dänemark, was nun...

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frems
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von frems »

schelm » Fr 25. Dez 2015, 22:19 hat geschrieben: Wenn hier wer überfordert ist, dann sind es die Prediger der grenzenlosen Absorption der Weltprobleme auf dem eignen Staatsgebiet, die das als " Globalisierung " verkaufen wollen aber keinerlei Ahnung haben, wie sie diese Probleme sozial und kulturell verträglich integrieren und lösen wollen.
Um Flüchtlinge ging es gar nicht, schelm.
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schokoschendrezki
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von schokoschendrezki »

schelm » Fr 25. Dez 2015, 23:19 hat geschrieben: Wenn hier wer überfordert ist, dann sind es die Prediger der grenzenlosen Absorption der Weltprobleme auf dem eignen Staatsgebiet, die das als " Globalisierung " verkaufen wollen aber keinerlei Ahnung haben, wie sie diese Probleme sozial und kulturell verträglich integrieren und lösen wollen.
Die jedenfalls, die inakzeptable Reaktionen auf das objektiv laufende und weder weg- noch hin-zupredigende Phänomen Globalisierung kritisieren, fordern lediglich, akzeptable Reaktionen darauf zu finden.
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schelm
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von schelm »

@ frems :

Ach, echt ? Was meinst du eigentlich mit " Identitätssuche in einer vernetzten, dynamischen Situation ". Das jemand seine Identität befürchtet zu verlieren, weil er sich im Web verirrt ? :?:
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von frems »

schelm » Fr 25. Dez 2015, 22:33 hat geschrieben:@ frems :

Ach, echt ? Was meinst du eigentlich mit " Identitätssuche in einer vernetzten, dynamischen Situation ". Das jemand seine Identität befürchtet zu verlieren, weil er sich im Web verirrt ? :?:
Bezog sich auf die wirtschaftliche Entwicklung. Marktöffnungen/Liberalisierungen, Outsourcing, Wegfall alter Industrien, neue Beschäftigungsfelder, erhöhte Mobilität von Gütern und Personen, Anpassung des Sozialstaates (für Dänemark: https://de.wikipedia.org/wiki/Flexicurity), vernetzte Volkswirtschaften (Auswirkung von ausländischen Bankenkrisen, Immobilienblasen etc. auf die eigene Wirtschaftssituation). Globalisierung halt. Die Digitalisierung ist da nur ein Teilaspekt. Da gibt es keine einfachen Lösungen, was die Prediger des Nationalstaates tun und mit nostalgischen Gefühlen den Eindruck erschaffen möchten, man könnte die gesamte Welt mit ein paar Gesetzen 50 Jahre zurückdrehen, als man ein Kind war und es vermeintlich weniger Herausforderungen gab.
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schelm
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von schelm »

schokoschendrezki » Fr 25. Dez 2015, 22:30 hat geschrieben: Die jedenfalls, die inakzeptable Reaktionen auf das objektiv laufende und weder weg- noch hin-zupredigende Phänomen Globalisierung kritisieren, fordern lediglich, akzeptable Reaktionen darauf zu finden.
Was meinst du eigentlich damit ? Internationaler Handel und Austausch von Personen, Ideen und das Bereisen und Kennenlernen der Welt sei eine Erfindung aus dem Jahr 2015; dem Jahr ohne Grenzen, und wer das nicht unbegrenzt haben möchte, bedarf der Therapie, um seine " Globalisierungs "ängste zu überwinden, weil dies sei die " Globalisierung " ? :D
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von frems »

schelm » Fr 25. Dez 2015, 22:40 hat geschrieben: Was meinst du eigentlich damit ? Internationaler Handel und Austausch von Personen, Ideen und das Bereisen und Kennenlernen der Welt sei eine Erfindung aus dem Jahr 2015; dem Jahr ohne Grenzen, und wer das nicht unbegrenzt haben möchte, bedarf der Therapie, um seine " Globalisierungs "ängste zu überwinden, weil dies sei die " Globalisierung " ? :D
Keine Erfindung. Aber in den letzten 20, 25 Jahren ist der Welthandel (u.a. dank geöffneter Schranken und dem technischen Fortschritt im Verkehrswesen) stets doppelt so schnell gewachsen wie die Weltwirtschaft. Sowas schafft auch Abhängigkeiten und führt zu Verlagerung von Produktionsstätten. Kannst ja mal schauen, ob Du einen ehem. Nokia-Mitarbeiter findest, ob in Finnland oder Bochum.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von schelm »

