Tom Bombadil hat geschrieben:(18 Feb 2020, 20:38)
In der realen Politik: Ausstieg Kernenergie, Ausstieg Kohleverstromung, die teuerste Energiewende aller Zeiten, die drohende teuerste Verkehrswende aller Zeiten, Mindestlohn, Mindestrente, immer noch praktiziertes Selbsteintrittsrecht ("open borders" durch die Hintertür), Ausstieg Wehrpflicht, Frauenquote, Homoehe... Das ist alles mögliche, aber keine konservative Politik.
Damit implizierst Du, dass es für den Begriff "konservativ" eine klare und unwandelbare Definition geben würde. "Konservativ" ist aber keine absolute, sondern eine relative Größe, die immer von der jeweiligen Gesellschaftsform abhängt. "Konservativ" bedeutet z.B. im Iran etwas ganz anderes als in Deutschland. Und im heutigen Deutschland bedeutet es etwas ganz anderes, als in Deutschland vor 300 oder auch nur vor 50 Jahren. Für "Konservative" in unserem Land war es mal eine unumstößliche Gewissheit, dass es Hexen gibt und dass die verbrannt werden müssen. Als ich ein kleiner Junge war, mussten Frauen noch die Zustimmung ihrer Ehemänner einholen, ehe sie ein Arbeit aufnehmen durften. Und "Konservative" haben das leidenschaftlich befürwortet. Ebenfalls zu meinen Lebzeiten, war es noch strafbar, homosexuell zu sein. Auch das galt damals als "konservativer Grundwert".
Die Gesellschaft wandelt sich nunmal. Und es kann ja wohl nicht das Ziel "konservativer" Politiker sein, solche Wandlungen (man kann es auch "Fortschritt" nennen!) unterbinden zu wollen. Auf dieses Dilemma angesprochen, rezitiren verständigere Konservativen ja auch gern das folgende Gleichnis:
"konservativ" heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern das Feuer weiterzutragen."
Ich selbst war als junger Mensch ein "Linker". Ich habe meine Einstellung seitdem nicht grundsätzlich geändert. Wenn ich auf das heutige Deutschland schaue, stelle ich an mir selbst aber plötzlich diverse "konservative" Meinungen fest. Nicht weil ich mich von "links" nach "rechts" bewegt hätte, sondern weil ich stehen geblieben bin, während die ganze Gesellschaft von "rechts" nach "links" an mir vorbei gewandert ist. Das liegt aber dann daran, dass ich alter Knochen offensichtlich nicht so "beweglich" bin, wie die Welt.
Vielleicht meintest Du das mit "Linksruck". Dein Urteil bleibt trotzdem falsch. Es ist nämlich nicht Aufgabe der Politik, eine Gesellschaft auf einem status quo "einzufrieren". Die Politiker sind nicht "Schöpfer" der Gesellschaft. Sie sind ihre "Diener". Alle Parteien oder Ströungen, die in der Geschichte den Anspruch erhoben haben, die Welt in einem nunmehr erreichten "Idealzustand" "konservieren" zu wollen, sind im Laufe der Zeit (fast) restlos verschwunden. Hier und da findet man noch ein paar Fanatiker - z.B. Leute, die auch heute noch gern Hexen verbrennen würden...
Das aber alles nur am Rande. Worauf ich mit der Frage an Dich abgestellt habe, ist die Erkenntnis, dass es in diesem Land seit ein paar Jahren wieder einen ganz deutlichen RECHTSRUCK (!) gegeben hat! Es ist hier plötzlich wieder hoffähig, Juden unsympathisch zu finden. Es ist hier plötzlich wieder hoffähig, Rassetheorien zu verbreiten, die längst widerlegt sind. Es ist wieder hoffähig, "völkisch" zu sein. In Thüringen gibt es einen Typ, der nur deshalb 25 PRozent der Wählerstimmen bekommen hat, weil er "völkisch" denkt. Wofür steht dieses "völkisch" eigentlich??? Wenn Du diese Frage korrekt beantworten kannst, dann kann Dir kaum entgehen, dass in unserem Land gerade kein LINKSRUCK stattfindet, sondern ein gefährlicher RECHTSRUCK!