Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

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schokoschendrezki
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(06 Nov 2019, 22:49)

Kann ich so nicht bestätigen. Irgendwo muss denjenigen, die hier immer diffamierend statt differenzierend vielleicht auch einmal ein längerer inhaltlicher Sermon entgegengesetzt werden. Die Hoffnung, es würde beim Angesprochenen überhaupt auch nur prüfend zur Kenntnis genommen, mag gegen null tendieren. Aber es lesen ja auch andere mit. Und es ist genügend Inhalt darin, mit dem man sich auseinandersetzen könnte. Das ist mehr, als hier die Regel ist.
Der Verweis auf alternative Denkungen ist völlig o.k. und immer auch potenziell bereichernd. Hier gehts aber darum: Du hast Professor Wolfgang Merkels Schriften nicht gelesen? Setzen. Fünf! Ich weiß oft gar nicht mehr, was ich hier eigentlich soll ... Der Wikipedia-Eintrag zu Wolfgang Merkel ist bezeichnderweise davon geprägt, dass der Abschnitt "Kritik" - anders als bei sonstigen bekannten Publizisten, Wissenschaftllern, Persönlichkeiten völlig fehlt. Mal ganz im ernst. Welcher kritischer Öffentlichkeit ist das eigentlich entgangen? Mal wirklich im ernst. Ich hab' sowas bei wikipedia bislang noch nie gesehen.
Er ist seit 2004 Direktor der Abteilung Demokratie und Demokratisierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Professor für Vergleichende Politikwissenschaft und Demokratieforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Merkel zählt zu den angesehensten Vertretern der Vergleichenden Politikwissenschaft im deutschsprachigen Raum. Er prägte maßgeblich die Forschung zu Demokratisierungsprozessen, Systemwechseln und Systemzusammenbrüchen.
Und da kommt nix sonst. Kein (sonst üblicher) Abschnitt "Kritik". Tolerierte Staatsbürgerkundelehrerin Dark Angel: Das mache ich nicht mit!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Vongole
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Vongole »

Du bemisst die Diskussionswürdigkeit eines Textes danach, ob sich zum Verfasser bei Wiki Kritiken finden? :?
Einen Beitrag zu lesen und sich danach mit eigenen Gedanken an der Diskussion zu beteiligen, ist wohl völlig aus der Mode gekommen.
Vorverdautes Wissen ist natürlich entschieden leichter zu begreifen, jedenfalls, wenn's bei Wiki steht.
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Diestel
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Diestel »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2019, 01:44)

Du bemisst die Diskussionswürdigkeit eines Textes danach, ob sich zum Verfasser bei Wiki Kritiken finden? :?
Einen Beitrag zu lesen und sich danach mit eigenen Gedanken an der Diskussion zu beteiligen, ist wohl völlig aus der Mode gekommen.
Vorverdautes Wissen ist natürlich entschieden leichter zu begreifen, jedenfalls, wenn's bei Wiki steht.
Der Text des Professors stellt allerdings genau dieses vorverdaute Wissen dar, zumal es es auch nur eine Meinung ist und kein unumstößlicher Fakt, dem man sich gefälligst anzuschließen hat.
Beiträge wie „ Genau dieser Absatz aus dem verlinkten Aufsatz zeigt, dass Deine Aussage nichts weiter als hohles Geschwätz ist, was mit der Realität absolut nichts zu tun hat.“ motivieren nicht gerade dazu, eigene Gedanken zu fassen und sind auch nicht erwünscht.
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Selina
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2019, 01:44)

Du bemisst die Diskussionswürdigkeit eines Textes danach, ob sich zum Verfasser bei Wiki Kritiken finden? :?
Einen Beitrag zu lesen und sich danach mit eigenen Gedanken an der Diskussion zu beteiligen, ist wohl völlig aus der Mode gekommen.
Vorverdautes Wissen ist natürlich entschieden leichter zu begreifen, jedenfalls, wenn's bei Wiki steht.
Hier gehts aber gerade um etwas anderes. Und zwar darum, dass einem dieser Professor Wolfgang Merkel angepriesen wird wie Sauerbier und wenn man seinen Text nicht bald gelesen und darauf reagiert hat, knallts. So jedenfalls der Ton bzw. die Schreibweise, wie einem dieser Merkel quasi aufgezwungen wird. Alternativlos. Herrisch. Und in so einem Moment mal nachzuschauen, um welche Geistesgröße es sich da wohl handelt, ist völlig legitim. Und wer Wikipedia kennt, weiß, dass es da immer auch einen Abschnitt "Kritik" gibt bei den Personen, um die es geht. Das ist völlig normal. Bei Merkel existiert solch ein Abschnitt nicht. Und dieser Umstand wiederum weckt ungute Assoziationen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2019, 01:44)

Du bemisst die Diskussionswürdigkeit eines Textes danach, ob sich zum Verfasser bei Wiki Kritiken finden? :?
Einen Beitrag zu lesen und sich danach mit eigenen Gedanken an der Diskussion zu beteiligen, ist wohl völlig aus der Mode gekommen.
Vorverdautes Wissen ist natürlich entschieden leichter zu begreifen, jedenfalls, wenn's bei Wiki steht.
Also wirklich bemessen tu ichs danach nicht. Es ist nur irgendwie symptomatisch ... Und ich hab' durchaus auch einiges von W. Merkel zum Thema gelesen.

Grundsätzlich gilt, dass politische Präferenzen nicht wissenschaftlich verifizierbar sind. Sonst bräuchten wir so etwas wie parlamentarische Demokratie nicht. In der westlichen Welt läuft das Gegenmodell zu diesem demokratischen Konzept unter Stichworten wie "Expertenregierung", "Technokratie" oder auch "Szientismus". Im Realsozialismus hieß das Konzept "Wissenschaftlicher Kommunismus" (War unter genau diesem Titel in der DDR übrigens eins von drei Pflichtveranstaltungen für sämtliche Studienrichtungen). Ein politisches Konzept lässt sich nicht einfach "ausrechnen" sondern spiegelt eben auch die persönlichen Präferenzen wieder. Kosmopolitismus versus Kommunitarismus ist nicht einfach die Frage nach der richtigen und korrekten Lösung einer Gleichung. Sondern eben auch eine Frage der persönlichen politischen Präferenz, für die man sich entsprechend mit einer Wahlentscheidung einsetzt. Auch wenn man selbstverständlich bei der Begründung dieser Präferenz in der politischen Debatte wissenschaftlich belegte Argumente vorbringen kann und soll.

Ich bin mir nicht sicher, wohin dieses Forum läuft. Weltweit gesehen sieht es auf der einen Seite ziemlich düster aus. "Identität" ist auf dem Vormarsch. Auch wenn sie unter bürgerlichen Schlagworten wie "Kommunitarismus" verkauft wird. Aber immer, da bin ich mir sicher, wird es ausreichend Leute in der Tradition der Macher und Leser von Weltbühne, Tucholsky, Ossietzky bis hin zu New York Times, Guardian, Standard, Haaretz, Gazeta Wyborcza, Nowaja Gaseta usw. usf,. geben, die sich diesem identitären Megatrend entgegenstellen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Nov 2019, 22:40)

Du kannst dir vielleicht einfach nicht vorstellen, wie nervend dieser Diskussionsstil ist. Glaubst du wirklich, dass die Ansichten irgendeines Professors als kanonisch anzusehen sind und das Problem nur darin besteht, dass die Diskutanten den Staatsbürgerkundelehrer - äh, ich meine natürlich den Herrn Merkel - nur nicht richtig verstanden haben und nur fleißig zu lesen und zu üben haben? Wenn du ernst genommen werden willst, formuliere einfach deine eigene Meinung und argumentiere entsprechend. Mann! Warst du vielleicht mal irgendwann meine Seminargruppensekräterin? Die Erinnerungen sind absolut und in jeder Hinsicht entsprechend. Egal. Der Beitrag wird wohl sowieso entfernt ...
Weshalb sollte der Beitrag entfernt werden? Wegen der Form? Oder fehlender Kritik bei Wikipedia? Wie oberflächlich.

Explizit dieser Absatz:


Die supranationale Ausdehnung der Demokratie hat Kosten. Je größer und komplexer politische Räume sind, umso weniger lassen sie sich demokratisch regieren, wie der Doyen der Demokratieforschung, Robert Dahl, überzeugend darlegte. Zentrale normative Güter der Demokratie wie die gleichberechtigte Partizipation der Bürger, die Transparenz und Zurechenbarkeit politischer Entscheidungen, der Parlamentsvorbehalt oder die vertikale und horizontale Herrschaftskontrolle lassen sich in der Tat weit weniger überzeugend jenseits des Nationalstaats als in seinen Grenzen realisieren."

entspricht meiner in Jahrzehnten durch Beobachtung erworbenen persönlichen Einstellung, ist ergo Bestätigung, statt Meinungsvorgabe. Denn Prof. Merkel war mir bis zu Dark Angels Beitrag nicht bekannt. Der Mann hat recht, je größer eine Allianz ist, desto fragiler wird sie, weil sich die sie bildenden Bestandteile trotz Überordnung nicht gleichförmig entwickeln.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation war nicht besonders gross, dafür stark divers. Aus dem Grund gab es dann auch keine starke Zentralregierung und viele Probleme. Bis hin zum Krieg der einzelnen Teilstaaten. Die USA sind jetzt ein sehr grosses Land, aber dieses klappt überall problemlos. Russland hat Probleme mit den Tschetschenen und China mit den Uiguren. Ansonsten klappt es trotz der Grösse.

