Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

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Teeernte
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Teeernte »

Woppadaq hat geschrieben:(26 Jan 2018, 20:58)

Genau deswegen gibt es ja den Sozialismus. Für den Kapitalisten fängt er damit an, dass der Staat sich einmischt.
Ob Sozialismus oder Kapitalismus im Nationalstaat - immer ist an der Grenze damit Schluss.
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Uffzach »

Watchful_Eye hat geschrieben:(16 Jan 2018, 20:56)

Ich frage mich seit der Flüchtlingskrise häufig: In welchem Maße darf eine Nation "an sich" denken bzw. darf man als Wähler eines Nationalstaates an seine eigene Nation denken?
Fragen mit "darf man" oder ähnlich wirken auf mich so naiv dumm, dass ich regelmäßig unfähig bin weiterzulesen. "Darf man" oder ähnlich ist eigentlich nur bei Fragen zu Gesetzen wie dem Strafgesetzbuch oder dem BGB angezeigt und bedeuten dann soviel wie "ist man im Recht, wenn man ...dies oder jenes ... tut". :cool:
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Woppadaq »

Uffzach hat geschrieben:(26 Jan 2018, 21:04)

Fragen mit "darf man" oder ähnlich wirken auf mich so naiv dumm, dass ich regelmäßig unfähig bin weiterzulesen. "Darf man" oder ähnlich ist eigentlich nur bei Fragen zu Gesetzen wie dem Strafgesetzbuch oder dem BGB angezeigt und bedeuten dann soviel wie "ist man im Recht, wenn man ...dies oder jenes ... tut". :cool:
Naja, im wesentlichen gehts ja in die Richtung: darf ich nur noch als Nazi mein Land lieben...oder so
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imp
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von imp »

Watchful_Eye hat geschrieben:(16 Jan 2018, 20:56)

Ich frage mich seit der Flüchtlingskrise häufig: In welchem Maße darf eine Nation "an sich" denken bzw. darf man als Wähler eines Nationalstaates an seine eigene Nation denken?

Es gibt ja diesen häufig kritisierten Trump-Ausspruch "America First!". Meines Erachtens ist diese Kritik auch berechtigt, symbolisiert es doch das übermäßig national-egoistische Handeln Trumps. Auch impliziert er fälschlicherweise, in der Vergangenheit habe Amerika nicht im auf den eigenen Vorteil bedacht gehandelt. Meinem Eindruck nach existiert allerdings kein Staat auf der Welt, welcher dies nicht zumindest im weiteren Sinne tut.

Wenn wir 100%ig "global utilitaristisch" denken würden, wäre im Anbetracht globaler Armut bereits der bescheidenste Luxus eines Deutschen schwierig zu rechtfertigen. Wir müssten wohl einen sehr großen Teil unseres BIPs, möglicherweise über die Hälfte, in Entwicklungshilfe investieren. Schon das Konzept der Grenzziehung wäre schwierig zu rechtfertigen, da es in letzter Konsequenz bedeutet, nationale, mit dem Staat verbundene Privilegien zu sichern. Auch wäre es problematisch, zu versuchen, bei Verhandlungen mit anderen Staaten "das Maximum" herauszuholen, denn wir hätten dann ja als Weltbürger zu denken und nicht mehr als Deutsche.

Ein solches Handeln, in dieser Extremform gedacht, würde wohl schon alleine spieltheoretisch in eine Katastrophe führen, weil sich ausländische Bürger und Staaten natürlich mutmaßlich nicht unserem strikt globalen Denken anschließen würden. Es scheint auch insofern falsch, als dass wir hierzulande bereits ein weit überdurchschnittlich hohes Niveau an gesellschaftlicher Kohärenz und Stabilität erreicht haben, welches sich bei unbegrenzter Migration und Umverteilung nicht aufrechterhalten ließe.
Nationen denken nicht. Menschen denken. Du darfst gern bevorzugen, was du magst oder was dir subjektiv nützt. Den Implikationen kommt aber keiner aus. Nationalismus ist nicht zuerst ein Schaden für Anhänger konkurrierender Nationalideen sondern für dich selber.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von LordAphelios »

Watchful_Eye hat geschrieben:(16 Jan 2018, 20:56)

Daher scheint es mir eine Frage der richtigen Abwägung zu sein; und nach welchen Kriterien ist hier vorzugehen? Wie sehr dürfen wir unser eigenes Land bevorzugen und ab wann wirds, ethisch gesehen, eklig? Ist "nationales" Denken ein relativer Begriff? Sollte ein Wähler die Wahl seiner Partei in erster Linie am Wohl der eigenen Nation ausrichten oder eher am Wohl der gesamten Welt? Im Falle Deutschlands auch am Wohle Europas?
Ihr seid in der ganzen Diskussion sicher schon deutlich weiter, da ich leider jetzt erst einsteige werde ich die Kernfragen trotzdem einmal aus meiner Ansicht heraus beantworten.

Wir sollten in erster Linie nicht vergessen, dass durch nationalistisches Denken auch gleichzeitig eine Art respektvolles miteinander mit anderen Nationen entsteht. Da ein Staat dadurch symbolisiert, dass die Landsmänner/-frauen einen gewissen Stellenwert für den Staat haben und deswegen zum Vorteil dieser Personengruppe gehandelt wird.
Wenn uns nicht mal etwas an dem Wohlstand der eigenen Nation liegt, wie können wir dann überhaupt anderen Nationen vermitteln, dass wir diesen gerne unter die Arme greifen oder eben wirtschaftliche Kooperationen eingehen.

Wenn wir allerdings anfangen alles was uns wichtig ist nur auf die eigene Bevölkerungsgruppe zu projizieren, dann werden wir es deutlich schwerer haben etwas auf globaler Ebene zu bewegen. Ähnlich geht es mir persönlich mit dem aktuellen Kurs der US-amerikanischen Politik, seiner Bevölkerung Stellenwert zuzumessen ist wichtig, siehe der obere Absatz. Wenn Trump im nächsten Moment aber davon spreche würde wie gerne er die deutsche Bildungspolitik optimieren möchte weil das bei ihm so gut geklappt hat, könnte ich ihm nicht wirklich glauben schenken (ich spreche hier übrigens nicht davon, dass er die US-amerikanische Bildungspolitik optimiert hat, nur ein Beispiel).

Dahingehend denke ich, eine Partei zu wählen die eine starke Innenpolitik eintritt ist notwendig. Gleichzeitig sollte aber nicht vergessen werden, dass ein gewisses übernationales Engagement vonnöten ist. Alleine um den aktuellen Wohlstand der westlichen Welt aufrecht zu erhalten.
"Liberal ist, wer die Zeichen der Zeit erkennt und danach handelt."
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Uffzach »

Woppadaq hat geschrieben:(26 Jan 2018, 23:32)

Naja, im wesentlichen gehts ja in die Richtung: darf ich nur noch als Nazi mein Land lieben...oder so
Die nächste Unsäglichkeit. Hier wird 'Land' mit 'Nation' gleichgesetzt. Und dann noch 'lieben'. Gehts noch? Mit der Nation kann man sich bestenfalls identifizieren. Weil 'die Nation' für Werte steht. Nur die geographische Region, aus der man stammt, das Land also, kann man lieben ... wie man eben Heimat liebt.
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Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(26 Jan 2018, 13:32)

Da bist du nicht der einzige, der das anders sieht. Aber ich finde die oben von mir zitierte Erklärung von John Kenneth Galbraith schon recht überzeugend. Die Begriffe "Marktwirtschaft" und dann zur Krönung noch "soziale Marktwirtschaft" wurden eingeführt, um die Härten und die Antagonismen des Kapitalismus zu verschleiern. Was ja auch recht gut klappt. Diesbezüglicher Sprachwandel hat auch viel mit dem Neoliberalismus und dem Verschwinden der Unterschiede zwischen konservativen und sozialdemokratischen Kräften zu tun ("wir sitzen alle in einem Boot"... angeblich). Aber mir ist schon klar, dass es da recht viele unterschiedliche Interpretationen gibt. Für mich ist das, was wir jetzt haben, ganz klar Kapitalismus mit allem, was dazu gehört, einschließlich Globalisierung. "Marktwirtschaft" macht es ein wenig wohlklingender, aber trotzdem ist es unterm Strich "nur" der schnöde Kapitalismus mit allen seinen Zuspitzungen und Auswüchsen. Zum Beispiel, dass die Hälfte des Globus auf Kosten der anderen Hälfte lebt, dass die großen Weltprobleme nicht gelöst werden, weil das System nicht in der Lage dazu und auch nicht willens ist, wie Hunger, Wasserknappheit und exorbitante Ressourcen-Ausbeutung in den Ländern der dritten Welt, krasser werdende Kluft zwischen Arm und Reich, Analphabetismus in einem großen Teil der Welt etcpp. Das ist nun mal Kapitalismus reinsten Wassers. Wo die Rendite, der Gewinn, der Profit immer Maß und Ziel aller Bestrebungen bleiben.
Was wir hier (und in vergleichbaren Ländern) haben ... ist totaler Kapitalismus reinsten Wassers. Da haben wir überhaupt keine Differenzen. "Marktwirtschaft" als Begriff ist, wies scheint, tatsächlich erst jüngeren Datums. Die dahinterstehende Idee geht aber in meinem laienhaften volkswirtschafltichen Verständnis grundsätzlich auf die Adam-Smith-Vorstellung in "Der Wohlstand der Nationen" zurück. Die gegen den "Merkantilismus" gerichtet war. Gegem die Idee, unter allen Umständen, Produktivität zu erschließen, egal wie. Die Smith-Vorstellungen waren aber bereits im 18. Jahrhundert völlig naiv. Und heute erst recht. Aber als Idee dennoch positiv (wie selbst von Marx bezeugt).

