Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

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Skeptiker

Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

Im Gesellschaftsforum hat sich eine Debatte darüber entbrannt, wen man nun mehr oder weniger dafür würdigen müsse, dass der Nationalsozialismus aus Deutschland vertrieben wurde.

Mein Eindruck ist dabei, dass die Wahrnehmung dessen, was im zweiten Weltkrieg passiert ist, bis heute von den Entwicklungen nach dem Krieg überlagert werden.

Der Blick auf die Opfer zeigt in meinen Augen sehr eindrücklich wo die Hauptaktivität des Krieges lag, und welche Staaten/Gesellschaften den größten Anteil am daraus hervorgerufenen Leid zu tragen hatten.

In Wikipedia findet sich eine sehr eindrückliche Darstellung zu den Opfern des Krieges. Ich finde die Darstellung so eindrucksvoll, weil sie die Relationen nachvollziehbar macht, mit denen man es zu tun hat.

Ich greife mal ein paar Zahlen heraus, um die Unterschiede im Verhältnis der Kriegsparteien zueinander zu verdeutlichen.
Opferzahlen der unterschiedlichen (haupt)kriegsbeteiligen Staaten:
Russland:
  • Militär: 13.000.000
  • Zivilbevölkerung: 14.000.000
  • Prozent der Bevölkerung: 14.2% (47x im Vergleich zu den USA)
USA:
  • Militär: 407.000
  • Zivilbevölkerung: keine
  • Prozent der Bevölkerung: 0.3%
GB:
  • Militär: 270.000
  • Zivilbevölkerung: 62.000
  • Prozent der Bevölkerung: 0.7%
Frankreich:
  • Militär: 210.000
  • Zivilbevölkerung: 150.000
  • Prozent der Bevölkerung: 0.9%
Deutschland:
  • Militär: 5.185.000
  • Zivilbevölkerung: 1.170.000
  • Prozent der Bevölkerung: 9.2%
Japan:
  • Militär: 2.060.000
  • Zivilbevölkerung: 1.700.000
  • Prozent der Bevölkerung: ?
Quelle

Im Westen aufgewachsen, war für mich der Krieg immer einer, auf der die Alliierten mehr oder weniger gleichstark dargestellt wurden. Ich würde sogar sagen, dass im Westen eher das Bild des amerikanischen Befreiers dominiert, während man die Sowjetunion/Russen bis heute eher als bedrohlich und primitiv skizziert. Dieses Bild hat natürlich auch Gründe, die eben sicher auch in den Verbrechen der Deutschen in Russland (für mich fast synonym für die damalige Sowjetunion) liegen. Auch da sind die Opferzahlen in meinen Augen der Schlüssel zum besseren Verständnis, warum die Amerikaner und die Russen hier unterschiedlich wahrgenommen werden müssen. Während der Krieg für die Amerikaner sich auf das Militär beschränkt hat - die USA hatten keine (nennenswerten?) Opfer in der Zivilbevölkerung - war es für die Russen ein verlustreicher Kampf um die blanke Existenz. Natürlich ist das Verhältnis zu Menschen stärker belastet, wenn man deren Frauen und Kinder getötet hat und deren Dörfer und Städte niedergebrannt hat, als wenn es sich um eine rein militärische Auseinandersetzung gehandelt hat.

Ich möchte in diesem Thread die Wahrnehmung auf den zweiten Weltkrieg und deren Akteure diskutieren. Mir scheint diese bis heute propagandistisch belastet zu sein. Insbesondere im Westen erscheint mir die Rolle der Westalliierten erheblich überbetont, so wie der Weltkrieg an den Opferzahlen gemessen eher ein Deutsch/Sowjetischer und Japanisch/Chinesischer Krieg mit Nebenschauplätzen ist, mit bemerkenswert hohen Opfern in der Zivilbevölkerung von Polen und Indonesien (!) (wer hat hier eigentlich Indonesien im Kopf, wenn es um die Opfer des 2. Weltkrieges geht?).

Welche Gründe hat diese Wahrnehmung? Ist sie real, oder entspricht sie nur meiner Meinung? Wie unterscheiden sich ggf. die Sichtweisen in Ost und West?