In Bezug auf den Euro gibt es Probleme in Bezug auf die Verschuldungshöhe der einzelnen Länder.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(07 Nov 2019, 07:53)

Weshalb sollte der Beitrag entfernt werden? Wegen der Form? Oder fehlender Kritik bei Wikipedia? Wie oberflächlich.

Ich hatte da eigentlich an meinen eigenen Beitrag gedacht ... :p

Explizit dieser Absatz:

Die supranationale Ausdehnung der Demokratie hat Kosten. Je größer und komplexer politische Räume sind, umso weniger lassen sie sich demokratisch regieren, wie der Doyen der Demokratieforschung, Robert Dahl, überzeugend darlegte. Zentrale normative Güter der Demokratie wie die gleichberechtigte Partizipation der Bürger, die Transparenz und Zurechenbarkeit politischer Entscheidungen, der Parlamentsvorbehalt oder die vertikale und horizontale Herrschaftskontrolle lassen sich in der Tat weit weniger überzeugend jenseits des Nationalstaats als in seinen Grenzen realisieren."

entspricht meiner in Jahrzehnten durch Beobachtung erworbenen persönlichen Einstellung, ist ergo Bestätigung, statt Meinungsvorgabe. Denn Prof. Merkel war mir bis zu Dark Angels Beitrag nicht bekannt. Der Mann hat recht, je größer eine Allianz ist, desto fragiler wird sie, weil sich die sie bildenden Bestandteile trotz Überordnung nicht gleichförmig entwickeln.
Ich selbst habe (nicht nur in diesem Strang) zigmal darauf verwiesen, dass zum einen Subsidiarität als systemisches Prinzip vollkommen einleuchtend ist. Natürlich hat das auch mit Demokratie zu tun. Und dass es zum anderen einfach vernünftig ist, regionale EInheiten nicht neu auszuwürfeln sondern sie einfach an historisch gewachsenen Sprach- und Nationengrenzen auszurichten. Diese beiden Vernunftsprinzipien werden aber durch eine identitäre Nationenenüberhöhung ausgehebelt und von der politisch rechten Seite sehr effektiv instrumentalisiert. So. Und dass man sich dagegen wendet ist nicht zuletzt einfach auch ein politischer Standpunkt. Den man nicht weiter wissenschaftlich begründen muss und den man auch nicht einfach wissenschaftlich verifizieren oder falsifizieren kann. Man stellt sich damit bewusst in eine bestimmte kulturelle Traditionslinie und grenzt sich von einer anderen ab.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Übrigens: Nicht nur UK oder die Schweiz oder Italien, Ungarn oder die Ex-Jugostaaten sind wirklich und wahrhaftig in der Frage der Nation des Wahnsinns. Auch aktuell das kleine Belgien mitten im Herzen der EU. Zwischen den politisch eher links stehenden Parteien im frankophonen Wallonien und den eher rechts stehenden in Flandern gibt es zur Zeit keine Hoffnung auf irgendeine Einigung. Von seiten des Königshauses heißt es, man stehe "vor einem Scherbenhaufen". Auch wenn rein formal der Regierungsbildungsauftrag an einen Sozialisten (Magnette) gegangen ist.

Was treibt die Belgier? SInd es wirklich soziale, ökonomische Probleme? Es wird häufig geschrieben, Wallionien sei eine ehemals wirtschaftsstarke, nun aber sozusagen altindustriell zurückgebliebene Region und Flandern umgekehrt ehemals abgehängt und nun aufstrebend. Ist das wirklich so? Kann man das als eine Art Neiddebatte verstehen? Bzw. Geizdebatte von seiten der Zufriedeneren? Oder spielen da ebenso irrational kulturallstische Motive eine Rolle. Der rechtsnationale "Vlaams Belang" ist jedenfalls im Aufwind . Und mit der "Partij van de Arbeid van België (PVDA)" bzw. "Parti du Travail de Belgique (PTB)" sitzt seit Mai eine marxistisch-steinzeitkommunistische Arbeiter-Partei im Parlament. Oder führt irgendwann die Vernünftigkeit des Subsidiaritätsprinzips in den Wahn eines psychotischen Regionalismus? Oder gehts den Belgiern einfach nur zu gut?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Nov 2019, 08:47)

Ich hatte da eigentlich an meinen eigenen Beitrag gedacht ... :p
Doch so selbstkritisch?
Immerhin habe ich dadurch wahrgenommen, dass in Wikipedia Kritik an veröffentlichten Texten geübt wird. Das war mir bisher völlig entgangen. Wahrscheinlich weil ich mir generell zutraue, mir eine eigene Meinung zu veröffentlichten Texten zu bilden und von daher nicht auf die Wikipedia Kritik angewiesen bin. :)




Ich selbst habe (nicht nur in diesem Strang) zigmal darauf verwiesen, dass zum einen Subsidiarität als systemisches Prinzip vollkommen einleuchtend ist. Natürlich hat das auch mit Demokratie zu tun. Und dass es zum anderen einfach vernünftig ist, regionale EInheiten nicht neu auszuwürfeln sondern sie einfach an historisch gewachsenen Sprach- und Nationengrenzen auszurichten. Diese beiden Vernunftsprinzipien werden aber durch eine identitäre Nationenenüberhöhung ausgehebelt und von der politisch rechten Seite sehr effektiv instrumentalisiert. So. Und dass man sich dagegen wendet ist nicht zuletzt einfach auch ein politischer Standpunkt. Den man nicht weiter wissenschaftlich begründen muss und den man auch nicht einfach wissenschaftlich verifizieren oder falsifizieren kann. Man stellt sich damit bewusst in eine bestimmte kulturelle Traditionslinie und grenzt sich von einer anderen ab.
Irgendwer schrieb letzthin, Demokratie muss man lernen. Diese beinhaltet nämlich wesentlich umfassendere Aspekte, als sich nur pauschal dazu zu bekennen. Wozu u.a. auch der Aspekt des Aushaltens gehört. Was nicht bedeutet bedingungslos zu akzeptieren, sondern sich mit der Ursache der kontroversen Einstellung auseinander zu setzen. Da dies ein mühsames Unterfangen ist, bietet es sich an, sich kampfbereit ausschließlich auf die Felder “dagegen“ zu begeben. Wovon ich mich keinesfalls frei sprechen möchte, weder politisch, noch persönlich. Aber letztendlich ist es, wenn zu sich selbst ehrlich ist, auch ein Zeichen von Hilflosigkeit gegenüber geballt auftretender Tendenzen, wie vehement gefordertem System Wechsel, sei es rechtspopulistische Überhöhung des Nationalen, oder die Überhöhung der, gesellschaftlich sich selbst in Schrankenlosigkeit verlierenden, Wegsucher zum Sozialismus/Kommunismus. Beide bieten in ihrer Existenz und der demokratischen Auseinandersetzung damit allerdings auch den Aspekt der konstanten Überprüfung, wie stabil das demokratische System insgesamt gesellschaftlich, sowie in der eigenen Person verankert ist. Dieses Hinterfragen veröffentlichen und resultierend anwenden zu können ist für mich persönlich einer der größten Vorzüge der Demokratie per se.

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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 07:06)

Hier gehts aber gerade um etwas anderes. Und zwar darum, dass einem dieser Professor Wolfgang Merkel angepriesen wird wie Sauerbier und wenn man seinen Text nicht bald gelesen und darauf reagiert hat, knallts. So jedenfalls der Ton bzw. die Schreibweise, wie einem dieser Merkel quasi aufgezwungen wird. Alternativlos. Herrisch. Und in so einem Moment mal nachzuschauen, um welche Geistesgröße es sich da wohl handelt, ist völlig legitim. Und wer Wikipedia kennt, weiß, dass es da immer auch einen Abschnitt "Kritik" gibt bei den Personen, um die es geht. Das ist völlig normal. Bei Merkel existiert solch ein Abschnitt nicht. Und dieser Umstand wiederum weckt ungute Assoziationen.
Ungute Aussoziationen? Achnee - welche denn?
Bei allem, was Dir nicht in den Kram passt, was nicht deinem ideologischen Tunnelblick entspricht, weckt "ungute Assoziationen"
Nur zur Information: Der verlinkte Artikel ist zuerst bei der Friedrich-Ebert-Stiftung - im Rahmen einer umfassenden Untersuchtung zum Zustand der europäischen Sozialdemokratie erschienen.