frems » Fr 25. Dez 2015, 22:38 hat geschrieben: Bezog sich auf die wirtschaftliche Entwicklung. Marktöffnungen/Liberalisierungen, Outsourcing, Wegfall alter Industrien, neue Beschäftigungsfelder, erhöhte Mobilität von Gütern und Personen, Anpassung des Sozialstaates (für Dänemark: https://de.wikipedia.org/wiki/Flexicurity), vernetzte Volkswirtschaften (Auswirkung von ausländischen Bankenkrisen, Immobilienblasen etc. auf die eigene Wirtschaftssituation). Globalisierung halt. Die Digitalisierung ist da nur ein Teilaspekt. Da gibt es keine einfachen Lösungen, was die Prediger des Nationalstaates tun und mit nostalgischen Gefühlen den Eindruck erschaffen möchten, man könnte die gesamte Welt mit ein paar Gesetzen 50 Jahre zurückdrehen, als man ein Kind war und es vermeintlich weniger Herausforderungen gab.
Ich denke nicht, dass sie das tun. Nach meiner Wahrnehmung wehren sie sich lediglich gegen jene, die diese Probleme instrumentalisieren um Huckepack die unbegrenzte Ansiedlung kulturfremder Menschen als Teil einer " vernetzten Welt " schicksalhaft zu propagieren.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von frems »

schelm » Fr 25. Dez 2015, 22:45 hat geschrieben: Ich denke nicht, dass sie das tun. Nach meiner Wahrnehmung wehren sie sich lediglich gegen jene, die diese Probleme instrumentalisieren um Huckepack die unbegrenzte Ansiedlung kulturfremder Menschen als Teil einer " vernetzten Welt " schicksalhaft zu propagieren.
Wer tut das hier? Ich hab den Schutz von Kriegsflüchtlingen nicht als Teil der Globalisierung bezeichnet. Das ist in Dänemark auch kein so dominantes Thema, auch wenn es eher in die deutsche Presse rüberschwappt als andere lokale Themen aus Dänemark. Die Fixierung auf dieses eine aktuelle Thema ist ja ganz allein Deine private Obsession.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von schelm »

frems » Fr 25. Dez 2015, 22:49 hat geschrieben: Wer tut das hier? Ich hab den Schutz von Kriegsflüchtlingen nicht als Teil der Globalisierung bezeichnet. Das ist in Dänemark auch kein so dominantes Thema, auch wenn es eher in die deutsche Presse rüberschwappt als andere lokale Themen aus Dänemark. Die Fixierung auf dieses eine aktuelle Thema ist ja ganz allein Deine private Obsession.
Das mag am Threadthema liegen. Und irgendwie fällt " Globalisierung " und " vernetzte Welt " immer begründend mit " Willkommenskultur " zusammen.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von schokoschendrezki »

schelm » Fr 25. Dez 2015, 23:40 hat geschrieben: Was meinst du eigentlich damit ? Internationaler Handel und Austausch von Personen, Ideen und das Bereisen und Kennenlernen der Welt sei eine Erfindung aus dem Jahr 2015; dem Jahr ohne Grenzen, und wer das nicht unbegrenzt haben möchte, bedarf der Therapie, um seine " Globalisierungs "ängste zu überwinden, weil dies sei die " Globalisierung " ? :D
Also dieses Argument, dass ja schon die alten Ägypter Handel trieben, und die Welt eigentlich die gleiche sei wie vor 5000 Jahren ... das ödet mich inzwischen ganz schön an. Nicht die Tätigkeit des Handelns ist das Problem. Sondern die grundsätzliche Änderung der Lebenswelt, der sozialen Paradigmen. Oder genauer gesagt: Der Erzählungen über diese Lebenswelt. Dem berühmten Spruch "Vom Tellerwäscher zum Millionär" steht erstens die ebenso wahrscheinliche Umkehr wie auch die Tatsache gegenüber, dass die soziale Mobilität im Ursprungsland dieser Erzählung, den USA, geringer ausfällt als in den meisten europäischen Ländern. Nichtsdestotrotz ist es eine verbreitete Wahrnehmung, dass individueller Erfolg als gerechter Lohn für individuelle Anstrengung und ausbleibender Erfolgt als Strafe für ausbleibende Anstrengung empfunden wird. Im Gegensatz zu den objektiv vorliegenden Machtstrukturen. Nach dem Motto, dass die Armen an ihrer Situation selbst schuld sind. Das ist Globalisierung. Und an dieser Stelle greift das Märchen von der Einbindung in Kultur-, Nations- oder Religionsgemeinschaften. Oder das von den starken Männern.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von frems »