Nur zwei (von hunderten) Beispiele dafür, dass der Nationenbegriff von den Mechanismen des Kapitalismus nahezu vollständig usurpiert wurde: "Deutsche Bank" und "IKEA". Im Falle der Deutschen Bank steht die Nationalitäteninanspruchnahme ja schon im Namen. Sie mussten und müssen ununterbrochen Millionen und Milliarden an Strafen zahlen. Unter anderem wegen Manipulation des LIBOR-Zinssatzes oder wegen Geldwäsche bei ihrem Russland-Ableger. Übertroffen werden sie darin lediglich von zwei Institutionen: Der "Credit Suisse" und der "Royal Bank of Scotland" (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der ... gen_Banken) In allen drei Institionen wird eine Identifikation der entpsprechenden Kapitalismus-Institution mit einer Nation suggeriert (deutsche, suisse, scotland) Und in allen drei Fällen handelt es sich nüchtern betrachtet um Verbrecherclans.

Ein weiteres Exemplar eines weltweit operierenden Verbrecherclans ist die Firma IKEA. Und auch sie spielt, wie kaum irgendeine zweite, mit diesem Nationen-Identifikations-Mythos. IKEA, das ist angeblich "Schweden". Schwedische, skandinavische Lebensart.

Und damit sind wir - nach meiner Ansicht - beim Kern dieses Nationenkults: Irrationalität. Die Menschen handeln vollkommen irrational. Eine der größten Irrtümer ist dieses Modell des Homo Oeconomicus. Die derzeit wichtigsten Belege für diese These sind der Brexit und die Trump-Wahl. Es geht aber auch kleiner und übersichtlicher. In einer der letzten Sendungen der Reihe "hintergrund" des Deuschlandradios gings um den jüngst erstarkenden Nationalismus in Kroatien. Eigentlich, grob gesprochen, sind die Kriege überstanden. Das Land ist Mitgiied der EU. Zumindest der Tourismus bietet dank natürlicher Gegebenheiten, EU, Frieden usw. sehr gute Bedingungen für einen Neustart. "Der Aufbau kann beginnen". So lautete das allgemeine Gefühl noch vor einigen Jahren. Die Sendung widmet sich ausführlich diesem sozialpsychologischen Kuriosum des zunehmenden Versinkens in einem natioanliistischen Irrationalismus. Um mehrere Größenordnungen drastischer spielt sich dieses Hinnehmen von Wohlstandsverlusten durch Einbrechen des Tourisitikgeschäfts in der Türkei ab. Es scheint alles egal zu sein.
Krieg, Feind, Vaterland, Volk, Verrat – das sind die Schlüsselbegriffe des eigenartigen Diskurses, der in Kroatien von Monat zu Monat hitziger geführt wird. Es klingt wie ein Befund aus einer psychiatrischen Krankengeschichte, wenn die Zagreber Sozialpsychologin Dinka Ćorkalo-Biruški den mentalen Zustand ihrer Nation beschreibt.
Und der sozialpsychologische Befund für die Phänomene Erdogan, Kaczynski, Brexit, Putin ,Trump, Orbán usw. sieht ganz ähnlich aus, Selbstzerstörerische Irrationalität.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Sonntag 28. Januar 2018, 07:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von joss fritz »

Adam Smith hat geschrieben:(16 Jan 2018, 21:35)

Im Prinzip müssten die Länder oder Städte usw. wie die Unternehmen um die besten Menschen konkurrieren. Und das wäre auch das Beste. Denn der Kapitalismus beweist jedes Mal, dass er das optimalste und beste System ist.
Das ist grundsätzlich richtig, für 1% der Weltbevölkerung, das immer reicher wird. Für die Mehrheit der Menschheit heißt Kapitalismus Armut, Krieg und Klimakatastrophen. :mad2:
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Woppadaq »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 Jan 2018, 07:24)

Ein weiteres Exemplar eines weltweit operierenden Verbrecherclans ist die Firma IKEA. Und auch sie spielt, wie kaum irgendeine zweite, mit diesem Nationen-Identifikations-Mythos. IKEA, das ist angeblich "Schweden". Schwedische, skandinavische Lebensart.

Und damit sind wir - nach meiner Ansicht - beim Kern dieses Nationenkults: Irrationalität. Die Menschen handeln vollkommen irrational. Eine der größten Irrtümer ist dieses Modell des Homo Oeconomicus. Die derzeit wichtigsten Belege für diese These sind der Brexit und die Trump-Wahl.
Also dazu möchte ich schon mal was entgegnen: Es gibt kaum international agierende Konzerne, die nicht auf irgendeine Art und Weise wie weltweit operierende Verbrecherclans arbeiten. In den von dir genannten Firmen mit nationaler Identifikation ist die Hemmschwelle nur niedriger, weil die nationale Identifikation wie eine Art moralischer Persilschein, wie eine Art Sicherheit wirkt.

Was Irrationalität angeht: manches Verhalten gewisser Personen, welches auf uns irrational wirkt, ist eigentlich völlig logisch, wenn man es mal von einem egoistischen Standpunkt aus betrachtet. Das betrifft die Brexiteers, die langsam die schnauze voll davon haben, dass es bei ihnen - trotz EU-Geld - nicht vorwärts geht, und die denken, ohne EU muss die Regierung in London den Fokus früher oder später auch auf sie richten, weil die dann niemanden mehr haben, dem sie die Schuld geben können, dass kein Geld mehr da ist. Das betrifft die Trump-Voter, die "Weiter so"-Hillary hassen und gleichzeitig Trumps Verachtung für den Rest der Republikaner teilen. Das betrifft auch die AfD-Wähler im Osten, von denen viele die AfD nur wählen, weil sie von den etablierten Parteien gehasst wird , die einen medialen Shitstorm initialisieren, der viele im Osten an das hetzerische Gebahren der alten SED erinnert. Erschwerend kommt hinzu, dass es gerade im Osten nie einen echten Meinungsdiskurs gegeben hat. Für viele Ossis galt zu DDR-Zeiten: man hat eine öffentliche Meinung, und man hat eine private, und die private geht niemanden etwas an, und die kann schon ziemlich extrem sein. Seit der Wende darf man die private Meinung zu seiner öffentlichen machen, aber der Habitus mit den zwei Meinungen gibt es immer noch, einem diskurs gehen die meisten Ossis immer noch aus dem Wege, sei es, dass sie wissen, dass sie ihn verlieren werden, sei es nur aus Harmoniesucht.

Das positive am Nationalkult seh ich persönlich, dass man das Gemeinsame betont, wenn das Gemeinsame schon fast keine Rolle mehr zu spielen scheint.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Teeernte »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 Jan 2018, 07:24)


Ein weiteres Exemplar eines weltweit operierenden Verbrecherclans ist die Firma IKEA. Und auch sie spielt, wie kaum irgendeine zweite, mit diesem Nationen-Identifikations-Mythos. IKEA, das ist angeblich "Schweden". Schwedische, skandinavische Lebensart.
Die 11 Geheimnisse des IKEA-Erfolgs....Seite 77. https://books.google.de/books?isbn=3404605942
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Adam Smith »

joss fritz hat geschrieben:(28 Jan 2018, 07:30)

Das ist grundsätzlich richtig, für 1% der Weltbevölkerung, das immer reicher wird. Für die Mehrheit der Menschheit heißt Kapitalismus Armut, Krieg und Klimakatastrophen. :mad2:
In Chile gibt es den Kapitalismus und hier gibt es so etwas nicht.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Selina
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(28 Jan 2018, 07:24)

Was wir hier (und in vergleichbaren Ländern) haben ... ist totaler Kapitalismus reinsten Wassers. Da haben wir überhaupt keine Differenzen. "Marktwirtschaft" als Begriff ist, wies scheint, tatsächlich erst jüngeren Datums. Die dahinterstehende Idee geht aber in meinem laienhaften volkswirtschafltichen Verständnis grundsätzlich auf die Adam-Smith-Vorstellung in "Der Wohlstand der Nationen" zurück. Die gegen den "Merkantilismus" gerichtet war. Gegem die Idee, unter allen Umständen, Produktivität zu erschließen, egal wie. Die Smith-Vorstellungen waren aber bereits im 18. Jahrhundert völlig naiv. Und heute erst recht. Aber als Idee dennoch positiv (wie selbst von Marx bezeugt).

