Haitu » Mo 17. Sep 2012, 12:37 hat geschrieben:
Wenn ich Chinese wäre, dann hätte ich diesen Optimismus wahrscheinlich auch. Nun bin ich aber Deutscher und habe den Optimismus nach der Katastrophe des 3. Reiches und des Wiederaufbaus miterlebt und heute scheint doch, nach 60 Jahren, eher Pessimismus vorherrschend zu sein.
40 Jahre nach dem Optimismus kam, schleichend zwar, der Knick zum Pessimismus.
Ich denke mit dieser Erfahrung kann ich da weitsichtiger sein und auch den Chinesen einen Knick in Richtung Pessimismus vorhersagen.
Wie lange kann ein Mensch seinen Optimismus aufrecht erhalten bis ihm bewusst wird, dass er einer Selbsttäuschung erlegen war?
Wenn es denn eine Selbsttäuschung
wäre. Der Wohlstandsaufschwung - und zwar nicht der für die wenigen Prozent Superreichen sondern der für die übergroße Mehrheit der Chinesen - ist eben nicht nur "gefühlt" sondern für jedermann nachvollziehbar und in volkwirtschaftichen und sozialen Kennziffern messbar. Er ist die entscheidende Ursache dafür, dass die Milleniumsziele nicht als völlig utopisch abgehakt werden können.
Deutsches Institut für Entwicklungspolitik hat geschrieben:
Gemessen an einer Armutsgrenze von 1,25 USD am Tag hat sich die Zahl der Armen im Zeitraum 1990 bis 2008 von 1,91 Milliarden Menschen auf 1,29 Milliarden reduziert.... Von den etwa 620 Millionen Menschen, die seit 1990 über die 1,25 USD-Grenze gehoben wurden, leben 510 Millionen in China.
Der Knick hin zu einem "Wohlstandspessimismus" wie in Mitteleuropa mag irgendwann auch kommen. Aktuell besteht das größere soziale Problem darin, dass zwar selbst die Ärmsten der Armen auf dem Land ungleich besser dastehen als noch vor 20, 30 Jahren (siehe oben) aber eben lange nicht in dem Maße besser wie die Menschen in den großen chinesischen Städten. Und gerade diese divergierende Binnen-Entwicklung könnte möglicherweise durch ein nicht ganz so rasantes Wachstum wie in den letzten 20 Jahren aufgehalten werden. Indem zunächst in zurückgebliebenen Regionen konsolidiert wird.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)