PS: Hinweis an die Moderation: In diesem Thema geht es nicht ausschließlich um geschichtliche Tatsachen. Die politische Bewertung und persönliche Meinungen können aus einem solchen Thema nicht ferngehalten werden.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Ebiker »

Die hohe Zahl der Opfer in der Sowjetunion, Deutschland und Japan resultiert daraus das den jeweiligen Herrschenden Menschenleben völlig bedeutungslos waren. Isbesondere die Sowjetunion hat einen unfassbaren Blutzoll bezahlt weil da zwei menschenverachtende Diktaturen aufeinanderprallten. Andernseits ist für mich nicht begreifbar das Stalin z.T. heute noch verehrt wird nach allen Verbrechen die er am eigenen Volk begangen hat.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

Ebiker hat geschrieben:(12 May 2020, 11:39)
Die hohe Zahl der Opfer in der Sowjetunion, Deutschland und Japan resultiert daraus das den jeweiligen Herrschenden Menschenleben völlig bedeutungslos waren. Isbesondere die Sowjetunion hat einen unfassbaren Blutzoll bezahlt weil da zwei menschenverachtende Diktaturen aufeinanderprallten. Andernseits ist für mich nicht begreifbar das Stalin z.T. heute noch verehrt wird nach allen Verbrechen die er am eigenen Volk begangen hat.
Die für die Sowjetunion aufgelisteten Zahlen verstehen sich aber nicht als Opferzahlen stalinistischer Herrschaft. Ich verstehe die als Opfer von Kriegshandlungen und Kriegsverbrechen.
Hast du irgendwelche Hinweise, dass in den 14Mio Opfern, Opfer Stalins enthalten sind?
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DarkLightbringer
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Der Historiker Snyder ("Bloodlands - Europa zwischen Hitler und Stalin") sieht es ja ein bißchen anders: 14 Millionen Menschen wurden in den Territorien, die zwischen 1933 und 1945 unter deutscher oder sowjetischer Herrschaft standen ermordet.
Als "Bloodlands" bezeichnet er dabei ein exaktes Territorium in Osteuropa, welches allerdings nicht den heutigen Grenzen entspricht.
Und genau hier seien die weit überwiegenden Zivilopfer zu verzeichnen gewesen. Also nicht auf Soldaten bezogen, sondern auf Zivilbevölkerung.

Dazu in der "Zeit":
Nirgendwo, schreibt Snyder, starben in solch kurzer Zeit so viele Menschen wie in der Ukraine und in Weißrussland: während der Kollektivierung der Landwirtschaft, während des Großen Terrors der Jahre 1937 und 1938, zwischen 1939 und 1941, als Hitler und Stalin Polen, die baltischen Republiken und den Westen der Ukraine mit Terror und Gewalt heimsuchten, und während des Zweiten Weltkrieges, als die Nationalsozialisten ihr monströses Menschenvernichtungsprogramm in den Bloodlands exekutierten.
https://www.zeit.de/2011/29/L-Snyder-Bloodlands
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

DarkLightbringer hat geschrieben:(12 May 2020, 19:57)

Der Historiker Snyder ("Bloodlands - Europa zwischen Hitler und Stalin") sieht es ja ein bißchen anders: 14 Millionen Menschen wurden in den Territorien, die zwischen 1933 und 1945 unter deutscher oder sowjetischer Herrschaft standen ermordet.
Als "Bloodlands" bezeichnet er dabei ein exaktes Territorium in Osteuropa, welches allerdings nicht den heutigen Grenzen entspricht.
Und genau hier seien die weit überwiegenden Zivilopfer zu verzeichnen gewesen. Also nicht auf Soldaten bezogen, sondern auf Zivilbevölkerung.

Dazu in der "Zeit": https://www.zeit.de/2011/29/L-Snyder-Bloodlands
Bekanntermaßen hat der Russlandfeldzug im Sommer 41 begonnen. Ich gehe also davon aus, dass unter den Opfern des 2. Weltkrieges keine Opfer gezählt werden, die vor diesem Zeitpunkt in der Sowjetunion entstanden sind.