Du wirst doch hoffentlich nicht behaupten wollen, die Friedrich-Ebert-Stiftung sein rechts.
Was bei Dir - und nicht nur bei Dir - immer wieder auffällt, wenn Du keine sachlich-inhaltlichen Argumente hast, weichst Du auf das argumentum ad hominem aus. Und das ist eigentlich immer!
Statt Dich mit dem Inhalt des verlinkten Textes/der verlinkten Analyse auseinanderzusetzen, arbeitest Du Dich an der Person ab, die die Analyse erstellt hat. Ganz, ganz schlechter Diskussionsstil und ausgerechnet DU willst anderen erklären, wie sie zu diskutieren haben ...
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Diestel hat geschrieben:(07 Nov 2019, 07:00)

Der Text des Professors stellt allerdings genau dieses vorverdaute Wissen dar, zumal es es auch nur eine Meinung ist und kein unumstößlicher Fakt, dem man sich gefälligst anzuschließen hat.
Beiträge wie „ Genau dieser Absatz aus dem verlinkten Aufsatz zeigt, dass Deine Aussage nichts weiter als hohles Geschwätz ist, was mit der Realität absolut nichts zu tun hat.“ motivieren nicht gerade dazu, eigene Gedanken zu fassen und sind auch nicht erwünscht.
Genauso siehts aus. Passt der Userin etwas nicht ins Schema, wird sie persönlich ;)
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(07 Nov 2019, 09:50)

Doch so selbstkritisch?
Immerhin habe ich dadurch wahrgenommen, dass in Wikipedia Kritik an veröffentlichten Texten geübt wird. Das war mir bisher völlig entgangen. Wahrscheinlich weil ich mir generell zutraue, mir eine eigene Meinung zu veröffentlichten Texten zu bilden und von daher nicht auf die Wikipedia Kritik angewiesen bin. :)






Irgendwer schrieb letzthin, Demokratie muss man lernen. Diese beinhaltet nämlich wesentlich umfassendere Aspekte, als sich nur pauschal dazu zu bekennen. Wozu u.a. auch der Aspekt des Aushaltens gehört. Was nicht bedeutet bedingungslos zu akzeptieren, sondern sich mit der Ursache der kontroversen Einstellung auseinander zu setzen. Da dies ein mühsames Unterfangen ist, bietet es sich an, sich kampfbereit ausschließlich auf die Felder “dagegen“ zu begeben. Wovon ich mich keinesfalls frei sprechen möchte, weder politisch, noch persönlich. Aber letztendlich ist es, wenn zu sich selbst ehrlich ist, auch ein Zeichen von Hilflosigkeit gegenüber geballt auftretender Tendenzen, wie vehement gefordertem System Wechsel, sei es rechtspopulistische Überhöhung des Nationalen, oder die Überhöhung der, gesellschaftlich sich selbst in Schrankenlosigkeit verlierenden, Wegsucher zum Sozialismus/Kommunismus. Beide bieten in ihrer Existenz und der demokratischen Auseinandersetzung damit allerdings auch den Aspekt der konstanten Überprüfung, wie stabil das demokratische System insgesamt gesellschaftlich, sowie in der eigenen Person verankert ist. Dieses Hinterfragen veröffentlichen und resultierend anwenden zu können ist für mich persönlich einer der größten Vorzüge der Demokratie per se.

Wenn das auf Differenzierungsvermögen abzielt. Zur Erinnerung: Der These von Carl Popper, dass der Nationalstaat in der Offenen Gesellschaft lediglich ein "momentans Übel" sei, stelle ich entgegen, dass der Nationalstaat einfach eine Sache der Vernunft und praktikablen Umsetzung der systemischen Idee von Subsidiarität und staatlicher Souveränität ist. Ich habe nur - ganz differenziert - ein Problem, wenn aus dieser Vernunftsbegründung in kulturalistischer Weise eine Identitätsstiftung wird.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 11:22)

Genauso siehts aus. Passt der Userin etwas nicht ins Schema, wird sie persönlich ;)
Verehrte Selina, diese Aussage
Selina hat geschrieben:Darauf zu achten, dass diese Prozesse demokratisch ablaufen, ist eine Selbstverständlichkeit (zumindest für eine Mehrheit der Politiker und Wähler ist das so).
ist hohles Geschwätz, ist eine hohle Phrase. Du stellst eine Behauptung ohne jeden Inhalt und ohne den Ansatz einer Begründung auf.
In einer supranationalen Organisation, wie der EU, die über keine Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative) verfügt, laufen Prozesse nicht demokratisch legitimiert ab und weil das so ist, kann auch nicht darauf geachtet werden, DASS sie demokratisch ablaufen. Von einer Selbstverständlichkeit kann daher keine Rede sein und dass Politiker darauf achten würden, ebenso wenig.

Hat also mit "nicht ins Schema passen" herzlich wenig zu tun.
Und noch etwas: wenn man sich eine Meinung zu Aussagen oder Sachverhalten bilden will, sollte man die Aussagen und Sachverhalte, um die es geht, schon kennen. Genau aus diesem Grund habe ich den Artikel verlinkt und auszugsweise zitiert.
Aber statt sich mit dem Inhalt des Artikels zu beschäftigen und ggf darzulegen, wo man der Ansicht des Autors widerspricht, arbeitet man sich am Autor selbst ab, bedient sich des argumentum ad hominem und weil man bei Wikipedia keine Kritik an der Person - nicht etwa an den Inhalten/Aussagen - findet, wird etwas von "unguten Assoziationen" gefaselt.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Nov 2019, 11:36)

Wenn das auf Differenzierungsvermögen abzielt. Zur Erinnerung: Der These von Carl Popper, dass der Nationalstaat in der Offenen Gesellschaft lediglich ein "momentans Übel" sei, stelle ich entgegen, dass der Nationalstaat einfach eine Sache der Vernunft und praktikablen Umsetzung der systemischen Idee von Subsidiarität und staatlicher Souveränität ist. Ich habe nur - ganz differenziert - ein Problem, wenn aus dieser Vernunftsbegründung in kulturalistischer Weise eine Identitätsstiftung wird.
Eine Gemeinschaft - egal wie man sie nennen mag - wird immer identitätsstiftend sein, wird immer Teil der individuellen Identität sein.
Und wenn Dir der Begriff Identität so sehr zuwider ist, dann benenne das meinetwegen auch mit dem (nach meinem Empfinden selten dämlichen) Begriff "Selbstgewähltheit".
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Nov 2019, 11:36)

Wenn das auf Differenzierungsvermögen abzielt. Zur Erinnerung: Der These von Carl Popper, dass der Nationalstaat in der Offenen Gesellschaft lediglich ein "momentans Übel" sei, stelle ich entgegen, dass der Nationalstaat einfach eine Sache der Vernunft und praktikablen Umsetzung der systemischen Idee von Subsidiarität und staatlicher Souveränität ist. Ich habe nur - ganz differenziert - ein Problem, wenn aus dieser Vernunftsbegründung in kulturalistischer Weise eine Identitätsstiftung wird.
Langfristig zukünftig betrachtet, sehe ich den Nationalstaat nicht als unabdingbar, sondern statt dessen diverse Allianzen unterschiedlicher Größenordnung beruhend auf verbündender Interessenwahrnehmung. Die EU ist ein erster kleiner Schritt, eher noch ein Versuch, in diese Richtung. Wenn man betrachtet, wie schwer sich diese Allianz in der Umsetzung tut, dann kann man abschätzen, wie lange es ohne andauernde Krisen in etwa dauern wird, bis sich der Nationalstaat verabschieden wird. Das werden weder Sie, noch ich miterleben, da der Fokus noch lange Zeit eher auf Abgenzung, denn Verbündung liegen wird. Insofern sind Wiederbelebungsversuche nationalistischer oder nullnationalistischer Systemveränderung als Rückschläge auf diesem Weg zu begreifen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von PeterK »

JJazzGold hat geschrieben:(07 Nov 2019, 12:12)
Langfristig zukünftig betrachtet, sehe ich den Nationalstaat nicht als unabdingbar, sondern statt dessen diverse Allianzen unterschiedlicher Größenordnung beruhend auf verbündender Interessenwahrnehmung. Die EU ist ein erster kleiner Schritt, eher noch ein Versuch, in diese Richtung.
Das Konstrukt des Nationalstaats ist IMO nichts anderes als der Vorläufer von Konstrukten wie der EU.

UK, Frankreich, Italien und natürlich D (um einige Beispiele zu nennen) sind ja auch nichts anderes als Unionen.
Stoner

Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

PeterK hat geschrieben:(07 Nov 2019, 12:40)

Das Konstrukt des Nationalstaats ist IMO nichts anderes als der Vorläufer von Konstrukten wie der EU.

