Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

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schokoschendrezki
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Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von schokoschendrezki »

... ist vor allem ein Geschäft für die sogenannten "Entwicklungshelfer".
Man hat ausgerechnet, und die Berechnungen wurden auch von ThinkTanks aus der EU gemacht, dass schätzungsweise für jeden Euro Entwicklungshilfe vier Euro wieder ins Geberland zurückkommen. Da kommt vermutlich die Motivation her, das Geld zu geben.
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendunge ... lt-100.pdf
Experten wie der kenianische Ökonom james Shikwati unternehmen alles, um Länder wie die Bundesrepublik davon abzuraten, "Entwicklungshilfe" in Afrika zu leisten. Darüber wie beispielsweise die EU-Agrarsubventionen die Landwirtschaft in Afrika kaputtmachen und für fette Gewinne in Europa gesorgt wird, wurde schon oft berichtet. Das ist aber nur ein Beispiel. Ein anderes Problem ist die Finanzierung korrupter Eliten durch "Entwicklungshilfe" in den (sogenannten) "Empfängerländern".

Und das ist auch nur die rein ökonomische Seite. Neben den vier Euro Rücklauf an die Geber für jeden Euro gibt es auch noch einen Rücklauf an eingeforderter "Dankbarkeit". Heuchlerischer gehts nimmer! Und das betrifft auch Teile der großen Charity-Organisationen.

Was aber sollte an die Stelle dieser durch und durch eigennützigen "Entwicklungshilfe-" und "Spenden"-Industrie treten? An Stelle dieser nicht "Non-" sondern "Surplusplus-Profit-Organisationen"? Noch einmal James Shikwaki: "The developing world needs trade, not aid, to help the poor." Was man zuallererst tun könnte: Die EU-Agrarsubventionen stoppen.

Für mich als Europäer gehts aber nicht zuletzt um die Korrektur eines verlogenen und selbsgefälligen Selbstbilds als angebliche "Kulturbringer". Alle Weichenstellungen der modernen Welt haben etwas mit der historischen Rolle des globalen Nordens als Kolonialmacht zu tun.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Maikel
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Maikel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Aug 2020, 09:04)
Was man zuallererst tun könnte: Die EU-Agrarsubventionen stoppen.
Und dann? Ich nehme an, ein Ziel davon soll sein, daß die Nahrungsmittelproduktion in der EU verringert wird, zugunsten von Importen aus den Entwicklungsländern.
Damit würden wir unsere Grundversorgung abhängig machen von Ländern mit "korrupten Eliten" (deine Formulierung).

Außerdem würde die Kapazitäten zur Lebensmittelproduktion auf der Welt damit verringert; wie war das noch mit dem Hungerproblem auf der Welt?

Aber nehmen wir mal an, das Ganze funktioniert, rein marktwirtschaftlich, die Europäer fahren ihre Produktion zurück, und kaufen in den Entwicklungsländern.
Was passiert dann bei Mißernten?
Dann kaufen die Europäer mit ihrem Geld die knappen Lebensmittel auf, und den Menschen in den Entwicklungsländern bleibt nichts mehr davon, bzw. zu wenig.

Oder werden die Entwicklungsländer erstmal die eigene Bevölkerung versorgen, und nur evtl. Überschüsse verkaufen wollen? Wäre nachvollziehbar; aber dann müßte man das gleiche Recht auch den EU-Ländern zugestehen: Für eine autarke Versorgung der eigenen Bevölkerung mit notwendigen Lebensmitteln zu sorgen (zur Not mit Subventionen und/oder Marktabschottung).
Damit die normalerweise anfallenden Überschüsse nicht weggeschmissen werden müssen, bietet man sie international an. Kein (Entwicklungs)land wird gezwungen, dieses Angebot anzunehmen.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Teeernte
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Teeernte »

Maikel hat geschrieben:(05 Aug 2020, 12:32)

Und dann? Ich nehme an, ein Ziel davon soll sein, daß die Nahrungsmittelproduktion in der EU verringert wird, zugunsten von Importen aus den Entwicklungsländern.
.
Die "Agrarsubventionen" bezahlen zum Grossteil die "Landlords" - die Eigentümer von landwirtschaftlich genutzen Flächen.

...Weinförderung...Bienenförderung Ohne DIE würde es ja nie wieder was zu essen geben...
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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imp
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Aug 2020, 09:04)

... ist vor allem ein Geschäft für die sogenannten "Entwicklungshelfer".
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendunge ... lt-100.pdf
Experten wie der kenianische Ökonom james Shikwati unternehmen alles, um Länder wie die Bundesrepublik davon abzuraten, "Entwicklungshilfe" in Afrika zu leisten. Darüber wie beispielsweise die EU-Agrarsubventionen die Landwirtschaft in Afrika kaputtmachen und für fette Gewinne in Europa gesorgt wird, wurde schon oft berichtet. Das ist aber nur ein Beispiel. Ein anderes Problem ist die Finanzierung korrupter Eliten durch "Entwicklungshilfe" in den (sogenannten) "Empfängerländern".

Und das ist auch nur die rein ökonomische Seite. Neben den vier Euro Rücklauf an die Geber für jeden Euro gibt es auch noch einen Rücklauf an eingeforderter "Dankbarkeit". Heuchlerischer gehts nimmer! Und das betrifft auch Teile der großen Charity-Organisationen.

Was aber sollte an die Stelle dieser durch und durch eigennützigen "Entwicklungshilfe-" und "Spenden"-Industrie treten? An Stelle dieser nicht "Non-" sondern "Surplusplus-Profit-Organisationen"? Noch einmal James Shikwaki: "The developing world needs trade, not aid, to help the poor." Was man zuallererst tun könnte: Die EU-Agrarsubventionen stoppen.

Für mich als Europäer gehts aber nicht zuletzt um die Korrektur eines verlogenen und selbsgefälligen Selbstbilds als angebliche "Kulturbringer". Alle Weichenstellungen der modernen Welt haben etwas mit der historischen Rolle des globalen Nordens als Kolonialmacht zu tun.
Vom abraten kann ich nur abraten. So ein Geschäft lässt keiner sausen, das muss man glatt verbieten. Neben der Förderung der heimischen Geberwirtschaft geht es bei Entwicklungshilfe oft auch um die Stabilisierung der jeweils favorisierten Fraktionen im Land im Gegenzug zu politischer Gefälligkeit etwa in UN-Gremien.

Die FDP, die aus ideologischen Gründen Entwicklungshilfe als "internationale Sozialhilfe" bezeichnet (und wir wissen ja alle, wie wenig die FDP von Existenzsicherung für die Ärmsten hält), konnte sich bei Regierungsantritt noch nie dazu durchringen, das Entwicklungshilfe-Ministerium aufzulösen zugunsten etwa des Außenministeriums. Das hochprofitable und personell manchmal etwas intransparente Ressort besetzte sie lieber gleich selbst.
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BlueMonday
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Aug 2020, 09:04)

... ist vor allem ein Geschäft für die sogenannten "Entwicklungshelfer".
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendunge ... lt-100.pdf
Experten wie der kenianische Ökonom james Shikwati unternehmen alles, um Länder wie die Bundesrepublik davon abzuraten, "Entwicklungshilfe" in Afrika zu leisten. Darüber wie beispielsweise die EU-Agrarsubventionen die Landwirtschaft in Afrika kaputtmachen und für fette Gewinne in Europa gesorgt wird, wurde schon oft berichtet. Das ist aber nur ein Beispiel. Ein anderes Problem ist die Finanzierung korrupter Eliten durch "Entwicklungshilfe" in den (sogenannten) "Empfängerländern".
Das ist halt keine populäre Ansicht. Der Mann ist ja praktisch "libertarian". Solche Sichtweisen gibt es sicherlich auch in Afrika. Aber diese besondere Form der Vernunft ist rar gesät, überall auf der Welt.
Der Zeitgeist ist der des Eingriffs, überall Polizei oder die helfende Mutti spielen zu müssen, überhaupt die ganze Welt vor dem nächsten Untergang zu retten, mit viel Geld aus der Gießkanne, Geld, das einem selbst meist gar nicht gehört, Geld, das sicherlich immer irgendwo bei irgendwem hängenbleibt.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von schokoschendrezki »

