Fliege hat geschrieben:
Bist du Phänomenalist, weil du mit Zeit und Vergangenheit ein Problem zu haben scheinst?
Ich habe gar kein Problem. Es geht hier um die Frage, ob eine Hypothese, die die Existenz eines Multiversums impliziert, als naturwissenschaftliche Theorie gelten kann.
Als Gegenargument wird angeführt, dass die anderen Universen nicht direkt nachweisbar wären. Ich stelle nun die Frage, was genau das bedeuten soll und vergleiche es mit der Vergangenheit, die auch nicht direkt nachweisbar ist. "Nicht direkt nachweisbar" bedeutet hier, dass wir zwar über unsere Theorien eine Vergangenheit implizieren, wir sie aber nicht direkt sehen, da wir eben nicht in der Zeit zurückgehen können.
Dies ist analog zu einer Theorie mit anderen Universen. Diese sehen wir auch nicht direkt.
Das Problem mit der nicht direkten Nachweisbarkeit ist ganz allgemein: Wir werden nie Informationen von jenseits des kosmologischen Ereignishorizotes erhalten. Trotzdem gehen wir natürlich davon aus, dass unsere Theorien auch dahinter gültig sind. Occams Razor verlangt hier gerade, dass wir davon ausgehen, dass das Universum danach weitergeht, da es eben eine Zusatzannahme wäre, wenn wir davon ausgingen, dass dort plötzlich das Universum zu Ende ist.
Wenn nun eine Multiversumstheorie, wie die von Linde, in unserem Universum ausführlich belegt wird, so wäre es unnatürlich davon auszugehen, dass die anderen Universen dieser Theorie nicht existieren.
Skeptiker hat geschrieben:
Du siehst die Vergangenheit als nicht "explizit" nachgewiesen, und möchtest daher Multiuniversen, die ebenfalls nicht "explizit" nachweisbar sind, als wissenschaftlich bezeichnen lassen.
Jain. Es geht ums Prinzip. Eine Multiversumstheorie kann wissenschaftlich sein.
Ich behaupte nicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits eine hinreichend belegte Theorie dieser Art existiert. Ich behaupte, dass eine solche Theorie aber nicht aufgrund fehlender explizieter Nachweisbarkeit der anderen Universen abgelent werden kann.
Skeptiker hat geschrieben:
Nun magst Du sagen, dass das aber noch nichts darüber aussagt wieviel Vergangenheit es gibt
Genau.
Skeptiker hat geschrieben:
Es gibt aber sehr viele wissenschaftliche Disziplinen, die sich mit der Auswirkung zeitlicher Abfolgen befassen, Archeologie, Paläontologie, auch Kosmologie, um drei zu nennen. Diese müssten massive Fehler machen, wenn Deine 10 Minuten Theorie richtig wäre.
Nein, überhaupt nicht. Diese Theorien beschreiben unsere Experimente (im weiteren Sinne, also auch Ausgrabungen etc.), die wir heute durchführen absolut korrekt. Das Gütesiegel jeder Theorie sind ihre experimentellen Belege, und die sind gegeben.
Wenn die Vergangenheit in Wahrheit anderes verlaufen ist, weil z.B. früher andere Naturgesetze galten, oder weil der Teufel Fossilien platziert hat um uns in die Irre zu führen, ist dies kein Fehler der Theorien.
Natürlich gibt es keinen Grund von solchen Täuschungen auszugehen. Trotzdem ist die Annahme dass es solche Täuschungen nicht gab, nicht falsifizierbar.
Skeptiker hat geschrieben:
Zeitreisen als Vorbedingung für die Anerkennung der Vergangenheit als wissenschaftlichen Fakt sind eine absurd hohe Forderung - man kann auch nicht ins Atom reisen um es zu untersuchen.
Richtig.
Skeptiker hat geschrieben:
Und da kommen wir zum Kern: Nicht die Vergangenheit ist unwissenschaftlich, sondern die Theorie diese wäre nicht existent.
Eben. Und jetzt sag mir noch warum.
Ich würde sagen, weil die Annahme der Nicht-Existenz unnatürlich ist, da unsere experimentell belegten Theorien ihre Existenz implizieren.
Und genau das kann auch für andere Universen gelten.
Skeptiker hat geschrieben:
Theorien die sich diesen Prüfungen nicht stellen können, die können es halt auch niemals so weit bringen.
Aber die Multiversumstheorie von Linde kann dies ja. Viele Aussagen der Theorie lassen sich ganz explizit prüfen (z.B. BICEP2).
Lediglich die anderen Universen können nicht explizit nachgewiesen werden, genausowenig, wie die Vergangenheit.
Mir scheint, als besteht hier ein falscher Eindruck von diesen Theorien. Es ist eben nicht so, dass da ein Physiker hergeht und mal eben andere Universen postuliert. Nein, die Universen ergeben sich auf natürliche Weise aus dem mathematischen Formalismus. Welcher natürlich auch Gegebenheiten aus unserem Universum erklärt.
Nebenbei bemerkt, wird die das Multiversum z.T. auch mit der Viele-Welten Interpretation der Quantenmechanik verwechselt. Diese Dinge haben sehr wenig miteinander zu tun.
Arbeit. Leben. Zukunft.