Beziehen sich seine Angaben also auf den Zeitraum 41 bis 45 oder 33 bis 45? Das gilt es auseinander zu halten.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Skeptiker hat geschrieben:(12 May 2020, 20:11)

Bekanntermaßen hat der Russlandfeldzug im Sommer 41 begonnen. Ich gehe also davon aus, dass unter den Opfern des 2. Weltkrieges keine Opfer gezählt werden, die vor diesem Zeitpunkt in der Sowjetunion entstanden sind.

Beziehen sich seine Angaben also auf den Zeitraum 41 bis 45 oder 33 bis 45? Das gilt es auseinander zu halten.
Er setzt wohl bereits 1937 an, die ganze Herangehensweise ist sehr an den Zivilopfern orientiert, weniger formal an Feldzügen und Ereignissen hinter der Front.
Das war ja das neue an Snyders Werk, abgesehen von der exakten Kartografierung der "Bloodlands".
In dieser Betrachtung agierten die Akteure Hitler und Stalin vor und während des Krieges und die "Killing Fields" waren das Experimentierfeld der Gewalt, weil nirgendwo sonst dieses Extrem in diesem Ausmaß umgesetzt werden konnte. So ungefähr die These.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Quatschki »

Skeptiker hat geschrieben:(12 May 2020, 20:11)

Bekanntermaßen hat der Russlandfeldzug im Sommer 41 begonnen. Ich gehe also davon aus, dass unter den Opfern des 2. Weltkrieges keine Opfer gezählt werden, die vor diesem Zeitpunkt in der Sowjetunion entstanden sind.

Beziehen sich seine Angaben also auf den Zeitraum 41 bis 45 oder 33 bis 45? Das gilt es auseinander zu halten.
Polen zählt seine Opfer ab dem 1.9.1939. Und zwar bezogen auf das Gebiet von Vorkriegspolen, wo ethnische Polen nur 60% der Bevölkerung stellten, während Juden, Ukrainer, Litauer, Weißrussen und auch Volksdeutsche den Rest bildeten.
Der westliche Teil dieser späteren "Bloodlands" lag auf diesem Gebiet.
Genau dort kam es auch zu heftigen Auseinandersetzungen der verschiedenen Partisanenfraktionen: der sowjetischen Partisanen, der polnischen Armia Krajowa und der ukrainischen Nationalisten der OUN, die sich gegenseitig bekriegten und auch gegenseitig die zivile Anhängerschaft in den Dörfern umbrachten.
Und bei den "Deutschen", gegen die sie alle miteinander auch gekämpft haben, waren oftmals nur die Offiziere Deutsche, während die Einheiten selbst aus einheimischen Freiwilligen und Überläufern bestanden.

z.B. https://en.wikipedia.org/wiki/Schutzman ... talion_118
Zuletzt geändert von Quatschki am Di 12. Mai 2020, 20:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Bielefeld09 »

Skeptiker hat geschrieben:(12 May 2020, 10:28)

Im Gesellschaftsforum hat sich eine Debatte darüber entbrannt, wen man nun mehr oder weniger dafür würdigen müsse, dass der Nationalsozialismus aus Deutschland vertrieben wurde.

Mein Eindruck ist dabei, dass die Wahrnehmung dessen, was im zweiten Weltkrieg passiert ist, bis heute von den Entwicklungen nach dem Krieg überlagert werden.

Der Blick auf die Opfer zeigt in meinen Augen sehr eindrücklich wo die Hauptaktivität des Krieges lag, und welche Staaten/Gesellschaften den größten Anteil am daraus hervorgerufenen Leid zu tragen hatten.

In Wikipedia findet sich eine sehr eindrückliche Darstellung zu den Opfern des Krieges. Ich finde die Darstellung so eindrucksvoll, weil sie die Relationen nachvollziehbar macht, mit denen man es zu tun hat.