Maikel hat geschrieben:(05 Aug 2020, 12:32)

Und dann? Ich nehme an, ein Ziel davon soll sein, daß die Nahrungsmittelproduktion in der EU verringert wird, zugunsten von Importen aus den Entwicklungsländern.
Damit würden wir unsere Grundversorgung abhängig machen von Ländern mit "korrupten Eliten" (deine Formulierung).
Eine solche Formulierung erinnert an die Diskussionen um dieses "Grundlastproblem" in der Energiewirtschaft. Nur mal grundsätzlich; Ein solches Grundversorgungsproblem gibt es in der europäischen Agrarwirtschaft schon lange lange nicht mehr. Es gibt anstelle dessen Butterberge, Milch- und Weinseen und eine extreme und gesundheitsschädliche Überversorgung mit viel zu billigen, viel zu vielen Agrarpordukten. Viel zu viel dicken Grundschulkindern. Und Kindern in anderen Weltregionen, die hungern müssen. Die EU-Agrarsubventionen gehen letztendlich zurück auf die unmittelbare Nachkriegszeit in Europa. Von dieser Bedrohung durch Kalorienunterversorgung sind wir inzwischen weiter weg als von der nächsten Galaxis. Unser Problem ist Überversorgung. Nahrungsmittel müssen teurer werden. Es nützt auch nix, auf Dinge wie die durchaus existierende Kinderarmut in Mitteleuropa zu verweisen. Armut in Mitteleuropa ist unter anderem und paradoxerweise durch Überernährung und speziell durch ein Übermaß von zuckerhaltigen Lebensmitteln speziell bei Kindern gekennzeichnet. Das, was in der Nachkriegszeit als Luxus galt, ist heute - in den sogenannten Wohlstandsländern - ein Symptom von Armut: Zucker.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von schokoschendrezki »

imp hat geschrieben:(05 Aug 2020, 14:10)

Vom abraten kann ich nur abraten. So ein Geschäft lässt keiner sausen, das muss man glatt verbieten. Neben der Förderung der heimischen Geberwirtschaft geht es bei Entwicklungshilfe oft auch um die Stabilisierung der jeweils favorisierten Fraktionen im Land im Gegenzug zu politischer Gefälligkeit etwa in UN-Gremien.

Die FDP, die aus ideologischen Gründen Entwicklungshilfe als "internationale Sozialhilfe" bezeichnet (und wir wissen ja alle, wie wenig die FDP von Existenzsicherung für die Ärmsten hält), konnte sich bei Regierungsantritt noch nie dazu durchringen, das Entwicklungshilfe-Ministerium aufzulösen zugunsten etwa des Außenministeriums. Das hochprofitable und personell manchmal etwas intransparente Ressort besetzte sie lieber gleich selbst.
Man muss es nicht so groß ideologisieren. Es ist nicht selten davon die Rede, dass Afrika, wenn denn der Einfluss von Entwicklungshilfeorganisationen zurück geht, "den Chinesen überlassen" werde. Mein Gott. Ich bin weit davon entfernt, die Politik Chinas in menschenrechtlicher Hinsicht gut zu heißen: Aber die wollen in Afrika vielleicht einfach nur pragmatisch Geschäfte machen. Und? Ist das schlecht? Natürlich nicht! Weder für China noch für Afrika. Es ist nur schlecht für das Selbstverständnis der sogenannten Entwicklungshilfeorganisationen.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Aug 2020, 22:18)

Man muss es nicht so groß ideologisieren. Es ist nicht selten davon die Rede, dass Afrika, wenn denn der Einfluss von Entwicklungshilfeorganisationen zurück geht, "den Chinesen überlassen" werde. Mein Gott. Ich bin weit davon entfernt, die Politik Chinas in menschenrechtlicher Hinsicht gut zu heißen: Aber die wollen in Afrika vielleicht einfach nur pragmatisch Geschäfte machen. Und? Ist das schlecht? Natürlich nicht! Weder für China noch für Afrika. Es ist nur schlecht für das Selbstverständnis der sogenannten Entwicklungshilfeorganisationen.
Das Geschäft der einen ist das entgangene Geschäft der anderen.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Maikel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Aug 2020, 22:04)

Eine solche Formulierung erinnert an die Diskussionen um dieses "Grundlastproblem" in der Energiewirtschaft.

Da waren wir ja schon öfters kurz vorm Zusammenbruch des Stromnetzes
Nur mal grundsätzlich; Ein solches Grundversorgungsproblem gibt es in der europäischen Agrarwirtschaft schon lange lange nicht mehr.
Das heißt aber nicht, daß es nicht wieder entstehen kann, wenn das System radikal geändert wird.
Es gibt anstelle dessen Butterberge, Milch- und Weinseen
Das ist lange her. Wo bitte gibt es solche Berge und Seen heutzutage?

Da die Erträge aus der Landwirtschaft stark schwanken, ist es notwendig, die Kapazität so anzulegen, daß man im Normalfall mehr erntet als man benötigt. Damit bei schlechten Ernten noch genügend übrigbleibt.
Das bedingt auch, daß bei überdurchschnittlich guten Ernten ein erheblicher Überschuß entsteht.
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Selina
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Aug 2020, 22:18)

Man muss es nicht so groß ideologisieren. Es ist nicht selten davon die Rede, dass Afrika, wenn denn der Einfluss von Entwicklungshilfeorganisationen zurück geht, "den Chinesen überlassen" werde. Mein Gott. Ich bin weit davon entfernt, die Politik Chinas in menschenrechtlicher Hinsicht gut zu heißen: Aber die wollen in Afrika vielleicht einfach nur pragmatisch Geschäfte machen. Und? Ist das schlecht? Natürlich nicht! Weder für China noch für Afrika. Es ist nur schlecht für das Selbstverständnis der sogenannten Entwicklungshilfeorganisationen.
Meinst du diese Organisationen?

https://www.bmz.de/de/mitmachen/interne ... ionen.html

Die sollte man wegen ein, zwei schwarzen Schafen (zumal deren Schuld meistens gar nicht bewiesen ist, wo Aussage gegen Aussage steht) nicht unter Generalverdacht stellen. Würden sich diese Organisationen nicht um Entwicklungshilfe (oftmals Hilfe zur Selbsthilfe) kümmern, hätte die staatliche deutsche Seite einen weitaus größere Batzen zu schultern.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Papaloooo
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Papaloooo »

Maikel hat geschrieben:(05 Aug 2020, 12:32)

Und dann? Ich nehme an, ein Ziel davon soll sein, daß die Nahrungsmittelproduktion in der EU verringert wird, zugunsten von Importen aus den Entwicklungsländern.
Damit würden wir unsere Grundversorgung abhängig machen von Ländern mit "korrupten Eliten" (deine Formulierung).

Außerdem würde die Kapazitäten zur Lebensmittelproduktion auf der Welt damit verringert; wie war das noch mit dem Hungerproblem auf der Welt?

