Sören74 hat geschrieben:(23 Jan 2021, 10:29)
Das was Du bei dem Aspekt der benötigten Menge an Impfstoff vollkommen übersiehst, ist der Faktor Zeit. Es macht einen Unterschied, ob man alle EU-Bürger im April, Spätsommer oder Ende diesen Jahres versorgen kann oder 2023 oder 2030. So gesehen hat beispielsweise die DDR alle Familien mit Autos versorgen können. Es dauerte eben nur 10-15 bis jede eins bekam.
Wir reden nicht von Verzögerungen von Jahren, sondern von Wochen, allenfalls Monate. Deshalb ist dein DDR-Vergleich völlig falsch.
Zum einen Herdenimmunität ist keine binäre Größe, die sich ab einer bestimmten Prozentzahl ergibt und vorher nicht besteht. Es ist ein kontinuierlicher Vorgang, dass das Virus bei der Ausbreitung immer mehr auf immune Menschen stößt und so dieses immer schlechter weitergetragen wird. Von daher haben auch 40% immune Menschen eine epidemiologische Auswirkung auf die Ausbreitung. Und daraus ergibt sich, dass es dann sehr wohl eine Rolle spielt, wann eine größere Gruppe an Menschen (<60%) immun ist. Israel wird diesen Zustand schon wesentlich eher erreichen als die EU-Bürger.
Was du vernachlässigst ist, dass bei der Ausbreitung des Virus wir nicht von linearen, sondern expotentiellen Funktionen reden - und gegen die Ausbreitung wirken zahlreiche Maßnahmen - Impfungen wirken weitgehend linear. Wobei die Zahl der Geimpften ja auch nicht linear steigt, sondern mit zunehmender Verfügbarkeit von Impfstoff auch schneller. Es ist nicht so einfach mathematisch zu modellieren, wie viele Tote durch eine etwas schnellere Impfung vermieden werden könnten - ob das überhaupt der Fall ist, wird sich generell wenn überhaupt dann rückwirkend in 6-12 Monaten klären lassen.
Wenn man einige Zehntausend Todesfälle mehr wegen wochenlangen Verzögerungen für wenig relevant hält. Und nein, wenn man einen Impfrückstand hat, ist der nicht so einfach aufzuholen, das weiß man eigentlich, wenn man etwas wirtschaftlichen Sachverstand für Produktions- und Verteilprozesse besitzt.
Einige Zehntausend Todesfälle gab es sicherlich - aber nicht einige Zehntausend mehr! Das sind zwei paar Schuhe, und die verwechselst du. Das weiß man eigentlich, wenn man etwas wirtschaftlichen Sachverstand....den Rest spar ich mir, kannst du dir eigentlich denken.
Wir müssen in allen Bereichen effizient handeln. Das gilt in den Kontakteinschränkungen, wie in der Umsetzung der Impfung. Und hier in diesem Strang geht es um den Aspekt der Impfung. Zum Thema Homeoffice habe ich mich umfangreich in dem Strang "Erster ungelesener Beitrag neues lebengefährliches Lungenvirus in China - Mensch zu Mensch Übertragung nicht auszuschließen" und "Covid 19 Langzeitplan gegen die Epidemie" geäußert. Und ich muss Dich leider korrigieren. Durch Home-Office wird erstmal die Infektionszahl gedrückt. Dadurch ergibt sich auch einer Senkung der Todesrate. Aber wenn man keine Maßnahme für die Herdenimmunität durch eine Impfung hat, werden die Todesfälle auf Dauer nicht verhindert, sondern bei einem R-Wert um die 1 wird die Zahl die Sterbensfälle nur in die Länge gezogen. Menschen die nicht jetzt sterben, würden an einer späteren Infektion sterben. Das ist die grundlegende Mathematik einer Pandemie. Und bei so einem potenten Virus wäre es nur eine Frage der Zeit, wann ohne Impfung mind. 60% aller Menschen mal infiziert sind.
Klar kann man sich vor ganzen Argumentationslinien drücken - nur wird es dadurch ja nicht richtig. Entscheidend für die hohe Zahl an Toten ist derzeit nicht der Impfrückstand, die hohe Zahl an Kontakten hingegen schon. So einfach ist es.
Das ist simple Warteschlangentheorie, wenn die Bearbeitungszeit innerhalb einer Warteschlange nicht beliebig reduziert werden kann, bringt ein verspäteter Start auch eine Verzögerung für alle diejenigen, die sich in dieser Schlange befinden.