UK, Frankreich, Italien und natürlich D (um einige Beispiele zu nennen) sind ja auch nichts anderes als Unionen.
Die sind auch nicht demokratisch entstanden, und hier liegt das Problem, ein paar Hundert Millionen Bürger zusammenzuführen.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(07 Nov 2019, 11:46)

Eine Gemeinschaft - egal wie man sie nennen mag - wird immer identitätsstiftend sein, wird immer Teil der individuellen Identität sein.
Und wenn Dir der Begriff Identität so sehr zuwider ist, dann benenne das meinetwegen auch mit dem (nach meinem Empfinden selten dämlichen) Begriff "Selbstgewähltheit".
Nein. Zwischen dem, was die Fans des Identitären mit Identität umschreiben und dem, was positive Freiheit, "Freiheit zu" ist, besteht ein großer Unterschied.
Wenn heute rechte Parteien und Politiker im Wahlkampf die "Bewahrung unserer kulturellen Identität" beschwören, so erinnert das an Poppers Begriff der "geschlossenen Gesellschaft" oder Stammesgesellschaft, die "in einem Zauberkreis unveränderlicher Tabus, Gesetze, Sitten (lebt), die als ebenso unvermeidlich empfunden werden wie der Aufgang der Sonne, der Kreislauf der Jahreszeiten".
https://www.derstandard.de/story/200010 ... llschaften
"Identität" wird im politischen Bereich heute fast nur noch als kulturalistischer Kampfbegriff verwendet. Und "kulturalistisch" bedeutet, Kultur im allgemeinsten Sinne, also alles "Gemachte" und nicht natürlich vorhandene für essenziell zu halten. Der Mensch sei angeblich unentrinnbar an seine jeweilige Kultur (und auch Nation) gebunden. Insofern ist Selbstgewähltheit der genaue Gegenbegriff zu Identität. Die offene Gesellschaft macht keine Vorgaben an das Individuum. Individuen in einer offenen Gesellschaft können Kosmopoliten, Kommunitaristen oder auch Schamanen oder an gar nix Glaubende sein. Sie macht nur negative Vorgaben. Gewaltverbot. Freiheitseinschränkungsverbot usw.
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Stoner

Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Nov 2019, 15:21)

Der Mensch sei angeblich unentrinnbar an seine jeweilige Kultur (und auch Nation) gebunden. Insofern ist Selbstgewähltheit der genaue Gegenbegriff zu Identität.
Sie können nur aus dem Topf wählen, den Ihnen Ihre Kultur zur Verfügung stellt. Der ist in unserer ziemlich riesig, da kommen Sie beim Selbstschöpfen gar nicht auf den Grund, mit jedem Rühren kommt wieder ein bisschen was anderes raus. Aber beispielsweise könnten Sie sich niemals als Amazonasbewohner oder Andamane "wählen/entwerfen". Sie bleiben an die Möglichkeiten Ihres (riesigen) Kulturkreises gebunden - Sartre ist ein Kind dieses Kulturkreises. Der, wie alle ignoranten Europäer, nicht einmal einen einzigen Blick nach China oder Japan oder Südostasien oder Indien geworfen hat, sondern ganz und gar auf diesen Kulturkreis gestützt seine Theorien bastelte. Deshalb verträgt er sich zum Beispiel viel schlechter mit Neurowissenschaften, als das buddhistische Philosophen tun. :D
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von PeterK »

MäckIntaier hat geschrieben:(07 Nov 2019, 13:59)
Die sind auch nicht demokratisch entstanden, und hier liegt das Problem, ein paar Hundert Millionen Bürger zusammenzuführen.
Ich sehe darin kein Problem. Wer nicht "zusammengeführt" bleiben oder werden will, kann seinen Willen doch an der Wahlurne kundtun (siehe Brexit). Letztlich funktioniert die EU ja - allen Unkenrufen zum Trotz - demokratisch.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Dieser Kommentar des Webmagazins der "Jungen Europäischen Föderalisten" ist sehr zu empfehlen. Dort wird die These aufgestellt, dass bei einer europäischen föderalen Vereinigung nicht die Nationen das Problem sind, sondern die Nationalstaaten.

Zitat:

Wenn man für die EU ist, und vor allem, für die Gründung eines föderalen Europas, ist es nicht ungewöhnlich den Vorwurf zu hören, man wolle „die Nation zerstören". Doch die Realität ist, dass die Integrität der Nation mit einem vereinten Europa, das eine Vielzahl von Nationen zusammenbringen würde, völlig vereinbar ist. Es gibt kaum den Wunsch, selbst unter den leidenschaftlichsten Pro-Europäer*innen, ihre Nation zu zerstören. Der eigentliche Einwand liegt am Nationalstaat.

Nationen sind im allgemeinen Sinne politische Gemeinschaften, eine Vereinigung von Menschen. Andersons berühmte Definition der Nation als eine „imaginierte Gemeinschaft“ ist buchstäblich die Idee, dass man nicht wirklich alle Mitglieder dieser Gemeinschaft physisch kennen und treffen und behaupten könnte, dass man eine Affinität zu ihnen hätte. Man muss sich einfach vorstellen, dass es so wäre. Ob man glaubt, dass Nationen an lange, historische Wurzeln gebunden sind, dass es sich um relativ junge Gebilde handelt oder, dass Nationen von politischen Akteur*innen gebildet werden, wie andere Gemeinschaften auch, spielt fast keine Rolle. Der Kernpunkt bleibt, dass es nichts gibt, was der Nation innewohnt und der Idee der europäischen Einheit und Integration feindlich gesinnt ist.

Stattdessen ist es der Nationalstaat, der wirklich die Kraft ist, die den Vormarsch eines friedlichen und wohlhabenden Europas am stärksten verhindert. Nationalstaaten sind keine automatische Voraussetzung für die Existenz von Nationen. Es gibt zahlreiche historische Beispiele für multinationale Staaten. In der Tat sind Nationalstaaten das Ergebnis eines bewusst nationalistischen Programms. Nationalist*innen erklären, dass die Nation von anderen Nationen getrennt gehalten werden muss, damit ihre Reinheit erhalten bleibt und dass die gemeinsame Entscheidungsfindung mit anderen Nationen den Tod der Nation selbst einläuten würde. Sie glauben, dass wir ein globales Divisionssystem durchsetzen müssen, um sicherzustellen, dass die Nationen voneinander getrennt bleiben. Diese Argumente folgen einer Logik, die wir von keiner anderen Gemeinschaft, weder von ethnischen noch von religiösen, akzeptieren würden, die wir aber bedingungslos befolgen, wenn es um Nationalstaaten geht.

Das eigentliche Problem des Nationalstaats ist, dass er unweigerlich als Brutstätte des Nationalismus fungiert. Solange man den Nationalstaat bewahrt, kann es keine Befreiung vom Nationalismus geben, da das eine das direkte Produkt des anderen ist...


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Stoner

Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

PeterK hat geschrieben:(07 Nov 2019, 16:01)

Ich sehe darin kein Problem. Wer nicht "zusammengeführt" bleiben oder werden will, kann seinen Willen doch an der Wahlurne kundtun (siehe Brexit). Letztlich funktioniert die EU ja - allen Unkenrufen zum Trotz - demokratisch.
Das funktioniert nicht - denn der Brexit zeigt bis hierher ja exemplarisch, dass diejenigen, die nicht zusammengeführt werden wollen, nicht einmal als Mehrheit (wie knapp auch immer und wie das auch zustande gekommen sein mag moralisch) das bekommen und am Ende mutmaßlich als gescheiterte Mehrheit dastehen werden. Mit allen Folgen für den innergesellschaftlichen Zusammenhalt.

Umgekehrt ist der positive Versuch von 2004 schlicht gescheitert - daraus den Schluss zu ziehen, durch die semi-demokratische Hintertür zu gehen hat mit zu dem gegenwärtigen Schlamassel geführt. Und diese 15 Jahre zeigen nichts anderes als: Demokratien können keinen solchen Zusammenschluss schaffen. Man weiß das, und deshalb geht man diesen Weg über dubiose nicht- und halbstaatliche Kunstrukte.