Aber nehmen wir mal an, das Ganze funktioniert, rein marktwirtschaftlich, die Europäer fahren ihre Produktion zurück, und kaufen in den Entwicklungsländern.
Was passiert dann bei Mißernten?
Dann kaufen die Europäer mit ihrem Geld die knappen Lebensmittel auf, und den Menschen in den Entwicklungsländern bleibt nichts mehr davon, bzw. zu wenig.

Oder werden die Entwicklungsländer erstmal die eigene Bevölkerung versorgen, und nur evtl. Überschüsse verkaufen wollen? Wäre nachvollziehbar; aber dann müßte man das gleiche Recht auch den EU-Ländern zugestehen: Für eine autarke Versorgung der eigenen Bevölkerung mit notwendigen Lebensmitteln zu sorgen (zur Not mit Subventionen und/oder Marktabschottung).
Damit die normalerweise anfallenden Überschüsse nicht weggeschmissen werden müssen, bietet man sie international an. Kein (Entwicklungs)land wird gezwungen, dieses Angebot anzunehmen.
***Gemeint war hier die antwort auf den Vorschlag, EU-Subventionen zurückzufahren***

Nein, die EU-Subventionen machen vor allen Dingen eine Wettbewerbverzerrung zugunten der Mega-Erzeuger.
Kleine Bauernhöfe können da kaum noch mithalten.
EU-Subventionen sollten schon weitergezahlt werden,
aber an die nachweisliche Nachhaltigkeit eines Betriebes gebunden.

Betriebe, die zu viele Tiere haben,
und damit auch zu viel Dung erzeugen,
sollten im Gegenteil EU-Abgaben zahlen,
somit wird das EU-Agrar-Geblilde ökologischer.
Damit die normalerweise anfallenden Überschüsse nicht weggeschmissen werden müssen, bietet man sie international an. Kein (Entwicklungs)land wird gezwungen, dieses Angebot anzunehmen.
In Deutschland wird wegen der Subventionen dermaßen viel Schweinefleich erzeugt,
dass es hier gar nicht mehr abgesetzt wird.
Man wirft mit der EU-Subvention erzeugtes Billigfleisch in nordafrikanischen Ländern auf die Märkte
und macht somit dort einheimische Tierhändler arbeitslos.

Daraus entsteht dann wiederum Armutsmigration.
Klar kann man dann den Menschen dort vorwerfen,
sie müssten ja nicht das subventionierte Billigfleisch aus der EU kaufen,
sondern lieber das teurere aus dem eigenen Land.

Aber wenn ja schon hierzulande viel mehr Billigfleisch gekauft wird,
als das teurere aber umweltverträglichere Biofleisch,
dann ist diese Aussage geradezu vermessen.

Im Übrigen wird ja auch das Kraftfutter für unser Vieh das zu rund 90 % aus Soja besteht,
in diesen Ländern produziert.
10 bis 15 KG Kraftfutter werden zu einem Kilogramm Fleisch "veredelt"!
In einem 300 Gramm-Schnitzel stecken also durchschnittlich 3,375 KG Soja aus den dortigen Feldern.
Felder die diese Länder besser für die eigene Ernährung bräuchten.
Wir sind doch hier nicht im Trollhouse!
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franktoast
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von franktoast »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Aug 2020, 09:04)
Und das ist auch nur die rein ökonomische Seite. Neben den vier Euro Rücklauf an die Geber für jeden Euro
Sorry, das macht keinen Sinn. Das ist genauso logisch, wie wenn Deutschland zB. an Italien 1Mrd. Euro überweist, damit VW und Co. jemand die Autos abkauft und somit Deutschland ja der heimliche Profiteur wäre. Äh nein, wenn man einem Land Geld überweist und die davon aus dem eigenem Land Güter kaufen, ist das so, wie wenn man denen die Güter schenkt.

Indirekt könnte ein Geberland profitieren, wenn durch die Hilfe höhere Ziele wie Frieden, politische Stabilität etc. erreicht würden, aber das Geberland würde davon nicht mehr profitieren als ein Land, das nicht spendet. Und Hauptprofiteur wäre natürlich das Zielland.

PS: Dass Spendengelder in die Hände korrupten Gruppen geraten kann, ist klar und ein Problem.
Ein freier Mensch muß es ertragen können, daß seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muß sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.
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franktoast
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von franktoast »

Maikel hat geschrieben:(05 Aug 2020, 12:32)

Und dann? Ich nehme an, ein Ziel davon soll sein, daß die Nahrungsmittelproduktion in der EU verringert wird, zugunsten von Importen aus den Entwicklungsländern.
Damit würden wir unsere Grundversorgung abhängig machen von Ländern mit "korrupten Eliten" (deine Formulierung).
Muss nicht sein. Transport von Lebensmitteln ist immer noch deutlich kostspieliger als von nichtverderblichen Waren. Sollte es weniger Agrarsubventionen in Europa geben, könnte das zum einen dazu führen, dass man in Deutschland zB. statt 10% dann 12% für Lebensmittel ausgibt. Auch, weil weniger Ware nach Afrika verkauft werden könnte. Zum Anderen könnte es auch dazu führen, dass die Argarindustrie zu mehr Effizienz gezwungen würde.
Außerdem würde die Kapazitäten zur Lebensmittelproduktion auf der Welt damit verringert; wie war das noch mit dem Hungerproblem auf der Welt?
Die Kritik ist ja, dass der Bauer in Sierra Leone gar nicht erst Lebensmittel anbaut, weil er mit dem Preis der EU-Waren nicht mithalten kann.
Aber nehmen wir mal an, das Ganze funktioniert, rein marktwirtschaftlich, die Europäer fahren ihre Produktion zurück, und kaufen in den Entwicklungsländern.
Was passiert dann bei Mißernten?
Was passiert denn heute bei Missernten? Also ich denke, in 2020 hat die Menschheit schon so viel Wissen angesammelt und einen so effizienten Markt, dass solche weitgehend vorhersehbare Ereignisse geräuschlos absorbiert werden. Bei so etwas wie Covid19 ist die Nachfrage nach einer geringen Gruppe an Gütern, (langlebige Lebensmittel wie Konserven, Klopapier und Hygieneartikeln) in kurzer Zeit extrem angestiegen, aber nach 2-3 Wochen war das Supermarktregal wieder wie gefüllt voll und die 95% anderen Regalen waren eh gefüllt wie eh und je.
Wenn es heutzutage eine Missernte gibt, dann ist die eh regional. Stell dir vor, in West Afrika wird Hirse und Reis angebaut und nach Europa exportiert. Durch eine Missernte fällt das für ein Jahr komplett aus. Und nun? Sinkt dann der Füllstand der Reislager etwas und der Konsum läuft wie gewohnt oder verzichtet Europa ein wenig auf Reise und Hirse (zB. etwas höhere Preise oder man isst dann eben mehr Kartoffeln).
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Maikel »

Papaloooo hat geschrieben:(07 Aug 2020, 15:34)

Im Übrigen wird ja auch das Kraftfutter für unser Vieh das zu rund 90 % aus Soja besteht,
in diesen Ländern produziert.
10 bis 15 KG Kraftfutter werden zu einem Kilogramm Fleisch "veredelt"!
In einem 300 Gramm-Schnitzel stecken also durchschnittlich 3,375 KG Soja aus den dortigen Feldern.
Felder die diese Länder besser für die eigene Ernährung bräuchten.
Warum nutzen diese Länder dann ihre Felder nicht für die eigene Ernährung?
Würden sie weniger Soja anbauen, könnte D weniger günstiges Soja einkaufen; damit würde die Fleischproduktion hierzulande sinken, und nicht mehr (so viele) Überschüsse verkauft werden.

