Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

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Kibuka
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Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Kibuka »

ralphon » Di 10. Jul 2012, 18:29 hat geschrieben:Was die überall grassierende Retterei angeht, die hat den Charakter einer Insolvenzverschleppung, und das wird am Ende teurer.
Das hat nicht nur den "Charakter einer Insolvenzverschleppung", das ist teilweise schon hochkriminell!

Banken- und Staateninsolvenzen werden kurzfristig unterlaufen und damit werden katastrophale Weichenstellungen in der Marktwirtschaft vorgenommen. Risiko und Rendite sind Regulative, die in der Marktwirtschaft aufeinander wirken. Werden sie entkoppelt, ist damit der Anfang vom Ende eingeleitet. Menschen werden immer maximale Risiken eingehen und wenn sie nicht dafür bezahlen müssen, werden sie den Karren vollständig in den Dreck fahren.

Deshalb gibt es im Rechtssystem auch Strafen. Man kann sich nicht darauf verlassen das sich jedermann an die Spielregeln hält, man muss auch sicherstellen das bei Nichteinhaltung Konsequenzen folgen. Ohne Konsequenzen landet das System unweigerlich im Chaos.

Wenn ich jetzt schon sehe das Monti auch den ESM "anzapfen" möchte, dann wird mir anders. :|
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Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Dr. Nötigenfalls »

Kibuka » Di 10. Jul 2012, 19:30 hat geschrieben: Das hat nicht nur den "Charakter einer Insolvenzverschleppung", das ist teilweise schon hochkriminell!
Sehe ich auch so.

Es ist ja nicht so,das ich gegen Europa wäre,oder grundsätzlich gegen den Euro, ...weit gefehlt.
Ich sehe aber das diese Konstrukte sich immer mehr als Selbstbedienungsläden enpuppen,..die Arschkarte hat dann der Deutsche Steuerzahler.

Zum anderen sollte euch ebenfalls aufgefallen sein,das die Kapitalmärkte einen völlig unangemessenen Stellenwert bekommen haben.
Mit dem Fiskalpakt hätten sie direkten Zugriff auf die Staatseinnahmen,.....die Gewinne jedoch,...ihr wisst es natürlich schon,...die werden wieder unter irgenwelchen "Investoren" aufgeteilt.

Dies ist nicht der einzige kriminelle Bestandteil.
Die Demokratie nimmt nämlich Massiv Schaden,weil in diesem Fiskalpakt in diesem Konstruktmodell Souveränitätsrechte an Dritte abgetreten werden sollen.
Es würde ein Faß ohne Boden werden.

Wenn Staaten Pleite gehen,dann dürfen wir nicht bei der Insolvenzverschleppung auf Kosten unserer Bürger behilflich sein.

Ich sag schnell krachen lassen.
Und schnell wieder neu aufbauen !
DAS wäre eine passende Option !

So wie ich das sehe,brauchen wir Optionen und Strategien für nach dem Crash.
SO gehts weiter.

Denn was verlieren wir ?
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Calvadorius
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Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Calvadorius »

Das hat überwiegend mit unterschiedlichen Vorstellungen von der Funktion einer Währung zu tun.

In D haben wir seit jeher die Währung als politisch unabhängiges wirtschaftliches Funktionselement verstanden.
Der Geldumlauf wird durch die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt, und die Politik hatte sich dem unterzuordnen.

Andere Länder sehen die Währung als politisches Instrument, um damit die wirtschaftliche Entwicklung zu beeinflussen.

Schon bei der Einführung des Euro gab es deswegen Differenzen (d.h. um die Unabhängigkeit der EZB).
Deutschland hat sich mit dem Stabilitätspakt durchgesetzt (den es selbst allerdings mehrfach gebrochen hat).

Nun wird in vielen Meinungen vertreten, daß zB. Griechenland aus der Währungsunion austreten soll, um mit einer stark abgewerteten Drachme wirtschaftlich wieder konkurrenzfähig zu werden.
Das ist aber nichts anderes als der politische Einsatz (Einfluss auf) eine(r) Währung.
Im Falle Griechenlands, um gewerkschaftlich ausgehandelte Löhne auszuhebeln.

