Lieber Jekyll&Hyde,
wenn es dir ernsthaft um wissenschatlich-tragbare historische Argumente um die Existenz eines Menschen namens Jesus geht, im Sinne der Person, die den christlichen Glauben inspiriert hat, dann gibt es genügend Literatur. Z.B. folgendes Standardwerk, das in den meisten gut sortierten Bibliotheken stehen dürfte:
Schröter, Brucker [Hrsg]: Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung: Tendenzen Und Perspektiven Der Gegenwärtigen Forschung. (Gruyter 2002)
(steht u.a. in Berlin, Bremen, Erfurt, Göttingen, Hamburg, Hannover, Hildesheim, Jena, Oldenburg, Rostock)
Einige der von dir angebrachten Einwände sind zwar interessant, aber dein Ton hier im Forum erweckt sehr stark den Eindruck, dass du nicht an Informationen oder an einer Diskussion über das Christentum interessiert bist.
Ich würde daher gerne ein wenig das Anliegen analysieren, welches du hier stellst, und die Motivation hinterfragen.
Ich finde es gut, wenn Menschen ihre Religion (oder auch ihr Weltbild) überdenken, kritisch reflektieren. Doch ich zweifle stark, dass du dazu einen Beitrag leistest. Du lieferst kaum Gegenargumente, die einen Christen wirklich herausfordern. Stattdessen beschimpfst du Andersdenkende ("Religioten", "Hirngewaschene"), zeichnest eine offensichtlich falsche Karikatur der frühen Christenheit ("Die hatten Kohle für alles."/ Bereicherung durch Lehre -> eben nicht die frühen Anhänger, die sich das alles ausgedacht haben sollen; "Mit Jesus-Devotionalien sollte lange vor seiner Kreuzigung reger Handel getrieben worden sein" -> bei 2-3 Jahren Wirkungsgeschichte in der Provinz, ja klar...) und forderst eine Art des Beweises, die per Definitionem nicht erbracht werden kann.
Jekyll&Hyde » So 31. Mai 2015, 23:49 hat geschrieben:
Einen unwiderlegbaren Beweis für die physische Existenz des christlichen Idols. Mit der Hoffnung verbunden, dass viele Christen sich auf die Suche danach machen. Weil ich glaube, dass es sie von ihrer Hirnwäsche heilen kann.
Natürlich lässt Gott sich nicht beweisen. Vor allem nicht einwandfrei (dein Wort "unwiderlegbar" lasse ich hier noch weg, da prinzipiell jede Behauptung über Gott strenggenommen unwiderlegbar ist). Welche Kriterien brauchst du denn? Wann genau wäre deine Forderung nach einem einwandfreien Beleg für den historischen Jesus (und nicht nur nach Argumenten, die bloß innerhalb der historischen Wissenschaften gelten) erfüllt? Ist es nicht vielmehr so, dass du alles abschmettern kannst, was dir nicht passt? Du gehst doch nicht ernsthaft davon aus, dass dir hier jemand ein Selfie mit Jesus oder magische Fußnägel bringt, die Wasser in Wein verwandeln...
In den meisten Glaube-Atheismus-Debatten wird die Naturwissenschaft herangezogen. Ich unterstelle dir nicht, dass du Beweise willst, die valide im Sinne einer empirischen Naturwissenschaft sind; aber es ist das einzige, was einem noch als mögliche Alternative zu Geisteswissenschaften einfällt (und traditionell in bestimmten Ausprägungen des Atheismus als Gütekriterium präsentiert wird). Naturwissenschaft betrachtet die Natur. Sie kann Gott weder be- noch widerlegen. (Ähnlich kann die historische Wissenschaft auch keine Wunder oder eine Auferstehung belegen).