Der Aufstieg des Nationalstaats beginnt am Ende des Dreißigjährigen Krieges, als Gott und Kirche sich nicht mehr als fähig erwiesen, ein tragbares Gerüst für die Beherrschung der Schafe zu bieten. Da kann man dann hoffen, dass sich Geschichte in Sachen EU nicht als Farce wiederholt. Aber eine Vision, geschweige denn einen Plan, hat wohl niemand mehr. Es darf weitergewählt und weitergewurstelt werden. Bis einer ein Machtwort spricht oder die Umstände die Sache klar machen. Aber beides wird nicht das Ergebnis willentlicher demokratischer Prozesse sein.
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Selina
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Was passiert, wenn Rechtspopulisten und Europa-Gegner an der Macht sind, kann man gut in Ungarn sehen. Dort werden Regierungskritiker eingeschüchtert und mundtot gemacht, sogar ganz junge Leute:

https://www.daserste.de/information/pol ... o-100.html
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Vongole »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 16:52)

Was passiert, wenn Rechtspopulisten und Europa-Gegner an der Macht sind, kann man gut in Ungarn sehen. Dort werden Regierungskritiker eingeschüchtert und mundtot gemacht, sogar ganz junge Leute:

https://www.daserste.de/information/pol ... o-100.html
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Nov 2019, 15:21)

Nein. Zwischen dem, was die Fans des Identitären mit Identität umschreiben und dem, was positive Freiheit, "Freiheit zu" ist, besteht ein großer Unterschied.
https://www.derstandard.de/story/200010 ... llschaften
"Identität" wird im politischen Bereich heute fast nur noch als kulturalistischer Kampfbegriff verwendet. Und "kulturalistisch" bedeutet, Kultur im allgemeinsten Sinne, also alles "Gemachte" und nicht natürlich vorhandene für essenziell zu halten. Der Mensch sei angeblich unentrinnbar an seine jeweilige Kultur (und auch Nation) gebunden. Insofern ist Selbstgewähltheit der genaue Gegenbegriff zu Identität. Die offene Gesellschaft macht keine Vorgaben an das Individuum. Individuen in einer offenen Gesellschaft können Kosmopoliten, Kommunitaristen oder auch Schamanen oder an gar nix Glaubende sein. Sie macht nur negative Vorgaben. Gewaltverbot. Freiheitseinschränkungsverbot usw.
1. Habe ich individuelle Identität geschrieben und NICHT "identitär".

2. IST der Mensch als soziales Wesen OHNE eine Gemeinschaft, der er sich zugehörig fühlt, NICHT lebens- und überlebensfähig.

3. ist es schlicht und ergreifend eine psychologische und soziale/soziologische Tatsache, dass die Gemeinschaft, der sich das Individuum zugehörig fühlt, seine individuelle Indentität mit bestimmt/Teil dieser individuellen Identität ist.

4. bist doch gerade DU das beste Beispiel dafür, dass sich die Kultur, in der ein Mensch aufwächst, sich auch (mit) prägend auf dessen individuelle Identität auswirkt. Das beweist Du doch ständig mit der Verinnerlichung der und Bezugnahme auf die Philosophie des Existenzialismus und Satre, durch die Benutzung satrescher Terminologie bzw "Begriffsschöpfungen" im satreschen Sinne und Deinen extremen Individualismus.
Existenzialismus ist nunmal eine Besonderheit unserer westlichen/europäischen Kultur, eine philosophische Strömung, die nur in unserer europäischen Kultur entstehen konnte.

Kein Angehöriger der/einer fernöstlichen Kultur, der mit der Philosophie eines Konfuzius oder LaoTze (oder welcher auch immer) stellt das Individuum derart in den Vordergrund wie Du, bzw lehnt Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft in dieser Rigorosität ab wie Du.
Gleiches gilt für Angehörige islamisch geprägter Kulturen.
In beiden gilt die Gemeinschaft, das Wohlergehen der Gemeinschaft mehr als das Wohlergehen des Individuums bzw gilt die Vorstellung, dass sich das Individuum nur innerhalb einer Gemeinschaft frei (voll) entfalten kann.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von PeterK »

MäckIntaier hat geschrieben:(07 Nov 2019, 16:30)
Bis einer ein Machtwort spricht ...
Das ist ein interessanter Ansatz. Wer bzw. was für "einer" sollte das sein, der ein "Machtwort spricht"?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Nov 2019, 15:21)

Insofern ist Selbstgewähltheit der genaue Gegenbegriff zu Identität.
Niemand hindert ja nun einen, sich den Begriff der Identität zu eigen zu machen. Identität, das Identische, der identische Fall. Als solcher ist er immer etwas Gemachtes, also eine Künstlichkeit und damit in den Händen eines "Künstlers" oder Schaffenden. Identität entsteht durch ein Absehen vom Besonderen und ein Erzeugen eines Wesentlichen. Etwas, das sich im Zeitablauf wiederfinden lässt, eine Wiederholbarkeit, etwas, das ein Zurückholen möglich macht.
So gesehen ist es kein Gegenbegriff, sondern (s)ein Gegenstand. Ohne Identität bzw. verschiedene Identitäten gäbe es nichts zu wählen. Eine Wahlmöglichkeit entsteht erst in dem Moment, wenn jemand einen Schnitt durch die Welt macht, eine Grenze zieht, entfernt, spaltet, unterscheidet. Kurz gesagt: es kann nicht nur eine (einzige), totale Identität geben.

Und dann gibt es da im Wesentlichen zwei Typen von Menschen: die Gründer einer Sichtweise, eines Glaubens, eines Volkes, eines Unternehmens, einer Identität, das sind die Weltenteiler und Begriffschöpfer und dann jene, die nur dazugehören, die sich zuordnen, einordnen, unterordnen, mittraben.
Zuletzt geändert von BlueMonday am Donnerstag 7. November 2019, 18:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von tarkomed »

Selina hat geschrieben:(06 Nov 2019, 23:06)

Ja, was denn sonst? Nichts anderes als meine subjektive Sichtweise gebe ich hier kund. So, wie das jeder einzelne Diskutant tut.
Dem schließe ich mich an. Warum soll man sich keine subjektive Sicht erlauben, wenn dieser Prof. Wolfgang Merkel sich auch eine leistet? Er hat bereits im Februar 2016 beispielsweise der Kanzlerin vorgeworfen, sie hätte keine parlamentarische Debatte angestoßen, bevor sie zugestimmt hat, dass die Flüchtlinge von der ungarischen Grenze nach Deutschland dürfen. Das, obwohl er gewusst hat, dass an der ungarischen Grenze im Oktober zuvor die K... am Dampfen war und niemand bis heute wissen kann, wie die Situation sich eskaliert hätte, wenn die Kanzlerin nicht schnell genug reagiert hätte.
Ich erlaube mir sogar eine subjektive Meinung über diesen Prof. Wolfgang Merkel nach diesem Interview:
https://www.tagesspiegel.de/politik/dem ... 69090.html
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 16:07)

Dieser Kommentar des Webmagazins der "Jungen Europäischen Föderalisten" ist sehr zu empfehlen. Dort wird die These aufgestellt, dass bei einer europäischen föderalen Vereinigung nicht die Nationen das Problem sind, sondern die Nationalstaaten.

Zitat:

Wenn man für die EU ist, und vor allem, für die Gründung eines föderalen Europas, ist es nicht ungewöhnlich den Vorwurf zu hören, man wolle „die Nation zerstören". Doch die Realität ist, dass die Integrität der Nation mit einem vereinten Europa, das eine Vielzahl von Nationen zusammenbringen würde, völlig vereinbar ist. Es gibt kaum den Wunsch, selbst unter den leidenschaftlichsten Pro-Europäer*innen, ihre Nation zu zerstören. Der eigentliche Einwand liegt am Nationalstaat.

Nationen sind im allgemeinen Sinne politische Gemeinschaften, eine Vereinigung von Menschen. Andersons berühmte Definition der Nation als eine „imaginierte Gemeinschaft“ ist buchstäblich die Idee, dass man nicht wirklich alle Mitglieder dieser Gemeinschaft physisch kennen und treffen und behaupten könnte, dass man eine Affinität zu ihnen hätte. Man muss sich einfach vorstellen, dass es so wäre. Ob man glaubt, dass Nationen an lange, historische Wurzeln gebunden sind, dass es sich um relativ junge Gebilde handelt oder, dass Nationen von politischen Akteur*innen gebildet werden, wie andere Gemeinschaften auch, spielt fast keine Rolle. Der Kernpunkt bleibt, dass es nichts gibt, was der Nation innewohnt und der Idee der europäischen Einheit und Integration feindlich gesinnt ist.

Stattdessen ist es der Nationalstaat, der wirklich die Kraft ist, die den Vormarsch eines friedlichen und wohlhabenden Europas am stärksten verhindert. Nationalstaaten sind keine automatische Voraussetzung für die Existenz von Nationen. Es gibt zahlreiche historische Beispiele für multinationale Staaten. In der Tat sind Nationalstaaten das Ergebnis eines bewusst nationalistischen Programms. Nationalist*innen erklären, dass die Nation von anderen Nationen getrennt gehalten werden muss, damit ihre Reinheit erhalten bleibt und dass die gemeinsame Entscheidungsfindung mit anderen Nationen den Tod der Nation selbst einläuten würde. Sie glauben, dass wir ein globales Divisionssystem durchsetzen müssen, um sicherzustellen, dass die Nationen voneinander getrennt bleiben. Diese Argumente folgen einer Logik, die wir von keiner anderen Gemeinschaft, weder von ethnischen noch von religiösen, akzeptieren würden, die wir aber bedingungslos befolgen, wenn es um Nationalstaaten geht.