schelm » Fr 25. Dez 2015, 23:04 hat geschrieben: Das mag am Threadthema liegen. Und irgendwie fällt " Globalisierung " und " vernetzte Welt " immer begründend mit " Willkommenskultur " zusammen.
Na wenn es begründet ist, brauch ich ja nicht die Gedanken über fiktive User erahnen und eine Erklärung abliefern. Wunderbar.

In Dänemark ist das Thema bloß immer nicht so wichtig, wie man am Wahlkampf sehen konnte. Man kann auch heute einfach irgendeine größere Zeitschrift aufschlagen und schauen, was da so für Themen bzw. Beiträge am meisten gelesen werden, z.B. in Jyllands-Posten: http://jyllands-posten.dk/indland/

Über einen Migranten handelt ein Artikel (aktuell der am sechst häufigsten gelesene Artikel) tatsächlich: ein arbeitsloser Afrikaner gewann in Spanien 400.000 Euro. Dänen neigen nicht so sehr zur Hysterie. Außer vielleicht DFP-Anhänger, die vor allem durch ihre Globalisierungskritik auffallen:
"Det nationale er hele tiden i centrum. Til det seneste landsmøde havde man en kolonihavekulisse som baggrund. Man er ikke bange for at bruge Dannebrog og holde fast i værdier som hygge, tryghed og beskedenhed. Det kommer tydeligt til udtryk i valgfilmen, hvor man udfylder den konservative ideologi med en klassisk biedermeier-kultur og stiller den over for det farlige - som er globaliseringen."

Ideologi
Det er samtidig det, som de konservative er gået væk fra, mener Line Gren:

"De konservative har åbnet sig over for globaliseringen og overtaget mange af de liberale værdier samtidig med, at man i hvert fald officielt har forsøgt at holde fast i det klassisk konservative. Så man har sat sig mellem to stole. Mange vælgere har nok følt sig snydt og tænkt, at hvis de konservative alligevel er liberale, så kan de jo lige så godt slå sig sammen med Venstre."
http://www.information.dk/166553

Ich übersetze mal frei:
"Das Nationale ist die ganze Zeit im Zentrum. Beim letzten Landesparteitag hatte man eine Kolonialhafenkulisse im Hintergrund gesetzt. Man ist nicht bange, die dänische Flagge hochzuhalten und Werte wie "Hyggeligkeit", Vertrauen und Bescheidenheit hervorzuheben. Das drückt sich auch in Wahlkampfspots aus, die eine konservative Ideologie mit klassischer Biedermeierkultur ausdrücken und gleichzeitig Gefahren darstellen - die die Globalisierung sind."

Ideologie
Es ist auch immer das, was Konservative verlassen haben, meint Line Gren:

"Die Konservativen haben sich der Globalisierung geöffnet und übernahmen viele der liberalen Werte mit, während man offiziell versuchte das konservative Milieu zu binden. So saß man zwischen zwei Stühlen. Viele Wähler fühlten sich betrogen und dachten, daß, wenn Konservative schon liberal sind, sie auch mit der Venstre gemeinsame Sache machen könnten."

(Ergänzung: "Venstre" heißt wortwörtlich übersetzt "Linke" bzw. "links". Meint aber die gleichnamige Partei, die derzeit die Regierung stellt und politisch heutzutage eher im (rechts-)liberalem Spektrum eingeordnet wird.)
Islamkritik gehört natürlich auch im Repertoire, aber ist eben kein so wahlentscheidendes Thema im Vergleich zur Sozialpolitik. Im Vergleich zu den dänischen Reformen war unsere Agenda 2010 nur ein kleines Reförmchen. Zwar wissen viele Dänen -- auch in den Gewerkschaften --, daß es notwendig war, um den ökonomischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert entgegentreten zu können, aber es gibt eben auch Leute, die sich (ob zu recht oder unrecht, sei dahingestellt) als Verlierer sehen. Und die sind frustriert und wünschen sich die Welt ihrer Kinderheitserinnerungen zurück.
Zuletzt geändert von frems am Freitag 25. Dezember 2015, 23:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von Nomen Nescio »