Nur zwei (von hunderten) Beispiele dafür, dass der Nationenbegriff von den Mechanismen des Kapitalismus nahezu vollständig usurpiert wurde: "Deutsche Bank" und "IKEA". Im Falle der Deutschen Bank steht die Nationalitäteninanspruchnahme ja schon im Namen. Sie mussten und müssen ununterbrochen Millionen und Milliarden an Strafen zahlen. Unter anderem wegen Manipulation des LIBOR-Zinssatzes oder wegen Geldwäsche bei ihrem Russland-Ableger. Übertroffen werden sie darin lediglich von zwei Institutionen: Der "Credit Suisse" und der "Royal Bank of Scotland" (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der ... gen_Banken) In allen drei Institionen wird eine Identifikation der entpsprechenden Kapitalismus-Institution mit einer Nation suggeriert (deutsche, suisse, scotland) Und in allen drei Fällen handelt es sich nüchtern betrachtet um Verbrecherclans.

Ein weiteres Exemplar eines weltweit operierenden Verbrecherclans ist die Firma IKEA. Und auch sie spielt, wie kaum irgendeine zweite, mit diesem Nationen-Identifikations-Mythos. IKEA, das ist angeblich "Schweden". Schwedische, skandinavische Lebensart.

Und damit sind wir - nach meiner Ansicht - beim Kern dieses Nationenkults: Irrationalität. Die Menschen handeln vollkommen irrational. Eine der größten Irrtümer ist dieses Modell des Homo Oeconomicus. Die derzeit wichtigsten Belege für diese These sind der Brexit und die Trump-Wahl. Es geht aber auch kleiner und übersichtlicher. In einer der letzten Sendungen der Reihe "hintergrund" des Deuschlandradios gings um den jüngst erstarkenden Nationalismus in Kroatien. Eigentlich, grob gesprochen, sind die Kriege überstanden. Das Land ist Mitgiied der EU. Zumindest der Tourismus bietet dank natürlicher Gegebenheiten, EU, Frieden usw. sehr gute Bedingungen für einen Neustart. "Der Aufbau kann beginnen". So lautete das allgemeine Gefühl noch vor einigen Jahren. Die Sendung widmet sich ausführlich diesem sozialpsychologischen Kuriosum des zunehmenden Versinkens in einem natioanliistischen Irrationalismus. Um mehrere Größenordnungen drastischer spielt sich dieses Hinnehmen von Wohlstandsverlusten durch Einbrechen des Tourisitikgeschäfts in der Türkei ab. Es scheint alles egal zu sein.

Und der sozialpsychologische Befund für die Phänomene Erdogan, Kaczynski, Brexit, Putin ,Trump, Orbán usw. sieht ganz ähnlich aus, Selbstzerstörerische Irrationalität.
Sehe ich zu großen Teilen auch alles so. Bis auf den Begriff "Irrationalität". Für mich gehört all das zum Wesen des Kapitalismus dazu: Nämlich alles zu tun, um den Gewinn zu vergrößern und das auf Teufel komm raus und im Grunde nichts zu tun für den Menschen/Produzenten eben diesen Gewinnes (oder gerade so viel, um ihn ruhig zu stellen) sowie sämtliche Erscheinungen des Nationalismus. Der tritt nur mal mehr, mal weniger deutlich in Erscheinung. Die Mechanismen des Kapitalismus (Eigentum, Kapital, Mehrwert etcpp) bringen solche Befunde einschließlich Nationalismus, wie von dir gut beschrieben, hervor. Das ist also nix Irrationales, sondern etwas völlig Rationales, Folgerichtiges. Man braucht auch nicht viel Fantasie, sich den Nationalismus noch bis in seine aggressive Steigerung hinein vorzustellen. "Vorbilder" gibts genug.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

joss fritz hat geschrieben:(28 Jan 2018, 07:30)

Das ist grundsätzlich richtig, für 1% der Weltbevölkerung, das immer reicher wird. Für die Mehrheit der Menschheit heißt Kapitalismus Armut, Krieg und Klimakatastrophen. :mad2:
Du sagst es :thumbup:
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

Woppadaq hat geschrieben:(28 Jan 2018, 11:41)

Erschwerend kommt hinzu, dass es gerade im Osten nie einen echten Meinungsdiskurs gegeben hat. Für viele Ossis galt zu DDR-Zeiten: man hat eine öffentliche Meinung, und man hat eine private, und die private geht niemanden etwas an, und die kann schon ziemlich extrem sein.
Das ist mir zu undifferenziert: Ich bin auch Ossi, hab aber immer - auch öffentlich - meine Meinung gesagt. Die Leute um mich rum auch. Und wir wurden auch nirgendwohin abgeholt von Schlapphut-Männern (was natürlich einigen "Staatsfeinden" durchaus passierte und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit war. Das betraf trotzdem nicht die Masse der Kritiker, weil man sonst die halbe DDR hätte abholen müssen). Wir kritisierten und wurden kritisiert, kriegten ordentlich auf den Deckel, kritisierten aber weiter, stritten uns politisch und waren durchaus in einem ständigen "echten Meinungsdiskurs", um in deiner Diktion zu bleiben. Ich glaube eher, dass gerade so eine Schwarz-Weiß-Sicht auf den Osten zur Folge hat, dass sich ein Großteil der Ostleute nach wie vor nicht angenommen/angekommen fühlt, sondern eher als Menschen zweiter Klasse. Gerade dieses Gefühl der Minderwertigkeit, das natürlich auch viele knallharte ökonomische Nachwende-Ursachen hat, hat sehr viele Leute in die Hände der AfD getrieben. Ich frag mich eher, wo heute die vielen Revolutionäre aus der Wendenzeit sind und was die heute für das Anprangern und den Abbau der großen wirtschaftlichen und politischen Unterschiede in Ost und West tun.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Woppadaq »

Selina hat geschrieben:(28 Jan 2018, 14:43)

Das ist mir zu undifferenziert: Ich bin auch Ossi, hab aber immer - auch öffentlich - meine Meinung gesagt. Die Leute um mich rum auch. Und wir wurden auch nirgendwohin abgeholt von Schlapphut-Männern (was natürlich einigen "Staatsfeinden" durchaus passierte und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit war. Das betraf trotzdem nicht die Masse der Kritiker, weil man sonst die halbe DDR hätte abholen müssen). Wir kritisierten und wurden kritisiert, kriegten ordentlich auf den Deckel, kritisierten aber weiter, stritten uns politisch und waren durchaus in einem ständigen "echten Meinungsdiskurs", um in deiner Diktion zu bleiben.
Das klingt für mich danach, dass du eher ein Meinungsdiskurs mit dem Staat oder mit damaligen Parteiorganen hattest. Das mag sein, den hatte ich auch, aber was ist mit dem Diskurs der Leute, die eine aus damaliger sicht zu extreme Meinung hatten ? Hast du mit denen auch den Diskurs gesucht? Hst du nach der Wende mit Nazis, REP-und NPD-Wählern im Osten über ihre Ansichten diskutiert ?
Ich glaube eher, dass gerade so eine Schwarz-Weiß-Sicht auf den Osten zur Folge hat, dass sich ein Großteil der Ostleute nach wie vor nicht angenommen/angekommen fühlt, sondern eher als Menschen zweiter Klasse. Gerade dieses Gefühl der Minderwertigkeit, das natürlich auch viele knallharte ökonomische Nachwende-Ursachen hat, hat sehr viele Leute in die Hände der AfD getrieben. Ich frag mich eher, wo heute die vielen Revolutionäre aus der Wendenzeit sind und was die heute für das Anprangern und den Abbau der großen wirtschaftlichen und politischen Unterschiede in Ost und West tun.
Die grossen Revolutionäre aus der Wendezeit waren schon damals recht egoistisch gepolt. Was auch OK war, denn die DDR brauchte ein egoistisches Korrektiv. Mit der Wiedervereinigung war das aber schon wieder überholt, und inzwischen zeigt sich dieses Korrektiv wieder - zum Teil auch aus Unsicherheit über die weitere Richtung.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(28 Jan 2018, 11:41)
Was Irrationalität angeht: manches Verhalten gewisser Personen, welches auf uns irrational wirkt, ist eigentlich völlig logisch, wenn man es mal von einem egoistischen Standpunkt aus betrachtet. Das betrifft die Brexiteers, die langsam die schnauze voll davon haben, dass es bei ihnen - trotz EU-Geld - nicht vorwärts geht, und die denken, ohne EU muss die Regierung in London den Fokus früher oder später auch auf sie richten, weil die dann niemanden mehr haben, dem sie die Schuld geben können, dass kein Geld mehr da ist.
Die Irrationalität sämtlicher Diskussionen rund um Themen mit Bezug zu "EU-Geldern" besteht schon mal darin, die Größenrelationen nicht zu beachten. EU-Gelder, sowohl auf der Ausgabe- wie auch auf der Einnahme-Seite müssen in Relation zu Kennziffern wie BIP betrachtet werden. Und dann sind sie schon mal kein ganz unwichtiges aber doch eines von mehreren Themen ,...
Das betrifft auch die AfD-Wähler im Osten, von denen viele die AfD nur wählen, weil sie von den etablierten Parteien gehasst wird , die einen medialen Shitstorm initialisieren, der viele im Osten an das hetzerische Gebahren der alten SED erinnert. Erschwerend kommt hinzu, dass es gerade im Osten nie einen echten Meinungsdiskurs gegeben hat. Für viele Ossis galt zu DDR-Zeiten: man hat eine öffentliche Meinung, und man hat eine private, und die private geht niemanden etwas an, und die kann schon ziemlich extrem sein.
Täusch dich mal nicht. Es gab auch im (deutschen) Osten eine oppositionelle Gegenöffentlichkeit. Wenn diese auch rein zahlenmäßig nicht so ins Gewicht fiel. Das ganze Phänomen der "Samisdat"-Pulbikationen besagt nichts anderes als: Es gibt ein anderes Meinungsbild und wir finden Mittel und Wege, um wenigstens in beschränktem Umfang dies zu einer nicht legalen Gegenöffentlichkeit zu machen. Dort war allerdings nicht und niemals die Rede davon, die Nation wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Im Gegenteil.