Ich greife mal ein paar Zahlen heraus, um die Unterschiede im Verhältnis der Kriegsparteien zueinander zu verdeutlichen.
Opferzahlen der unterschiedlichen (haupt)kriegsbeteiligen Staaten:
Russland:
  • Militär: 13.000.000
  • Zivilbevölkerung: 14.000.000
  • Prozent der Bevölkerung: 14.2% (47x im Vergleich zu den USA)
USA:
  • Militär: 407.000
  • Zivilbevölkerung: keine
  • Prozent der Bevölkerung: 0.3%
GB:
  • Militär: 270.000
  • Zivilbevölkerung: 62.000
  • Prozent der Bevölkerung: 0.7%
Frankreich:
  • Militär: 210.000
  • Zivilbevölkerung: 150.000
  • Prozent der Bevölkerung: 0.9%
Deutschland:
  • Militär: 5.185.000
  • Zivilbevölkerung: 1.170.000
  • Prozent der Bevölkerung: 9.2%
Japan:
  • Militär: 2.060.000
  • Zivilbevölkerung: 1.700.000
  • Prozent der Bevölkerung: ?
Quelle

Im Westen aufgewachsen, war für mich der Krieg immer einer, auf der die Alliierten mehr oder weniger gleichstark dargestellt wurden. Ich würde sogar sagen, dass im Westen eher das Bild des amerikanischen Befreiers dominiert, während man die Sowjetunion/Russen bis heute eher als bedrohlich und primitiv skizziert. Dieses Bild hat natürlich auch Gründe, die eben sicher auch in den Verbrechen der Deutschen in Russland (für mich fast synonym für die damalige Sowjetunion) liegen. Auch da sind die Opferzahlen in meinen Augen der Schlüssel zum besseren Verständnis, warum die Amerikaner und die Russen hier unterschiedlich wahrgenommen werden müssen. Während der Krieg für die Amerikaner sich auf das Militär beschränkt hat - die USA hatten keine (nennenswerten?) Opfer in der Zivilbevölkerung - war es für die Russen ein verlustreicher Kampf um die blanke Existenz. Natürlich ist das Verhältnis zu Menschen stärker belastet, wenn man deren Frauen und Kinder getötet hat und deren Dörfer und Städte niedergebrannt hat, als wenn es sich um eine rein militärische Auseinandersetzung gehandelt hat.

Ich möchte in diesem Thread die Wahrnehmung auf den zweiten Weltkrieg und deren Akteure diskutieren. Mir scheint diese bis heute propagandistisch belastet zu sein. Insbesondere im Westen erscheint mir die Rolle der Westalliierten erheblich überbetont, so wie der Weltkrieg an den Opferzahlen gemessen eher ein Deutsch/Sowjetischer und Japanisch/Chinesischer Krieg mit Nebenschauplätzen ist, mit bemerkenswert hohen Opfern in der Zivilbevölkerung von Polen und Indonesien (!) (wer hat hier eigentlich Indonesien im Kopf, wenn es um die Opfer des 2. Weltkrieges geht?).

Welche Gründe hat diese Wahrnehmung? Ist sie real, oder entspricht sie nur meiner Meinung? Wie unterscheiden sich ggf. die Sichtweisen in Ost und West?

PS: Hinweis an die Moderation: In diesem Thema geht es nicht ausschließlich um geschichtliche Tatsachen. Die politische Bewertung und persönliche Meinungen können aus einem solchen Thema nicht ferngehalten werden.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Realist2014
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Realist2014 »

Skeptiker hat geschrieben:(12 May 2020, 10:28)
Im Westen aufgewachsen, war für mich der Krieg immer einer, auf der die Alliierten mehr oder weniger gleichstark dargestellt wurden. Ich würde sogar sagen, dass im Westen eher das Bild des amerikanischen Befreiers dominiert, n.
Die Militärmacht der USA hat den Krieg zugunsten der Allierten entschieden.

Die Sowjetunion hat schon 1941 Unterstützung durch die USA bekommen ( Material)

Daher war und ist dieses Bild im Westen korrekt

DIe Anzahl der Opfer ist in diesem Kontext irrelevant
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conscience
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von conscience »

Der Ansatz des Threads ist von Anfang falsch.

Gefragt muss nach wirtschaftlicher Macht und politischer Zielsetzung;
militärischer Strategie und Taktik; außerdem die Kultur des Landes:
beliebig viele eigene Opfer in Kauf zu nehmen oder diese um jeden Preis klein zu halten.
Skeptiker

Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

conscience hat geschrieben:(12 May 2020, 21:23)
Der Ansatz des Threads ist von Anfang falsch.

Gefragt muss nach wirtschaftlicher Macht und politischer Zielsetzung;
militärischer Strategie und Taktik; außerdem die Kultur des Landes:
beliebig viele eigene Opfer in Kauf zu nehmen oder diese um jeden Preis klein zu halten.
Du bist nun schon der Zweite, der die Bereitschaft zu Opfern hier in den Vordergrund stellt.

