BlueMonday hat geschrieben:(15 Feb 2021, 15:36)
Naja, die EU sorgt mit ihren "Harmonisierungen" eher für weniger Vielfalt. Und eine "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" ist sicherlich keine linke Forderung. Links geht es um den staatlichen Eingriff, den bemutternden Staat, "Schutz" der Menschen vor Menschen. Wenn man nun den Lebensstil der Lebensuntüchtigkeit - so will ich es mal nennen - subventioniert/bezahlt, dann wird man damit in der Regel eine Ausbreitung und Ausweitung dieses prekären Lebensstils bewirken. Sprich, der Bemutterungsstaat bringt zahlreiche weitere zu bemutternde Lebensläufe hervor. Was wiederum für zusätzliche Legitimation für mehr staatliche Bemutterung sorgt... Und diese Problematik blendet das linke Denken aus, bzw. basiert geradezu darauf.
Da habe ich mich wahrscheinlich etwas missverständlich ausgedrückt. Mit dem Verweis auf die EU wollte ich eigentlich nur zum Ausdruck bringen, dass ich nur für diese Region über eigene verlässliche Erfahrungen verfüge. Und hier sind mir eben Konzepte, die von konservativen Gewerkschaftsfunktionären oder auch von traditionellen Linken vertreten werden, eher suspekt. Da bin ich insofern eigentlich deiner Meinung. Meine persönlichen Erfahrungen mit all den selbsternannten Bemutterungsinstitutionen sind schlecht. Sehr schlecht. Gewerkschaftsleute sind in meinen Augen in großen Teilen Menschen, die fachlich so schlecht sind, dass sie halt lieber aufpassen, ob die Pausenzeiten eingehalten werden.
Ich stehe nicht selten vor der Situation, dass ich absurderweise gewissermaßen die Spuren meiner eigenen Arbeit verwische, um nicht von diesen Sturköpfen angegangen zu werden, die darauf bestehen, dass Sonntags kein Dienst ist. Aber wenn ich halt zufällig im Urlaub irgendwo fern von Deutschland eine Idee habe, wie ein lange ungelöstes Problem zu lösen ist, kanns auch schon mal sein, dass ich von irgendwo Sonntags früh um fünf mich auf einem der gemeinsam betreuten Server anmelde und dort was mache. Ich will unter keinen Umständen bemuttert werden.
Im Zuge der Trump-Ära in den USA hat man aus dieser Richtung in jüngerer Zeit häufig für uns etwas exotisch klingende Parolen von Sozialismus- oder Kommunismus-Angst gehört. Ersteinmal hat man durch die etwas intensivere Berichterstattung mehr Hintergründe über dieses Phänomen erfahren. Und kurz gesagt erstens: Das sind keineswegs alles Dummköpfe. Und zweitens: Ich kann diese Art von "Sozialismusangst" in Teilen durchaus nachvollziehen: Lieber auf einem Wohnwagenplatz wohnen als mit irgendwelchen Sozialtanten in einer warmen Bürostube über irgendwelchen Formularen sitzen. Ja! Und ich sage das wirklich nicht, weil ich in Wirklichkeit nicht vor dem Zwang stehe, in einem Wohnwagen oder Zelt zu wohnen. Ich bin nicht zimperlich.
Nur in zwei Punkten kann ich diese "Sozialismusangst" nicht verstehen: Dinge wie Bildung oder Gesundheit müssen für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein. Man muss einen Krankenwagen anrufen können und man darf nicht ein Vermögen auf den Tisch legen müssen, um seine Kinder studieren zu lassen. Erstens. Und zweitens: Man muss eine nicht überschreitbare Obergrenze für die Finanz- und Wirtschaftsmacht von Unternehmen und Unternehmer schaffen. Mit einer Steuerprogression, die so exzessiv und lückenlos ist, dass Unternehmen wie Amazon oder Gazprom und die Macht ihrer Besitzer grundsätzlich nicht entstehen können. Eine vielfältige und grundsätzlich flache Wettbewerbswirtschaft.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)