In Dresden entstand nicht nur die Pegida-Bewegung. Dresden war zu DDR-Zeiten auch eines der Zentren oppositioneller Gegenbewegungen. Das, was dort an Samisdat-Pulbikationen zu DDR-Zeiten entstand und im Untergrund publiziert wurde, steht heute in Form von "Künstlerbüchern" in verschiedenen Galerien von Leipzig bis New York. Ich war selbst an einigen solchen Projekten beteiligt. Extrem nationalistische Positionen wurden, wenn auch gewissermaßen auf Probe nach meiner Erfahrung eher von SED-Genossen und FDJ-Funktionären vorgetragen. Insbesondere die Zeit des Ausnahmezustands in Polen 81-83 war für die SED eine Gelegenheit, um mal zu schauen, wie man die verbreiteten antipolnischen Ressentiments in der Bevölkerung vielleicht irgendwie mit dem Parteikurs in Übereinstimmung bringen könnte.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(28 Jan 2018, 14:08)

Sehe ich zu großen Teilen auch alles so. Bis auf den Begriff "Irrationalität". Für mich gehört all das zum Wesen des Kapitalismus dazu: Nämlich alles zu tun, um den Gewinn zu vergrößern und das auf Teufel komm raus und im Grunde nichts zu tun für den Menschen/Produzenten eben diesen Gewinnes (oder gerade so viel, um ihn ruhig zu stellen) sowie sämtliche Erscheinungen des Nationalismus. Der tritt nur mal mehr, mal weniger deutlich in Erscheinung. Die Mechanismen des Kapitalismus (Eigentum, Kapital, Mehrwert etcpp) bringen solche Befunde einschließlich Nationalismus, wie von dir gut beschrieben, hervor. Das ist also nix Irrationales, sondern etwas völlig Rationales, Folgerichtiges. Man braucht auch nicht viel Fantasie, sich den Nationalismus noch bis in seine aggressive Steigerung hinein vorzustellen. "Vorbilder" gibts genug.
Von Seiten der Produzenten mag das rational seien. Von Seiten der Konsumenten ist es das nicht.

Man muss auch gar nicht so weit bis nach Kroatien oder in die Türkei blicken. Was steht hinter der völligen Irrationalität des politischen Rechsaußenseins und der traurigen politischen Rechtsaußen-Spitzenposition der Top-Ferienregionen Insel Usedom und Sächsische Schweiz? Mit Sicherheit nicht irgendein internationaler Tourismus-Konzern. Zumindest auf Usedom ist es völlig klar, dass nix anderes als der Tourismus für Wohlstand und Arbeitsplätze in dem Maße sorgen kann. Und dennoch fahren dort AfD und NPD Spitzenwerte bei Wahlen ein wie sonst nirgendwo in Deutschland. Was ist das? Kapitalismus? Ne! Kapitalismus will mit Golfplätzen und Luxushotels die Ressource "Ostsee" zu Geld machen. Fertig. Der Rechtsruck auf Usedom ist definitiv etwas anderes. Nicht Kapitalismus! Oder, um es provokant zu formulieren: Auf Usedom (wie auch in anderen Regionen in Deutschland und Europa) würde ich mir mal so einen kleinen "Sieg des Kapitalismus" wünschen.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Jan 2018, 07:55)

Von Seiten der Produzenten mag das rational seien. Von Seiten der Konsumenten ist es das nicht.

Man muss auch gar nicht so weit bis nach Kroatien oder in die Türkei blicken. Was steht hinter der völligen Irrationalität des politischen Rechsaußenseins und der traurigen politischen Rechtsaußen-Spitzenposition der Top-Ferienregionen Insel Usedom und Sächsische Schweiz? Mit Sicherheit nicht irgendein internationaler Tourismus-Konzern. Zumindest auf Usedom ist es völlig klar, dass nix anderes als der Tourismus für Wohlstand und Arbeitsplätze in dem Maße sorgen kann. Und dennoch fahren dort AfD und NPD Spitzenwerte bei Wahlen ein wie sonst nirgendwo in Deutschland. Was ist das? Kapitalismus? Ne! Kapitalismus will mit Golfplätzen und Luxushotels die Ressource "Ostsee" zu Geld machen. Fertig. Der Rechtsruck auf Usedom ist definitiv etwas anderes. Nicht Kapitalismus! Oder, um es provokant zu formulieren: Auf Usedom (wie auch in anderen Regionen in Deutschland und Europa) würde ich mir mal so einen kleinen "Sieg des Kapitalismus" wünschen.
Naja, zufällig kenne ich mich ein wenig aus auf Usedom. Geh mal ins Hinterland. Schau dir mal die Dörfer an. Da gabs neulich auch ne gute Dokumentation dazu. Dort gibt es die höchste Arbeitslosigkeit, die größte Überalterung, die höchste Abwanderung junger Leute. Überall Zerfall, Stagnation. Keine Jugendklubs, überhaupt nichts für junge Leute. Keine Perspektive außer mal nen Job inner Hotelküche in der Saison. Einen krasseren Gegensatz zu den vorderen Kaiserbädern direkt am Strand (wo eine Luxus-Ferien-Villa nach der anderen entsteht) kannste gar nicht finden. Bilderbuch-Kapitalismus... in all seiner Widersprüchlichkeit. Und auch, wenn das immer wieder bestritten wird (die Gründe für dieses Bestreiten sind bekannt): Es ist durchaus die wirtschaftliche Misere in einzelnen Regionen, die absolute Perspektivlosigkeit, die die Leute so krass rechtsnational bis rechtsradikal denken lassen. "Abgehängter" als die kann man als Mensch quasi gar nicht sein wie da oben im Hinterland (müsste ja geografisch eigentlich "da unten" heißen, hehehe). Trifft diese ökonomische Tatsache auf ein latent vorhandenes rechtes Denken, ergibt sich eine hochexplosive Mischung, die sich derzeit in den hohen Pozentzahlen für die AfD (in einer Usedom-Gemeinde waren es zur Bundestagswahl sage und schreibe 44,1 Prozent für die AfD) äußert. Dort gibt es viele rechtsradikale Allmachtsfantasien, wo man sich große Sorgen machen sollte. Sicher, da wirken viele Faktoren. Aber den Zusammenhang von Rechtsruck und Wirtschaft/Lebensbedingungen (Kapitalismus reinsten Wassers) bei der Analyse völlig außen vor zu lassen, ist grundfalsch.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von schokoschendrezki »

Usedom präsentiert sich Einheimischen wie Touristen als lebendige Insel. Es gibt in allen Dörfern funktionierende Vereinsstrukturen, Gaststätten, Freizeit- und Sportanlagen, von denen andere Gemeinden im Land nicht einmal zu träumen wagen.
Ich kenn mich ja auch relativ gut dort aus. Wenn mit "Hinterland" auch der ganze Landkreis VG gemeint ist, dann mag das stimmen ... auf Usedom selbst könnte man in diesem Fall "Irrationalität" auch mit "Neid", teils auch mit Veränderungs-Überforderung übersetzen. Und ansonsten ändert es meine Meinung nicht: Es ist weder Marktwirtschaftlichkeit noch Kapitalismus, die in solchen Regionen wie NO-Deutschland gesetzmäßig zu Verelendung und Rechtspopulismus führen. Selbst diese im Maßstab von Deutschland teils abgehängten Regionen sind im Weltmaßstab gesehen immer noch Netto-Profiteure des Kapitalismus-Champions Deutschland.

