polen gegenwärtig noch die eigene Währung behalten möchte. Der Wechselkurs bietet für Polen, die in Deutschland arbeiten oder sonstwie in Euro bezahlt werden, zurzeit noch erhebliche Vorteile. Das wird sich erst ändern, wenn die polnische Wirtschaft weiter floriert und der Zloty im Verhältnis zum Euro stabil bleibt. Ist aber eigentlich gar nicht so wichtig. Ich persönlich finde es nur sehr angenehm, dass man jetzt nicht mehr bei jedem Grenzübertritt Geld wechseln muss.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Atue001 »

Wie ist denn die Entwicklung des BIP in Polen im Vergleich zum BIP in der EU? Wenn Polen hier in den letzten Jahren eher gut abgeschnitten hat, wäre der Euro für Polen für mich nicht das drängendste Problem.
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