Hab ich damit gerade einen Teil des Ernährungsproblems in Entwicklungsländern gelöst?
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Maikel »

franktoast hat geschrieben:(07 Aug 2020, 16:51)

Transport von Lebensmitteln ist immer noch deutlich kostspieliger als von nichtverderblichen Waren.
Kann ich irgendwie nicht nachvollziehen, in Anbetracht von Blaubeeren im Winter aus Peru, die günstiger sind als hiesige jetzt zur Saison.
Sollte es weniger Agrarsubventionen in Europa geben, könnte das zum einen dazu führen, dass man in Deutschland zB. statt 10% dann 12% für Lebensmittel ausgibt. Auch, weil weniger Ware nach Afrika verkauft werden könnte.
Ich dachte, dann können wir die Lebensmittel günstig aus Afrika importieren.
Zum Anderen könnte es auch dazu führen, dass die Argarindustrie zu mehr Effizienz gezwungen würde.
In anderen Beiträgen, nicht nur in diesem Thread, steht gerade die aktuelle Effizienz unserer Agrarindustrie in der Kritik.
Wenn die geringeren Subventionen durch Effizienzsteigerung wettgemacht würden, dann würde sich doch kaum etwas ändern bzgl. Überschüssen.
Die Kritik ist ja, dass der Bauer in Sierra Leone gar nicht erst Lebensmittel anbaut, weil er mit dem Preis der EU-Waren nicht mithalten kann.
Bei solchen Äußerungen muß ich immer daran denken, daß wir aktuell also zuviel Kapazität zur Lebensmittelerzeugung auf der Welt haben. Diese Tatsache an sich ist erfreulich, im Gegensatz zu früher kursierenden Hunger-Szenarien
Wenn es heutzutage eine Missernte gibt, dann ist die eh regional.
Das hat man von Covid 19 auch mal gedacht.
Stell dir vor, in West Afrika wird Hirse und Reis angebaut und nach Europa exportiert. Durch eine Missernte fällt das für ein Jahr komplett aus. Und nun? Sinkt dann der Füllstand der Reislager etwas und der Konsum läuft wie gewohnt oder verzichtet Europa ein wenig auf Reise und Hirse (zB. etwas höhere Preise oder man isst dann eben mehr Kartoffeln).
Welche Reislager? Reislager sind teuer. Wer bezahlt die Bauern für den Reis, der eingelagert wird?
Welche Kartoffeln? In meinem Szenario lohnt sich der Anbau von Kartoffeln für Bauern in Europa nicht mehr, da man idR. günstig Reis, Hirse und auch Kartoffeln aus Entwicklungsländern bezieht.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Papaloooo »

Maikel hat geschrieben:(07 Aug 2020, 18:06)

Warum nutzen diese Länder dann ihre Felder nicht für die eigene Ernährung?
Würden sie weniger Soja anbauen, könnte D weniger günstiges Soja einkaufen; damit würde die Fleischproduktion hierzulande sinken, und nicht mehr (so viele) Überschüsse verkauft werden.

Hab ich damit gerade einen Teil des Ernährungsproblems in Entwicklungsländern gelöst?
Und wer zahlt dann den Bauern den Verdienstausfall?
Schau mal, meine Familie leitet schon in 2. Generation Entwicklungshilfeprojekte in Südindien.
Ich war 5 Jahre drüben (ich bin quasi die 3. Generation).
Von daher glaube ich schon, einen zumindest kleinen Einblick zu haben.

Wenn ein Bauer für ein Feld Baumwolle (meist für den Export bestimmt) mehr Geld bekommt, als für Reis,
und ein Feld Baumwolle außerdem Baumwolle weit weniger Arbeitsaufwand ist,
und man beim Reis zusätzlich noch Bangen muss, dass der Monsun zu schwach ausfällt,
sodass die Felder zugunsten von Trinkwasser aufgegeben werden müssen,
dann ist einfach Baumwolle attraktiver, als der Reis.

Der globale Marktpreis bestimmt eben schon, was dort angebaut wird.
Denn die Menschen dort wollen ja auch nicht am Hungertuch nagen.
Das macht aber wiederum das Angebot von Reis knapper und somit teurer.

Was kann man dagegen tun?
Wohl kaum etwas.
Die Globalisierung bringt Gewinner und Verlierer mit sich.
Die Subventionierung bringt Gewinner und Verlierer mit sich.

Man kann einem Bauer dort zwar sagen, er solle Reis anbauen,
und dann kann er eben nur ein Kind statt zwei Kinder in die Schule schicken.
Glaubst du, das wäre ein Vorschlag, bei dem der Bauer ausrufen würde:
"Hurra, warum bin ich da nicht selbst darauf gekommen?"

Entwicklungshilfe, wie sie gemeinhin geleistet wird,
vor allem, wenn sie von staatlichen Stellen ausgeht,
und Großfirmen steuerfreie Aufträge in armen Ländern vergibt,
hat oft mit dem abhängig machen zu tun.

Es werden Maschinen geschenkt,
aber bei einer Erweiterung müssen dann teure Maschinen von eben dieser Firma wegen der Kompatibilität eingekauft werden.

Die eigentliche Entwicklungshilfe kann also immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein.
Die eigentliche Entwicklungshilfe muss vor allen Dingen vielen Kindern eine Bildung ermöglichen.
Das ist es, was wir dort tun.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Maikel »

Papaloooo hat geschrieben:(07 Aug 2020, 18:45)

Schau mal, meine Familie leitet schon in 2. Generation Entwicklungshilfeprojekte in Südindien.
Ich war 5 Jahre drüben (ich bin quasi die 3. Generation).
Von daher glaube ich schon, einen zumindest kleinen Einblick zu haben.
Und wieso verwechselst du dann Baumwolle mit Soja?
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Papaloooo »

Maikel hat geschrieben:(08 Aug 2020, 08:52)

Und wieso verwechselst du dann Baumwolle mit Soja?
Das ist ganz einfach, ich erzähle aus meiner Erfahrung aus Indien, dort wurde die Baumwolle angebaut in anderen Ländern ist es vorwiegend Soja.
Beides aber verdrängt Nahrungsmittel.
Und so ist das generell, der weltmarkt bestimmt viele Preise, wo die einheimische Produktion, die nicht exportiert wird, von den Preisen her nicht mithalten kann.

Wobei das natürlich beim Soja besonders beeindruckend ist, wie gesagt, ein 300g Schnitzel benötigt durchschnittlich mehr als drei Kilogramm Soja.

Es wäre schon einiges für die Entwicklungshilfe getan, wenn die kräftigen fleischesser ihre Fleisch Batzen gelegentlich mal durch beyond-meat-Produkte ersetzen würden.

Denn dann blieben doch einige Anbauflächen frei, und stünden dem einheimischen Markt in armen Ländern für Ernährungsprojekte zur Verfügung.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Adam Smith »

Papaloooo hat geschrieben:(07 Aug 2020, 15:34)
Im Übrigen wird ja auch das Kraftfutter für unser Vieh das zu rund 90 % aus Soja besteht,
in diesen Ländern produziert.
10 bis 15 KG Kraftfutter werden zu einem Kilogramm Fleisch "veredelt"!
In einem 300 Gramm-Schnitzel stecken also durchschnittlich 3,375 KG Soja aus den dortigen Feldern.
Felder die diese Länder besser für die eigene Ernährung bräuchten.
Die EU importiert Soja hauptsächlich oder fast nur aus Nordamerika und Südamerika.

https://www.transgen.de/lebensmittel/10 ... chnik.html
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Papaloooo »

Adam Smith hat geschrieben:(08 Aug 2020, 11:53)

Die EU importiert Soja hauptsächlich oder fast nur aus Nordamerika und Südamerika.

https://www.transgen.de/lebensmittel/10 ... chnik.html
Was willst du denn nun damit sagen?