Die Werft im benachbarten Stettin war ungefähr Mitte der letzten Dekade mal zwischenzeitlich die größte in ganz Europa. Mit über 10000 Beschäftigten. Und war Mitte der 90er gar auf Rang 5 der Weltrangliste der Werften. Es ist so gut wie nix davon übriggeblieben. Das ist nun wirklich Kapitalismus. Die Rechtspopulisten von der PiS erreichten aber bei den Parlamentswahlen 2015 weder in der Region (Westpommern) noch gar in der Stadt Stettin besonders gute Resultate.Im Gegenteil. Westpommern war 2015 die einzige Woijewodschaft in Polen mit einer Mehrheit der Tusk-Partei gegenüber der PiS. Und von Pessimismus und schlechter Laune ist in der Stadt Stettin auch so gut wie garnix zu spüren. So einfach ist es eben nicht.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

Kein Mensch sagt, dass es einfach ist, jedoch den Rechtsextremismus (wie auch alle anderen ideologischen Erscheinungen) ganz ohne Lebensverhältnisse und ökonomische Basis zu denken, ist eben reiner Idealismus. Da kommen wir nicht zusammen. Und das Meckpomm-Insel-Hinterland, das ich kenne und das auch in der erwähnten Doku sehr detailliert beschrieben wird, ist durchaus eine krass abgehängte stagnierende Region. Warum sollte ich mir so etwas ausdenken? "Veränderungs-Überforderung"? Ja, sicher, auch das spielt eine Rolle. Aber all das Emotionale, Verkopfte und Negativ-Dämonische hängt immer mit ganz konkreten Umständen und Verhältnissen zusammen. Sprich mit den Rechten da oben; das sagen die auch genau so. Und ich sprach auch nicht von irgendeinem "gesetzmäßigen" Zusammenhang von "Verelendung und Rechtspopulismus". Das sind deine eigenen Worte, mit denen du mir son M/L-Quatsch unterstellen möchtest. Nee, ich sagte, dass durchaus viele Faktoren eine Rolle spielen. So wird zum Beispiel nationalistisches und rechtsradikales Denken auch im Elternhaus vorgelebt. Und im Kollegen- und Freundeskreis. Was aber ebenfalls eher ein Argument für meine These ist, dass die Verhältnisse zuallererst bestimmen, wo sich einer hinentwickelt. Und das sind halt derzeit kapitalistische Verhältnisse... mit enormen Widersprüchen, für etliche Leute mit sehr negativen Auswirkungen.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Hyde »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 11:44)
Es ist durchaus die wirtschaftliche Misere in einzelnen Regionen, die absolute Perspektivlosigkeit, die die Leute so krass rechtsnational bis rechtsradikal denken lassen.
Ich will nicht sagen, dass wirtschaftliche Gründe gar keine Rolle bei der politischen Gesinnung spielen, den Hauptgrund für die verbreitete rechte Gesinnung sehe ich jedoch im Erbe der totalitären Diktatur in der DDR. 60 Jahre Propaganda, 60 Jahre Unfreiheit (erst unter braun, dann unter rot) hinterlassen ihre Spuren.
Man darf nicht vergessen, wie sehr die Menschen in der DDR eingeschränkt waren: die durften nicht mal zum Urlaub ins Ausland, in den Westen. Sie hatten folglich jahrzehntelang nicht den geringsten Kontakt zu Ausländern, zu anderen Kulturen, zu anderen Denkweisen. Dieses Erbe wirkt noch nach und wird noch teilweise an die nächsten Generationen weitergegeben.

Man sieht das auch an Sachsen, das ja - für ostdeutsche Verhältnisse - eher ein florierendes Bundesland ist und trotzdem kriegt die AfD dort fast 30 Prozent.

Und wenn man nach Westdeutschland schaut, dann sieht man zum Beispiel, dass die AfD in reichen Bundesländern wie Bayern sogar stärker ist als in ärmeren Bundesländern wie dem Saarland.

Somit würde ich die These, dass Wirtschaftsprobleme zu rechtem Denken führen, nicht einfach so gelten lassen.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

Hyde hat geschrieben:(29 Jan 2018, 13:38)

Somit würde ich die These, dass Wirtschaftsprobleme zu rechtem Denken führen, nicht einfach so gelten lassen.
Ich sagte, es sind viele Faktoren, die zu rechtsradikalem, völkischem und nationalistischem Denken führen. Wobei man die drei Jahrzehnte Nachwende-Zeit nicht einfach außen vor lassen sollte in der Betrachtung der Ursachen. Rechtes Denken und Handeln ist das Ergebnis aus einer Mischung von Einflussfaktoren, die aber alle dem jeweiligen System innewohnen. Jeder Mensch ist nicht nur das Produkt seiner Gene, sondern immer auch der Verhältnisse. Und jeder noch so verkorkste DDR-Mensch hat inzwischen fast drei Jahrzehnte real existierenden Kapitalismus hinter sich. Das ist keine Zeit, die man einfach so überspringen oder auslassen kann gedanklich. Mal ganz davon abgesehen, dass viele der heutigen Rechtspopulisten zu DDR-Zeiten noch Kinder waren oder sogar erst nach der Wende geboren worden sind. Und das berühmte wirtschaftlich "aufstrebende" Sachsen, das ist auch so ein Ammenmärchen. Das sind ein paar Leuchttürme, die emporragen und die immer wieder von der jahrzehntelang herrschenden CDU hochgehalten und zitiert werden. Die Alters- und Kinderarmut hinter den sächsischen Kulissen, der wachsende Anteil an prekärer Arbeit (unbefristet, Leiharbeit, Zwangs-Teilzeit), der Zerfall ganzer Stadtviertel ein paar Meter hinter den schick sanierten Innenstädten und das ständige Sparen der Kommunen an allen Ecken und Enden ... all das kommt natürlich nicht vor in den sächsischen CDU-Hochglanz-Broschüren.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von pikant »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 14:42)

Ich sagte, es sind viele Faktoren, die zu rechtsradikalem, völkischem und nationalistischem Denken führen. Wobei man die drei Jahrzehnte Nachwende-Zeit nicht einfach außen vor lassen sollte in der Betrachtung der Ursachen. Rechtes Denken und Handeln ist das Ergebnis aus einer Mischung von Einflussfaktoren, die aber alle dem jeweiligen System innewohnen. Jeder Mensch ist nicht nur das Produkt seiner Gene, sondern immer auch der Verhältnisse. Und jeder noch so verkorkste DDR-Mensch hat inzwischen fast drei Jahrzehnte real existierenden Kapitalismus hinter sich. Das ist keine Zeit, die man einfach so überspringen oder auslassen kann gedanklich. Mal ganz davon abgesehen, dass viele der heutigen Rechtspopulisten zu DDR-Zeiten noch Kinder waren oder sogar erst nach der Wende geboren worden sind. Und das berühmte wirtschaftlich "aufstrebende" Sachsen, das ist auch so ein Ammenmärchen. Das sind ein paar Leuchttürme, die emporragen und die immer wieder von der jahrzehntelang herrschenden CDU hochgehalten und zitiert werden. Die Alters- und Kinderarmut hinter den sächsischen Kulissen, der wachsende Anteil an prekärer Arbeit (unbefristet, Leiharbeit, Zwangs-Teilzeit), der Zerfall ganzer Stadtviertel ein paar Meter hinter den schick sanierten Innenstädten und das ständige Sparen der Kommunen an allen Ecken und Enden ... all das kommt natürlich nicht vor in den sächsischen CDU-Hochglanz-Broschüren.
aber mit so einer Begruendung ist das gute Ergebnis der AFD in BAWUE null zu erklaeren und die guten Umfragewerte in Bayern fuer die Partei und bei der BTW noch weniger.
Gerade in den westlichen Laendern, wo es den Buergern wirtschaftlich nicht immer top geht, hat die AfD bescheidene Ergebnisse vorzuweisen.

Im Osten kommt Sozialisierung noch hinzu, denn der Osten Deutschland steht ja nicht alleine mit seinen Rechten und ist da in einer Linie von ehemaligen Staaten im Ostblock, die frueher geschlossene Grenzen hatten und Schwarze, Afrikaner meist nur aus dem Fernsehen kannten und nach Oeffnung kam dann der Kulturschock und ja die haben uns dass die Arbeit weggenommen........

es ist doch eher so, dass in den Gebieten wo man seit Jahrzehnten mit Auslaendern lebt, die Ergebnisse der AfD bescheiden sind und dort wo man die Auslaender mit der Lupe suchen muss, die AfD stark ist.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von oga »

pikant hat geschrieben:(29 Jan 2018, 14:50)

Im Osten kommt Sozialisierung noch hinzu, denn der Osten Deutschland steht ja nicht alleine mit seinen Rechten und ist da in einer Linie von ehemaligen Staaten im Ostblock, die frueher geschlossene Grenzen hatten und Schwarze, Afrikaner meist nur aus dem Fernsehen kannten...
Entweder bist Du nicht aus dem Osten, oder Du bist nach der Wende geboren. :D
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Hyde »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 14:42)
Mal ganz davon abgesehen, dass viele der heutigen Rechtspopulisten zu DDR-Zeiten noch Kinder waren oder sogar erst nach der Wende geboren worden sind.
Sie wurden aber von Eltern erzogen (und haben von denen Werte mitbekommen), die in der DDR sozialisiert wurden. Sie mögen zwar nach 1990 geboren sein, sind aber in einem gesellschaftlichen Umfeld von lauter DDR-sozialisierter Menschen aufgewachsen (ihre Familie, ihre Lehrer, ihre Nachbarn, ...).

Die Schäden einer unmündigen Diktatur lassen sich nicht einfach innerhalb weniger Jahrzehnte ausmerzen und färben sogar noch auf kommende Generationen ab, die gar nicht mehr in der Diktatur geboren wurden.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Alter Stubentiger »

pikant hat geschrieben:(29 Jan 2018, 14:50)

aber mit so einer Begruendung ist das gute Ergebnis der AFD in BAWUE null zu erklaeren und die guten Umfragewerte in Bayern fuer die Partei und bei der BTW noch weniger.
Gerade in den westlichen Laendern, wo es den Buergern wirtschaftlich nicht immer top geht, hat die AfD bescheidene Ergebnisse vorzuweisen.

