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Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Montag 16. April 2018, 22:33
von frems
Nun ist es nicht so einfach, genau zu sagen, (ab) wann ein Mensch depressiv ist und wie viele Menschen dies in Deutschland betrifft. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt den Anteil in Deutschland auf 5,2% bzw. 4,6 Millionen Bundesbürger. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe nennt dies daher eine "Volkskrankheit" (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ ... pressionen). Einige Politiker sehen nach dem Vorfall in Münster nun Handlungsbedarf:
Bayern will Depressive als „potenzielle Straftäter“ behandeln
Das PsychKG regelt, wann psychisch Kranke auch gegen ihren Willen untergebracht werden können. Bayern will sein Gesetz nun verschärfen. Kritiker sehen in dem Entwurf ein „Polizeirecht“ gegen die Erkrankten.
https://www.welt.de/politik/deutschland ... l#Comments

Spätestens nach dem Fall Mollath dürfte es öffentlich als umstritten gelten, Personen vorschnell gegen ihren Willen in entsprechende Einrichtungen unterzubringen. Nichtsdestotrotz ist Sicherheit bekanntlich ein Supergrundrecht (https://www.welt.de/politik/deutschland ... recht.html) und der neue Heimatminister hat nun ein Superministerium (https://www.augsburger-allgemeine.de/po ... 61581.html), das zudem für die innere Sicherheit zuständig ist.

Wie steht die liebe Userschaft dazu? Lieber einen "potenziellen" Gefährder zu viel ausspähen bzw. wegsperren bevor etwas passiert? Oder gibt es andere Lösungen? Und was machen Menschen, die sich für depressiv halten bzw. es sind und möglicherweise Hilfe benötigen, aber Angst davor haben, als Gefährder gelten zu können? :?:

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 03:52
von Watchful_Eye
Wie ich schon als Replik auf dein Posting in der Weinstube gesagt habe: Ja, das ist offensichtlich kontraproduktiv. Die von dir angegebene Zahl von 4,6 Millionen sagt eigentlich alles.

Erstens, weil es immer noch eine absolute Ausnahme darstellt, dass Depressive irgendwelche Anschläge machen. Depression führt eigentlich eher zu Lethargie als zu Aggression. Depressive werden dadurch unnötig stigmatisiert.

Zweitens, weil es ausgerechnet diejenigen, vor denen die Gesellschaft "geschützt" werden soll, davon abhalten könnte, sich in Behandlung zu begeben. Wenn man sich die von dir angesprochene Zahl von 5,2% anschaut, ist davon auszugehen, dass es bereits jetzt schon die allermeisten nicht tun.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 05:41
von Provokateur
Jedes PsychKG sieht vor, Menschen gegen ihren Willen festzuhalten. Dabei geht es weniger um Depressive als vor allem um Krankheiten aus dem schizophrenen Formenkreis. Manche Gesetze sind diesbezüglich nämlich auch einfach schwach und sorgen dafür, dass die örtlichen Ordnungsämtern (diese sind für psychisch Kranke zuständig; nicht die Polizei!) die Hände gebunden sind.

Manchmal sind diese Leute nicht in der Lage, ihre Lage zu durchblicken. Es ist nicht normal, die Wände mit Alufolie zu tapezieren; je früher man eingreift, um so besser kann man medikamentös und therapeutisch agieren, um die Lage dieser Leute zu verbessern.

Meine Lebensgefährtin arbeitet in der Reha psychisch Erkrankter (vor allem Schizophrenie) und hilft diesen, ihren Alltag zu bewältigen. Sie kann diese Aufregung nicht verstehen.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 07:20
von sünnerklaas
Provokateur hat geschrieben:(17 Apr 2018, 05:41)

Jedes PsychKG sieht vor, Menschen gegen ihren Willen festzuhalten. Dabei geht es weniger um Depressive als vor allem um Krankheiten aus dem schizophrenen Formenkreis. Manche Gesetze sind diesbezüglich nämlich auch einfach schwach und sorgen dafür, dass die örtlichen Ordnungsämtern (diese sind für psychisch Kranke zuständig; nicht die Polizei!) die Hände gebunden sind.

Manchmal sind diese Leute nicht in der Lage, ihre Lage zu durchblicken. Es ist nicht normal, die Wände mit Alufolie zu tapezieren; je früher man eingreift, um so besser kann man medikamentös und therapeutisch agieren, um die Lage dieser Leute zu verbessern.

Meine Lebensgefährtin arbeitet in der Reha psychisch Erkrankter (vor allem Schizophrenie) und hilft diesen, ihren Alltag zu bewältigen. Sie kann diese Aufregung nicht verstehen.
Das sind aber alles Leute, die irgendwann den Weg zum Arzt gefunden und sich in Behandlung begeben haben. Bei dem, was man in Bayern vor hat, besteht die Gefahr, dass Leute mit psychischen Problemen eben NICHT zum Arzt gehen.
Was ich vermisse, ist eine klare Differenzierung. Psychosen sind etwas anderes, als Schizophrenie - und beides sind etwas anderes, als Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen und Burnouts. Letztere drei haben sich viele auf der Arbeit eingefangen. Und für diese und ganz besonders für ehemalige Bundeswehrsoldaten, Polizisten oder Feuerwehrleute, die auf Grund solcher Erkrankungen dienstunfähig wurden, sind solche Gesetze ein Schlag ins Gesicht. Mehr Verachtung kann einem ja von einem Dienstherren nicht entgegengebracht werden.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 07:42
von Polibu
Sehr sinnvolles Gesetz. :rolleyes: . Welcher psychisch Kranke geht denn bei solchen Aussichten noch zum Arzt? :rolleyes:

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 07:45
von sünnerklaas
Watchful_Eye hat geschrieben:(17 Apr 2018, 03:52)

Wie ich schon als Replik auf dein Posting in der Weinstube gesagt habe: Ja, das ist offensichtlich kontraproduktiv. Die von dir angegebene Zahl von 4,6 Millionen sagt eigentlich alles.