Soll das nun ein Trost sein für Kinder aus Bolivien,
die auf diesen Feldern arbeiten?

Oder nehmen wir mal die Kakao-Plantagen oder die Bananen-Plantagen.
Häufig in armen Ländern durch Kinderarbeit geerntet.

Oftmals bringt man z.B. in Afrika zunächst die Eltern um,
denn diese würden keine Ruhe geben,
bis sie ihre Kinder wieder gefunden hätten.
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Papaloooo
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Papaloooo »

Es liegen natürlich in der Gen-Forschung neben negativen Beispielen, wie sie z.b. Monsanto betreibt, auch viele Chancen, die Ernährungslage weltweit verbessern.

Ich bin nun mal transgen.de gefolgt, und habe mir das Impressum angeschaut, die scheinen ja nicht wie vermutet generell gegen Gentechnik zu sein.

Auf die Gene nimmt der Mensch natürlich Einfluss seit dem Beginn von Ackerbau und Viehzucht. Golden Rice ist ein tolles Beispiel, wie man mit Gentechnik etwas positives bewirken kann, und das uneigennützig.

Greenpeace hat sich da nicht sehr schön verhalten, denn bei ihnen herrscht leider die Denke: Gentechnik = Böse.

Man denke zum Beispiel an einen Reis, der sich auf trockeneren Böden anbauen lässt. Man denke an viele Nutzpflanzen, denen man zusätzliche Nährstoffe oder Vitamine einbaut.

Man denke an klimaresistente Lebensmittelpflanzen. Et cetera

Und generell ist natürlich auch nicht verkehrt, Insektizide der Pflanze selbst einzuverleiben. im Grunde genommen ist das ja bei der Tabakpflanze selbst auch so. Nur dass eben Nikotin für den Menschen ebenfalls giftig ist.
Schützt sich die Pflanze selbst durch ein Insektizid, das für Insekten schädlich ist, nicht aber für Menschen, so muss weniger Insektizid versprüht werden, und somit leiden weniger Insekten vor allem Bestäuber darunter.

Vor allem in China wo sehr lax mit Insektiziden umgegangen wird, müssen schon seit Jahren Menschen die bestäubende Rolle der Bienen übernehmen. aber Menschen können das niemals so gut wie die Bienen oder auch die Hummeln.

Und auch hierzulande wäre es möglich höchste Zeit, unsere Nutzpflanzen gentechnisch so zu verändern, dass sie mit mehr Hitze, und länger anhaltenden Regenfällen zurechtkommen.

Auch kann der Ertragsreichtum der Pflanzen genetisch gezielter verändert werden, wenn man das Genom besser versteht, als man ist durch Zucht tun kann.

Und, wie ich es an anderer Seite schon schrieb, sollten auch Vegetarier nicht meinen, nur weil man ein Polarfisch-Gen in eine Tomate bringt, um die Tomate frostresistenter zu machen, sei die Tomate deswegen weniger vegetarisch.
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franktoast
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von franktoast »

Maikel hat geschrieben:(07 Aug 2020, 18:23)
Kann ich irgendwie nicht nachvollziehen, in Anbetracht von Blaubeeren im Winter aus Peru, die günstiger sind als hiesige jetzt zur Saison.
Aha, trotzdem ist der Transport von verderblichen Waren relativ kostspielig zu nicht verderblichen Waren. Das war meine Aussage. Nicht, dass verderbliche Waren aus dem Ausland teurer als aus dem Inland wären.
Ich dachte, dann können wir die Lebensmittel günstig aus Afrika importieren.
Kann auch sein, aber ich tippe, dass sich ohne Agrarsubventionen wenig an Agrarimporten ändert.
In anderen Beiträgen, nicht nur in diesem Thread, steht gerade die aktuelle Effizienz unserer Agrarindustrie in der Kritik.
Wenn die geringeren Subventionen durch Effizienzsteigerung wettgemacht würden, dann würde sich doch kaum etwas ändern bzgl. Überschüssen.
Was genau ohne Subventionen passiert, kann ich dir nicht sagen. Kann so oder so laufen. Die Agrarsubventionen in der EU belaufen sich aktuell auf etwa 60Mrd.€. Diese 60Mrd. nimm man anderen Produktiven weg und gibt es den Agrarunternehmen bzw. Bauern. Dabei kann rauskommen, dass Lebensmittelpreise leicht teurer werden und andere Produkte leicht günstiger. Ersteres würde viel mehr auffallen, weil man der Agrarwirtschaft (1-2% des BIPs) das wegnimmt und dem Rest (98-99% ders BIPs) gibt. Bei einer Komplettstreichung der Agrarsubventionen (natürlich nicht zu einem Stichtag, sondern über viele Jahre hinweg) würde vermutlich dazu führen, dass der Agrarbereich sinken würde und andere Wirtschaftsbereiche diese Ressourcen zur Verfügung stehen würden.
Beispiel: Mein Arbeitgeber (IT) wollte ein neues Bürogebäude direkt neben dem Alten bauen, jedoch weigerte sich der Bauer dieses Grundstück zu verkaufen (bzw. nur zu einem irre hohem Preis). Jetzt haben wir auf der anderen Straßenseite gebaut. Jeden Tag geht nun Arbeitszeit drauf, sicher die Straße zu überqueren. Ohne Agrarsubvention hätte der Bauer womöglich zu einem fairen Preis verkauft. Dann hätten wir da gut dran bauen können plus wäre ein Baugebiet für familienhäuser entstanden. Doppelt blöd für mich, denn wir suchen einen Baugrund oder Haus zum Kauf, aber nicht vorhanden oder zu teuer.
Bei solchen Äußerungen muß ich immer daran denken, daß wir aktuell also zuviel Kapazität zur Lebensmittelerzeugung auf der Welt haben. Diese Tatsache an sich ist erfreulich, im Gegensatz zu früher kursierenden Hunger-Szenarien
Ich hab gesagt, dass es Kritik ist, nicht meine Kritik. Für die Konsumenten aus Sierra Leone bedeuten die EU-Subventionen ja auch niedrigere Lebensmittelpreise als wenn der Bauer vor Ort es angebaut hätte.
Das hat man von Covid 19 auch mal gedacht.
Ja eben, selbst Covid19 hat die Lebensmittelversorgung nicht eingeschränkt.
Welche Reislager? Reislager sind teuer. Wer bezahlt die Bauern für den Reis, der eingelagert wird?
Welche Kartoffeln? In meinem Szenario lohnt sich der Anbau von Kartoffeln für Bauern in Europa nicht mehr, da man idR. günstig Reis, Hirse und auch Kartoffeln aus Entwicklungsländern bezieht.
Naja, Reislager hat der, für den es sich lohnt. Das kann der Reisbauer, der Händler oder sonst wer sein. Die Lager können selbstverständlich auch in Deutschland sein. Ein Lager zahlt sich speziell dann aus, wenn es eben zu einer Knappheit kommt. Aber natürlich nur, wenn sich Preise auch frei bewegen dürfen. Wenn Preise in einer Knappheitssituation nicht angehoben werden dürfen, würde ich mich als Lagerhalter auch verarscht fühlen.