Daß damit nicht wenige Befürworter einer unabhängigen Währung ausgerechnet in das Horn staatlicher Einflussnahme auf die Währung blasen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie...
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Kibuka
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Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Kibuka »

Calvadorius » Di 10. Jul 2012, 22:37 hat geschrieben: Nun wird in vielen Meinungen vertreten, daß zB. Griechenland aus der Währungsunion austreten soll, um mit einer stark abgewerteten Drachme wirtschaftlich wieder konkurrenzfähig zu werden.
Das ist aber nichts anderes als der politische Einsatz (Einfluss auf) eine(r) Währung.
Im Falle Griechenlands, um gewerkschaftlich ausgehandelte Löhne auszuhebeln.

Daß damit nicht wenige Befürworter einer unabhängigen Währung ausgerechnet in das Horn staatlicher Einflussnahme auf die Währung blasen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie...
In der Tat.
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Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Dr. Nötigenfalls »

Calvadorius » Di 10. Jul 2012, 22:37 hat geschrieben:Das hat überwiegend mit unterschiedlichen Vorstellungen von der Funktion einer Währung zu tun.

In D haben wir seit jeher die Währung als politisch unabhängiges wirtschaftliches Funktionselement verstanden.
Der Geldumlauf wird durch die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt, und die Politik hatte sich dem unterzuordnen.

Andere Länder sehen die Währung als politisches Instrument, um damit die wirtschaftliche Entwicklung zu beeinflussen.

Schon bei der Einführung des Euro gab es deswegen Differenzen (d.h. um die Unabhängigkeit der EZB).
Deutschland hat sich mit dem Stabilitätspakt durchgesetzt (den es selbst allerdings mehrfach gebrochen hat).

Nun wird in vielen Meinungen vertreten, daß zB. Griechenland aus der Währungsunion austreten soll, um mit einer stark abgewerteten Drachme wirtschaftlich wieder konkurrenzfähig zu werden.
Das ist aber nichts anderes als der politische Einsatz (Einfluss auf) eine(r) Währung.
Im Falle Griechenlands, um gewerkschaftlich ausgehandelte Löhne auszuhebeln.

Daß damit nicht wenige Befürworter einer unabhängigen Währung ausgerechnet in das Horn staatlicher Einflussnahme auf die Währung blasen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie...
Was hat mit was, zu tun ?
Was soll hier erklärt werden ??
Ich verstehe den Bezug nicht,...noch nie was von Quoting gehört ?
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Calvadorius
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Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Calvadorius »

Der Euro hat eine Entstehungsgeschichte.
Die ist recht spannend.
Im Ringen um die Einführung der gemeinsamen Währung ging es ursprünglich überhaupt nicht um Staatsverschuldung (ich wette, die war sogar nur vorgeschobenes Argument (s. Deutsche Staatsverschuldung)).
Vielmehr stritt man um die Unabhängigkeit der EZB und der Währung von politischem Einfluss.
Größter Opponent zu den deutschen Vorstellungen war damals übrigens Frankreich.
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Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Kibuka »

Hier ein weiterer Gastkommentar zum ESM aus der FAZ.
Retten ohne Ende

28.07.2012 · Der Sprengstoff des Rettungsschirms ESM steht im Kleingedruckten: Für die Haftung gibt es keine Obergrenze. Und das Parlament wird entmachtet.

Derzeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht über Verfassungsbeschwerden, die sich gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) richten, den dauerhaften Rettungsschirm. Obwohl der ESM-Vertrag im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und sein Text im Netz leicht auffindbar ist, zeigte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht, dass Bundesregierung und viele Abgeordnete den Inhalt dieses Vertrags entweder nicht kannten oder nicht kennen wollten.