Erstens, weil es immer noch eine absolute Ausnahme darstellt, dass Depressive irgendwelche Anschläge machen. Depression führt eigentlich eher zu Lethargie als zu Aggression. Depressive werden dadurch unnötig stigmatisiert.

Zweitens, weil es ausgerechnet diejenigen, vor denen die Gesellschaft "geschützt" werden soll, davon abhalten könnte, sich in Behandlung zu begeben. Wenn man sich die von dir angesprochene Zahl von 5,2% anschaut, ist davon auszugehen, dass es bereits jetzt schon die allermeisten nicht tun.
Das Problem sind die, die NICHT behandelt werden, die KEINE Diagnose haben. Und deren Zahl wird mit Sicherheit mit solchen Gesetzen wieder steigen. Und für Staat und Gesellschaft ist sowas ein ganz teurer Spaß. Hier dazu ein Artikel aus der Neuen Züricher Zeitung aus dem Jahre 2004.
Und nur um die finanziellen Folgen steigender Suizidraten einmal zu beschreiben: bei jedem Eisenbahnsuizid hat das Eisenbahnunternehmen seine Fahrgäste für die Folgen stundenlanger Verspätungen zu entschädigen. Und das sind nicht nur die Fahrgäste im betroffenen Zug, sondern all die, die von den massiven Verspätungen direkt betroffen sind. Dazu kommen noch die gesundheitlichen Folgen für die betroffenen Lokführer, die Krankenkassen und Rentenversicherer haben, dazu kommen die Folgen für diejenigen, die Anschlussflüge oder Termine nicht erreichen. Da greifen zwar oft Versicherungen (z.B. Reiseabbruch- und Reiserücktrittsversicherungen), aber auch die Versicherungen müssen ja irgendwie zahlen, der finanzielle Schaden wird ja nur verlagert, er verschwindet nicht.
Hinzu kommen noch die direkten Folgen der Suizide für Angehörige und Kollegen. Ich hatte in zwei Firmen das zweifelhafte Glück, die Folgen von Suiziden mit zu erleben. Danach ist nichts mehr so, wie es früher war. Sämtliche unter den Teppich gekehrte Konflikte brechen auf, die Motivation der Mitarbeiter geht in den Keller, es gibt irgendwann gravierende Qualitätsprobleme und dann war's das irgendwann mit den Firmen: Insolvenz. Auch die Schäden sind gewaltig - auch wenn man sie erst einmal nicht direkt mit einem Suizid eines Mitarbeiters in Verbindung bringt.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 08:07
von odiug
Polibu hat geschrieben:(17 Apr 2018, 07:42)

Sehr sinnvolles Gesetz. :rolleyes: . Welcher psychisch Kranke denn bei solchen Aussichten noch zum Arzt? :rolleyes:
Ah wow ... also wir sehen uns ja selten Aug in Aug bei einem Thema hier in diesem Forum ... aber hier gebe ich dir mal absolut recht !

Was nun passiert, ist genau das, was zu befürchten war.
Im öffentlichen Diskurs schreit der deutsche Michel: "Sicherheit" und mit der üblichen Küchenpsychologie schustert der wahlkämpfende und völlig überforderte Politiker in aller Hast nun Maßnahmen zusammen, die das Leben von vielen, die eh schon einen schweren Stand haben, völlig zerstören :mad2:
Zum ersten: Depressionen sind eine Krankheit ... als solche fallen sie unter die ärztliche Schweigepflicht und sie gehen niemanden etwas an, außer den Patienten und den behandelnden Arzt.
Zweitens sind psychische Krankheitsbilder sehr ... nennen wir das mal "schwammig" und können leicht missbraucht werden zu allen möglichen Zwecken.
Der rebellische Arbeitnehmer ... der ist halt Depressiv und hat psychische Probleme und schon halten alle die Klappe.
Der unbequeme Bürger, der gegen eine behördliche Maßnahme protestiert ... der hatte doch schon immer einen an der Waffel ... weg damit.
Grausig, einfach nur noch grausig :dead:

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 08:11
von Polibu
odiug hat geschrieben:(17 Apr 2018, 08:07)

Ah wow ... also wir sehen uns ja selten Aug in Aug bei einem Thema hier in diesem Forum ... aber hier gebe ich dir mal absolut recht !

Was nun passiert, ist genau das, was zu befürchten war.
Im öffentlichen Diskurs schreit der deutsche Michel: "Sicherheit" und mit der üblichen Küchenpsychologie schustert der wahlkämpfende und völlig überforderte Politiker in aller Hast nun Maßnahmen zusammen, die das Leben von vielen, die eh schon einen schweren Stand haben, völlig zerstören :mad2:
Zum ersten: Depressionen sind eine Krankheit ... als solche fallen sie unter die ärztliche Schweigepflicht und sie gehen niemanden etwas an, außer den Patienten und den behandelnden Arzt.
Zweitens sind psychische Krankheitsbilder sehr ... nennen wir das mal "schwammig" und können leicht missbraucht werden zu allen möglichen Zwecken.
Der rebellische Arbeitnehmer ... der ist halt Depressiv und hat psychische Probleme und schon halten alle die Klappe.
Der unbequeme Bürger, der gegen eine behördliche Maßnahme protestiert ... der hatte doch schon immer einen an der Waffel ... weg damit.
Grausig, einfach nur noch grausig :dead:
Mir wird ganz anders, wenn ich das so lese. :s . Aber ich stimme dir uneingeschränkt zu.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 11:16
von unity in diversity
Vielleicht geht es um etwas anderes.
Die Mehrheitsverhältnisse in diesem Forum, weichen ein wenig von der Welt da draußen ab:
https://de.reuters.com/article/russland ... EKBN1GW13V
„Dabei gibt sich die deutsche Bevölkerung beim Thema Russland sehr entspannt. 91 Prozent der Befragten sind laut einer Forsa-Umfrage der Meinung, dass von Russland keine Gefahr ausgehe. Vor allem 98 Prozent der 18- bis 29-Jährigen betrachten Russland demnach vollkommen angstfrei.“

Die Deutschen gehören in ihrer deutlichen Mehrheit auf die Couch, oder ins Umerziehungslager?

