Billie Holiday hat geschrieben: ↑Freitag 16. Dezember 2022, 16:01
Wenn allesamt das doppelte verdienen/bekommen, gibt es immer noch Arme und Reiche. Und wenn dem Hirnchirurgen zuviel Steuern weggenommen wird, damit der Bauhelfer mehr bekommt, wird der Arzt sich woanders umschauen. Es gibt immer einen Unterschied zwischen den Tätigkeiten.
Was hat das mit Migration zu tun?
Am Ende des Tages geht es nur um eine Frage: Was muss ein Mensch an Gehalt bekommen, um angemessen bezahlt zu werden und im Ergebnis dann auch im Alter in Würde leben zu können?
Bei dieser zentralen Frage geht es nicht um irgendwelche festgelegten Zahlen. Es geht letztlich darum, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, wie gut Würde finanziert sein muss. Da spielen so Sachen wie die Befähigung zu gesellschaftlicher Teilhabe eine Rolle. Kann ich mein Kind an einer Klassenfahrt teilnehmen lassen oder reicht dafür die Kohle nicht? Kann ich ab und zu mal ins Kino gehen oder reicht dafür die Kohle nicht? Kann ich mir eine Tageszeitung leisten oder reicht dafür die Kohle nicht? Solche Fragen sind es, um die es geht.
Wo soll ich geschrieben haben, dass ein Taxifahrer genauso viel Geld verdienen muss wie ein Hirnchirurg? Ich habe lediglich geschrieben, dass nach allen uns vorliegenden und statistisch sehr gut belegten Erkenntnissen immer mehr Menschen für ihre Vollzeitarbeit nicht genug bezahlt bekommen, um davon würdevoll leben zu können.
Entgegengehalten wird dem nur die neoliberal begründete Behauptung, dass manche Menschen eben mehr Geld "verdienen" und andere Menschen sich damit abfinden müssen, dass sie arm im Sinne des oben zitierten Berichts sind. Wenn die soziale Marktwirtschaft dazu führen würde, dass ein nennenswerter Teil der Bevölkerung arm sein oder sich mit Armut abfinden muss, dann wäre die
soziale Marktwirtschaft scheiße. Ist sie aber nicht, denn genau das impliziert sie nicht. Deshalb gibt es so "merkwürdige" Sachen wie den Mindestlohn, den acht-Stunden-Tag, Arbeitsschutzregelungen, das Betriebsverfassungsgesetz, Rentenansprüche, Sozialleistungen... Ich könnte fast endlos weiter aufzählen.
Der Staat greift völlig zu Recht an vielen Stellen ein. Wenn man das alles natürlich nur stumpfsinnig auf die durch Marktmacht bestimmten Entlohungssätze reduzieren will, müssen wir eigentlich gar nicht weiter reden. Aber denk mal etwas tiefer: Welche "Anreiz" sollte ein Wirtschaftsunternehmen haben, eine Hochspannungleitung bis ins tiefste Sachsen zu bauen? Lohnt sich doch gar nicht. Was wäre die Konsequenz? Dann kriegen die paar Hanseln im tiefsten Sachsen eben keine Stromversorgung. Ist doch deren Problem und geht uns nichts an. Noch ein Beispiel: Welchen "Anreiz" sollte ein Wirtschaftsunternehmen haben, Altenpfleger oder Krankenpfleger oder Kindergärtnerinnen zu bezahlen? Die "produzieren" doch nichts und erwirtschaften keinen Gewinn. Warum sollte man so schweineteure Sachen wie Polizei oder Bundeswehr oder Müllabfuhr bezahlen? Ist alles total unproduktiv.
Am Ende geht es um einen gesellschaftlichen Konsens darüber, welche Leistungen erbracht werden müssen und welches Entgelt die Leistungserbringer dafür bekommen müssen. Manifestiert zum Beispiel durch den Mindestlohn.
Wenn ich dann die Argumentation höre oder lese, dass ein Mensch, der dämlich genug ist, eine "unrentable" Arbeit zu erledigen, eben mit einem Hungerlohn zufrieden sein und in Armut vegetieren muss und dass dies ein Wesensmerkmal unseres Wirtschaftssystems sei, dann stufe ich das als Ausdruck eines kalherzigen fundamentalistischen Neoliberalismus ein. Der gesetzlich festgeschriebene Mindestlohn ist ein Beispiel dafür, dass unser Staat so nicht arbeitet.
Und zum Schluss verweise ich nochmal auf den Strangtitel. Da geht es um Umverteilung! Niemand hat je behauptet, dass es keine Unterschiede bei der Bezahlung von unterschiedlichen Tätigkeiten geben darf. Niemand hat je behauptet, dass es keine UInterschiede zwischen den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen von Menschen geben darf. Es ist einfach nur sichtbar und unwiderlegbar nachgewiesen, dass Vermögen auch in Deutschland beständig von unten nach oben fließt. Immer weniger Leute am oberen Ende werden immer reicher und immer mehr Menschen an unteren Ende werden immer ärmer. Die Schere kappt immer weiter auf. Das ist seit Jahrzehnten so! Zu behaupten, dass das gut und richtig sei und ein Wesensmerkmal der
sozialen Marktwirtschaft sei, ist einfach nur absurd!