Vizegott » Fr 25. Dez 2015, 21:22 hat geschrieben:Warum soll ein "Flüchtling" Geld von Dänemark bekommen wenn er z.B. 100.000 Euro besitzt.
ridikülisieren ist einfach. warum soll er seine uhr abgeben müssen, das einzige, daß er behalten hat.
du tust ob die flüchtlinge so reich sind. einer mit 100.000 euro braucht nicht in einem schiff übers mittelmeer zu fahren, sondern kauft sich eine flugzeugkarte.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von Monteur »

Nomen Nescio » Sa 26. Dez 2015, 06:30 hat geschrieben:ridikülisieren ist einfach. warum soll er seine uhr abgeben müssen, das einzige, daß er behalten hat.
du tust ob die flüchtlinge so reich sind. einer mit 100.000 euro braucht nicht in einem schiff übers mittelmeer zu fahren, sondern kauft sich eine flugzeugkarte.
Vergiss nicht: mancher der flieht, hat keine Zeit Monate lang auf ein Visum zu warten.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von Vizegott »

Monteur » Sa 26. Dez 2015, 06:34 hat geschrieben: Vergiss nicht: mancher der flieht, hat keine Zeit Monate lang auf ein Visum zu warten.

Die Menschen fliehen ja nicht direkt aus Syrien, sondern aus Ländern die zwischen der BRD und Syrien liegen. Wenn diese Menschen Syrien verlassen sind sie de fakto schon in Sicherheit.-
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von H2O »

1.
Das Thema lässt sich aus meiner Sicht doch vereinfachen.
Eine dünne Zivilisationsschicht wird von Verlierern des
technischen Wandels (Mobilität, Rationalisierung) abgeschrammt,
und schon kommen uralte Antriebe zum Zuge, die vermutlich
einmal das Überleben der Sippe sicherten. Im sprachlich neueren
Gewand reden wir jetzt von Verlierern (tatsächlichen oder nur sich
so empfindenden) der Globalisierung.

Die schalten auf Abwehr gegen Eindringlinge in ihre Jagdgründe.
Ja, das äußert sich verworrener als in der "guten alten Steinzeit",
als solche Abwehr sich mit einigen gezielten Keulenschlägen entschied.
Das verwirrende Bild zeigt sich nicht nur in Dänemark; nur hat es dort
diese Abwehr inzwischen bis ins Parlament geschafft.

2.
Etwas abseitig dürfte wohl doch die Vorstellung sein, daß in nennenswerter
Anzahl hier oder in Dänemark Flüchtlinge mit 100.000 Euros Vermögen am
Leibe oder auf Schweizer Nummernkonten eintreffen. Das mag es in ganz
seltenen Einzelfällen geben. So, wie es auch verbitterte alte Menschen geben
mag, die in ihrer Wohnung sinnlose Bargeldmengen horten. Davon liest man
ja von Zeit zu Zeit. Aber als Gegenstand öffentlicher Erregung fehlt dieser Sache
wohl doch die mengenmäßige Grundlage.

Natürlich kann man verlangen, daß Hilfesuchende ihre Vermögenswerte zuerst
verbrauchen, bevor sie der Allgemeinheit Lasten auferlegen möchten. Merk-
würdig, daß dieses Verlangen in Parlamenten und medialer Öffentlichkeit
besprochen werden muß.

Ich denke da an die Verteilung von 100.000 €-Barvermögen in unserer
Gesellschaft. Da wird man wohl auch einige Zeit suchen müssen; natürlich
wird man gelegentlich fündig... aber bestimmt nicht massenhaft, wenn man
unsere deutsche Kopfzahl von 80 Mio daneben hält.

Da wird absichtsvoll eine Stimmung geschürt, die sich gegen die Bitten not-
leidender Menschen richtet. Warum das so ist, siehe oben unter 1.
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Emin
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von Emin »