Das eigentliche Problem des Nationalstaats ist, dass er unweigerlich als Brutstätte des Nationalismus fungiert. Solange man den Nationalstaat bewahrt, kann es keine Befreiung vom Nationalismus geben, da das eine das direkte Produkt des anderen ist...


https://www.treffpunkteuropa.de/das-pro ... nalstaaten
Die Behauptung Nationalismus könne nur in einem Nationalstaat entstehen bzw sich entwickeln, ist schlicht und ergreifend falsch!
Die Ideologie des Nationalismus als übersteigertes Nationalbewusstsein bedarf keines Staates/Nationalstaates. Dafür reicht das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Nation vollkommen aus.
Nationalismus äußert sich in der übersteigerten Bewertung der Bedeutung der eigenen Nation und dem Zugehörigkeitsgefühl zu dieser.
Diese übersteigerte Bedeutung der eigenen Nation, dieser Nationalismus zeigt sich gerade in den Separationsbestrebungen der Katalanen in Spanien.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

PeterK hat geschrieben:(07 Nov 2019, 17:09)

Das ist ein interessanter Ansatz. Wer bzw. was für "einer" sollte das sein, der ein "Machtwort spricht"?
Wer oder was auch immer dieses "Machtwort" (die Verordnung oder wie auch immer) durchsetzen kann: der (nächste) größte Europäer aller Zeiten, eine Partei, eine Institution, der/die sich berufen fühlt, das Nachfolgemodell des Nationalstaates durchzusetzen. Wichtig war ja nur die starke Vermutung: demokratisch haut das nicht hin, solange den beteiligten Völkern nicht das Wasser bis zum Hals steht.

"Interessant" wird das vielleicht für Zuschauer - für die Beteiligten eher weniger. Natürlich sind die Nussschalen, die unter dänischer oder portugiesischer Flagge umhertreiben, immer gefährdet angesichts der steigenden Fluten der Weltpolitik - ob man sich allerdings auf der zwangsgezimmerten Arche Noah unter der Vorherrschaft der übermächtigen Teutonen sicherer oder überhaupt wohler fühlt? Das wird kein abendfüllender Spielfilm, sondern eine lindenstraßenlange Serie. Als geduldiger Zuschauer bin ich sehr gespannt.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von BlueMonday »

Dann müsste man als nicht "nationalistisch übersteigerter" Spanier eigentlich sagen: "Gut, mein Spanien ist nicht so wichtig wie ein eigenständiges Katalonien für die Katalanen, entlassen wir die Katalanen also aus unserem nationalen Verband."
Zuletzt geändert von BlueMonday am Donnerstag 7. November 2019, 18:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Vongole »

tarkomed hat geschrieben:(07 Nov 2019, 17:41)

(..)
Ich erlaube mir sogar eine subjektive Meinung über diesen Prof. Wolfgang Merkel nach diesem Interview:
https://www.tagesspiegel.de/politik/dem ... 69090.html
Ich auch, nämlich dass selten jemand so sachlich auf einige der Ursachen von Politikverdrossenheit und Rechtspopulismus hingewiesen hat.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(07 Nov 2019, 17:41)

Die Behauptung Nationalismus könne nur in einem Nationalstaat entstehen bzw sich entwickeln, ist schlicht und ergreifend falsch!
Die Ideologie des Nationalismus als übersteigertes Nationalbewusstsein bedarf keines Staates/Nationalstaates. Dafür reicht das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Nation vollkommen aus.
Nationalismus äußert sich in der übersteigerten Bewertung der Bedeutung der eigenen Nation und dem Zugehörigkeitsgefühl zu dieser.
Diese übersteigerte Bedeutung der eigenen Nation, dieser Nationalismus zeigt sich gerade in den Separationsbestrebungen der Katalanen in Spanien.
Ich weiß, was Nationalismus ist. Und nirgendwo in dem Text der jungen Europa-Föderalisten steht etwas davon, dass Nationalismus nur in einem Nationalstaat entstehen kann, wie du meinst. Nationalismus kann überall entstehen. Die Rede ist in dem Text eher davon, dass der Nationalstaat "unweigerlich als Brutstätte des Nationalismus fungiert". Und: "Solange man den Nationalstaat bewahrt, kann es keine Befreiung vom Nationalismus geben, da das eine das direkte Produkt des anderen ist". Das kann man nun sehen, wie man will. Trotzdem ist diese Aussage etwas anderes, als das, was du aus dem Text herausliest. Der Schwerpunkt liegt bei den jungen Föderalisten darauf, dass sie sagen, niemand muss die Zugehörigkeit zu einer/seiner Nation aufgeben oder in Zweifel ziehen, wenn man zukünfig eine europäische Föderation anstrebt. Im Gegenteilt: Das lässt sich wunderbar miteinander vereinbaren. So zumindest die Aussage des Textes. Und dieser Ansatz ist mir halt sehr sympathisch. Sympathischer als die nationalen Abschottungsabsichten der Rechtspopulisten.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2019, 17:04)

Meinst Du wirklich, in einem vereinten Europa würde sich das ändern, quasi par ordre du mufti? Ganz sicher nicht.
Nein. Meine Überlegung geht in eine andere Richtung. Nämlich in die, dass der Rechtspopulismus in Europa ein noch stärkeres Gewicht bekommen könnte als ohnehin schon. Und wenn der rechtsradikale Diktator Orban und seine Unterbindung sämtlicher regierungskritischer Aktionen dann einmal eine Art gesamteuropäisches antidemokratisches Vorbild werden sollte, dann gute Nacht Europa. Grauenhafte Vorstellung. So war die Verlinkung des Fünf-Minuten-Films aus Ungarn (siehe oben) von mir gemeint.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Vongole »

Kann mir mal jemand erklären, wieso eine europäische Föderation immun gegen Nationalismus sein wird?
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

tarkomed hat geschrieben:(07 Nov 2019, 17:41)

Dem schließe ich mich an. Warum soll man sich keine subjektive Sicht erlauben, wenn dieser Prof. Wolfgang Merkel sich auch eine leistet? Er hat bereits im Februar 2016 beispielsweise der Kanzlerin vorgeworfen, sie hätte keine parlamentarische Debatte angestoßen, bevor sie zugestimmt hat, dass die Flüchtlinge von der ungarischen Grenze nach Deutschland dürfen. Das, obwohl er gewusst hat, dass an der ungarischen Grenze im Oktober zuvor die K... am Dampfen war und niemand bis heute wissen kann, wie die Situation sich eskaliert hätte, wenn die Kanzlerin nicht schnell genug reagiert hätte.
Ich erlaube mir sogar eine subjektive Meinung über diesen Prof. Wolfgang Merkel nach diesem Interview:
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Danke für den Hinweis auf dieses Interview. Ja, ich erinnere mich daran. Diese Aussagen haben sich die Regierungs- und Merkel-Kritiker nun seit langem zu Eigen gemacht. Darauf basiert ihre ständige Frustration. Klingt auch stark nach Sarrazin und dessen Thesen. Alles äußerst beliebt bei der Neuen Rechten und den AfD-Anhängern. Dabei kann man im Netz jederzeit Chronologien aufrufen, die zeigen, warum Kanzlerin Merkel und andere Politiker 2015 genauso handelten, wie sie handelten.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 16:07)

Dieser Kommentar des Webmagazins der "Jungen Europäischen Föderalisten" ist sehr zu empfehlen. Dort wird die These aufgestellt, dass bei einer europäischen föderalen Vereinigung nicht die Nationen das Problem sind, sondern die Nationalstaaten.

Zitat:


Das eigentliche Problem des Nationalstaats ist, dass er unweigerlich als Brutstätte des Nationalismus fungiert. Solange man den Nationalstaat bewahrt, kann es keine Befreiung vom Nationalismus geben, da das eine das direkte Produkt des anderen ist...[/i]
Ihr Problem ist, dass Sie einerseits aus den bekannten Gründen den Nationalstaat bekämpfen, das Anti-kommunitarische anderer User unterstützen, gleichzeitig aber diejenige hier sind, die am stärksten für die Herstellung von Gleichheit oder Chancengleichheit oder bestimmter sozialer Bedingungen eintritt- ja, durch wen, wenn nicht einen post-nationalen Superstaat? Der Kommunitarismus ist eine Idee, die sich zwar dem Sozialen verschreibt, dem Gemeinsinn, aber hierzu den Einzelnen gewinnen (also jenen, der sich sozial entwirft, wie das hieß) und diese Gemeinschaft ganz explizit aus der staatlich-institutionellen Bevormundung befreien möchte. Während man Ihrem Modell nur ein blumiges "aber demokratisch" entnimmt. Je größer der Übervater Staat aber sein wird, desto weniger wird sich das träge und dauernörgelnde Anspruchswesen, das die von Ihnen vorgestellte Praxis des Rundumpamperns züchtet, zu irgendetwas anderem entwerfen als einem massenindividualistisch-identitären Kretin.

