3x schwarzer Kater » Mi 23. Jul 2014, 10:17 hat geschrieben:
Wie geschrieben, du diskutierst immer noch auf der Basis des Homo Oeconomicus in der klassischen Nationalökonomie. Das spiegelt allerdings nicht die aktuelle Sichtweise wieder. Der Homo Oeconomicus ist eins der bedeutensten Erklärungmodelle für menschliches Verhalten und hat auf Grund seiner Einfachheit und Klarheit mittlerweile auch in Psychologie, Soziologie oder in den Gesellschaftswissen wertvolle Beiträge zur Erklärung des menschlichen Verhaltens geliefert. Im umgekehrten Fall haben bei der Modellierung des HO mittlerweile auch Erkenntnisse aus der Psychologie und den Sozialwissenschaften Einzug gehalten. Selbst Altruismus lässt sich mit Hilfe des HO modellieren.
Ursprünglich war das HO-Modell darauf ausgelegt, dass Individuen ihren Nutzen maximieren - und zwar im egoistischen Sinne. Präferenzen gab es nur für das eigene Wohlbefinden. Später hat man dann aber zunehmend erlaubt, dass praktisch
alles zu den Präferenzen gehören kann. Für die eine Person ist es an sich schon eine Präferenz anderen helfen zu dürfen, für eine andere Person dagegen erst dann, wenn ihr selbst vorher geholfen wurde. Und für eine dritte Person ist es eine Präferenz zu helfen, wenn sie dafür in Zukunft Hilfe erwarten kann. Menschen können hierbei letztlich für
alles eine Präferenz haben. Sogar dafür, von anderen Leuten Schmerzen zugefügt zu bekommen.
Man muss dazu nur das mathematische Modell entsprechend anpassen und schon hat man den "Beweis" dafür, dass rationale Entscheider immer rational entscheiden - man hat eben nur bislang ihre Präferenzen falsch verstanden.
Eine solche Theorie ist leider vollkommen beliebig und daher für zuverlässige Zukunftsprognosen ungefähr so hilfreich, wie ein Regenschirm beim Skifahren. Tatsächlich brauchbare Aussagen liefert die Theorie vor allem wenn sie für das gebraucht wird, wofür sie schon früher gebraucht wurde: Zum Modellieren von Marktsituation unter möglichst vollständigen Informationen aller Beteiligter. So z.B. auf einem Wochenmarkt, wo Käufer und Verkäufer direkt miteinander um den Preis feilschen. In diesem Kontext kann die Theorie interessante Einblicke in das Marktgeschehen liefern.
Sobald es aber komplexer wird, sollte man vielleicht lieber einfach anerkennen, dass die HO-Theorie keinen Mehrwert mehr liefert: Was bringt es mir, wenn ich beweisen kann, dass Leute mit einer Präferenz für Wohltätigkeiten dazu geneigt sind, einen Teil ihres Einkommens zu spenden, wenn ich aus diesem Beweis keine weiteren Erkenntnisse ziehen kann?
1. Wusste man bereits schon vorher, dass solche Leute mehr spenden (ohne mathematischen Beweis) und 2. kann ich ohne genaue Kenntnisse der persönlichen Präferenzen mit diesem Modell trotzdem noch keine Voraussage darüber treffen, wie viel % des Einkommens nun letztendlich gespendet werden wird. Somit trifft dieses Modell nur qualitative (und keine quantitativen) Aussagen, die ich aber bereits schon vorher wusste und deshalb in die Annahmen des Modells eingebaut habe.
Das ist also reine Spielerei ohne Mehrwert.
Viel interessanter wäre es über die Konsequenzen zu diskutieren, die es hat, wenn nicht alle Menschen egoistisch und rational handeln. Es aufgrund mangelnder Information auch gar nicht können. Dies würde darüber hinaus gehen, einfach nur das Modell durch mathematische Tricks anzupassen. Dies könnte aber auch verheerende Folgen für mikro- und makroökonomische Theorien haben, an die viele ökonomische Wissenschaftler (aus ideologischen Gründen?) nichts rankommen lassen.
So z.B für die Annahme rationaler Erwartungen, für die Effizienz von Märkten oder sogar für ökonomische Gleichgewichtstheorien im Allgemeinen. Und somit lässt man lieber die Finger davon, die Konsequenzen zu diskutieren. Die mathematische Spielerei mit den Präferenzen ist eine Nebelkerze, die von diesem grundsätzlichen Problem ablenkt.