schokoschendrezki » Fr 25. Dez 2015, 21:07 hat geschrieben: Die vertraglich und administrativ geregelte Anwerbung der (damals so genannten) "Gastarbeiter" lässt sich wohl kaum mit der Massenflucht von heute infolge existenzieller Bedrohung vergleichen. Kein Mensch zuzeiten der jungen BRD wäre so verzweifelt, sich auf eines dieser Flüchtlingsboote zu begeben. Es ist auch keineswegs ein "neuer Typus von Menschen" entstanden. Die Menschen, die vom Wesen her sich kaum von den früheren Generationen unterscheiden, sind nur mit einer radikal veränderten Realität konfrontiert. Phänomene wie Islamismus, Rechtspopulismus, Politikmüdigkeit, Anti-Demokratie sind nicht Ursache für diese veränderte Realität sondern (freilich inakzeptable) Reaktionen und Antwortversuche darauf.
Es gibt keine radikal neue Realität. Die jugoslawischen Bürgerkriegsflüchtlinge sind auch teilweise auf Booten geflüchtet, ebenso bspw. vietnamesische Kriegsflüchtlinge. Selbst in der Bibel wird von einem Volk erzählt, welches von Ägypten nach Palästina migriert.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von Emin »

H2O » Sa 26. Dez 2015, 09:24 hat geschrieben:1.
Das Thema lässt sich aus meiner Sicht doch vereinfachen.
Eine dünne Zivilisationsschicht wird von Verlierern des
technischen Wandels (Mobilität, Rationalisierung) abgeschrammt,
und schon kommen uralte Antriebe zum Zuge, die vermutlich
einmal das Überleben der Sippe sicherten. Im sprachlich neueren
Gewand reden wir jetzt von Verlierern (tatsächlichen oder nur sich
so empfindenden) der Globalisierung.

Die schalten auf Abwehr gegen Eindringlinge in ihre Jagdgründe.
Ja, das äußert sich verworrener als in der "guten alten Steinzeit",
als solche Abwehr sich mit einigen gezielten Keulenschlägen entschied.
Das verwirrende Bild zeigt sich nicht nur in Dänemark; nur hat es dort
diese Abwehr inzwischen bis ins Parlament geschafft.
Das ist ein ganz normaler Trieb, über den man auch nicht in Arroganz sprechen muss, nur weil man selber noch nicht in einer solchen Situation ist. Man sollte viel eher darüber nachdenken, wieso die Globalisierung so viele Verlierer produziert, und wie man das verhindern oder abmildern kann.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von schokoschendrezki »

Emin » Sa 26. Dez 2015, 18:06 hat geschrieben:
Es gibt keine radikal neue Realität. Die jugoslawischen Bürgerkriegsflüchtlinge sind auch teilweise auf Booten geflüchtet, ebenso bspw. vietnamesische Kriegsflüchtlinge. Selbst in der Bibel wird von einem Volk erzählt, welches von Ägypten nach Palästina migriert.
Das mag alles sein. Ich bezog mich aber mit der Aussage auf den (meiner Ansicht nach unzulässigen) Vergleich Migranten in der jungen Bundesrepublik in Form von angeworbenen Gastarbeitern mit den heutigen zu uns kommenden Bürgerkriegsflüchtlingen.

Ansonsten: Bis zum Ende des großen Ost-West-Block-Gegensatzes Ende der 80er Jahre waren internationale Konflikte immer mehr oder weniger dieser Generalkonfrontation untergeordnet. Waren sie es nicht, begann eine der beiden Seiten das Großmachtvakuum aufzufüllen, bevor die andere Seite es tat. Die Jugoslawien-Kriege liegen nach dieser Zäsur, der Vietnamkrieg davor. Hinzu kommen gravierende technologische Wandlungen (Computer, Internet und viele andere) und ein von allen Schranken und Dämmen befreites internaionales Währungssystem. Die Gemensamkeit aller dieser Veränderungen ist Entgrenzung.

Ich würde nur zu gern wissen, woher dieser verbreitete "Es hat sich eigentlich nix groß geändert"-Reflex kommt. Vielleicht ist das Wunschdenken. Politische Richtungen wie sie von der FN, Putin, PiS oder auch Dänischer Volkspartei vertreten werden, hätten es gern so. Desgleichen auch der aufgeklärte, pragmatische Sozialdemokratismus, der der geordneten Arbeitswelt gewerkschaftlicher Regelungen der 60er, 70er nachtrauert. Das mag sein.
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Re: dänemark, was nun...

Beitrag von H2O »

Unveränderlich geblieben (jedenfalls in unserem Zeitempfinden)
ist der Mensch mit seinen inneren Anlagen; geändert haben sich
seine Werkzeuge, mit denen er seine Herrschaft über seine Mitge-
schöpfe ausübt, Mitmenschen inbegriffen.

Die Sache mit der dünnen Tünche der Zivilisation hatte ich ja schon
mehrfach hier benannt.
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