Der User Blue Monday hat drüben im FDP-Strang dazu einen wunderschönen Gedanken formuliert:
Irgendwann überwiegt die Unselbstständigkeit so sehr, dass eine existenzgefährdende Abhängigkeit daraus wird, dass nichts mehr geht ohne den führenden Eingriff. Das ist das, was ich die "politische Krankheit" nenne, die Überantwortung jeglicher Entscheidung und Verantwortung an den öffentlichen Raum.
Und genau das darf man beim Lesen Ihrer in sich völlig widersprüchlichen Beiträge letzendlich als Ihr Programm herauslesen - so sehr Sie auch den Nationalstaat in die Pfanne hauen mögen. Alles, was Sie vor lauter Rechtsfurcht von sich geben, lässt dort, wo Sie etwas Neues wollen, ein Monstrum befürchten, gegen das der Nationalstaat geradezu wie ein Hort der Freiheit daherkommt. Und da hilft auch nichts zu sagen: Es muss demokratisch sein. Wird es nicht, es ist eine gespurte Bahn ohne Nebenwege.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2019, 18:30)

Kann mir mal jemand erklären, wieso eine europäische Föderation immun gegen Nationalismus sein wird?
Hat doch keiner gesagt, dass es hundertprozentig so sein würde. Das wäre ja auch ein Entwicklungs-Prozess, Zukunftsmusik. In jedem Falle wäre eine Föderation etwas Offenes, Freies, Vielfältiges, Interessantes. Das Gegenteil von Zurückgeworfenheit auf den einzelnen Nationalstaat, das Gegenteil von Abschottung. Eine Föderation vieler verschiedener Nationen. Eine Bereicherung. Unter den Jungen Europäischen Föderalisten sind übrigens auch Christdemokraten. Kein linkes Teufelszeuchs :D
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Vongole »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 18:51)

Hat doch keiner gesagt, dass es hundertprozentig so sein würde. Das wäre ja auch ein Entwicklungs-Prozess, Zukunftsmusik. In jedem Falle wäre eine Föderation etwas Offenes, Freies, Vielfältiges, Interessantes. Das Gegenteil von Zurückgeworfenheit auf den einzelnen Nationalstaat, das Gegenteil von Abschottung. Eine Föderation vieler verschiedener Nationen. Eine Bereicherung. Unter den Jungen Europäischen Föderalisten sind übrigens auch Christdemokraten. Kein linkes Teufelszeuchs :D
MäckIntaier hat dazu schon eine treffende Antwort formuliert, ich mach's daher kürzer: Träum weiter.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

MäckIntaier hat geschrieben:(07 Nov 2019, 18:46)

Ihr Problem ist, dass Sie einerseits aus den bekannten Gründen den Nationalstaat bekämpfen, das Anti-kommunitarische anderer User unterstützen, gleichzeitig aber diejenige hier sind, die am stärksten für die Herstellung von Gleichheit oder Chancengleichheit oder bestimmter sozialer Bedingungen eintritt- ja, durch wen, wenn nicht einen post-nationalen Superstaat? Der Kommunitarismus ist eine Idee, die sich zwar dem Sozialen verschreibt, dem Gemeinsinn, aber hierzu den Einzelnen gewinnen (also jenen, der sich sozial entwirft, wie das hieß) und diese Gemeinschaft ganz explizit aus der staatlich-institutionellen Bevormundung befreien möchte. Während man Ihrem Modell nur ein blumiges "aber demokratisch" entnimmt. Je größer der Übervater Staat aber sein wird, desto weniger wird sich das träge und dauernörgelnde Anspruchswesen, das die von Ihnen vorgestellte Praxis des Rundumpamperns züchtet, zu irgendetwas anderem entwerfen als einem massenindividualistisch-identitären Kretin.

Der User Blue Monday hat drüben im FDP-Strang dazu einen wunderschönen Gedanken formuliert:



Und genau das darf man beim Lesen Ihrer in sich völlig widersprüchlichen Beiträge letzendlich als Ihr Programm herauslesen - so sehr Sie auch den Nationalstaat in die Pfanne hauen mögen. Alles, was Sie vor lauter Rechtsfurcht von sich geben, lässt dort, wo Sie etwas Neues wollen, ein Monstrum befürchten, gegen das der Nationalstaat geradezu wie ein Hort der Freiheit daherkommt. Und da hilft auch nichts zu sagen: Es muss demokratisch sein. Wird es nicht, es ist eine gespurte Bahn ohne Nebenwege.
So ein Käse. Ich will einfach keine antidemokratischen Nationalstaaten nach Orban-Vorbild. Mehr nicht. Alles andere kann doch jeder präferieren, wie er will. Eine europäische Föderation (Zukunftsvision!) hat nichts mit einem "post-nationalen Superstaat" zu tun. Föderation bedeutet zuerst einmal Bündnis. Wie solch eine Föderation der Nationen/Staaten einmal genau aussehen könnte, darüber wird debattiert und gestritten. Und das ist auch gut so.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

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Vongole hat geschrieben:(07 Nov 2019, 18:54)

MäckIntaier hat dazu schon eine treffende Antwort formuliert, ich mach's daher kürzer: Träum weiter.
Gerne. Was ist denn deine eigene Meinung zum Themenkomplex "Nation - Nationalstaat - Nationalismus"? Würde mich interessieren.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 18:22)

Ich weiß, was Nationalismus ist. Und nirgendwo in dem Text der jungen Europa-Föderalisten steht etwas davon, dass Nationalismus nur in einem Nationalstaat entstehen kann, wie du meinst. Nationalismus kann überall entstehen. Die Rede ist in dem Text eher davon, dass der Nationalstaat "unweigerlich als Brutstätte des Nationalismus fungiert". Und: "Solange man den Nationalstaat bewahrt, kann es keine Befreiung vom Nationalismus geben, da das eine das direkte Produkt des anderen ist". Das kann man nun sehen, wie man will. Trotzdem ist diese Aussage etwas anderes, als das, was du aus dem Text herausliest. Der Schwerpunkt liegt bei den jungen Föderalisten darauf, dass sie sagen, niemand muss die Zugehörigkeit zu einer/seiner Nation aufgeben oder in Zweifel ziehen, wenn man zukünfig eine europäische Föderation anstrebt. Im Gegenteilt: Das lässt sich wunderbar miteinander vereinbaren. So zumindest die Aussage des Textes. Und dieser Ansatz ist mir halt sehr sympathisch. Sympathischer als die nationalen Abschottungsabsichten der Rechtspopulisten.
Und genau diese Behauptung (hervorgehoben) ist falsch!
Es ist eben NICHT der Nationalstaat, der die "Brutstätte von Nationalismus" ist, sondern die Nation ist es.
Das ist ja gerade der Fehlschluss, dass es nur der Staat sei, in dem Nationalismus "gedeihen" könne.
Genau umgekehrt wird ein Schuh draus, die Nation ist es, die Nationalismus hervor bringt, die die eigene Nation und deren Bedeutung überbewertet. Genau diese Überbewertung der Bedeutung der eigenen Nation ist es, die zur Zersplitterung führt - das zeigen die Separationsbestrebungen der Katalanen, das hat die Trennung der Tschechoslowakei in die Tschechische und die Slowakische Republik gezeigt und das hat Jugoslawien gezeigt, wo Nationalismus zur Entstehung vieler kleiner Staaten durch Bürgerkrieg(e) geführt hat, wo sich Nationen/Ethien immer noch bekämpfen.
Diese "Föderalisten" sind Tagträumer/Traumtänzer, die meinen, wenn nur die Staatsgrenzen beseitigt würden, gäbe es keinen Nationalismus mehr, würde sich keine Nation als höherwertig, bedeutsamer einstufen und alle hätten sich ganz lieb und würden sich alle ganz freiwillig und friedlich unter einer "Oberhoheit" zusammen finden. - Alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Falsch gedacht - die Staaten sind es, die den "Kitt" für das (friedliche) Zusammenleben der verschiedenen Nationen bilden. Die USA sind wohl das beste Beispiel dafür.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Selina
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(07 Nov 2019, 19:19)

Und genau diese Behauptung (hervorgehoben) ist falsch!
Es ist eben NICHT der Nationalstaat, der die "Brutstätte von Nationalismus" ist, sondern die Nation ist es.
Das ist ja gerade der Fehlschluss, dass es nur der Staat sei, in dem Nationalismus "gedeihen" könne.
Genau umgekehrt wird ein Schuh draus, die Nation ist es, die Nationalismus hervor bringt, die die eigene Nation und deren Bedeutung überbewertet. Genau diese Überbewertung der Bedeutung der eigenen Nation ist es, die zur Zersplitterung führt - ds zeigen die Separationsbestrebungen der Katalanen, das hat die Trennung der Tschechoslowakei in die Tschechische und die Slowakische Republik gezeigt und das hat Jugoslawien gezeigt, wo Nationalismus zur Entstehung vieler kleiner Staaten durch Bürgerkrieg(e) geführt hat, wo sich Nationen/Ethien immer noch bekämpfen.
Diese "Föderalisten" sind Tagträumer/Traumtänzer, die meinen, wenn nur die Staatsgrenzen beseitigt würden, gäbe es keinen Nationalismus mehr, würde sich keine Nation als höherwertig, bedeutsamer einstufen und alle hätten sich ganz lieb und würden sich alle ganz freiwillig und friedlich unter einer "Oberhoheit" zusammen finden. - Alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Falsch gedacht - die Staaten sind es, die den "Kitt" für das (friedliche) Zusammenleben der verschiedenen Nationen bilden. Die USA sind wohl das beste Beispiel dafür.
Nirgendwo steht etwas von "Staatsgrenzen beseitigen". Staaten haben selbstverständlich Funktionen mit ihren Institutionen und Einrichtungen. Auch wenn das in ferner Zukunft mit der weiteren Internationalisierung aller Lebensprozesse (Wirtschaft, Politik, Forschung, Wissenschaft) nicht mehr der Fall sein wird. Gefährlich wirds aktuell nur, sobald die Staaten und ihre Regierungen ihre demokratische Verfasstheit aufgeben und so wie in Ungarn zum Beispiel Regierungskritiker verfolgen und keine Medien- und Meinungsfreiheit mehr zulassen.
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Dark Angel
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 19:29)

