Das ist es.
Es geht weder den Amerikanern noch den Europäern bei ihrer Opposition zu NS2 um sowas wie "der böse Angriffskrieger, der Menschenrechtsverbrecher Putin". Das sind nur Sprechblasen für die Einfältigen. Russland ist ein geostrategischer Kontrahent und wirtschaftlicher Konkurrent der USA in Sachen Öl und Gas - das ist der wahre Kern. Und die USA erwarten und verlangen, dass ihre "Verbündeten" sich danach richten, was die Vormacht an strategischen Entscheidungen vorgibt, sonst gibt's Haue. Dann ist es aber eigentlich völlig witzlos, nur über NS2 zu lamentieren. Nein, dann bitte den großen Hammer - kein Öl, kein Gas, kein Garnichts mehr aus Russland (was natürlich auch heißt, gar keine Durchleitungsgebühren mehr für Polen und Ukraine), mit allen Konsequenzen. Auch wenn's weh tut.
Du sagst es selbst - "geostrategischer Kontrahent". Das Regime in Moskau ist gegnerisch. Und was heißt das sicherheitspolitisch? Gegen-Akteure sind an Schadenswirkung interessiert, an der Spaltung und Schwächung des Westens zur Stärkung des eigenen Imperiums.
Wenn du Vorbehalte gegen die USA hast, weil sie die strategische Bedeutung der Energiesicherheit in Europa erkennt, dann könntest du doch für Saudi-Arabien oder Marokko plädieren.
Es ist ja ein PR-Gag, die Abhängigkeit von russischem Gas als eine Art Selbstbehauptung der Europäer zu verkaufen. Tatsächlich wird Vulnerabilität verkauft. Kunststück, dem geopolitischen Gegen-Akteur geht es natürlich nicht darum, ein paar deutsche Unternehmen glücklich zu machen. Nein, man möchte vielmehr die westlichen Allianzen auseinanderdividieren. Die Stärke des Westens ist in der Atlantischen Allianz begründet. Gelingt hier eine Auftrennung, insbesondere die Abkoppelung der amerikanischen Säule, ist Westeuropa schon mal viel schwächer. Und hier auf dem Kontinent, der zweiten Säule der Allianz, ist Deutschland eine Art Bollwerk, das es zu schleifen gülte.
Eine strategische Frage, natürlich.
Sanktionen wegen NS2, aber weiter Putin die Taschen füllen über NS1, das ist so, als ob ich mir jeden Abend in einem Restaurant den Bauch voll schlage, aber auf den Nachtisch verzichte - weil ich das Restaurant sanktioniert habe.
Eine Abhängigkeit zu 30 % ist nunmal anders als eine zu 60 %. NS1 ist also das Dessert. Der Kreml möchte aber den Hauptgang servieren, damit uns die Völlerei träge und schläfrig mache. Korrupte Kellner sind dabei hilfreich.
Wenn durch irgendein Ereignis die AfD überraschenderweise im Herbst die Mehrheit erreichen und Höcke Bundeskanzler werden würde, um dann als erste Amtshandlung NS2 zu stoppen, wäre dieser Rechtsaußen ganz schnell der best buddy der Amerikaner. Da wäre es wurscht, was der sonst noch so von sich gibt - hätte aber ja auch eine gewisse Tradition, wenn man sich die best buddies der letzten siebzig Jahre so anschaut.
Die AfD ist Regime-nah. Es gab auch Werbe-Touren, um das Image der Krim-Besetzung aufzupolieren.
Wäre die AfD russisch, wäre sie best buddy der hiesigen Gasowiki-Fraktion.
Also lassen wir das Gesülze mit Menschenrechten, mit Angriffskriegern, etc. Kommen wir zum Kern - It's the economy, stupid.
Es gibt kaum noch jemanden, der den geopolitischen Aspekt des Projektes zur Gänze leugnet.
Putins Gaskrake ist ein Machtinstrument, um Länder und Völker in Schwierigkeiten bringen zu können, wenn sie nicht spuren.
Mit Joe Biden ist wieder ein Freund Europas gewählt worden. Unsere Gasowiki sollten daher überdenken, ob eine Entspannungspolitik gegenüber der USA nicht vorstellbar wäre.
Und wenn sich Berlin weiter isoliert, müsste eh auch überdacht werden, ob man nicht auch eine Entspannungspolitik gegenüber Europa einleiten möchte.