Im Osten kommt Sozialisierung noch hinzu, denn der Osten Deutschland steht ja nicht alleine mit seinen Rechten und ist da in einer Linie von ehemaligen Staaten im Ostblock, die frueher geschlossene Grenzen hatten und Schwarze, Afrikaner meist nur aus dem Fernsehen kannten und nach Oeffnung kam dann der Kulturschock und ja die haben uns dass die Arbeit weggenommen........

es ist doch eher so, dass in den Gebieten wo man seit Jahrzehnten mit Auslaendern lebt, die Ergebnisse der AfD bescheiden sind und dort wo man die Auslaender mit der Lupe suchen muss, die AfD stark ist.
Da wo Auslände wohnen und man mit denen in Kontakt kommt sieht man ja dass die gar nicht soviel anders sind.

Der Ost hat fast nirgendwo ein Ausländerproblem. Man hat Strukturprobleme. Und die Politiker der etablierten Parteien gehen oft gar nicht in die Stadtviertel um zu schauen wo der Schuh drückt. Da werden Polizei und Feuerwehrwachen geschlossen. Amtsgerichte und Verwaltungen weit weg in den Zentren zusammengefasst. Und Krankhäuser dichtgemacht. Oft wird auch noch die letzte Sparkasse aus Kostengründen wegrationalisiert. Klar daß die Leute sich allein gelassen fühlen. Das Spielfeld für die Populisten ist bereitet. Und neben den Politikernder Etablierten muß noch ein richtiger Buhmann her: Der Ausländer der Sozialleistungen abgreift und Einheimische verdrängt. Da man keine Ausländer kennt sind die leicht zu stigmatisieren. Und da auch immer wieder einige der Zugereisten tatsächlich jedem Klischee entsprechen ist es ganz leicht die Emotionen hochkochen zu lassen. So wählt man dann die AfD. Deren idiotische Parolen darf man sich dann im Bundestag anhören und sich fragen welcher Idiot solche Krachkasper eigentlich wählt. Aber man vergist dabei dass alles gezielte Provokation ist um noch mehr Stimmung zu machen. Schade daß das Niveau der Politik so ein Niveau erreicht hat. Und schade dass die Leute nicht klug genug sind sich angewidert abzuwenden.
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...und die Mauer wird noch in 50 oder 100 Jahren stehen (Erich Honecker)
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

pikant hat geschrieben:(29 Jan 2018, 14:50)

aber mit so einer Begruendung ist das gute Ergebnis der AFD in BAWUE null zu erklaeren und die guten Umfragewerte in Bayern fuer die Partei und bei der BTW noch weniger.
Gerade in den westlichen Laendern, wo es den Buergern wirtschaftlich nicht immer top geht, hat die AfD bescheidene Ergebnisse vorzuweisen.

Im Osten kommt Sozialisierung noch hinzu, denn der Osten Deutschland steht ja nicht alleine mit seinen Rechten und ist da in einer Linie von ehemaligen Staaten im Ostblock, die frueher geschlossene Grenzen hatten und Schwarze, Afrikaner meist nur aus dem Fernsehen kannten und nach Oeffnung kam dann der Kulturschock und ja die haben uns dass die Arbeit weggenommen........

es ist doch eher so, dass in den Gebieten wo man seit Jahrzehnten mit Auslaendern lebt, die Ergebnisse der AfD bescheiden sind und dort wo man die Auslaender mit der Lupe suchen muss, die AfD stark ist.
Es gab durchaus auch Ausländer in der DDR, die so genannten Vertragsarbeiter zum Beispiel, darunter auch Afrikaner, Kubaner, Vietnamesen. Es gab Russen, Bulgaren, Tschechen in der DDR. Viele junge Leute aus den afrikanischen Staaten studierten zum Beispiel in der DDR, manche schwärmen heute noch von ihrer guten Ausbildung. Ich hatte selbst ne Menge ausländische Kommilitonen. Nee, wie man diesen Menschen begegnete und ob man ihnen überhaupt begegnete, das lag ganz alleine an der verinnerlichten Weltoffenheit eines jeden einzelnen. Ob Mauer oder keine Mauer. Auch wenn wir nicht in westliche Länder reisen durften, haben viele doch die gesamten Ostblockstaaten bereist. Nee, einen Bodensatz von rechtsradikal tickenden Leuten gab es immer schon, und das in beiden deutschen Staaten. Und heute kriecht das eben aus allen Löchern. Und artikuliert sich laut und vernehmlich. Und dort, wo im Osten (und in einigen West-Regionen) wirtschaftliche Probleme herrschen, Existenzängste hochkommen, gekoppelt mit Entwertung der eigenen Biografie, einem Gefühl, nicht mitreden zu dürfen, da greift eben dieses Besorgte-Bürger-Denken um sich, das sich zumeist schlicht als rechtspopulistisch und fremdenfeindlich entpuppt. Und ja, auch in kleinbürgerlichen Ecken, wo es eigentlich einen recht guten Lebensstandard gibt, hat die AfD viele Stimmen geholt. Dieses Ursachen-Geflecht aus allen genannten Faktoren (auch widersprüchlichen) konnte man schon einmal erleben beim Entstehen des deutschen Faschismus.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

Hyde hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:06)

Sie wurden aber von Eltern erzogen (und haben von denen Werte mitbekommen), die in der DDR sozialisiert wurden. Sie mögen zwar nach 1990 geboren sein, sind aber in einem gesellschaftlichen Umfeld von lauter DDR-sozialisierter Menschen aufgewachsen (ihre Familie, ihre Lehrer, ihre Nachbarn, ...).

Die Schäden einer unmündigen Diktatur lassen sich nicht einfach innerhalb weniger Jahrzehnte ausmerzen und färben sogar noch auf kommende Generationen ab, die gar nicht mehr in der Diktatur geboren wurden.
Naja, das ist ein typisches Schwarz-Weiß-Klischee zur DDR. Da hat schon jeder was Unterschiedliches von seinen Eltern mitbekommen. Bei mir etwa gab und gibt es nicht die Spur von Fremdenhass und Nationalismus. Und bei den vielen anderen Ossis in meinem Umfeld auch nicht. Wir (also der relativ große Kreis von Leuten, den ich überblicken kann) haben schon ein recht anständiges Leben geführt. Eines, das in vielen Punkten sogar interessanter und erfüllter war als das heutige. Ich füge hinzu: Nein, ich bin keine Nostalgikerin, keine Ex-Funktionärin oder dergleichen mehr. Im Gegenteil.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von pikant »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:32)

Naja, das ist ein typisches Schwarz-Weiß-Klischee zur DDR. Da hat schon jeder was Unterschiedliches von seinen Eltern mitbekommen. Bei mir etwa gab und gibt es nicht die Spur von Fremdenhass und Nationalismus. Und bei den vielen anderen Ossis in meinem Umfeld auch nicht. Wir (also der relativ große Kreis von Leuten, den ich überblicken kann) haben schon ein recht anständiges Leben geführt. Eines, das in vielen Punkten sogar interessanter und erfüllter war als das heutige. Ich füge hinzu: Nein, ich bin keine Nostalgikerin, keine Ex-Funktionärin oder dergleichen mehr. Im Gegenteil.
da habe ich ganz andere Stimmen gehoert, die nach der Wende in den Westen sind und hier Karriere machten und endlich froh waren, dass die Mauer fiel und der Einheitsbrei weg war und nun der Leistungsgedanke im Vordergrund stand.
2/3 der ehemaligen Ostbuerger ging es nach der Wende besser und klar diese Rundumversorgung a la DDR gibt es im Kapitalismus nicht - da gibt es Grundversorgung, Hartz4 und wer mehr will, der muss sich am Markt beweisen und durchsetzen.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von pikant »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:17)

Es gab durchaus auch Ausländer in der DDR, die so genannten Vertragsarbeiter zum Beispiel, darunter auch Afrikaner, Kubaner, Vietnamesen. Es gab Russen, Bulgaren, Tschechen in der DDR. Viele junge Leute aus den afrikanischen Staaten studierten zum Beispiel in der DDR, manche schwärmen heute noch von ihrer guten Ausbildung.
ja, aber nicht mal 200 000 waren das , die Mehrheit aus Vietnam und Polen und das waren etwa 1.3% der Bevoelkerung des Landes.
man war praktisch unter sich und der Kulturschock war nach der Oeffnung da.
Afrikaner groesster Anteil, Angola 1400 Menschen und ja Lupe war doch mehr als angebracht um einen Dunkelhauetigen mal in der ehemaliten DDR zu sehen.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

pikant hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:41)

da habe ich ganz andere Stimmen gehoert, die nach der Wende in den Westen sind und hier Karriere machten und endlich froh waren, dass die Mauer fiel und der Einheitsbrei weg war und nun der Leistungsgedanke im Vordergrund stand.
2/3 der ehemaligen Ostbuerger ging es nach der Wende besser und klar diese Rundumversorgung a la DDR gibt es im Kapitalismus nicht - da gibt es Grundversorgung, Hartz4 und wer mehr will, der muss sich am Markt beweisen und durchsetzen.
Das entspricht der offiziellen Lesart. So ist es in den meisten Medien zu hören und zu lesen. Die Realität sieht ein wenig anders aus. Das DDR-Leben - falls es dich überhaupt interessiert - lernst du am besten in Zeitzeugen-Berichten kennen. Aber das müssen dann auch ganz verschiedene Zeitzeugen jeder politischen Couleur sein. Diese Mischung dürfte dann relativ realistisch sein. Relativ ;)
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Adam Smith »

