Zunder hat geschrieben:(24 May 2018, 01:14)
Der linke Antisemitismus ist ganz sicher nicht intellektuellenfeindlich. Im Gegenteil: er kommt so richtig intellektuell daher. Besonders beliebt ist die "Zirkulationsphäre", in der die Juden sich angeblich fühlen wie die Made im Speck.
Zum Widerlichsten, was sich eine linke Intellektuelle hierzulande ausgedacht hat, gehört das Statement von Ulrike Meinhof:
"Auschwitz heißt, dass sechs Millionen Juden ermordet und auf die Müllkippe Europas gekarrt wurden als das, als was man sie ausgab – als Geldjuden. Der Antisemitismus war seinem Wesen nach antikapitalistisch. Mit der Vernichtung von sechs Millionen Juden wurde die Sehnsucht der Deutschen nach Freiheit von Geld und Ausbeutung mit ermordet... Ohne dass wir das deutsche Volk vom Faschismus freisprechen – denn die Leute haben ja wirklich nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern vorging –, können wir es nicht für unseren revolutionären Kampf mobilisieren."
https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrike_Me ... _und_Juden
Der rechte Antisemitismus ist nur dann intellektuellenfeindlich, wenn er auf das völkisch-rassistische Ressentiment, wie es in der SA gepflegt wurde, beschränkt wird.
Der Antisemitismus der Konservativen Revolution und prominenter Figuren wie Carl Schmitt hat sich selbstverständlich höchst intellektuell dargestellt.
Einer der für Hitler wichtigsten Antisemiten war Houston Stewart Chamberlain:
Zusammenfassend muss Chamberlain als einer der wichtigsten intellektuellen Wegbereiter des nationalsozialistischen Rassismus gesehen werden. David Clay Large resümiert in seinem Artikel über Richard Wagner und Chamberlain: „Chamberlain selbst hielt sein Verständnis der Rassenfrage für einen Fortschritt gegenüber den Äußerungen Wagners. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, daß die Nationalsozialisten Chamberlains Ideen nicht noch verbessern mußten – es reichte, sie zu einem logischen Abschluß zu bringen und in die Wirklichkeit umzusetzen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Houston_S ... hamberlain
Die Intellektuellenfeindlichkeit ist zwar in der Regel antisemitisch, aber der Antisemitismus ist nicht zwingend intellektuellenfeindlich.
Letzterem würde ich vorbehaltlos zustimmen.
Die Frage ist natürlich, ob man die Länder des (sogenannten) "Realen Sozialismus" in den 50er Jahren überhaupt als politisch "links" einzuordnen hat. Jemand, der es wissen muss, Gregor Gysi, weil er selbst jüdische Vorfahren hat und antisemitische Schmähungen (selbst aus seiner eigenen Partei) bekommt, hat es mehrfach in Interviews bekundet: Intellektuellenfeindlichkeit in der Anfangsphase der DDR war mehr oder weniger ein Synonym für Antisemitismus. Stalin ließ in den 50er Jahren (nachdem er anfänglich und sogar maßgeblich - aber eben rein machttaktisch - die Gründung des Staates Israel beförderte) alle formalen Rücksichtnahmen fallen und ordnete die als oppositionell angesehenen Ärzte. Künstler, Schriftsteller ohne wenn und aber einer "Judenverschwörung" zu. Die auch offiziell in der Prawda verbreitete Geschichte von den "Gift verabreichenden Ärzten" einer internationalen jüdischen Geheimorganisation ist so klassisch-antisemitisch wie es eine Geschichte nur sein kann.
Zustimmen würde ich auch der These, dass in Europa ein großer Teil antisemitischer Vorbehalte von Leuten kommt, die sich selbst als "Intellektuelle" ansehen oder zumindest von ihren Anhängern so gesehen werden. Mindestens zwei- dreimal habe ich selbst erlebt, dass ein sozusagen augenblinzelnder Hinweis der Form "Na der ..." oder "Na die ..." gewissermaßen als Test formuliert wurde, ob man soweit Bescheid weiß, dass die bezeichnete Person einen jüdischen Hintergrund hat und sich dieses und jenes eben genau daraus erklären lässt und ob man dann damit zu den "Bescheidwissenden" gehört. Keine Frage.
Auf der anderen Seite: Die unglaublich hasserfüllte Kampagne seinerzeit gegen Michel Friedman (2003) war aus meiner Sicht randvoll mit (freilich nicht zugegebenen) offen intellektuellenfeindlichen und verdeckt antisemitischen Vorurteilen. Ich hatte das Gefühl, dass, als nun endlich und tatsächlich strafrechtlich relevante Tatsachen berichtet wurden, der antisemitische Mob regelrecht nicht mehr zu halten war. Zu großen Teilen einfach, weil Friedman in den Augen dieser Leute in seinem ganzen Auftreten den klassischen kosmopolitischen Intellektuellen mit jüdischem Hintergrund repräsentiert. Der bekannteste Aufpeitscher in dieser Hinsicht, Jürgen Möllemann, hat das auch mehr oder weniger unverblümt so ausgedrückt. Er möge eben diesen "unerträglichen Habitus" Friedmans nicht. Und in dieser Friedman-Kampagne trat etwas zutage, was sicherlich auch heute, unter der Oberfläche, nach wie vor vorhanden ist. Weder Christoph Daums Kokain-Affäre noch gar die Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß haben einen derartigen Sturm von Hass entfacht wie die Straffälligkeiten von Friedman. Und das, obwohl Friedman noch nichtmal und nicht im entferntesten politisch "links" zu verorten ist.
Der ganze Fall Möllemann, natürlich samt seinem offen antiisraelischen Auftreten und seinem außenpolitischen Engagement als Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft ... das war ja noch weit vor den Problemen antisemitischer Taten von Migranten aus dem arabischen Raum heute ... der muss doch in irgendeiner Art gesellschaftlich verwurzelt gewesen sein. Der Mann war ziemlich populär und er war ganz sicher einer der Wegbereiter von Medienkampagnen ("18 Prozent") und insbesondere auch von verdeckt antisemitischen Hass-Medienkampagnen (Friedman-Affäre). Das muss doch irgendwie gesellschaftlich verwurzelt gewesen sein. Und ich glaube einfach nicht, dass das nur 15 Jahre danach einfach so verschwunden ist.