Ich kann mir nicht helfen, aber der Ursache für 27000000 Kriegstote in der Sowjetunion und 400000 rein militärischen Kriegstoten der USA, liegt mE nicht in der „Bereitschaft“ die Opfer hinzunehmen, sondern in der Tatsache begründet, dass Deutschland auf Sowjetischem Gebiet einen Vernichtungskrieg geführt hat.

Ich bin offen dafür die Rolle Stalins, und gewisse Anteile von Opfern durch seine Politik erklären zu lassen. Das schließt aber nicht die Lücke von 0 Opfern zu 14000000 Opfern in der Zivilbevölkerung. Auch bei den Militärangehörigen wird dieser Unterschied nicht durch Stalins Rücksichtslosigkeit alleine erklärbar.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von conscience »

Der deutsche Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung erfolgte doch großenteils hinter der Front.

Die großen Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen in den Jahren 1941/2 ist eine Folge der verfehlten stalinistischen Kriegführung und die Überlegenheit der deutschen operativen Führung und der militärischen Erfahrungen der Wehrmacht aus den 21 Monaten vor Beginn des Unternehmens Barbarossa.

Der große Zahl der Toten sowjetischer Kriegsgefangenen ist dann tatsächlich die Folge des deutschen Vernichtungskrieges.

Aber eben nicht Ursachen von 2 auf 1, sondern umgekehrt.

Wenn man beispielsweise in Stalingrad von seitens der Sowjets die eigenen Truppen ohne Bewaffnung in den Kampf schickt, den eigenen Soldaten erklärt, sie sollen, das Gewehr des Gefallenen Kameraden nehmen, um damit weiter zu kämpfen, dann nimmt man Opfer in Kauf. Das gleiche gilt auch für die sogenannten Rollbahn-Schlachten.

Es ist eine Tatsache, dass bis in das Frühjahr 1944 die Rote Armee in taktischer Hinsicht unterlegen blieb. Noch in der Schlacht um die Seelower Höhen, 16.04.-19.04.1945, mit dem unsinnigen Anrennen von Infanterie in mehreren Wellen in das deutsche Abwehrfeuer zusammen mit einer verfehlten Disposition der russischen Panzer-Streitkräfte erlitt die Rote Armee höhere Verluste als die Wehrmacht.
Zuletzt geändert von conscience am Di 12. Mai 2020, 22:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

Realist2014 hat geschrieben:(12 May 2020, 20:51)
Die Militärmacht der USA hat den Krieg zugunsten der Allierten entschieden.
Unbestritten haben die USA einen erheblichen Anteil daran, dass der Krieg gewonnen wurde.
Die Sowjetunion hat schon 1941 Unterstützung durch die USA bekommen ( Material)
Die Amerikaner haben sich gut dafür bezahlen lassen. Irgendwann hat Stalin die Zahlungen eingestellt.

Wie war eigentlich die wirtschaftliche Situation der USA und Russlands nach dem Krieg? Auch das ist ein interessanter Aspekt den es zu betrachten gilt, und er hängt u.A. auch mit den Militärhilfen der USA zusammen.
Daher war und ist dieses Bild im Westen korrekt

DIe Anzahl der Opfer ist in diesem Kontext irrelevant
Die Amerikaner waren natürlich die netteren Onkel, korrekt. Wenn man Ursache und Wirkung komplett ausser Acht lässt, und nur schaut, wer einem nach dem selbstverschuldeten Krieg am meisten beschenkt hat, dann kann man sein Werturteil auch darauf aufbauen.
Wenn ich aber die Frau meines Nachbarn zur Rechten umbringe und dem Nachbarn zur Linken vors Knie haue, dann sollte ich meinen Nachbarn zur Rechten nicht deshalb geringschätzen, nur weil der nicht ganz so schnell wieder zum Alltag zurückkehrt.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von conscience »

@skeptiker: Man merkt, dass Du Geschichte studiert hast.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

conscience hat geschrieben:(12 May 2020, 22:10)