pikant hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:47)

ja, aber nicht mal 200 000 waren das , die Mehrheit aus Vietnam und Polen und das waren etwa 1.3% der Bevoelkerung des Landes.
man war praktisch unter sich und der Kulturschock war nach der Oeffnung da.
Afrikaner groesster Anteil, Angola 1400 Menschen und ja Lupe war doch mehr als angebracht um einen Dunkelhauetigen mal in der ehemaliten DDR zu sehen.
Wenn von Flüchtlingen die Rede ist, dann handelt es sich immer um gut gebildete, demokratische Menschen. Warum auch immer. Bei Ostdeutschen um das genaue Gegenteil. Warum auch immer.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

pikant hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:47)

ja, aber nicht mal 200 000 waren das , die Mehrheit aus Vietnam und Polen und das waren etwa 1.3% der Bevoelkerung des Landes.
man war praktisch unter sich und der Kulturschock war nach der Oeffnung da.
Afrikaner groesster Anteil, Angola 1400 Menschen und ja Lupe war doch mehr als angebracht um einen Dunkelhauetigen mal in der ehemaliten DDR zu sehen.
Es gibt auch viele Westdeutsche, die täglich Afrikaner und Asiaten sehen und trotzdem AfD wählen. Ich sach mal so: Wer eine halbwegs vernünftige Kinderstube hatte, wird nun mal nicht zum Rassisten. Hüben und drüben.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von oga »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:56)

Es gibt auch viele Westdeutsche, die täglich Afrikaner und Asiaten sehen und trotzdem AfD wählen. Ich sach mal so: Wer eine halbwegs vernünftige Kinderstube hatte, wird nun mal nicht zum Rassisten. Hüben und drüben.
Ich weis nicht, ob man Rassismus und AfD Wahl so ohne weiteres gleichsetzten kann.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

oga hat geschrieben:(29 Jan 2018, 16:02)

Ich weis nicht, ob man Rassismus und AfD Wahl so ohne weiteres gleichsetzten kann.
Nein, natürlich nicht. Das war etwas verkürzt von mir beschrieben. Dennoch gehören Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zum AfD-Repertoire fest dazu. Wer die wählt, weil er "nur" gegen die Etablierten protestieren will, kauft den ganzen braunen Rattenschwanz mit dazu.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von PeterK »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:56)
Es gibt auch viele Westdeutsche, die täglich Afrikaner und Asiaten sehen und trotzdem AfD wählen. Ich sach mal so: Wer eine halbwegs vernünftige Kinderstube hatte, wird nun mal nicht zum Rassisten. Hüben und drüben.
Stimmt. Das erinnert mich an eine Begebenheit kurz nach der "Wende": Ich hatte einen Ferienjob in einem Büro. Herein kam eine sehr dunkelhäutige junge Frau. Ich sagte "Hi". Sie antwortete in breitestem Sächsisch "Güden Doch.". Gelungene Integration nennt man das wohl :D.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

PeterK hat geschrieben:(29 Jan 2018, 16:12)

Stimmt. Das erinnert mich an eine Begebenheit kurz nach der "Wende": Ich hatte einen Ferienjob in einem Büro. Herein kam eine sehr dunkelhäutige junge Frau. Ich sagte "Hi". Sie antwortete in breitestem Sächsisch "Güden Doch.". Gelungene Integration nennt man das wohl :D.
:D :D :D
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von oga »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 16:12)
Dennoch gehören Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zum AfD-Repertoire fest dazu. Wer die wählt, weil er "nur" gegen die Etablierten protestieren will, kauft den ganzen braunen Rattenschwanz mit dazu.
Da muss ich etwas schmunzeln. :D

Der AfD Wähler empfindet den Zustrom von Migranten als Ausbeutung der Einheimischen mittels Einwanderung in die Sozialsysteme und als aufgezwungene fremde Kultur, welche dieser mitbringt. Ist er deswegen ein Rassist?
Gehen wir mal 50-60 Jahre zurück, in die Zeit der nationalen Befreiungskämpfe Afrikas. Da wollten die Einheimischen die weissen Europäer aus ihrem Land haben. Warum? Weil sie sich ausgebeutet fühlten und weil sie ihr Leben selbst bestimmen wollten, ohne fremde kulturelle Einflüsse. War das damals Rassismus seitens der Afrikaner?
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

oga hat geschrieben:(29 Jan 2018, 16:42)

Da muss ich etwas schmunzeln. :D

Der AfD Wähler empfindet den Zustrom von Migranten als Ausbeutung der Einheimischen mittels Einwanderung in die Sozialsysteme und als aufgezwungene fremde Kultur, welche dieser mitbringt. Ist er deswegen ein Rassist?
Gehen wir mal 50-60 Jahre zurück, in die Zeit der nationalen Befreiungskämpfe Afrikas. Da wollten die Einheimischen die weissen Europäer aus ihrem Land haben. Warum? Weil sie sich ausgebeutet fühlten und weil sie ihr Leben selbst bestimmen wollten, ohne fremde kulturelle Einflüsse. War das damals Rassismus seitens der Afrikaner?
Rassismus äußert sich anders. Indem AfD-Leute erklären, dass Muslime nicht integrationsfähig seien, dass es einen "afrikanischen Ausbreitungstyp" gebe, dass Migranten generell krimineller seien als Deutsche, dass sich die Deutschen keinen "Boateng als Nachbarn" wünschen, dass das "Eigene" besser sei als das "Fremde" und deshalb verteidigt werden müsse gegen "Eindringlinge". Und noch viel mehr solchen Käse, den sie pausenlos verbreiten.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von oga »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 16:47)

Rassismus äußert sich anders. Indem AfD-Leute erklären, dass Muslime nicht integrationsfähig seien, dass es einen "afrikanischen Ausbreitungstyp" gebe, dass Migranten generell krimineller seien als Deutsche, dass sich die Deutschen keinen "Boateng als Nachbarn" wünschen, dass das "Eigene" besser sei als das "Fremde" und deshalb verteidigt werden müsse gegen "Eindringlinge". Und noch viel mehr solchen Käse, den sie pausenlos verbreiten.
Aber sicher doch!
Die Weissen beuten und aus, sie haben sich unseres Landes bemächtigt, wir sind besser als sie....
So hat man wahrscheinlich in Afrika vor 50-60 Jahren argumentiert. Mit Erfolg.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Alter Stubentiger »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 15:51)

Das entspricht der offiziellen Lesart. So ist es in den meisten Medien zu hören und zu lesen. Die Realität sieht ein wenig anders aus. Das DDR-Leben - falls es dich überhaupt interessiert - lernst du am besten in Zeitzeugen-Berichten kennen. Aber das müssen dann auch ganz verschiedene Zeitzeugen jeder politischen Couleur sein. Diese Mischung dürfte dann relativ realistisch sein. Relativ ;)
Na ja. Meine Verwandten (Zeitzeugen) waren doch ziemlich geschockt als plötzlich Umschulung und Eigenleistung gefragt war. Die hatten sich das Leben im Westen doch einfacher ausgemalt. Die Älteren haben sich denn auch so schnell wie möglich verrenten lassen. Dr. Helmut Kohl´s Leute waren damals recht großzügig bei der Entsorgung der Altlasten. Und mit meiner Verwandschaft konnte man wirklich nichts anfangen. Als ich die Typen bei der Pegida sah war mir sofort klar was für Leute dass sind. Die kannte ich ja sehr gut.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von PeterK »

oga hat geschrieben:(29 Jan 2018, 16:52)
Die Weissen beuten und aus, sie haben sich unseres Landes bemächtigt, wir sind besser als sie....
So hat man wahrscheinlich in Afrika vor 50-60 Jahren argumentiert. Mit Erfolg.
Ich meine, der Vergleich hinke nicht nur sondern bedürfe eines Rollators. Die wenigen Flüchtlinge, die in der Zone ausharren, haben sich ihrer (der Zone) ja nicht "bemächtigt". ;)
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Selina »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(29 Jan 2018, 16:59)

Na ja. Meine Verwandten (Zeitzeugen) waren doch ziemlich geschockt als plötzlich Umschulung und Eigenleistung gefragt war. Die hatten sich das Leben im Westen doch einfacher ausgemalt. Die Älteren haben sich denn auch so schnell wie möglich verrenten lassen. Dr. Helmut Kohl´s Leute waren damals recht großzügig bei der Entsorgung der Altlasten. Und mit meiner Verwandschaft konnte man wirklich nichts anfangen. Als ich die Typen bei der Pegida sah war mir sofort klar was für Leute dass sind. Die kannte ich ja sehr gut.
Ja, sicher. So hat jeder seine eigene, ganz persönliche Erfahrung gemacht. Ich mag nur nicht solche Schwarz-Weiß-Zuschreibungen, wie es oft passiert. Nach der Lesart einiger Medien sind wir Ossis auf den Bäumen lebende Wesen, die nun allmählich herunterkriechen und gerade lernen, mit Messer und Gabel zu essen, die Afrikaner nur aus Büchern kennen und die sich alle täglich vor Wonne und Freude auf die Schenkel schlagen, dass sie seit fast 30 Jahren in "Freiheit, Demokratie und Eigenverantwortung" leben dürfen :D Das ist mir immer zu sehr Klischee. Dabei gäbe es eigentlich so viel Interessantes von der deutsch-deutschen Geschichte zu entdecken, würde man nicht immerzu mit solchen Vorurteilen an alles herangehen. Was deine Beschreibung weiter oben anbelangt, wo du schilderst, was in manchen Regionen alles den Bach runtergeht (keine Kneipe, kein Lebensmittel-Laden, keine Post, keine Sparkasse, kein Jugendklub mehr), die finde ich sehr realistisch.
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Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 13:10)