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 13:33
von Provokateur
sünnerklaas hat geschrieben:(17 Apr 2018, 07:20)

Das sind aber alles Leute, die irgendwann den Weg zum Arzt gefunden und sich in Behandlung begeben haben. Bei dem, was man in Bayern vor hat, besteht die Gefahr, dass Leute mit psychischen Problemen eben NICHT zum Arzt gehen.
Nein, bei den Leuten, die meine Freundin betreut, sind mehrheitlich Leute, die nicht zum Arzt gegangen sind - das machen Schizos selten, weil ihnen die Krankheitseinsicht häufig fehlt. Es wurde vielmehr eine Selbst- oder Fremdgefährdung festgestellt und diese Leute konnten dann dank PsychKG NRW zwangsbehandelt werden. Es befindet sich sogar ein ehemaliger Forensiker darunter, der im Wahn seine Mutter umgebracht hat.

Viele Obdachlose sind schizophren. Das wissen die wenigsten. Mit einem starken PsychKG kann man auch diesen Menschen helfen; man kann sie auch gegen ihren (anfänglichen) Willen dann so therapieren,d ass eine Krankheitseinsicht erst möglich wird.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 16:46
von imp
Provokateur hat geschrieben:(17 Apr 2018, 05:41)
Manchmal sind diese Leute nicht in der Lage, ihre Lage zu durchblicken. Es ist nicht normal, die Wände mit Alufolie zu tapezieren; j
Man sollte da nicht vorschnell schließen. Wenn jemand das machen mag, soll er doch. Gegen Spleen/Kunstsinn in den eigenen Wänden muss die Gesellschaft nicht vorgehen.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 16:48
von Provokateur
[email protected] hat geschrieben:(17 Apr 2018, 16:46)

Man sollte da nicht vorschnell schließen. Wenn jemand das machen mag, soll er doch. Gegen Spleen/Kunstsinn in den eigenen Wänden muss die Gesellschaft nicht vorgehen.
Wenn die Alufolie vor den Gedankenkontrollstrahlen schützen soll, erhöht eine schnelle Medikation die Heilungschance.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 16:49
von imp
Provokateur hat geschrieben:(17 Apr 2018, 16:48)

Wenn die Alufolie vor den Gedankenkontrollstrahlen schützen soll, erhöht eine schnelle Medikation die Heilungschance.
Ich wäre da vorsichtig. Diese Leute sind vielleicht klarer bei Verstand als ihre "Heiler".

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 16:51
von Provokateur
[email protected] hat geschrieben:(17 Apr 2018, 16:49)

Ich wäre da vorsichtig. Diese Leute sind vielleicht klarer bei Verstand als ihre "Heiler".
Wenn du die Geschichten meiner Lebensgefährtin hören würdest - dann wärst du ganz schnell anderer Meinung.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 16:54
von imp
Provokateur hat geschrieben:(17 Apr 2018, 16:51)

Wenn du die Geschichten meiner Lebensgefährtin hören würdest - dann wärst du ganz schnell anderer Meinung.
Das ist möglich. Ich bin sehr skeptisch, was die Pathologisierung von abweichendem Verhalten angeht. Ich will da niemandem etwas andichten oder vorwerfen, weder bei den potentiell zwangsbehandelten Menschen noch bei denen, die das tun. Früher hat man eben etwas gesagt, der oder die ist etwas eigen und damit war gut.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 17:33
von Ein Terraner
Sind Menschen potenzielle Straftäter?

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 17:53
von imp
Ein Terraner hat geschrieben:(17 Apr 2018, 17:33)

Sind Menschen potenzielle Straftäter?
Ich meine, ja. Wo keine Menschen, da keine Straftaten, freilich auch kein Recht. Das ist aber trivial. Spannender ist, ob man einzelne Menschen oder Gruppen von der Möglichkeit, Straftäter zu sein, ausgrenzen kann und ob man andere mit hinreichender Sicherheit als gefährlich einstufen kann. Ich sehe da viel Subjektives am Werk.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 22:23
von Progressiver
Provokateur hat geschrieben:(17 Apr 2018, 13:33)

Nein, bei den Leuten, die meine Freundin betreut, sind mehrheitlich Leute, die nicht zum Arzt gegangen sind - das machen Schizos selten, weil ihnen die Krankheitseinsicht häufig fehlt. Es wurde vielmehr eine Selbst- oder Fremdgefährdung festgestellt und diese Leute konnten dann dank PsychKG NRW zwangsbehandelt werden. Es befindet sich sogar ein ehemaliger Forensiker darunter, der im Wahn seine Mutter umgebracht hat.

Viele Obdachlose sind schizophren. Das wissen die wenigsten. Mit einem starken PsychKG kann man auch diesen Menschen helfen; man kann sie auch gegen ihren (anfänglichen) Willen dann so therapieren,d ass eine Krankheitseinsicht erst möglich wird.
Das stimmt einerseits schon. Ich möchte aber auch zu bedenken geben, dass es auch gegenteilige Geschichten gibt. Ich für meinen Teil bin seinerzeit schon zu Beginn meines damaligen Studiums freiwillig zur psychologischen Studienberatung der Uni Mannheim gegangen. Als diese mich zum Psychiater schickte, bin ich da auch hingegangen, da ich mir eine Besserung meiner psychischen Probleme erhoffte. Dieser knallte mir aber zunächst nur völlig unsensibel die Diagnose "Schizophrenie" an den Kopf, ohne mir das Ganze zu erklären. Stattdessen wollte er mir eine Beruhigungsspritze geben. Da ich dafür nicht empfänglich war, schickte er mich an die örtliche Klinik weiter. Dort fühlte ich mich allerdings wiederum behandelt, als ob ich meine damaligen psychischen Probleme nur simulieren würde, anstatt dass die Leute dort mich ernstgenommen hätten. Ich schwor mir also damals, meine psychischen Probleme fortan für mich zu behalten und künftig bis zum Umfallen zu kämpfen, damit das mit meinem Studienabschluss und dem Rest der Probleme irgendwann besser wird. Zum Glück besaß ich nach fünf Jahren Überlebenskampf gegen die Krankheit dann doch noch die Größe, die Reißleine zu ziehen, bevor ich mir selbst etwas antun konnte. Ich bekam aber einen Nervenzusammenbruch, landete in der Psychiatrie und erlebte dort das Gegenteil davon, was ich in Mannheim erfahren durfte. Wurde ich an der dortigen Uniklinik noch wie ein Simulant behandelt, so war ich fünf Jahre später dermaßen krank, dass die Ärzte weder ein noch aus wussten, weil ich damals eben extrem krank war. Da ich aber ein Kämpfer bin, konnte ich meine Lebensqualität nach der Psychiatrie immer weiter verbessern. :) :thumbup:

Was ich damit sagen will, ist: Es kommt nicht nur auf die eigene Krankheitseinsicht an. Noch viel wichtiger ist es auch, dass jemand möglichst früh Hilfe bekommt, wenn er psychische Probleme bekommt. Mit den Ärzten hatte ich lange Zeit Pech. Ansonsten schien das in einer relativ anonymen Großstadt und an der Uni auch niemanden zu interessieren, wie es mir ging. An meine Familie konnte ich mich aus verschiedenen Gründen lange Zeit nicht wenden. Wer hilft einem da aber? Viel zu viele wählen in solch einer Situation den Selbstmord. Manche werden auch irgendwann derart psychotisch, dass sie fremdgefährdendes Verhalten an den Tag legen. Aber wie kommt es dazu? Viel zu oft wird doch weggesehen, wenn jemand psychische Probleme äußert und der Kranke stigmatisiert, anstatt zu helfen. Dieses Wegsehen ist es dann auch, das angeprangert gehört. Wenn ein psychisch Kranker dann irgendwann durchdreht, kann man natürlich sagen, dass er einen an der Waffel hatte. Aber wo waren die Leute, die ihn von irgendwelchem selbst- oder fremdgefährdenden Verhalten abhalten hätten können?

Das, was die Rechtsknaller derzeit absondern, halte ich für blinden und plumpen Populismus ohne Substanz. Wenn die AfD oder unser Innenminister jetzt anscheinend quasi am liebsten alle psychisch Kranken wegsperren wollen, dann müssten sie zunächst einmal aufhören, wegzuschauen, wenn jemand akut psychische Probleme hat. Denn nur dann kann man verhindern, dass jemand im Wahn irgendwelche Dummheiten begeht und/oder kriminell wird. Was die Betroffenen aber brauchen, ist Hilfe und eine gute Medikation schon in einem frühen Stadium der Erkrankung. Ja, und es braucht auch mehr Psychologen und Psychiater. Wie kann es sein, dass jemand erst dann Hilfe bekommt, wenn er schon mit Selbstmord droht? Warum gibt es nicht schon in einem frühen Stadium der Erkrankung Hilfe, wenn man noch viel retten kann? Und auch, was dem Innenminister wohl sonst so vorschwebt, halte ich für total überzogen. Soll sich jeder, der mal psychische Probleme hat, am besten freiwillig gleich ins Gefängnis begeben, da er ja eine potentielle Gefahr für die Allgemeinheit darstellt? Ist das tatsächlich billiger und "sicherer" als ihm oder ihr einen baldmöglichsten Termin bei einem Psychiater oder Psychologen zu verschaffen?

Wenn also der Innenminister und die Rechtspopulisten fordern, psychisch Kranke wegzusperren, dann ist das finsteres 19. Jahrhundert. Und was ist die Steigerung davon? Im Dritten Reich wurden Behinderte als "unwertes Leben" bezeichnet und noch vor den Juden vergast. Wo soll dieses "Sicherheitsdenken" enden? Ich für meinen Teil bin dafür, die Rechtspopulisten und unseren Innenminister frühzeitig in die Schranken zu weisen, bevor sie wieder maximalen Schaden anrichten.

Und zum Threadtitel: Solange jemand nicht akut psychisch krank ist, wird von ihm in der Regel keine überdurchschnittlich große Gefahr ausgehen, kriminell zu werden. Ganz anders sieht es jedoch bei Verschwörungstheoretikern etc. aus. Siehe Reichsbürger etc. Diese zeigen aber nur, dass man auch ohne psychische Erkrankung ein paranoider Querulant sein kann. Wenn jemand aber medikamentös gut eingestellt ist, wird er nicht gefährlicher sein als so mancher schlechter und unfähiger Politiker.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 22:47
von schokoschendrezki
Watchful_Eye hat geschrieben:(17 Apr 2018, 03:52)

Wie ich schon als Replik auf dein Posting in der Weinstube gesagt habe: Ja, das ist offensichtlich kontraproduktiv. Die von dir angegebene Zahl von 4,6 Millionen sagt eigentlich alles.

Erstens, weil es immer noch eine absolute Ausnahme darstellt, dass Depressive irgendwelche Anschläge machen. Depression führt eigentlich eher zu Lethargie als zu Aggression. Depressive werden dadurch unnötig stigmatisiert.
Es gibt die eine völlig exzeptionelle singuläre Tat: Der Anschlag 2011 von Anders Breivik in Norwegen. Wenn ich nochmal das rückblickend lese, was an psychologischen Gutachten über den Täter verlautbart wurde .., so muss ich sagen: Ich bin verwirrt. Von "paranoider Schizophrenie" (erstes Gutachten) bis "zurechnungsfähiger, geistig gesunder Mensch mit "lediglich" einer narzisstischen und antisozialen Persönlichkeitsstörung ohne Symptome einer psychotischen Störung. Was denn nun? Gibt es tatsächlich kein einigermaßen verlässliches Kriterium, solche wirklich extremen Fälle irgendwie einzugrenzen. Schizophrenie ist nach meinen (weit zurückliegenden) Informationen ein Phänomen, das mit gewisser Wahrscheinlichkeit überall auf der Welt und völlig unabhängig von sozialen und sonstigen Gegebenheiten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftritt. Dagegen gibts so erstmal sicher kein Mittel.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 22:50
von KarlRanseier
Ein Terraner hat geschrieben:(17 Apr 2018, 17:33)

Sind Menschen potenzielle Straftäter?