Wenn du dich mit der Warteschlangentheorie ja auskennst, dann kannst du ganz sicher auch erläutern, welche Zahl an Warteschlangen du in deiner mathematischen Modellbildung annimmst. Derzeit erscheint mir dein Modell doch sehr simplifizierend zu sein - die Realität jedenfalls besteht aus mehreren Impfstoffen die zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich stark verfügbar sind, komplexen Produktionsabhängigkeiten, schwierigen Lieferbedingungen die auch noch bei jedem Impfstoff unterschiedlich sind, und dann kommen noch so Kriterien mit dazu, dass eben nicht jeder, der geimpft werden soll, sich auch impfen lassen will, oder dass man nicht jeden gleichzeitig impft.....misch diese Parameter mal in deine Überlegungen mit rein - dann nähert sich dein vereinfachtes Modell ein wenig mehr der Realität an, und deine Ergebnisse werden sich meinen Ergebnissen annähern.
Dieses Steigerungspotential war schon von Anbeginn mit einkalkuliert wurden. Es war klar, dass wenn es einer schaffen wird, durch die Zulassung zu kommen, werden nach gewisser Zeit auch weitere Anbieter folgen, weil sie technologisch auf einem ähnlichen Level sind. Relevant ist aber, dass die meisten Todesfälle in Europa in den Winter- und frühen Frühjahrsmonaten auftreten werden. Umso wichtiger ist es deshalb, wie viele von den Hochrisikomenschen man noch in dieser Zeit impfen kann, damit sie vor einer Infektion oder zumindest vor einem schweren Verlauf bewahren zu können. Und da spielt es eine enorm wichtige Rolle, wie viel wir in den ersten Monaten dieses Jahres verimpfen können. Einfache Mathematik. Was für mich erstaunlich ist, ist der Umstand, dass es eine scharfe Trennlinie bei den Usern zu geben scheint, und erkennbar ist, wer diese einfache Mathematik vollkommen ignoriert und wer sie als Grundlage akzeptiert.
Vielleicht liegt es wirklich an der "einfachen Mathematik" - denn die keinesfalls linearen Zusammenhänge einer Pandämie und der Vielzahl an Gegenmaßnahmen die dagegen einbezogen werden, ist eben nicht einfach, sondern komplex. Du brauchst für entsprechende Modellbildungen viel Statistik, und schon Wahrscheinlichkeiten kannst du nicht einfach beliebig addieren und subtrahieren wie es dir gefällt, sondern da musst du ein wenig mehr mit einfliessen lassen. Das ganze Geschehen gleicht insofern auch mehr Szenarien aus der Chaostheorie und vor allem in jedem Fall der Nichtlinearen Mathematik - wenn man da nur mit einfacher Mathematik, also so dem, was man vielleicht bis zur 10. Klasse lernt, drangeht, dann kommt man halt auch an seine Grenzen.
Tatsächlich benennst du ja in deinem Beitrag schon eine ganze Reihe an wenig linearen Faktoren - nur wendest du auf die dann doch die einfache Mathematik an - mit dem falschen Werkzeug trifft man manchmal auch, aber öfters eben nicht.
Das wird noch aufzuarbeiten sein, spätestens wenn die Verhandlungsprotokolle mit den verschiedenen Herstellern einsehbar sind.
Da sind wir einer Meinung - weshalb ich gegen Vorverurteilung bin.
Das ist richtig. Nur leider ist der Aspekt der Impfung nicht durch individuelles Handeln steigerbar. So dass Versäumnisse in dem Bereich sich in höhere Todeszahlen auswirken werden.
Das ist eine falsche Schlussfolgerung - denn selbstverständlich kann man mittels Ersatzhandlungen eine fehlende Impfmöglichkeit nicht nur kompensieren, sondern sogar überkompensieren, wenn man auf große Gruppen schaut.
Für die Zahl der Todesfälle ist eine Verzögerung der Impfung um wenige Wochen wenig relevant. Allenfalls kann man sagen, dass eine frühe Impfung bei gleicher Todesrate tendenziell hilft, einen Lockdown zu verkürzen oder zu vermeiden. Das spart volkswirtschaftlich gesehen Kosten. Allerdings kann man auch sagen: Ein früher Lockdown hilft, die notwendige Lockdowndauer dramatisch zu verkürzen - also auch hier gibt es viel wesentlichere Aspekte, als eine Impfung die sich um ein paar Wochen verzögert.
Es reicht nicht, nur auf den Impfbeginn und die Impfgeschwindigkeit zu schielen und dann zu sagen: Es ist jetzt alles gut.....das wird dem komplexen Gesamtgeschehen wirklich nicht gerecht. Das kann und darf kein Grund sein, objektive Versäumnisse nicht zu benennen - umkehrt aber darf man die potentiellen Versäumnisse auch nicht überbewerten und so tun, als wäre mit einer ausreichend schnellen Impfung einfach alles gut.....so verläuft eine Pandämie schlicht und einfach nicht.