@skeptiker: Man merkt, dass Du Geschichte studiert hast.
Dieses ist ein Diskussionsforum. Du darfst meine Beiträge gerne kritisieren. Mit abwertender Spam befasse ich mich allerdings nicht.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von conscience »

Schade, dass du ein ehrliches Lob derart zurückweisen tust. :mad:
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

conscience hat geschrieben:(12 May 2020, 22:20)

Schade, dass du ein ehrliches Lob derart zurückweisen tust. :mad:
Ich habe keine Geschichte studiert, und du solltest das wissen. Insofern gehe ich nicht von einem Lob aus.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Realist2014 »

Skeptiker hat geschrieben:(12 May 2020, 22:07)

U
Die Amerikaner waren natürlich die netteren Onkel, korrekt. Wenn man Ursache und Wirkung komplett ausser Acht lässt, und nur schaut, wer einem nach dem selbstverschuldeten Krieg am meisten beschenkt hat, dann kann man sein Werturteil auch darauf aufbauen.
.
So ganz fehlt dir die differenzierte Betrachtung

Meine Aussage bezog sich auf den wirksamen Einfluss hinsichtlich des Siegs der Allierten..
Der war am größten durch die USA.

Da spielt die Zeit nach dem WWII keine Rolle.

Das war die Zeit des kalten Krieges und da war die Sowjetunion der Feind mit seiner idiotischen Ideologie und die USA der Partner in der NATO- genau wie Frankreich und GB
Wie war eigentlich die wirtschaftliche Situation der USA und Russlands nach dem Krieg? Auch das ist ein interessanter Aspekt den es zu betrachten gilt, und er hängt u.A. auch mit den Militärhilfen der USA zusammen.
Das war einfach

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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Bielefeld09 »

Realist2014 hat geschrieben:(12 May 2020, 22:25)

So ganz fehlt dir die differenzierte Betrachtung

Meine Aussage bezog sich auf den wirksamen Einfluss hinsichtlich des Siegs der Allierten..
Der war am größten durch die USA.

Da spielt die Zeit nach dem WWII keine Rolle.

Das war die Zeit des kalten Krieges und da war die Sowjetunion der Feind mit seiner idiotischen Ideologie und die USA der Partner in der NATO- genau wie Frankreich und GB


Das war einfach

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Sorry, aber die Vergewaltigung meiner Mutter im Alter von 12 Jahren durch russische Soldalten wird sie niemals verzeihen!
Sie schreiben hier einfach nur Unfug!
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Adam Smith »

Skeptiker hat geschrieben:(12 May 2020, 22:07)

Wie war eigentlich die wirtschaftliche Situation der USA und Russlands nach dem Krieg? Auch das ist ein interessanter Aspekt den es zu betrachten gilt, und er hängt u.A. auch mit den Militärhilfen der USA zusammen.
Es wäre erst einmal wichtig zu wissen wie die wirtschaftliche Situation während des Krieges war. Die Wirtschaft der USA ist hier sehr stark gewachsen. Das BIP hat sich zwischen 1939 und 1944 verdoppelt.

http://pdwb.de/nd23_2011.htm

Direkt nach dem Krieg ist das BIP der USA wieder etwas zurückgegangen. Nach 1950 wuchs die Wirtschaft der USA aber wieder stark.

In Bezug auf die Sowjetunion dürfte folgendes gelten.

Der Vernichtungskrieg der Deutschen dürfte der Wirtschaft der Sowjetunion stark geschadet haben.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von conscience »

Tatsache ist, nie wurde so viel Propaganda und Politik mit Opferzahlen gemacht, wie während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

In Stalins Augen waren sowjetische Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter Vaterlandsverräter, seinen eigenen Sohn hat er im KZ sterben lassen.

Also nehmen wir mal die Gruppe der sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, russische Flüchtlinge und Angehörige der Wlassow Armee sowie Kosaken, die auf deutscher Seite gekämpft haben, usw. usf.


Alle diese Gruppen sind nach Kriegsende in die Sowjetunion - meistens zwangsweise (u.a. haben da Schweden und England ganz viel Dreck am Stecken - zurückgekehrt und in dem Gulag-System verschwunden, sofern man mit ihnen nicht "Kurzen Prozess" gemacht hat - die gesamten Gruppen zu trennen und zuzuordnen, also festzustellen, ob ein Opfer dieser Gruppen auf das deutsche oder sowjetische Konto zu verbuchen ist, damit eine genaue Gesamtzahl ermittelt werden kann, ist m.E. so gut wie unmöglich.