Übrigens könnte hier auch der fiese Derivatehändler ins Spiel kommen, der "einfach so" die Lebensmittelpreise hochtreibt, was den Hunger in armen Ländern verschlimmert. Aber genau dieses Aufkaufen von Kapazitäten füllt Lager. Und wenn der Derivatehändler recht hat (es kommt in der Zukunft zu einer Knappheit), dann freut sich nicht nur er über einen dicken Gewinn, sondern die ganze Welt über mehr Lebensmittel.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Tom Bombadil »

Papaloooo hat geschrieben:(08 Aug 2020, 12:31)

Soll das nun ein Trost sein für Kinder aus Bolivien,
die auf diesen Feldern arbeiten?

Oder nehmen wir mal die Kakao-Plantagen oder die Bananen-Plantagen.
Häufig in armen Ländern durch Kinderarbeit geerntet.
In Europa war Kinderarbeit jahrhundertelang etwas völlig Normales, bis sich die Wirtschaft soweit entwickelt hatte, dass man darauf verzichten konnte. Wirtschaftliche Entwicklung dauert Zeit, aber es ist selbst in relativ kurzen Zeiträumen machbar, wie Südkorea beweist. Das Land war ein bettelarmer Agrarstaat und hat sich binnen 4 Jahrzehnten zur High Tech-Nation und zur elftgrößten Volkswirtschaft der Welt hochgearbeitet, seit 1980 hat sich das BIP Südkoreas fast verfünfundzwanzigfacht, von $67 Mrd. auf $1626 Mrd.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von schokoschendrezki »

franktoast hat geschrieben:(07 Aug 2020, 16:51)

Muss nicht sein. Transport von Lebensmitteln ist immer noch deutlich kostspieliger als von nichtverderblichen Waren.
Das stimmt so allgemein nicht! Beispiel Äpfel. So gut wie jeder Mitteleuropäer würde denken: Einheimische Äpfel essen ist in jeder Hinsicht gut und positiv. Ja. Dazu müsste man aber die einheimischen Äpfel sorgfältig Stück für Stück in Zeitungspapier einwickeln und in einem kühlen aber gleichzeitig frostfreien Kellergebäude einlagern. Wenn man sie ganzjährig zur Verfügung haben will. Sie werden aber in Mitteleuropa stattdessen mit hohem Energieaufwand in Kühlhäusern gelagert. Der Transport von Äpfeln aus Südamerika (wo bekanntlich Sommer ist, wen hier Winter herrscht) in großen Schiffen ist von der Energiebilanz pro Masseeinheit wesentlich besser.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Teeernte »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Aug 2020, 13:50)

Das stimmt so allgemein nicht! Beispiel Äpfel. So gut wie jeder Mitteleuropäer würde denken: Einheimische Äpfel essen ist in jeder Hinsicht gut und positiv. Ja. Dazu müsste man aber die einheimischen Äpfel sorgfältig Stück für Stück in Zeitungspapier einwickeln und in einem kühlen aber gleichzeitig frostfreien Kellergebäude einlagern. Wenn man sie ganzjährig zur Verfügung haben will. Sie werden aber in Mitteleuropa stattdessen mit hohem Energieaufwand in Kühlhäusern gelagert. Der Transport von Äpfeln aus Südamerika (wo bekanntlich Sommer ist, wen hier Winter herrscht) in großen Schiffen ist von der Energiebilanz pro Masseeinheit wesentlich besser.
GegenRECHNUNG.
1. Anbau und Ernte
Beim Anbau kommt es vor allem darauf an, wie viele Bäume pro Hektar gepflanzt sind, wie viele Äpfel ein Baum trägt und etwa wie viel Kraftstoff der Traktor zur Ernte benötigt.
Da in Neuseeland insbesondere die Apfelbäume größer sind und deutlich mehr Äpfel pro Baum tragen, benötigt der Anbau von einem 1kg Äpfel in Deutschland 2,80 MJ, der aus Neuseeland 2,10 MJ.
2. Transport und Lagerung
Der Apfel aus Neuseeland muss per Schiff nach Deutschland. Das sind 23.000 km über den Pazifik, Panama-Kanal, Atlantik bis nach Antwerpen und dann per LKW nach Deutschland. Allein der Seeweg dauert ca. 28 Tage.
Der deutsche Apfel muss zwar nicht so weit transportiert werden aber bis zum Verkauf im Kühlhaus bei 1 Grad Celsius mit Schutzgas gelagert werden. Diese Lagerzeit kann oftmals mehrere Monate dauern. Bei 5 Monaten Lagerung ergibt sich für die zweite Phase für den deutschen Apfel (1kg) eine Energiemenge von 0,97 MJ und für die Äpfel aus Neuseeland pro Kilogramm 3,06 MJ.
Ergebnis
In der Summe ist der deutsche Apfel in der Energiebilanz um 30% besser als der Apfel aus Neuseeland. Aber der Vorsprung ist so gering, dass man die entsprechende Menge CO2 beispielsweise bei 1,5 km Autofahrt erzeugt.

Daher macht es einen größeren Unterschied, ob man zu Fuß oder mit dem Auto zum Einkauf kommt, als welchen Apfel man kauft. Und das, obwohl der Apfel aus Neuseeland schon die halbe Welt bereist hat.
Guten Tag,

bitte bei solchen wörtlichen Zitationen die Quelle angeben. Ich vermute, es handelt sich um: http://www.energie-weblog.de/energiebilanz-von-aepfel/

- Mod
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von schokoschendrezki »

Papaloooo hat geschrieben:(07 Aug 2020, 18:45)


Was kann man dagegen tun?
Wohl kaum etwas.
Die Globalisierung bringt Gewinner und Verlierer mit sich.
Die Subventionierung bringt Gewinner und Verlierer mit sich.

Man kann einem Bauer dort zwar sagen, er solle Reis anbauen,
und dann kann er eben nur ein Kind statt zwei Kinder in die Schule schicken.
Glaubst du, das wäre ein Vorschlag, bei dem der Bauer ausrufen würde:
"Hurra, warum bin ich da nicht selbst darauf gekommen?"

Entwicklungshilfe, wie sie gemeinhin geleistet wird,
vor allem, wenn sie von staatlichen Stellen ausgeht,
und Großfirmen steuerfreie Aufträge in armen Ländern vergibt,
hat oft mit dem abhängig machen zu tun.

Es werden Maschinen geschenkt,
aber bei einer Erweiterung müssen dann teure Maschinen von eben dieser Firma wegen der Kompatibilität eingekauft werden.

Die eigentliche Entwicklungshilfe kann also immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein.
Die eigentliche Entwicklungshilfe muss vor allen Dingen vielen Kindern eine Bildung ermöglichen.
Kindern und vor allem auch Regierungen. Man kann es sich kaum vorstellen: ABer ein Teil des Bodenerosionsproblems in der Sahelzone liegt daran, dass Regierungen Abholzungen mit dem Argument begründeten, ausgerechnet Bäume würden dem Boden die Fruchtbarkeit entziehen. Und noch weniger kann man sich vorstellen: Der Präsident eines der größten und potenziell reichsten Länder der Erde gehört zu den totalen Wissenschaftsverweigerern. Im grundsätzlich ökonomisierten Denken, das seit von Hayek und Margret Thatcher um sich greift, gibt es für Aufklärung und Rationalismus immer weniger eine Chance. Wenn die Nachfrage nach eigentlich zu schonenden Ressourcen sinkt, wird sie künstlich angefacht. Wenn die Bodenerosion irgendeiner Gruppe von Mächtigen Gewinne erbringt, wird sie gnadenlos weitergehen.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Aug 2020, 14:11)