Nirgendwo steht etwas von "Staatsgrenzen beseitigen". Staaten haben selbstverständlich Funktionen mit ihren Institutionen und Einrichtungen. Auch wenn das in ferner Zukunft mit der weiteren Internationalisierung aller Lebensprozesse (Wirtschaft, Politik, Forschung, Wissenschaft) nicht mehr der Fall sein wird. Gefährlich wirds aktuell nur, sobald die Staaten und ihre Regierungen ihre demokratische Verfasstheit aufgeben und so wie in Ungarn zum Beispiel Regierungskritiker verfolgen und keine Medien- und Meinungsfreiheit mehr zulassen.
Merkst Du eigentlich noch, dass Du Dir in jedem Deiner Beiträge mehrfach widersprichst oder verstehst Du nicht was Du liest - weder die Beiträge anderer User noch Deine eigenen Quellen?
Natürlich geht es in Deiner Quelle darum Staaten und Staatsgrenzen zu beseitigen.

"Die einzige dauerhafte Lösung muss darin bestehen, sich vom Nationalstaatsmodell zu lösen und aus der nationalistischen Box auszubrechen, die unsere Versuche, uns eine politische Organisation vorzustellen, die für das 21. und nicht für das 19. Jahrhundert geeignet ist, verhindert."

Genau das ist die Grundaussage dieses Satzes - die Beseitigung der Staatsgrenzen und Auflösung souveräner Staaten zugunsten eines supranationalen Gebildes.
Nichts anderes ist die - von diesen "Grünschnäbeln" - angestrebte "Föderation"

Ein Gebilde, in dem keine souveränen Staaten mehr existieren, das keine demokratische Legitimation mehr aufweist.
Genau DAS, was Prof. Merkel - den DU in die "neurechte Ecke" schiebst, in seinem Aufsatz beschreibt:
dann gibt es keine Institution mehr, die die soziale Ordung schützen, die die Hegemonie trnsnationaler Unternehmen eindämmen.
Genau DAS, was Du unter der Phrase "Internationalisierung" herbeisehnst, steht dem Sozialgefüge, welches nur ein souveräner Staat (einigermaßen) gewährleisten kann, diametral entgegen, ist NICHT demokratisch legitimierbar, sondern nur (noch) per Top-Down-Prinzip durchsetzbar und damit Diktatur.
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Selina
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(07 Nov 2019, 20:06)

Merkst Du eigentlich noch, dass Du Dir in jedem Deiner Beiträge mehrfach widersprichst oder verstehst Du nicht was Du liest - weder die Beiträge anderer User noch Deine eigenen Quellen?
Natürlich geht es in Deiner Quelle darum Staaten und Staatsgrenzen zu beseitigen.

"Die einzige dauerhafte Lösung muss darin bestehen, sich vom Nationalstaatsmodell zu lösen und aus der nationalistischen Box auszubrechen, die unsere Versuche, uns eine politische Organisation vorzustellen, die für das 21. und nicht für das 19. Jahrhundert geeignet ist, verhindert."

Genau das ist die Grundaussage dieses Satzes - die Beseitigung der Staatsgrenzen und Auflösung souveräner Staaten zugunsten eines supranationalen Gebildes.
Nichts anderes ist die - von diesen "Grünschnäbeln" - angestrebte "Föderation"

Ein Gebilde, in dem keine souveränen Staaten mehr existieren, das keine demokratische Legitimation mehr aufweist.
Genau DAS, was Prof. Merkel - den DU in die "neurechte Ecke" schiebst, in seinem Aufsatz beschreibt:
dann gibt es keine Institution mehr, die die soziale Ordung schützen, die die Hegemonie trnsnationaler Unternehmen eindämmen.
Genau DAS, was Du unter der Phrase "Internationalisierung" herbeisehnst, steht dem Sozialgefüge, welches nur ein souveräner Staat (einigermaßen) gewährleisten kann, diametral entgegen, ist NICHT demokratisch legitimierbar, sondern nur (noch) per Top-Down-Prinzip durchsetzbar und damit Diktatur.
Ich "sehne" nichts "herbei". Das ist einfach eine ganz normale folgerichtige Entwicklung. Unabhängig vom Wollen einiger Figuren. Es sei denn, der Rechtspopulismus setzt sich in Europa durch. Was eine Mehrheit der Menschen nach wie vor nicht will.
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Stoner

Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 20:18)

Ich "sehne" nichts "herbei". Das ist einfach eine ganz normale folgerichtige Entwicklung. Unabhängig vom Wollen einiger Figuren. Es sei denn, der Rechtspopulismus setzt sich in Europa durch. Was eine Mehrheit der Menschen nach wie vor nicht will.
Also "Fatalismus statt Populismus!" :D
Zuletzt geändert von Stoner am Donnerstag 7. November 2019, 20:41, insgesamt 1-mal geändert.
Adam Smith
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Adam Smith »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 18:22)

Ich weiß, was Nationalismus ist. Und nirgendwo in dem Text der jungen Europa-Föderalisten steht etwas davon, dass Nationalismus nur in einem Nationalstaat entstehen kann, wie du meinst. Nationalismus kann überall entstehen. Die Rede ist in dem Text eher davon, dass der Nationalstaat "unweigerlich als Brutstätte des Nationalismus fungiert". Und: "Solange man den Nationalstaat bewahrt, kann es keine Befreiung vom Nationalismus geben, da das eine das direkte Produkt des anderen ist". Das kann man nun sehen, wie man will. Trotzdem ist diese Aussage etwas anderes, als das, was du aus dem Text herausliest. Der Schwerpunkt liegt bei den jungen Föderalisten darauf, dass sie sagen, niemand muss die Zugehörigkeit zu einer/seiner Nation aufgeben oder in Zweifel ziehen, wenn man zukünfig eine europäische Föderation anstrebt. Im Gegenteilt: Das lässt sich wunderbar miteinander vereinbaren. So zumindest die Aussage des Textes. Und dieser Ansatz ist mir halt sehr sympathisch. Sympathischer als die nationalen Abschottungsabsichten der Rechtspopulisten.
Jugoslawien ist ein gutes Beispiel dafür wie ein Staat zerfallen kann. Offene Grenzen innnerhalb des Staates sind keine Garantie, dass es funktioniert.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Stoner »

Adam Smith hat geschrieben:(07 Nov 2019, 20:24)

Jugoslawien ist ein gutes Beispiel dafür wie ein Staat zerfallen kann. Offene Grenzen innnerhalb des Staates sind keine Garantie, dass es funktioniert.
Das war ja schon im k.u.k-Reich so. Dort hat man angefangen, die Nation ethnisch zu definieren, mit den bekannten Folgen. Und genau hier liegt auch eine Gefahr für einen künstlich, über die Köpfe der Leute hinweg geschaffenen Superstaat. Dass man sich plötzlich wieder mangels Identifikationspotenzial noch stärker auf seine Herkunft (portugiesisch, spanisch, dänisch etc) besinnt. Vielleicht sollte man auch Polen oder Ungarn & Co. einmal unter diesem Aspekt betrachten. Insbesondere auch mit Blick auf den gescheiterten Internationalismus unter sowjetischer Knute.
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Dark Angel
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Re: Eine Welt ohne Grenzen, der Nationalstaat am Ende?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 20:18)

Ich "sehne" nichts "herbei". Das ist einfach eine ganz normale folgerichtige Entwicklung. Unabhängig vom Wollen einiger Figuren. Es sei denn, der Rechtspopulismus setzt sich in Europa durch. Was eine Mehrheit der Menschen nach wie vor nicht will.
Kannst Du diese Behauptung auch sachlich-inhaltlich begründen oder ist das wieder nur so ein Bauchgefühl?

In der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft gibt es kein "folgerichtig" - außer man glaubt, es gäbe so etwas wie ein "Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte" - gesetzmäßig aufeinander folgende Entwicklungsstufen und daraus folgend "Vorhersagen für die Zukunft", wie es Marx und Engels im "Historischen Materialismus" postulieren.
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