Opferzahlen taugen nicht als Mass zur Beurteilung der Ausgangsfrage.
Zuletzt geändert von conscience am Di 12. Mai 2020, 23:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von conscience »

Ich habe eben im Hildermeier nachgelesen.

Im Grobem hatte die Sowjetunion 1950 den Vorkriegsstand (1940) wieder erreicht.

Adam Smith hat geschrieben:(12 May 2020, 22:39)

Es wäre erst einmal wichtig zu wissen wie die wirtschaftliche Situation während des Krieges war. Die Wirtschaft der USA ist hier sehr stark gewachsen. Das BIP hat sich zwischen 1939 und 1944 verdoppelt.

http://pdwb.de/nd23_2011.htm

Direkt nach dem Krieg ist das BIP der USA wieder etwas zurückgegangen. Nach 1950 wuchs die Wirtschaft der USA aber wieder stark.

In Bezug auf die Sowjetunion dürfte folgendes gelten.

Der Vernichtungskrieg der Deutschen dürfte der Wirtschaft der Sowjetunion stark geschadet haben.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Bielefeld09 »

conscience hat geschrieben:(12 May 2020, 22:44)

Tatsache ist, nie wurde so viel Propaganda und Politik mit Opferzahlen gemacht, wie während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

In Stalins Augen waren sowjetische Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter Vaterlandsverräter, seinen eigenen Sohn hat er im KZ sterben lassen.

Also nehmen wir mal die Gruppe der sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, russische Flüchtlinge und Angehörige der Wlassow Armee sowie Kosaken, die auf deutscher Seite gekämpft haben, usw. usf.


Alle diese Gruppen sind nach Kriegsende in die Sowjetunion - meistens zwangsweise (u.a. haben da Schweden und England ganz viel Dreck am Stecken - zurückgekehrt und in dem Gulag-System verschwunden, sofern man mit ihnen nicht "Kurzen Prozess" gemacht hat - die gesamten Gruppen zu trennen und zuzuordnen, also festzustellen, ob ein Opfer dieser Gruppen auf das deutsche oder sowjetische Konto zu verbuchen ist, damit eine genaue Gesamtzahl ermittelt werden kann, ist m.E. so gut wie unmöglich.

Opferzahlen taugen nicht als Mass zur Beurteilung der Ausgangsfrage.
Wieso Opferzahlen?
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

conscience hat geschrieben:(12 May 2020, 22:04)

Der deutsche Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung erfolgte doch großenteils hinter der Front.

Die großen Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen in den Jahren 1941/2 ist eine Folge der verfehlten stalinistischen Kriegführung und die Überlegenheit der deutschen operativen Führung und der militärischen Erfahrungen der Wehrmacht aus den 21 Monaten vor Beginn des Unternehmens Barbarossa.

Der große Zahl der Toten sowjetischer Kriegsgefangenen ist dann tatsächlich die Folge des deutschen Vernichtungskrieges.

Aber eben nicht Ursachen von 2 auf 1, sondern umgekehrt.

Wenn man beispielsweise in Stalingrad von seitens der Sowjets die eigenen Truppen ohne Bewaffnung in den Kampf schickt, den eigenen Soldaten erklärt, sie sollen, das Gewehr des Gefallenen Kameraden nehmen, um damit weiter zu kämpfen, dann nimmt man Opfer in Kauf. Das gleiche gilt auch für die sogenannten Rollbahn-Schlachten.

Es ist eine Tatsache, dass bis in das Frühjahr 1944 die Rote Armee in taktischer Hinsicht unterlegen blieb. Noch in der Schlacht um die Seelower Höhen, 16.04.-19.04.1945, mit dem unsinnigen Anrennen von Infanterie in mehreren Wellen in das deutsche Abwehrfeuer zusammen mit einer verfehlten Disposition der russischen Panzer-Streitkräfte erlitt die Rote Armee höhere Verluste als die Wehrmacht.
Ohne Frage war die Rote Armee zu Beginn des Krieges der Wehrmacht deutlich unterlegen. Auch ist klar, dass es zu vielen unnötigen Verlusten kam, weil es unsinnige Taktiken und Befehle gab. Diese Opfer hat es dennoch gegeben. Sie sind Kriegstote in einem Krieg gestartet von Deutschland.