Kein Mensch sagt, dass es einfach ist, jedoch den Rechtsextremismus (wie auch alle anderen ideologischen Erscheinungen) ganz ohne Lebensverhältnisse und ökonomische Basis zu denken, ist eben reiner Idealismus. Da kommen wir nicht zusammen. Und das Meckpomm-Insel-Hinterland, das ich kenne und das auch in der erwähnten Doku sehr detailliert beschrieben wird, ist durchaus eine krass abgehängte stagnierende Region. Warum sollte ich mir so etwas ausdenken? "Veränderungs-Überforderung"? Ja, sicher, auch das spielt eine Rolle. Aber all das Emotionale, Verkopfte und Negativ-Dämonische hängt immer mit ganz konkreten Umständen und Verhältnissen zusammen. Sprich mit den Rechten da oben; das sagen die auch genau so. Und ich sprach auch nicht von irgendeinem "gesetzmäßigen" Zusammenhang von "Verelendung und Rechtspopulismus". Das sind deine eigenen Worte, mit denen du mir son M/L-Quatsch unterstellen möchtest. Nee, ich sagte, dass durchaus viele Faktoren eine Rolle spielen. So wird zum Beispiel nationalistisches und rechtsradikales Denken auch im Elternhaus vorgelebt. Und im Kollegen- und Freundeskreis. Was aber ebenfalls eher ein Argument für meine These ist, dass die Verhältnisse zuallererst bestimmen, wo sich einer hinentwickelt. Und das sind halt derzeit kapitalistische Verhältnisse... mit enormen Widersprüchen, für etliche Leute mit sehr negativen Auswirkungen.
Ganz ruhig. Ich glaub, ich hab zu Karl Marx (Karl Marx wohlgemerkt und seinem Output und nicht M/L und auch nicht M/E/L oder M/E oder gar "Marxismus") ein wesentlich entspannteres Verhältnis als viele sich als "modern links" sehende Menschen. Insofern ist das keine "Unterstellung". Dass die sozialen Verhältnisse bestimmend und primär sind wie du schreibst, na der Gedanke ist doch ganz wesentlichh von wem geprägt?

Wir müssen zum Thema zurückfinden. Dass das "an sich denken" einer Nation überhaupt gar nicht so einfach als solches eingrenzbar ist ,,, das ist meine zentrale Meinung zum Thema. Was die Deutsche Bank, Siemens, Glencore, Facebook, IKEA, der DFB usw. usf. als "nationales Interesse" ausgeben, vorgeben, in Erzähungen und Bilder kleiden, ist immer nur Firmeninteresse, Immer! Und nur! Nix und niemals anderes. Und dabei mitzumachen und dies zu unterstützen als "irrational" zu sehen ist im Grunde noch eher beschönigend, Man könnte es auch schlicht als "dumm" bezeichnen,
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von Alter Stubentiger »

Selina hat geschrieben:(29 Jan 2018, 17:10)

Ja, sicher. So hat jeder seine eigene, ganz persönliche Erfahrung gemacht. Ich mag nur nicht solche Schwarz-Weiß-Zuschreibungen, wie es oft passiert. Nach der Lesart einiger Medien sind wir Ossis auf den Bäumen lebende Wesen, die nun allmählich herunterkriechen und gerade lernen, mit Messer und Gabel zu essen, die Afrikaner nur aus Büchern kennen und die sich alle täglich vor Wonne und Freude auf die Schenkel schlagen, dass sie seit fast 30 Jahren in "Freiheit, Demokratie und Eigenverantwortung" leben dürfen :D Das ist mir immer zu sehr Klischee. Dabei gäbe es eigentlich so viel Interessantes von der deutsch-deutschen Geschichte zu entdecken, würde man nicht immerzu mit solchen Vorurteilen an alles herangehen. Was deine Beschreibung weiter oben anbelangt, wo du schilderst, was in manchen Regionen alles den Bach runtergeht (keine Kneipe, kein Lebensmittel-Laden, keine Post, keine Sparkasse, kein Jugendklub mehr), die finde ich sehr realistisch.
Ja sicher. Es gibt immer viele Gründe wenn sich Dinge in eine bestimmte Richtung entwickeln. Aber es leider auch Ostdeutsche die dem Klischee entsprechen. Und wer Krach schlägt hat die Aufmerksamkeit der Medien. Das ist nun mal so. Aber die Medien sind nicht schuld daran. Die tun nun mal ihren Job. Man sollte nicht immer die Medien mit viel Tamtam herbeirufen um sich dann selbst zum Opfer der Medien zu erklären. Das nervt.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von oga »

PeterK hat geschrieben:(29 Jan 2018, 17:09)

Ich meine, der Vergleich hinke nicht nur sondern bedürfe eines Rollators. Die wenigen Flüchtlinge, die in der Zone ausharren, haben sich ihrer (der Zone) ja nicht "bemächtigt". ;)
Am Silvesterabend in Kölln hatte die Einheimischen evtl doch das Gefühl. Die AfD ist nicht nur in der Zone gewählt worden.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von PeterK »

oga hat geschrieben:(29 Jan 2018, 18:26)
Am Silvesterabend in Kölln hatte die Einheimischen evtl doch das Gefühl.
Drohte denn eine "Machtergreifung" aus Nordafrika? Oder gar die Verwandlung der Bundesrepublik in ein Kalifat?
Die AfD ist nicht nur in der Zone gewählt worden.
Das stimmt.
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von oga »

PeterK hat geschrieben:(29 Jan 2018, 18:36)
Drohte denn eine "Machtergreifung" aus Nordafrika?
Frag die Frauen, die dort waren, nicht mich. :)
PeterK hat geschrieben:(29 Jan 2018, 18:36)
Oder gar die Verwandlung der Bundesrepublik in ein Kalifat?
Du meinst die AfD Wähler sollten ruhig weiter CDU/SPD wählen, bis das Land zu einem Khalifat wird und erst dann die AfD?
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Beitrag von schokoschendrezki »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(29 Jan 2018, 18:21)

Ja sicher. Es gibt immer viele Gründe wenn sich Dinge in eine bestimmte Richtung entwickeln. Aber es leider auch Ostdeutsche die dem Klischee entsprechen. Und wer Krach schlägt hat die Aufmerksamkeit der Medien. Das ist nun mal so. Aber die Medien sind nicht schuld daran. Die tun nun mal ihren Job. Man sollte nicht immer die Medien mit viel Tamtam herbeirufen um sich dann selbst zum Opfer der Medien zu erklären. Das nervt.
"Die Medien" gibts ja schonmal nicht. Das ist 'ne andere Frage. Man muss noch mal an den Eingangsbeitrag erinnern. America First? Germany First? Poland First? Ist das überhaupt eine Frage von "Ekligkeit" im Sinne von Durchsetzung eigener Interessen im eigenen Interesse und zum eigenen Vorteil? Nein! Die Frage stellt sich so gar nicht. Nationalismus ist, so wie die Welt heute ökonomisch aufgestellt und strukturiiert ist, immer und grundsätzlich destruktiv, gegen die eigenen Interessen gerichtet und insofern irrational.Nationalismus wird instrumentalisiertl Das ist richtig. Und das ist auch in höchstem Maße rational. Orbán, Trump, Putin, Poroschenko und Co.. wissen ganz genau wie sie Nationalismen in Macht transferieren können. Insofern ist der nationenbetrunkene Bürger überall auf der Welt der doppelt Dumme. Er schadet sich ökonomisch selbst, indem er dazu beiträgt, seine Region ökonomisch aus der ersten Reihe zu nehmen. Und indem er einfach naiv, deppert, als dummer Idiot sich in den Dienst großer mächtiger Personenclans stellt. Die sich (vermutlich) über diesen Dienst ins Fäustchen lachen werden und mit ihren Kumpels darauf 'nen Wodka, Pálinka, ... je nachdem trinken werden, Nochmal: Das ist in erster Linie nicht "eklig" sondern vor allen Dingen "dumm", "selbstzerstörerisch", "devot" vor allem ...
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Re: Wie sehr darf eine Nation "an sich" denken? Wo beginnt Nationalismus bzw. ab wo wirds eklig?

Beitrag von PeterK »

oga hat geschrieben:(29 Jan 2018, 18:43)
Du meinst die AfD Wähler sollten ruhig weiter CDU/SPD wählen, bis das Land zu einem Khalifat wird und erst dann die AfD?
Nö. Wie schon angemerkt sind ja die Bretter vor den Köpfen von Islamisten und AfDlern aus dem selben Holz geschnitten. Ein blaunes Kalifat wäre IMO nicht wünschenswert.
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