Seidenraupe hat geschrieben: ↑Fr 12. Aug 2022, 18:31
Nochmal @Atue001
Schlechte Nachrichten fuer dich: Gut die Hälfte (51%) aller jungen Menschen zwischen 15 und 24 lebt heute in Deutschland u.a. mangels eigener Erwerbstätigkeit auf Kosten anderer. Ein ALLEINSTELLUNGSMERKMAL fuer FDP waehler ust es also schon mal nicht, sich pampern zu lassen. Nur 38% der altersklasse leben vom eigenen Erwerbseinkommen.
1991 war das noch ganz anders, da lebten 52%von eigenem Erwerbseinkommen.
https://www.spiegel.de/start/wegen-schu ... 397670bde1
Da unterliegst du einem Fehler in der Argumentation - die ich (meinerseits) natürlich dennoch auch leicht überzogen provokant formuliert habe.
Aus dem Umstand, dass heute mehr junge Menschen wie du es (indirekt) formulierst auf Kosten anderer leben, ergibt sich eben kein Automatismus, dass diese alle die FDP wählen. viele von denen begreifen sehr wohl, dass sie von Mama und Papa gesponsort werden - und gerade weil sie das nicht unbedingt richtig finden, sondern viel lieber auf eigenen Füssen stehen würden, sehen sie eine Notwendigkeit der Umverteilung im Sinne eines Sozialstaates als Notwendig an.
Eine der Fragestellungen in diesem Kontext ist beispielsweise, ob es wirklich richtig und vernünftig ist, dass der Adressat des Kindergeldes typischerweise die Eltern sind.....auch wenn die Eltern verpflichtet sind, das Kindergeld und überhaupt ihre verfügbaren finanziellen Mittel zum Wohle des Kindes einzusetzen.....
Wäre es also nicht konsequent, das Kindergeld auch von der Haltung her zukünftig so zu definieren, dass dieses dem Kind zusteht?
SO betrachtet es die Politik in der Allgemeinheit derzeit NOCH nicht, weil man auch beim Kindergeld zuerst über die funktionierende Familie nachdenkt.....und erst später, wenn es um Detailprobleme geht, dann auch so denkt, dass nicht jede Familie gut funktioniert.....
WENN die FDP sich für mehr als 10% der Wähler öffnen will, dann liegt es an der FDP, sich programmatisch und in der praktischen Politik so weiter zu entwickeln, dass man auch für mehr als 10% der Wähler wählbar wird.
Die aktuelle FDP-Spitze hat aber das Profil der FDP eher verengt denn geweitet.
Zu einem modernen Freiheitsbegriff gehört auch dazu, dass man über die Freiheit derer nachdenkt, die nicht aus eigenem familiären Umfeld etc. die Möglichkeiten zur vollumfänglichen gesellschaftlichen Teilhabe haben. Dafür braucht es auch eines modernen sozialpolitischen Ansatzes. Der ist derzeit bei der FDP aber nicht mehr zu erkennen.
Sozial setzt nach derzeitiger Programmatik der FDP da an, wo es um soziale Gerechtigkeit bei der Steuerhöhe geht - aber es vernachlässigt das Faktum, dass Teile der Gesellschaft im derzeitigen Rahmen gar nicht in der Lage sind, Steuern zu zahlen.....
132 mal taucht der Begriff "sozial" im FDP-Programm auf - aber es wird eigentlich niemals im Programm konkret, was man denn unter sozial versteht.....
Es ist leicht zu verstehen, dass es eine FDP-Sozialpolitik für all die gibt, die sich selbst ein eigenes Einkommen verschaffen können....aber was genau ist mit denen, die das genau nicht können? Da bleibt der FDP-programmatische Ansatz dünn.
Da wird dann eher pauschal davon gesprochen, dass entsprechende Menschen Aufstiegschancen haben sollen....
Was die FDP aber programmatisch und auch politisch versäumt ist, dass sie auch konkrete Angebote macht für Menschen, die warum auch immer akut in einer Lebenssituation sind, dass sie sich nicht selbstbestimmt, eigenverantwortlich und unternehmerisch um sich selbst in der Gesellschaft und der sozialen Marktwirtschaft kümmern können.
Das Problem der FDP ist nun, dass nur eine sehr begrenzte Menge an Menschen dauerhaft über die Lebenszeit hinweg solche Erfahrungen nicht macht - also Erfahrungen, dass man unverschuldet temporär von anderen abhängig ist....
Damit bleiben die 10% als Wählerpotential der FDP stehen.....aber die FDP begrenzt sich damit auch auf eine Klientel, die eben nicht weiter denkt.
Ich meine, dass die FDP schon mal weiter war! Zu Zeiten von Genscher, Baum &Co hat die FDP für sich auch einen Anspruch definiert, dass sie Freiheit für alle ermöglichen WILL. Das ist natürlich eine eher sozialliberale Denkweise, also eine Denkart, die auch berücksichtigt, dass nicht jeder Mensch heute die gleichen Chancen hat - weshalb die Politik sich um Chancengleichheit kümmern sollte.
Heute überlässt die FDP solche Gedanken den anderen größeren Parteien - verliert dabei aber eben auch ein Teil des Potentials ihrer Wähler.
Würde die FDP konsequent fordern, dass es auch eine soziale Komponente gibt, die Menschen überhaupt erst die Teilhabe an der gesellschaft ermöglicht....die FDP könnte auf mehr Zuspruch und Wähler hoffen. Mit Lindner wird das aber nicht gehen.
Wenig erstaunlich gewinnt ausgerechnet der Erzfeind der FDP - also die Grünen - in der Konsequenz an Wähler hinzu. Die Grünen setzen sich im direkten Vergleich an vielerlei Stellen ganz praktisch für einen ähnlichen Freiheitsbegriff ein - betonen aber, dass zur Freiheit aller auch gehört, dass sich ausreichend viele den allgemeinen Spielregeln unterordnen. In der Folge ist dann programmatisch bei den Grünen die Sozialpolitik deutlich stärker ausgeprägt als bei der FDP.
90% der Wähler wählen nicht FDP - wenn die FDP will, dass sich das ändert, wird sie ihre Politik anpassen müssen.