Ich habe mal die aktuellen Parteiprogramme der sechs künftigen BT-Parteien daraufhin quergelesen, wobei mir sicher einiges entgangen ist, da sich dieses Thema naturgemäß auf viele andere Themenbereich wie zB Verkehr, Gesundheit, Energie etc. auswirkt und man dann die entsprechenden Abschnitte lesen muss. Hier finden sich alle Programme in herunterladbarer Form: https://bundestagswahl-2017.com/wahlprogramm/
Von Umfang und Tiefe her geht das Programm der FDP eindeutig am weitesten. Breiten Raum nimmt die digitale Bildung ein, Ausbau Breitband, Datenschutz, Cybersicherheit, Ausbau Wettbewerb und Abbau Handelsschranken, Digitalisierungsoffensive Verkehr (ua. für Autonomes Fahren), e-health, digitale Verwaltung, Revision des Urheberrechts sowie die Einführung eines Digitalministeriums.
Danach kommt für mich die Union, die fast alle dieser Punkte auch nennt, jedoch zumeist weniger konkret und weniger detailliert.
Im Programm der SPD muss man nach dem Thema ziemlich suchen, denn es findet sich nicht in den Hauptunterschriften, sondern versteckt in den einzelnen Themenkapiteln (u.a. zur digitalen Bildung), aber weniger ausführlich als bei FDP oder Union.
Die Grünen fokussieren sich bzgl. der Digitalisierung auf ihre angestammten Themen wie Mobilität und Bürgerrechte / Demokratisierung, aber auch "die Freiheit des Internets".
Bei Linken und AfD findet sich sehr wenig zu dem Thema.
Interessant finde ich insbesondere das Thema Urheberrecht. Dieses zu reformieren und den Gegebenheiten des Internets anzupassen, war ja ein zentrales Anliegen der Piraten. FDP und Grüne äußern sich dazu wie folgt:
FDP:
Fazit: Urhheberrechte wahren, aber deren Umsetzung bzw. Beachtung für Urheber wie Nutzer durch technische Lösungen vereinfachen.Modernes Urheberrecht
Wir Freie Demokraten wollen ein modernes Urheberrecht, das auch die
berechtigten Interessen von Nutzern und Investoren berücksichtigt. Ein
wirksamer Schutz durch das Urheberrecht ist notwendige Voraussetzung
für kreative Tätigkeit und für Investitionen in deren wirtschaftliche Ver47
wertung. Das Urheberrecht vermittelt einen eigentumsähnlichen Schutz.
Es entwickelt sich im Zuge der Digitalisierung zu einem Schlüsselrecht für
die Schaffung kreativer Inhalte und muss gerade auch in der digitalen Welt
gewährleisten, dass die Erträge aus der Verwertung kreativer Leistungen
den Urhebern und den weiteren Berechtigten zufließen.
Komplexe Werke, deren Schaffung oft eine Vielzahl von Mitwirkenden
und hohe Investitionen erfordern, wären auch in der digitalen Welt ohne
den Schutz durch das Urheberrecht nicht möglich. Wir wollen deshalb ein
Urheberrecht, das einen einfachen Rechteerwerb und die unbürokratische
und transparente Beteiligung der Urheber an der Verwertung ihrer Werke
ermöglicht. Dies eröffnet auch Start-ups die Möglichkeit, einfach und
rechtssicher die erforderlichen Lizenzen zu erwerben, um mit ihren Investitionen
und mit der Verbreitung geistiger Leistungen Geld verdienen zu
können.
Wir Freie Demokraten setzen dabei vor allem auf technische Lösungen,
die es besser als heute ermöglichen, die Entscheidung der Urheber über
das „Ob“ und „Wie“ einer erlaubten Nutzung zu automatisieren und die
Urheber an der Verwertung ihrer kreativen Schöpfungen zu beteiligen. Wir
erkennen die Rolle von Verwertungsgesellschaften für eine vereinfachte
Rechtewahrnehmung an, setzen hier aber auf eine Stärkung des Wettbewerbs,
auch in Form von gemeinsamen Vergütungsregeln der Rechteinhaber.
Grüne:
Das geht schon etwas mehr in Richtung der Piraten ("Interessen fair ausgleichen", "der Nutzungs- und Verwertungsrealität im Digitalen Rechnung tragen"), die ja eher die Vision der Gemeinfreiheit des gesamten Internets vor Augen hatten.Wir wollen ein Urheber*innenrecht, das der Nutzungs- und Verwertungsrealität im Digitalen Rechnung trägt. Es muss bürgerrechtskonform sein und die Interessen von Verbraucher*innen, Verwerter*innen und Urheber*innen fair ausgleichen. Wir müssen mit Reformen des Urheber*innenvertragsrechts die angemessene Vergütung von Kreativen stärken. Sie müssen ihre Ansprüche national und international besser durchsetzen können. Nutzer*innen digitaler Inhalte sollen bei Ausleihe und Weiterveräußerung nicht schlechtergestellt werden als bei analogen Gütern. Wissenschaftliche Erkenntnisse bedeuten gesellschaftliche Teilhabe. Deswegen unterstützen wir Open Access ebenso wie freie und nicht-kommerzialisierte Zugänge zu Lehr- und Lernmaterialien und setzen uns für eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke ein. Gleichzeitig müssen Urheber*innen angemessen und fair vergütet werden. Inhalte sollen auf unterschiedlichen Endgeräten nutzbar und mitnehmbar sein. Bei der Digitalisierung des kulturellen Erbes wollen wir die Gemeinfreiheit erhalten.
In Summe komme ich zu dem Schluß, dass das Erbe der Piraten derzeit hauptsächlich durch die FDP angetreten wird, was Bedeutung des Themas, Notwendigkeit von Innovationen und Invesitionen sowie konkrete Ideen dazu angeht. Speziell die eher anarchische Komponente der Piraten (im Sinne Gemeinfreiheit des Internets, Abbau von Hierarchien, Bürgerrechte etc.) wird am ehesten durch die Grünen aufgenommen. Vermisst in deren Programm habe ich allerdings Piraten-Themen wie Schwarmintelligenz und Liquid Democracy (oder ich habe es nicht gefunden). Die Konzepte der Piraten dazu hatten mich nicht überzeugt (und teilweise haben diese wohl sogar zu ihrem Scheitern beigetragen), aber die Ideen sollten nicht untergehen.