Selbstverständlich. Wir von der AfD fordern deshalb, alle Männer nach Mannheim zu sperren. Dann nehmen Sexual- und andere Gewaltverbrechen um mindestens 90 % ab.

Wenn wir dann auch noch alle Frauen nach Waiblingen sperren, können auch gewaltlose Delikte, wie z.B. Diebstahl, Betrug und besonders das Falschparken, ausgeschlossen werden.

Außerdem steigt die Sicherheit für die Menschen, denn wenn sie alle auf engstem Raum vegetieren, ist im Bedarfsfall immer fast sofort ein Arzt zur Stelle!

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 22:50
von imp
schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Apr 2018, 22:47)

Es gibt die eine völlig exzeptionelle singuläre Tat: Der Anschlag 2011 von Anders Breivik in Norwegen. Wenn ich nochmal das rückblickend lese, was an psychologischen Gutachten über den Täter verlautbart wurde .., so muss ich sagen: Ich bin verwirrt. Von "paranoider Schizophrenie" (erstes Gutachten) bis "zurechnungsfähiger, geistig gesunder Mensch mit "lediglich" einer narzisstischen und antisozialen Persönlichkeitsstörung ohne Symptome einer psychotischen Störung. Was denn nun? Gibt es tatsächlich kein einigermaßen verlässliches Kriterium, solche wirklich extremen Fälle irgendwie einzugrenzen. Schizophrenie ist nach meinen (weit zurückliegenden) Informationen ein Phänomen, das mit gewisser Wahrscheinlichkeit überall auf der Welt und völlig unabhängig von sozialen und sonstigen Gegebenheiten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftritt. Dagegen gibts so erstmal sicher kein Mittel.
Das ist keine exakte Wissenschaft. Man weiß heute einiges darüber, wie verschiedene Gifte und Stoffe den Gehirnapparat vorübergehend oder permanent beschädigen und hindern, bestimmte unerwünschte Leistungen zu vollbringen. Vom Geist des Menschen versteht man aber nichts.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 17. April 2018, 23:31
von Provokateur
Progressiver hat geschrieben:(17 Apr 2018, 22:23)
Was ich damit sagen will, ist: Es kommt nicht nur auf die eigene Krankheitseinsicht an. Noch viel wichtiger ist es auch, dass jemand möglichst früh Hilfe bekommt, wenn er psychische Probleme bekommt.
Erst einmal: Ich empfinde totalen Respekt dafür, dass du hier mit uns deine Krankheitsgeschichte teilst. Danke!

Aber nun zu dem Zitat, dass ich aus deinem langen Fließtext ausgewählt habe: Mein Gefühl ist, dass das neue bayrische PsychKG genau das leisten will; frühe Hilfe.
Viele der derzeitigen Gesetze greifen erst, wenn jemand wirklich selbst- oder fremdgefährdend agiert. Vorher kann man nicht gegen den Willen der Betroffenen eingreifen, selbst wenn man sieht, dass sich da was anbahnt.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Mittwoch 18. April 2018, 11:04
von sünnerklaas
Provokateur hat geschrieben:(17 Apr 2018, 23:31)

Erst einmal: Ich empfinde totalen Respekt dafür, dass du hier mit uns deine Krankheitsgeschichte teilst. Danke!

Aber nun zu dem Zitat, dass ich aus deinem langen Fließtext ausgewählt habe: Mein Gefühl ist, dass das neue bayrische PsychKG genau das leisten will; frühe Hilfe.
Viele der derzeitigen Gesetze greifen erst, wenn jemand wirklich selbst- oder fremdgefährdend agiert. Vorher kann man nicht gegen den Willen der Betroffenen eingreifen, selbst wenn man sieht, dass sich da was anbahnt.
Dass das so ist, liegt daran, dass in früheren Zeiten nicht wenige Vormundschaften und Zwangseinweisungen benutzt haben, um sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Betreuer, Angehörige, Kommunen... Diesem Missbrauch ist irgendwann durch den Gesetzgeber ein Riegel vorgeschoben worden.
Und mit dem Gesetzentwurf erreicht man genau das Gegenteil von dem, was man vielleicht will: viele Kranke werden sich nicht in Behandlung begeben, weil sie - zurecht - massive Nachteile befürchten müssen.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Mittwoch 18. April 2018, 20:41
von JosefG
Progressiver hat geschrieben:(17 Apr 2018, 22:23)

Wenn die AfD oder unser Innenminister jetzt anscheinend quasi am liebsten alle psychisch Kranken wegsperren wollen,
Fordert die AfD so etwas? Gibt es dazu eine Quelle?

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Donnerstag 19. April 2018, 06:56
von sünnerklaas
JosefG hat geschrieben:(18 Apr 2018, 20:41)

Fordert die AfD so etwas? Gibt es dazu eine Quelle?

In verklausulierter Form schon. Ein Blick in das AfD-Parteiprogramm - S. 26:
Nicht therapierbare alkohol- und drogenabhängige sowie psychisch kranke Täter, von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, sind nicht in psychiatrischen Krankenhäusern, sondern in der Sicherungsverwahrung unterzubringen.
Quelle:

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alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/05/2016-06-27_afd-grundsatzprogramm_web-version.pdf

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Donnerstag 19. April 2018, 08:17
von Marmelada
Das Gesetz besteht aus zwei Teilen, die große Kritik bezieht sich auf den zweiten.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/psych ... -1.3947618
Richter könnte sich in Rage reden, tut sie aber nicht. Kühl analysiert sie, was sie aus diesem Gesetzentwurf entfernt wissen will. Etwa, dass die Kliniken die Polizei zu benachrichtigen hätten, wenn sie nach Bewältigung der Krise einen Patienten aus der öffentlich-rechtlichen Unterbringung entlassen wollen.