Kindern und vor allem auch Regierungen. Man kann es sich kaum vorstellen: ABer ein Teil des Bodenerosionsproblems in der Sahelzone liegt daran, dass Regierungen Abholzungen mit dem Argument begründeten, ausgerechnet Bäume würden dem Boden die Fruchtbarkeit entziehen. Und noch weniger kann man sich vorstellen: Der Präsident eines der größten und potenziell reichsten Länder der Erde gehört zu den totalen Wissenschaftsverweigerern. Im grundsätzlich ökonomisierten Denken, das seit von Hayek und Margret Thatcher um sich greift, gibt es für Aufklärung und Rationalismus immer weniger eine Chance. Wenn die Nachfrage nach eigentlich zu schonenden Ressourcen sinkt, wird sie künstlich angefacht. Wenn die Bodenerosion irgendeiner Gruppe von Mächtigen Gewinne erbringt, wird sie gnadenlos weitergehen.
Ja, das offenbart einen tiefen gnadenlosen Blick in ein globales Wirtschaftssystem, das hier so oft als das einzige und beste beschworen wird. Was also müsste deiner Meinung nach getan werden, damit die Bodenerosion, das Abholzen und Abbrennen der Regenwälder (jährlich werden 158.000 Quadratkilometer tropischer Regenwald abgeholzt für Holz, Papier, für Ölpalm- oder Sojaplantagen, Ausbeutung von Bodenschätzen), damit das Vernichten des Lebensraumes vieler Tierarten, das Hungerleiden afrikanischer Bauern, die selbst von ihrer landwirtschaftlichen Produktion nicht menschenwürdig leben können, aufhört? Was?
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von schokoschendrezki »

Teeernte hat geschrieben:(10 Aug 2020, 14:06)

GegenRECHNUNG.
Natürliich ist es von erheblicher Bedeutung, wie die Äpfel (oder allgemein Lebensmittel) auf der letzten Strecke zum Endverbraucher gebracht werden. Das ist aber ein anderes Thema.

Das Problem ist, dass wir die Entwicklungshilfe für den globalen Süden zunächst erstmal selbst bräuchten. Dass es voll und ganz sinnlos ist, in größeren Metropolregionen ein eigenes und vielleicht auch noch größeres Auto besitzen zu wollen: In Mumbai oder Jakarta ist dies völlig offensichtlich. In Wolfsburg oder Ingolstadt aber eigentlich auch. Und dennoch gibt es ein Rennen der großen Weltautokonzerne um diese ominöse Mittelschicht in Ländern wie Indien oder Indonesien. Ein Auto, das man vielleicht mal am Sonntagvormittag für einen Familienausflug braucht. Und natürlich für die zu erwartenden Hochzeitsfeiern. Kameraschwenk nach Nordostberlin. Für die vielen (Deutsch)-Russen, die hier leben, ist der Audi (oder entsprechendes) das Symbol für "Entwicklung". Die Probleme sind strukturell dieselben.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(10 Aug 2020, 14:20)

Ja, das offenbart einen tiefen gnadenlosen Blick in ein globales Wirtschaftssystem, das hier so oft als das einzige und beste beschworen wird. Was also müsste deiner Meinung nach getan werden, damit die Bodenerosion, das Abholzen und Abbrennen der Regenwälder (jährlich werden 158.000 Quadratkilometer tropischer Regenwald abgeholzt für Holz, Papier, für Ölpalm- oder Sojaplantagen, Ausbeutung von Bodenschätzen), damit das Vernichten des Lebensraumes vieler Tierarten, das Hungerleiden afrikanischer Bauern, die selbst von ihrer landwirtschaftlichen Produktion nicht menschenwürdig leben können, aufhört? Was?
Gegen den Ökonomismus angehen. Der Ökonom Jonathan Aldred hat mit "Der korrumpierte Mensch. Die ethischen Folgen wirtschaftlichen Denkens" ein radikales Buch geschrieben. Gerade unter diesem Titel auf Deutsch erschienen. Er schreibt darin (sinngemäß) unter anderem, dass es gelte, das grundsätzliche Denkschema des Ökonomismus in Frage zu stellen, das Modell des Homo Oeconomicus, das Paradigma der Ressourcenallokation der Wohlfahrtsökonomie nicht einfach als nicht hinterfragbar hinzunehmen sondern - im Gegenteil - als kritisch in Frage zu stellen. Als zur Disposition stehend. "Licence to be bad" heißt das Buch im Original (besser). Und Aldred ist kein Spinner sondern ein Ökonom am renommierten Emmanuel College der Cambridge-Universität. Ein anderes Denken ist also längst schon sozusagen im Umlauf. Man braucht sich also bei Entgegnungen der Art wie "ja, Marktwirtschaft ist halt einfach nur die bessere und effektivere Art der Ressourcenallokation ... bla bla" nicht einfach als Dummkopf vorkommen.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Aug 2020, 15:01)

Gegen den Ökonomismus angehen. Der Ökonom Jonathan Aldred hat mit "Der korrumpierte Mensch. Die ethischen Folgen wirtschaftlichen Denkens" ein radikales Buch geschrieben. Gerade unter diesem Titel auf Deutsch erschienen. Er schreibt darin (sinngemäß) unter anderem, dass es gelte, das grundsätzliche Denkschema des Ökonomismus in Frage zu stellen, das Modell des Homo Oeconomicus, das Paradigma der Ressourcenallokation der Wohlfahrtsökonomie nicht einfach als nicht hinterfragbar hinzunehmen sondern - im Gegenteil - als kritisch in Frage zu stellen. Als zur Disposition stehend. "Licence to be bad" heißt das Buch im Original (besser). Und Aldred ist kein Spinner sondern ein Ökonom am renommierten Emmanuel College der Cambridge-Universität. Ein anderes Denken ist also längst schon sozusagen im Umlauf. Man braucht sich also bei Entgegnungen der Art wie "ja, Marktwirtschaft ist halt einfach nur die bessere und effektivere Art der Ressourcenallokation ... bla bla" nicht einfach als Dummkopf vorkommen.
Ja, gut gesagt. Deine Worte in Gottes Gehörgang :D Ich frag mich nur, wer außer paar Grünen und paar Linken so eine Abkehr vom Ökonomismus mitträgt. Das ist eine Minderheit. Sieht man ja auch bei diversen Diskussionen zum "grenzenlosen Wirtschaftswachstum".
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von franktoast »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Aug 2020, 13:50)

Das stimmt so allgemein nicht! Beispiel Äpfel. So gut wie jeder Mitteleuropäer würde denken: Einheimische Äpfel essen ist in jeder Hinsicht gut und positiv. Ja. Dazu müsste man aber die einheimischen Äpfel sorgfältig Stück für Stück in Zeitungspapier einwickeln und in einem kühlen aber gleichzeitig frostfreien Kellergebäude einlagern. Wenn man sie ganzjährig zur Verfügung haben will. Sie werden aber in Mitteleuropa stattdessen mit hohem Energieaufwand in Kühlhäusern gelagert. Der Transport von Äpfeln aus Südamerika (wo bekanntlich Sommer ist, wen hier Winter herrscht) in großen Schiffen ist von der Energiebilanz pro Masseeinheit wesentlich besser.
-> Transport von Lebensmitteln ist immer noch deutlich kostspieliger als von nichtverderblichen Waren. Analysiere doch mal den Satz und sag mir, was da steht.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Aug 2020, 15:01)