Es gibt christliche Fundamentalisten, die meinen, sie könnten Gott wissenschaftlich beweisen. Diese nennen sich Kreationisten und haben keine Ahnung von methodisch sauberem wissenschaftlichem Arbeiten. Und es gibt Atheisten, die meinen, sie könnten Gott widerlegen. Auch diese arbeiten methodisch genauso unsauber. Es gibt Atheisten, die meinen, die könnten von Christen fordern, Gott naturwissenschaftlich zu beweisen. Diese kann man als atheistische Fundamentalisten bezeichnen, da sie die Naturwissenschaftliche Methodik zur Dogmatik machen und als ideologisches Fundament zweckentfremden.
Da du ja Christen zum Hinterfragen ihres Glaubens ermutigen willst; versuch doch mal dein Weltbild in dieser Hinsicht zu hinterfragen. Was genau ist das "Fundament" deines Nicht-Glaubens an Gott. Was genau wäre für dich ein Beleg? Reflektiere doch bitte mal für dich, ob dein "Nicht-Glaube" nicht vielleicht auch irgendwo einen derartigen fundamentalistischen Einschlag hat.
Jekyll&Hyde » Fr 5. Jun 2015, 23:00 hat geschrieben: Wenn sie mich mit ihrem Aberglauben nicht belästigen würden, würde ich jetzt wohl ein Glas Rotwein konsumieren. Stattdessen muss ich denen in den Arsch treten.
Warum fühlst du dich von Christen belästigt? Du hast dieses Thema ja begonnen. Warum siehst du es als deinen Auftrag an, hier Christen in "den Arsch zu treten"? Bist du dir sicher, dass da nichts anderes hinter steckt? Warum hast du ein Problem damit, dass Christen dich mit ihren Ansichten belästigen? Gleichzeitig bringst du ja auch viel Zeit auf, sie mit deinen Ansichten "zu belästigen".
Immer wieder gibst du an, dass du Christen mit deinen Posts helfen willst. Aber wenn das wirklich der Fall wäre, warum beleidigst du dann permanent religiöse Menschen? Warum fühlst du dich genötigt, Menschen in den Arsch zu treten, weil sie im Gegensatz zu dir an Gott glauben? Und außerdem: Viele fromme Christen scheinen sich in dieser Diskussion ja nicht umherzutreiben, oder?
Du forderst einerseits, dass Christen bereit sein sollen, ihren Glauben zu hinterfragen. Das ist eine gute Forderung. Aber gleichzeitig lebst du hier einen Atheismus aus, der auf Selbstschutz aus ist. Du schaffst keinen Dialog auf Augenhöhe, sondern gehst auf Distanz. Für mich scheint es zumindest so, dass es dir nicht darum geht, Christen herauszufordern, sondern dein eigenes Bild weiter zu festigen.
Es gibt viele intelligente Atheisten und auch viele intelligente Christen, die in gegenseitigem Respekt miteinander koexistieren können (und das ist in beiden Gruppen definitiv die Mehrheit; die anderen treten aber aggressiver auf). Doch für friedlichen Koexistenz muss man einander ernst nehmen, sich nicht beleidigen, sich ernsthaft mit den Überzeugungen der anderen auseinandersetzen (und nicht auf einem die Werte des Humanismus und des Intellektes beleidigenden Dawkins- oder Giordano-Bruno-Stiftungs-Niveau).
Bitte reflektiere auch deinen Atheismus: Dein Atheismus scheint als zentrales Fundament die Abgrenzung zu (Anders)Gläubigen zu haben, sogar die Abneigung gegen diese. Das legt die Art und Weise sehr nahe, wie du ihn artikulierst. Das ist ein Charakteristikum, dass es es fast deckungsgleich bei religiös sehr eng aufgewachsenen Menschen gibt. Es gibt auch sektiererische christliche Gemeinden, in denen der Glaube derartig ausgeprägt ist (Abgrenzung zum Weltlichen; Angst vor Islam, Verschwörungstheorien, usw.).