Betroffenen-Verbände sprechen vom "gläsernen Patienten"

Oft geschieht das bereits nach einigen Tagen. Nach Auffassung des Bayerischen Bezirketags sollte das nur "in sehr seltenen Einzelfällen" erfolgen, dann, wenn es tatsächlich "der Gefahrenabwehr" diene. Richter, selbst Psychiatrie-Erfahrene, sagt: "Der Gesetzentwurf unterstellt jedem psychisch Kranken, der mal einen Unterbringungsbeschluss hatte, dass er letzten Endes gewaltbereit ist." Und das werde in der Gesellschaft auch so abgespeichert. "Das ist eine öffentliche Stigmatisierung, was die da mit uns machen", sagt sie.

Noch heftiger in der Kritik ist indes die geplante Unterbringungsdatei, in der auch sensible Daten gespeichert werden sollen und die für gewisse Behörden wie etwa die Polizei, Kreisverwaltungsreferate oder auch Landratsämter zugänglich sein soll. Auch die Bezirke zweifeln die Notwendigkeit einer solchen Datei an. Die Betroffenen-Verbände sprechen gar vom "gläsernen Patienten - und das sei die einzige Transparenz, die dieses Gesetz schaffe.

Einige leitende Psychiater, etwa Thomas Kallert aus Bayreuth, gehen so weit zu sagen: "Krankenhäuser sind kein Knast." Es stelle sich die Frage, ob Patienten für ihre Genesung tatsächlich Regelungen aus dem Strafvollzug bräuchten? Etwa, was die Überwachung von Besuchern betreffe - bis hin zur Aufzeichnung eines Besuchs.
Richtig, Krankenhäuser sind kein Knast und Psychiatrien sind Krankenhäuser. Es hat die Polizei nichts anzugehen, wer warum und wann im Krankenhaus war, was laut diesem Gesetz standardmäßig gemeldet werden müsste. Es hat auch keine "Unterbringungsdatei" mit sensiblen Daten zu geben, auf die Hinz und Kunz zugreifen kann. Wie es mit der bayrischen Verfassung steht, weiß ich nicht, aber das kann nie und nimmer bundesfervassungkonform sein.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Donnerstag 19. April 2018, 08:45
von JosefG
sünnerklaas hat geschrieben:(19 Apr 2018, 06:56)

In verklausulierter Form schon. Ein Blick in das AfD-Parteiprogramm - S. 26:
Da steht:
Nicht therapierbare alkohol- und drogenabhängige sowie psychisch kranke Täter, von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, sind nicht in psychiatrischen Krankenhäusern, sondern in der Sicherungsverwahrung unterzubringen.
Aber nicht:
Nicht therapierbare Alkohol- und Drogenabhängige sowie psychisch Kranke, von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, sind nicht in psychiatrischen Krankenhäusern, sondern in der Sicherungsverwahrung unterzubringen.
Das ist ein großer Unterschied.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 07:56
von Cat with a whip
Was ist denn überhaupt ein "potentieller Straftäter"? Warum thematisiert das der Strangersteller nicht

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 07:57
von Cat with a whip
Ein Terraner hat geschrieben:(17 Apr 2018, 17:33)

Sind Menschen potenzielle Straftäter?
Tja, da ist ja tatsächlich noch ein selbstständig denkender Mensch im Forum.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 08:30
von Dieter Winter
schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Apr 2018, 22:47)

Es gibt die eine völlig exzeptionelle singuläre Tat: Der Anschlag 2011 von Anders Breivik in Norwegen. Wenn ich nochmal das rückblickend lese, was an psychologischen Gutachten über den Täter verlautbart wurde .., so muss ich sagen: Ich bin verwirrt. Von "paranoider Schizophrenie" (erstes Gutachten) bis "zurechnungsfähiger, geistig gesunder Mensch mit "lediglich" einer narzisstischen und antisozialen Persönlichkeitsstörung ohne Symptome einer psychotischen Störung. Was denn nun?
Na - was wohl?

Psychologische Gutachten sind doch recht beliebig, was die Frage nach der Glaubwürdigkeit/Brauchbarkeit dieses Wissenschaftszweiges fast zwingend nach sich zieht.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 09:20
von Alexyessin
Dieter Winter hat geschrieben:(20 Apr 2018, 08:30)

Na - was wohl?

Psychologische Gutachten sind doch recht beliebig, was die Frage nach der Glaubwürdigkeit/Brauchbarkeit dieses Wissenschaftszweiges fast zwingend nach sich zieht.
Bei Breivik ist doch das Problem der Instrumentalisierung gegeben.
Was verstehst du unter Glaubwürdigkeit des Wissenschaftszweiges?

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 09:26
von Dieter Winter
Alexyessin hat geschrieben:(20 Apr 2018, 09:20)

Bei Breivik ist doch das Problem der Instrumentalisierung gegeben.
Was verstehst du unter Glaubwürdigkeit des Wissenschaftszweiges?
Dass mehrere Gutachten beim gleichen Sachverhalt zu annähernd gleichen Ergebnissen kommen.

Und dass sie dann auch belastbar sind.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 12:22
von Dieter Winter
Zinnamon hat geschrieben:(20 Apr 2018, 12:05)

Er spricht nicht davon, dass es burnout nicht gäbe,
An anderer Stelle formuliert er das schon:

https://www.n-tv.de/wissen/Burnout-gibt ... 29126.html

Er bezeichnet ihn da als Mischmasch.

Aber ist ja egal. Worauf ich hinauswill, ist, dass in der Psychologie die Kriterien oft beliebig erscheinen.

Haarig kann die Sache in solchen Fällen werden:

http://www.freilaw.de/probleme-und-wiss ... chkeit/682

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 12:35
von Dieter Winter
Alexyessin hat geschrieben:(20 Apr 2018, 12:18)

Eben weil es kein Schema F gibt. Der eine bekommt eine Depression wegen Liebeskummer, der andere nicht. Und das gilt für alles.
Aus gesicherter Erfahrung weiß ich, das selbst die genaue Benennung einer Krankheit im Blatt stehen muss damit die Kasse abrechnen kann - aber jeder, das heißt wirklich jeder - eine andere Art der Behandlung zu seiner spezifischen Erkrankung benötigt.
Schön und gut.