Zum Teil mag das darauf beruhen, dass der ESM-Vertrag von angelsächsischen Wirtschaftskanzleien geschrieben wurde und an das Kleingedruckte mancher Finanzprodukte erinnert: Hingucker wie das Stammkapital von 700 Milliarden Euro sind tatsächlich fettgedruckt, während sich die folgenreichsten Bestimmungen in nachgeordneten Absätzen finden. Begrenzt der Vertrag die Haftung Deutschlands auf 190 Milliarden Euro? Der Bundesfinanzminister wird nicht müde, diese Belastungsobergrenze zu betonen, doch findet sie im Vertrag keine Stütze.

Erstens beschränkt Artikel 8 Absatz 5 des Vertrags die Haftung nicht auf das Kapital zum Nennwert, das zusammen 700 Milliarden Euro beträgt, sondern auf das Kapital zum Ausgabekurs. Dies ist eminent wichtig, weil der Gouverneursrat beschließen darf, dass der Ausgabekurs den Nennwert übersteigt (siehe Artikel 8 Absatz 2). Zum Beispiel durch Verdopplung des Ausgabekurses könnte der ESM die Haftungssumme auf fast 1,4 Billionen Euro erhöhen, ohne dass es einer Vertragsänderung oder Kapitalerhöhung bedürfte.

Zweitens enthält Artikel 25 Absatz 2 eine Nachschusspflicht, die den allgemeinen Einzahlungs- und Haftungspflichten als spezielleres Recht vorgeht: Hiernach muss Deutschland über seinen Anteil hinaus einzahlen, wenn ein anderer Mitgliedstaat seiner Einzahlungspflicht nicht nachkommt: ein vorhersehbarer Fall, weil Staaten wie Griechenland oder Portugal zu effektiven Einzahlungen gar nicht in der Lage sind.

Deutschland könnte mit mehr als 700 Milliarden Euro belastet werden

Aufgrund der Nachschusspflicht kann die Belastung Deutschlands auf 700 Milliarden Euro steigen; aufgrund eines erhöhten Ausgabekurses auch weit darüber hinaus. In Tat und Wahrheit enthält der ESM-Vertrag keine Belastungsobergrenze. Nun mag man einwenden, höhere Ausgabekurse und Nachschüsse seien derzeit nicht geplant. Es fragt sich aber, warum diese Regeln im Vertragstext versteckt wurden und die Bundesregierung mit Verweis auf plakativere Passagen eine angeblich wasserdichte Belastungsobergrenze behauptet, obwohl diese nicht existiert.

Weitere Punkte verstärken den Eindruck einer Irreführung von Parlament und Öffentlichkeit, etwa die seit Wochen diskutierte Frage, ob der ESM eine Banklizenz erhalten solle. Artikel 32 Absatz 9 befreit den ESM von jeder Zulassungs- und Lizenzierungspflicht als Kreditinstitut. Eine Banklizenz ist überflüssig.

[...]

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 32561.html
Man muss sich schon fragen, on die Abgeordneten wissen was sie tun. Das ganze Konzept des ESM erscheint sehr suspekt. Mal sehen was das Bundesverfassungsgericht dazu sagt.
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Issomad

Re: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)

Beitrag von Issomad »

ralphon » Di 10. Jul 2012, 18:29 hat geschrieben:
Ich habe keine Ahnung welchen Umfang die sich dafür vorstellen. Wenn das die Größenordnung unseres LFA nicht weit überschreitet, wäre das OK. Allerdings gibt es bereits Transfergewinnler der EU, und das sind nicht wir, sondern vor allem die Agrarländer und die Briten.

Was die überall grassierende Retterei angeht, die hat den Charakter einer Insolvenzverschleppung, und das wird am Ende teurer.

Es kann natürlich wahltaktisch bedingt sein: man verliert die nächste Wahl, und die Roten kriegen dann ihre Bilanz mit unvorhersehbaren Kosten verhagelt.
Diese Vorgehensweise hat sich bewährt. Merkel sieht auch, dass die FDP sich selbst demontiert und allein kann die CDU nicht regieren ...

Kohl hatte auch einen Scherbenhaufen hinterlassen und die Regierung Schröder hielt sich nicht lange ...
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