schelm hat geschrieben:eben auch eine härtere Gangart (...)durchaus manchmal eine Funktion erfüllt : Nämlich jene, bereits im Ansatz mögliche Aufweichungen von Grundsätzen offensiv zu diskutieren.
(...) es geht darum sicherzustellen, eine mögliche schleichende Aufweichung von Grundsätzen in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken.
Bei Betrachtung unserer Medienlandschaft fällt aber doch schon längst auf, dass eher oder zumindest im zu hohen Maße darum geht, irgendetwas "sensationelles" zu berichten, sprich aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Noch schlimmer: Nicht nur Medien tun das, sondern auch der politische Gegner: Auch er möchte aus einer "Sensation" politisches Kapital schlagen. Deswegen dichtet man den Aussagen Köhlers die Befürwortung von Wirtschaftskriegen an. Das ist Populismus. Dabei kann man aber auch den Bogen überspannen und unverhältnismäßigen Schaden anrichten, der dann (hoffentlich) auf den Angreifer zurückfällt. Die Kommunisten waren ebenso wie die Rechtsradikalen immer an vorderster Front dabei, wenn es darum ging, viel mehr Entsetzen durch die Kritik hervorzurufen, als der mehr oder weniger gerechtfertigter kritikwürdige Umstand selbst. Soweit ich das bisher mitgekriegt habe, hat der gemäßigte politische Gegner eher den Rücktritt kritisiert, als die Äußerung selbst.
Vor diesem Hintergrund wird es mir wahrlich nicht verständlicher, weshalb Köhler zurückgetreten ist. Was kratzt es die deutsche Eiche, wenn sich eine Sau daran reibt?
Und warum sollte ein Bundespräsident grundsätzlich davor gefeit sein, nicht völlig durchdachte Überlegungen auszuplaudern ?
Im hiesigen Fall sollte das aber eher zu Lob als zu Kritik führen. Seine Äußerungen (wenn man kniefieseln will: seine Äußerungen abgesehen von "im Zweifel") haben Augenmaß bewiesen. Das richtige Augenmaß zwischen friedensmissionarischer Pazifisten-Naivität und einem "Wirtschaftskrieg"

, von dem nie die Rede sein kann und von dem auch nur populistische Politiker gesprochen haben.
Das fehlende Lob (als Gegenstimmen zur ungerechtfertigten Kritik) mag es wohl auch gewesen sein, was Köhler so schockiert hat.
In diese Überreaktion lässt sich meines Erachtens auch durchaus hineininterpretieren, dass er in voller Überzeugung und mit reinstem Gewissen etwas gesagt haben muss, wofür er stehen will und nicht etwas "ausgeplaudert" hat, was in irgendeiner Form als verwerflich eingeschätzt werden kann. Er hat sich davon überrumpeln lassen. Das spricht für Integrität, nicht für die klassische Durchtriebenheit von Politikern, die Tatsachen nur deshalb verschweigen, weil sie unbequem sind. Diese seine Integrität anzuzweifeln - noch dazu in diesem dramatischen Beispiel - überstieg augenscheinlich Köhlers Vorstellungsvermögen.
" Regionale Instabilitäten " kann man aber nur verhindern, bevor sie eingetreten sind - z.B. bei einer Regierungskrise ( siehe Thailand ) oder Iran vor dem Besitz atomarer Waffen. Eine solche " Verhinderung " ist aber nur über 2 Wege möglich : Diplomatie oder ein Präventivschlag. Von Diplomatie stand in Köhlers Äußerungen aber nix, sondern nur der Notwendigkeit, " im Zweifel " militärische Gewalt anwenden zu müssen, um die " Instabilität ganzer Regionen ZU VERHINDERN ".
Hier sprichst du die generelle außenpolitische bzw. sicherheitspolitische Schwäche von Demokratien an. Präventivkriege sind unter diesen geächtet. Das hat aber zur Folge hat, dass Diplomatie in manchen Fällen doch recht dünn daherkommt, wenn man keine drastischer Option mehr in der Hinterhand hat (aktuelles Beispiel Nordkorea).
Deshalb hat hier Köhler auch nur die Wahrheit ausgesprochen. Gehen wir doch mal vom Extremfall aus: Wenn man sagt, dass es im Bereich des Möglichen ist, dass "im Zweifel" gewaltsame Präventivschläge notwendig sind, um internationalen, globalpolitischen Unbill zu verhindern, dann hat man nicht mehr und nicht weniger gesagt als die Wahrheit. Es ist definitiv möglich, dass ein Präventivschlag notwendig ist.
Geht man vom weitaus wahrscheinlicheren Fall aus (da ja Präventivschläge geächtet sind), dass diese eben nicht gemeint waren, wohl aber gemeint ist, dass "im Zweifel", also wenn es ja nicht anders geht, gewaltsame
Reaktionen notwendig sein können, hat man wiederum nur die Wahrheit gesagt.
Aus lauter Gewissenhaftigkeit, "eine mögliche schleichende Aufweichung von Grundsätzen in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken", muss man nicht gleich Grundgesetzwidrigkeit unterstellen. Das halte ich hierfür auch für kontraproduktiv. Denn genau dieser Populismus treibt eben jenen politischen Elementen Fahrtwind zu, die tatsächlich und in der Sache dazu neigen, das Grundgesetz zu unterminieren.
Wer wird schon abstreiten, dass es tendenziell sinnvoller, zumindest nachvollziehbarer ist, dass die Partei Die Linke vom Verfassungsschutz beobachtet wird, als es Köhler zu unterstellen, er befürworte Wirtschaftskriege?