Nur ist es halt so, dass zwei Psychologen drei Diagnosen erstellen um es mal überspitzt auszudrücken.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 12:36
von Zinnamon
Dieter Winter hat geschrieben:(20 Apr 2018, 12:22)

An anderer Stelle formuliert er das schon:

https://www.n-tv.de/wissen/Burnout-gibt ... 29126.html

Er bezeichnet ihn da als Mischmasch.

Aber ist ja egal. Worauf ich hinauswill, ist, dass in der Psychologie die Kriterien oft beliebig erscheinen.

Haarig kann die Sache in solchen Fällen werden:

http://www.freilaw.de/probleme-und-wiss ... chkeit/682
Beliebig ist mE zu viel gesagt. Natürlich gibt es Kriterien, auch bei unterschiedlichen Herangehensweisen. Im Grundsatz stimmt es aber schon, dass die Meinung eines psychologischen Gutachters aus nachvollziehbaren Gründen niemals so sicher sein kann wie beispielsweise die Diagnose und Prognose eines Orthopäden. Man kann den Menschen, was seine Psyche betrifft, immer nur vor den Kopf schauen, und mich wundert nicht, dass Gutachter da nicht selten zu unterschiedlichen Auffassungen kommen.
Aber das Problem ist in dem Artikel ja schon gut skizziert ...es gibt x Situationen, die in Bezug auf weitere Massnahmen eine Prognose erfordern. Und die wird der Fachmann eher stellen können als der Fensterputzer. Im Regelfall und mit einer unerwünscht hohen Fehlerquote.. .

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 12:52
von Alexyessin
Dieter Winter hat geschrieben:(20 Apr 2018, 12:35)

Schön und gut.

Nur ist es halt so, dass zwei Psychologen drei Diagnosen erstellen um es mal überspitzt auszudrücken.
Es ist halt ein immens schwieriges Feld. Zinnamon hat´s ja schon geschrieben. Einen Knochen erkennst du, wenn er kaputt ist. Aber die kaputte Seele..............ganz schwieriges Themenfeld.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 21:32
von Dieter Winter
Alexyessin hat geschrieben:(20 Apr 2018, 12:52)

Es ist halt ein immens schwieriges Feld. Zinnamon hat´s ja schon geschrieben. Einen Knochen erkennst du, wenn er kaputt ist. Aber die kaputte Seele..............ganz schwieriges Themenfeld.
Zumal es oft nicht so ganz klar ist, wer nun eigentlich einen an der Klatsche hat: Der Patient oder der Therapeut.

Wie schon erwähnt: Gerade weil es so schwierig ist und völlig unterschiedliche Ergebnisse ermittelt werden, sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse doch sehr fragwürdig.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 21:54
von Progressiver
JosefG hat geschrieben:(19 Apr 2018, 08:45)

Da steht:

Aber nicht:

Das ist ein großer Unterschied.
Der Begriff "Psychiatrie" ist ein Müllabladeplatz der Gesellschaft. Wer beispielsweise im Zustand der Psychose kriminell wird, der landet wegen Unzurechnungsfähigkeit auch heute schon in der Forensik. Die forensische Psychiatrie ist dabei eine absolut geschlossene Einrichtung, in der versucht wird, diese Täter zu therapieren. Im Gegensatz zu normalen Gefängnisstrafen kann der Deliquent dabei auf völlig unbestimmte Zeit festgehalten werden. Die AfD fordert also nichts, was es nicht schon gibt, sondern fährt wiederrum blind die Populismusschiene.

Daneben gibt es aber auch noch die normalen Psychiatriestationen. Die meisten sind offen, da die Leute keine Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Natürlich muss es aber weiterhin auch die Akutstationen geben, die geschlossen sind. Dort kommen die Leute hin, die eben akut krank sind und bisher ohne medikamentöse Behandlung waren. Wer Selbstmordgedanken äußert oder zeitweilig geistig zu verwirrt ist, der erhält dort einen besseren Schutzraum.

Ich weiß aber auch von Fällen, die beispielsweise in der Psychose eine Tankstelle überfallen haben. Solche Leute müssen irgendwie dann ihre normale Gefängnisstrafe absitzen, werden dort aber ebenfalls medikamentös behandelt.

So wie ich die Sache verstehe, wollen die Rechtspopulisten aus der AfD und der CSU da aber gar nicht unterscheiden. Und wo bitte steht, dass die Täter in der Sicherheitsverwahrung eine Therapie bekommen sollen? Im Übrigen kann man sowieso nur schlecht voraussehen, welcher Mensch -ob nun psychisch krank oder nicht- irgendwann kriminell wird. Jedenfalls: Wegsperren nur auf den Verdacht hin, dass jemand eventuell irgendwann kriminell werden könnte, passt mit unserem Rechtssystem nicht zusammen. Ansonsten kann ja jeder kommen und beispielsweise fordern, alle Männer in Deutschland wegzusperren, da sie ja potentielle Vergewaltiger sind. Ich bin kein Jurist. Aber im Zweifelsfalle sollte immer noch die Unschuldsvermutung gelten.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 22:47
von Alexyessin
Dieter Winter hat geschrieben:(20 Apr 2018, 21:32)

Zumal es oft nicht so ganz klar ist, wer nun eigentlich einen an der Klatsche hat: Der Patient oder der Therapeut.
Bist du schon jemals in dieser Lage gewesen auf eine psychologische Betreuung angewiesen zu sein?
Dieter Winter hat geschrieben:(20 Apr 2018, 21:32)
Wie schon erwähnt: Gerade weil es so schwierig ist und völlig unterschiedliche Ergebnisse ermittelt werden, sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse doch sehr fragwürdig.
Dann bitte komm und belege mal anständig deine Gedanken, nachdem du sie ein wenig weiter ausgefasst hast. DAnke.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Freitag 20. April 2018, 22:54
von Dieter Winter
Alexyessin hat geschrieben:(20 Apr 2018, 22:47)

Bist du schon jemals in dieser Lage gewesen auf eine psychologische Betreuung angewiesen zu sein?
Nicht wirklich.