Gegen den Ökonomismus angehen. Der Ökonom Jonathan Aldred hat mit "Der korrumpierte Mensch. Die ethischen Folgen wirtschaftlichen Denkens" ein radikales Buch geschrieben. Gerade unter diesem Titel auf Deutsch erschienen. Er schreibt darin (sinngemäß) unter anderem, dass es gelte, das grundsätzliche Denkschema des Ökonomismus in Frage zu stellen, das Modell des Homo Oeconomicus, das Paradigma der Ressourcenallokation der Wohlfahrtsökonomie nicht einfach als nicht hinterfragbar hinzunehmen sondern - im Gegenteil - als kritisch in Frage zu stellen. Als zur Disposition stehend. "Licence to be bad" heißt das Buch im Original (besser). Und Aldred ist kein Spinner sondern ein Ökonom am renommierten Emmanuel College der Cambridge-Universität. Ein anderes Denken ist also längst schon sozusagen im Umlauf. Man braucht sich also bei Entgegnungen der Art wie "ja, Marktwirtschaft ist halt einfach nur die bessere und effektivere Art der Ressourcenallokation ... bla bla" nicht einfach als Dummkopf vorkommen.
Zum einen hat man es in Wirklichkeit mit einem Moloch an staatlichem Interventionismus zu tun, also gerade nicht mit dem "freien Markt". Der "dritte Weg" ist überall die Wirklichkeit.
Politische Umverteilung, Subventionen, Zwangsabgaben, Vorgaben, Plangrößen und niemand will der Dumme sein bei diesem politischen Umverteilungskampf, will mit dabei sein und etwas abhaben vom großen Zuteilungs- und Umverteilungskuchen.

Was ist denn nun die "wirkliche" Alternative dazu? Der richtige "dritte Weg"? Für Afrika, für die Welt? "Fairgetradeter" Kaffee? "Etwicklungshilfe"? Diese Fantasie vom "selbstlosen Menschen"?

Aldred sagt es nun selbst, dass universitäre Inhalte im Bereich der Ökonomik praktisch unwichtig geworden sind. Es geht um den Abschluss selbst, um den Namen und Ruf der Universität als Türöffner für die ganz großen Karrieren, die dann ganz anderer Befähigungen und Kenntnisse bedürfen. Ich halte es aber für völlig irreführend, wenn man nun behauptet, dass das in Universitäten Vermittelte nennenswert die Menschen prägt. Ich hab diesen Universitätsbetrieb selbst erlebt, die ganze Leblosigkeit dieser Eintrichterung. Das würde ja schon an ein Wunder grenzen, wenn da etwas Lebendiges aus dem Trichter hängen bliebe.

Das Gegenteil ist doch der Fall, dass kaum noch ökonomisch betrachtet wird. Dieser Österreicher mit dem Chaplinbärtchen kokettierte damals schon damit, dass er keine "ökonomische Theorie" hat und auch nicht bräuchte, sondern dass er die Dinge ganz praktisch an der Wirklichkeit orientiert auf den Weg bringen würde. Ein Keynes hat dazu applaudiert. Danach sehnt man sich noch heute. Das war die Hochzeit des politischen Dirigismus und Interventismus in deren schwerwiegenden Ausläufern wir immer noch leben. Eine Zeit der ständig geschnürten "Rettungspakete", irgendwelcher "Deals", der "Entwicklungshilfen". Eine Zeit, in der ökonomische Einwände mit ganz viel frischem Geld zugeschüttet werden. Diese ganze "easy money"-Doktrin dahinter ist doch der Antiökonomismus schlechthin, diese Behauptung der künstlichen Knappheit, die man einfach mit mehr Geld beseitigen könne. Und nun tut man so als stünde man zum allerersten Male überhaupt am Beginn eines "Umdenkens" gegen die allgegenwärtige "Ökonomisierung" und den ungehinderten "Egoismus" (den angeblich eine Vorlesung zum "homo oeconomicus" hervorgerufen haben soll). Was soll da am Ende dieser Wende stehen, wieder der neue Mensch, ein neuer Sozialismus, der endlich alles richtig macht?
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Aug 2020, 15:01)

Man braucht sich also bei Entgegnungen der Art wie "ja, Marktwirtschaft ist halt einfach nur die bessere und effektivere Art der Ressourcenallokation ... bla bla" nicht einfach als Dummkopf vorkommen.
Man braucht sich dabei nicht wie ein Dummkopf vorzukommen, wenn man denn eine alternative, effektivere Art der Ressourcenallokation aufzeigen kann. Und daran scheitert es dann, meist krachend.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Neandertaler »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Aug 2020, 09:04)

.

Für mich als Europäer gehts aber nicht zuletzt um die Korrektur eines verlogenen und selbsgefälligen Selbstbilds als angebliche "Kulturbringer".
WtF? :eek: du hast das Selbstbild eines europäisches Kulturbringers, beziehungsweise diese gehabt? :dead:

Oder war das nur ein Strohmannargument?
Alle Weichenstellungen der modernen Welt haben etwas mit der historischen Rolle des globalen Nordens als Kolonialmacht zu tun.
Nein! Ich möchte nur auf China und Japan und Skandinavien verwiesen. Kolonialismus ist eher Folge als Ursache bestimmter historischer Weichenstellungen. ( Das Thema ist natürlich komplexer)
Ich bin linksliberal, ich habe mich testen lassen.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Papaloooo »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Aug 2020, 09:04)
Für mich als Europäer gehts aber nicht zuletzt um die Korrektur eines verlogenen und selbsgefälligen Selbstbilds als angebliche "Kulturbringer". Alle Weichenstellungen der modernen Welt haben etwas mit der historischen Rolle des globalen Nordens als Kolonialmacht zu tun.
Das ist richtig.
Und das ist auch oft so, wo die Entwicklungshilfe von Kirchen ausgeht.
Ich selbst habe in Indien die Advaita-Vedanta kennen und schätzen gelernt.
Zwar sind unsere Entwicklungshilfeprojekten in kirchlichen Händen,
aber in unseren Schulen bleiben Hindus Hindus und Muslime Muslime.

Es ist nur so, wenn meine Eltern ihre Projekte vorstellen und ich dabei bin,
dann werde ich schon auch gefragt, was ich dort in den Jahren so gemacht habe.
Ich meine neben meinen sonstigen Tätigkeiten als Elektriker.
Und warum sollte ich da lügen?
Und dann wendet man sich so demonstrativ von mir ab.

Manches steckt tief in den Köpfen und auch in Indien,
wo die Hindus die Christen als kastenlos ansehen,
also das niedrigste vom niedrigen.
Und die Christen machen das untereinander aber auch nochmal.

Es ist dort - und da muss ich dir widersprechen - manchmal sogar die
westlichere Denkweise, Bildung, Wissen und Können machen den Menschen aus,
was dieses starre Kastendenken vor allem in Fabriken langsam aufbricht.

Dennoch wird der Arbeiter aus der Dalith-Kaste seine Herkunft verschweigen,
und der christliche Arbeiter nimmt zum Vorstellungsgespräch lieber seinen hinduistischen Zweitnamen.
Vorsorge Halber geben christliche Eltern ihren Kindern einen solchen mit ins Leben.
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Re: Die sogenannte "Entwicklungshilfe"

Beitrag von Papaloooo »

Ganz aktueller Stand:
Insgesamt 14.800 Kinder sind und waren in unseren indischen Schulen.

Ohne diese Projekte wäre kaum eines von ihnen in die Schule gegangen,
sondern würde nun zu dem Zigmillionen Analphabeten in Indien gehören.

Und Eltern, die dort Tagelöhner (meist wegen mangelhafter Bildung) sind,
werden Kinder werden höchstwahrscheinlich ebenfalls Tagelöhner,
denn die Eltern brauchen ihre Arbeitskraft um das schmale Familieneinkommen zu verbessern.
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