Das eigene Weltbild und Lebenskonzept ist eingebettet in einen Gut-Böse-Dualismus. Das bedeutet:
1. Oppositionsrolle: Fundamentalisten grenzen sich von den "anderen" ab. Die Existenz anderer Meinungen wird als Provokation oder Bedrohung erfahren. Das eigene Weltbild wird auch durch das bestimmt, was man nicht ist. Ein Beispiel unter fundamentalistischen Christen ist die Starke Abneigung von Homosexualität. Die Oppositionsrolle ist auch beim Atheismus immer dort eine Gefahr, wo der Nicht-Glaube auf einmal bestimmend wird. Viele (eben nicht fundamentalistische) Atheisten definieren sich ja nicht in erster Linie durch ihren Nicht-Glauben, sondern sind z.B. primär Marxisten oder Humanisten. (Du selbst schreibst ja, dass dich durch Christen belästigt fühlst. Auch scheint der Atheismus für dein Leben eine große Rolle zu spielen, was für Atheisten aber normalerweise untypsich ist)
2. Kein Dialog: Das eigene Weltbild wird auch dadurch bestätigt, dass man im (vermeintlichen) Dreck der anderen wälzt. Die "anderen" werden auf ihre negativen Aspekte reduziert (wenn nicht sogar verzerrt dargestellt). Es geht eher darum, sie zu verurteilen, als sich tatsächlich mit ihnen auseinanderzusetzen. (So verfährst auch du hier mit der Religion; allein das Wort "Religiot" impliziert diesen ideologischen Verschluss vor dem Anderen. Solbald jemand glaubt, wird er zum Idioten degradiert - Da brauch man gar nicht mehr reden, da das "Ich hab Recht und du Unrecht" gleich axiomatisch festgesetzt wird. Vielleicht kannst du gläubigen Menschen aufgrund deiner Perspektive momentan auch gar nicht anders wahrnehmen.)
3. Sicherheit: Es besteht ein Bedürfnis nach absoluter Sicherheit, welches durch verkürzte "Wahrheitsquellen" befriedigt wird. Ein Biblizismus (wortwörtliche Auslegung der Bibel bzw. das Übernehmen der Auslegung eines Oberhauptes) ist die häufigste Form, wie Fundamentalismus im Christentum ausgeprägt ist. Aber auch ein dogmatische Szientismus oder jede andere Ideologie kann diese Lücke füllen.
Während die ersten beiden Punkte bei dir sehr ausgeprägt scheinen, ist es schwer zu sagen, inwieweit der dritte Punkt auf dich zutrifft. Das musst du selbst hinterfragen. Du forderst aber von den Christen einen derartigen Beweis, der dieses dritte Kriterium erfüllen soll. Dies ist übrigens auch eine Antwort, warum du ihn vielleicht nicht bekommst: Ein solcher Beweis existiert nur innerhalb eines geschlossenen, fundamentalistischen Weltbildes.
Du schreibst, dass du einmal Christ warst. Das müssen wir hier nicht ausdiskutieren. Aber stell dir doch bitte selbst mal die Frage: Was für ein Gläubiger warst du damals? Kann es sein, dass dein Bild vom Christentum (auch die Forderung eines derartigen Beweises) daher rührt, dass dein Bild vom Christentum durch einen christlichen Fundamentalismus geprägt ist? Kann es sein, dass du vielleicht in deiner Abkehr vom Christentum einen christlichen Fundamentalismus gegen einen atheistischen Fundamentalismus getauscht hast?
Ansonsten gibt es auch sehr selektiv-vorgehende pseudowissenschaftliche atheistische Literatur, die versucht, Religion auf ihre fundamentalistischen Ausprägungen zu reduzieren. Vielleicht bist du da ja auch einer "Hirnwäsche" zum Opfer gefallen?
Ich hoffe, dass dich diese Antwort irgendwie weiterbringt. Da du sehr viel Energie darauf aufbringst, Christen "heilen" zu wollen; vielleicht freut es dich ja, dass auch jemand für dich einen Beitrag verfasst hat, der zumindest heilsam sein soll. Ich will dich nicht vom Atheimus "heilen", da ich diesen nicht als Krankheit ansehe. Wohl aber würde es mich freuen, wenn zumindest deine fundamentalistischen Tendenzen Risse bekommen. Denn Fundamentalismus ist Hirnwäsche. Und Hirnwäsche kann man auch selbst betreiben...