Alexyessin hat geschrieben:(20 Apr 2018, 22:47)

Dann bitte komm und belege mal anständig deine Gedanken, nachdem du sie ein wenig weiter ausgefasst hast. DAnke.
Gedanken belegen???

Was bitte ist konkret darunter zu verstehen?

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 24. April 2018, 08:41
von Cat with a whip
Der perfide Kriminalisierungs-Populismus der CSU macht Bayern für die Bayern selbst gefährlicher.
Der Entwurf der bayrischen Landesregierung macht aus einem potentiellen Ort der Hilfe einen Ort, an den ich niemals gehen würde, um Hilfe zu suchen, sollte es mir eines Tages wieder so gehen.
http://www.taz.de/Geplantes-Psychiatrie ... /!5500851/

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 24. April 2018, 09:11
von sünnerklaas
Cat with a whip hat geschrieben:(24 Apr 2018, 08:41)

Der perfide Kriminalisierungs-Populismus der CSU macht Bayern für die Bayern selbst gefährlicher.


http://www.taz.de/Geplantes-Psychiatrie ... /!5500851/
Hier zeigt sich eher die absolute Hilflosigkeit der Politik. Hier ein Artikel aus der NZZ:

Stress bei der Arbeit: Zahl der psychischen Erkrankungen ist um ein Drittel gestiegen

Eigentlich ist das Wirtschaftssystem das Problem. Daran wagt man aber - aus Angst vor richtigem Ärger - nichts zu ändern. Auf Grund der Null- und Minuszinsen haben sich institutionelle Anleger in den Aktienmarkt geflüchtet. Wenn von den börsennotierten Unternehmen aber niemand mehr liefern kann, ist Holland in Not. Die Zinsen kann man auch nicht anheben, dann fliegt einem der Immobilienmarkt um die Ohren. Gesundes Wachstum gibt es in vielen Unternehmen auch nicht mehr, weil viele Märkte gesättigt sind oder sogar schrumpfen. Das, was man "Wachstum" nennt, beruht entweder auf dem Prinzip "Linke-Tasche-Rechte-Tasche", auf Beschiss oder aber darauf, dass man mit irgendwelchen abartigen Dingen Geld verdient. In der FAZ fand sich gestern ein sehr interessanter Artikel zum Thema Echo-Verleihung. Darin wird ein bemerkenswerter Aspekt angesprochen - der allerdings wieder einmal in der allgemeinen Hysterie unterging und untergeht:
Woran liegt es, dass ein Tochterunternehmen der Bertelsmann AG über Jahre Millionen mit antisemitisch geprägter Musik verdient hat, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken?
Quelle
Die Antwort ist ganz einfach: weil der Vorstand etwas seinen Aktionären versprochen hat: einen stetig steigenden Aktienwert und eine ordentliche Dividende. Vorstände sind keine Unternehmer, es sind Getriebene. Sie müssen liefern, egal wie und womit. Dafür bekommen sie ein mehr als fürstliches Salär. Und genau da steckt das Problem. Der Gesellschafter hat den Verprechen vertraut, er erwartet nun etwas. Und wenn da dann nicht geliefert wird, gibt es richtigen Ärger. Und überhaupt: macht man das dreckige Geschäft nicht, dann macht es eben ein anderer, einer mit weniger Skrupeln. Und dann verdient der das Geld - um dann an der Börse auf Einkaufstour zu gehen.

Und die Politik? Die kann daran praktisch nichts ändern - jedenfalls nicht, ohne große Verwerfungen und extreme Verteilungskämpfe zu provozieren. Und ein milliardenschwerer Anleger kann leicht mal aus Verärgerung via Strohleute politische Extremisten hochzüchten.

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 24. April 2018, 09:46
von BingoBurner
Provokateur hat geschrieben:(17 Apr 2018, 23:31)

Erst einmal: Ich empfinde totalen Respekt dafür, dass du hier mit uns deine Krankheitsgeschichte teilst. Danke!

Aber nun zu dem Zitat, dass ich aus deinem langen Fließtext ausgewählt habe: Mein Gefühl ist, dass das neue bayrische PsychKG genau das leisten will; frühe Hilfe.
Viele der derzeitigen Gesetze greifen erst, wenn jemand wirklich selbst- oder fremdgefährdend agiert. Vorher kann man nicht gegen den Willen der Betroffenen eingreifen, selbst wenn man sieht, dass sich da was anbahnt.

mmmmmmmhhhhhhhhhhhhhhhhh...........weiß nicht.

Deine Argumente sind schlüssig aber das geht mir zu weit.
Ich kenne Menschen die an Schizophrenie leiden.........ja das tun Sie.....deshalb auch Krankheit. Und die sind nie straffällig geworden, haben ihr Leben trotzdem gemeistert.

Für meinen Geschmack werden hier zuviele klinische Begriffe durcheinander geworfen........Depression......z.b.
Ich denke die Meisten wissen nicht einmal das eine Depression nix mit Trauigkeit zu tun hat........

Just my two cents.....

Re: Sind depressive Menschen potenzielle Straftäter?

Verfasst: Dienstag 24. April 2018, 15:43
von becksham
Marmelada hat geschrieben:(19 Apr 2018, 08:17)

Das Gesetz besteht aus zwei Teilen, die große Kritik bezieht sich auf den zweiten.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/psych ... -1.3947618
Richtig, Krankenhäuser sind kein Knast und Psychiatrien sind Krankenhäuser. Es hat die Polizei nichts anzugehen, wer warum und wann im Krankenhaus war, was laut diesem Gesetz standardmäßig gemeldet werden müsste. Es hat auch keine "Unterbringungsdatei" mit sensiblen Daten zu geben, auf die Hinz und Kunz zugreifen kann. Wie es mit der bayrischen Verfassung steht, weiß ich nicht, aber das kann nie und nimmer bundesfervassungkonform sein.
Die Unterbringungsdatei scheint schon mal vom Tisch zu sein.
http://www.sueddeutsche.de/bayern/bayer ... -1.3956804