Gerne kann man hingehen und ein Teil der russischen Opfer als Opfer der eigenen Führung einordnen. Ohne genauere Zahlen würde ich da allerdings von einem kleinen Anteil an den hohen Opferzahlen ausgehen. Schwerlich wird man nachweisen können, dass etwa die Mehrheit der russischen Kriegsopfer auf das eigene Konto ginge. Wenn dem aber so ist, dann sollte man diesen Eindruck aber auch tunlichst vermeiden.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Skeptiker hat geschrieben:(12 May 2020, 23:38)

(...)Schwerlich wird man nachweisen können, dass etwa die Mehrheit der russischen Kriegsopfer auf das eigene Konto ginge. Wenn dem aber so ist, dann sollte man diesen Eindruck aber auch tunlichst vermeiden.
Unter den russischen Opfern waren die meisten womöglich Ukrainer und Weißrussen.
Nach heutigem Verständnis sind die Ukrainer keine Russen und auch Putins offizielle Geschichtspolitik weist da eine gewisse Ambivalenz aus.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von conscience »

Ich muss nicht nachweisen, dass die meisten Opfer der Roten Armee auf das "Konto" der sowjetische oder der Deutschen Führung gehen — es genügt mir zu verstehen, wie diese zu Stande gekommen sind, beispielsweise hat die massive Formierung ganzer sowjetischer Armeen in Frontvorsprüngen dazu geführt, dass 1941 von der Wehrmacht diese einfach durch Umfassung aufgerieben bzw. gefangen genommen worden sind. Dieses Opfer gehen eindeutig auf das Konto einer inkompetenten politischen und militärischen Führung seitens der Sowjetunion.


Zivil
Dies ist eine Geschichte politischer Massenmorde. Die vierzehn Millionen waren alle Opfer einer sowjetischen oder nationalsozialistischen Mordpolitik, oft in Zusammenarbeit beider Länder, aber keine Kriegsopfer.
Timothy Snyder, Bloodlands (Einleitung).

Die Sowjetunion besiegte das Deutsche Reich an der Ostfront, was Stalin die Dankbarkeit von Millionen von Menschen und eine zentrale Rolle in der Etablierung einer europäischen Nachkriegsordnung einbrachte. Doch Stalins eigenes Massenmordregister war fast ebenso lang wie das Hitlers. In Friedenszeiten war es sogar länger. Im Namen der Verteidigung und Modernisierung der Sowjetunion war Stalin für den Hungertod von Millionen und die Erschießung einer Dreiviertelmillion Menschen in den dreißiger Jahren verantwortlich […] Von den vierzehn Millionen Menschen, die zwischen 1933 und 1945 in den Bloodlands mit Bedacht ermorder wurden, geht ein Drittel auf die Rechnung der Sowjetunion.
Ebenda.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Sungawakan »

Könnte der Verfasser des Eingangsbeitrages es bitte dahin gehende abändern, dass es sich nicht um russische Tote sondern um sowjetische Tote handelt?

Ich finde es anmaßend, dass man alles, im Guten wie im Schlechten, in der Sowjetunion war, automatisch Russland zugeschrieben wird,
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

Sungawakan hat geschrieben:(13 May 2020, 07:54)

Könnte der Verfasser des Eingangsbeitrages es bitte dahin gehende abändern, dass es sich nicht um russische Tote sondern um sowjetische Tote handelt?

Ich finde es anmaßend, dass man alles, im Guten wie im Schlechten, in der Sowjetunion war, automatisch Russland zugeschrieben wird,
Wird uns diese Trennschärfe neue Erkenntnisse vermitteln? Rußland sieht sich völkerrechtlich als Rechtsnachfolger der Sowjetunion; die sah sich gefühlt als Rechtsnachfolger des Zarenreichs Rußland. In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion leben überall russische Minderheiten. Aus meiner Sicht hat die höhere Auflösung des Begriffs Rußland nur dann einen Sinn, wenn eine bestimmte Region zur Tatzeit besonders betrachtet werden muß. Das wurde aber auch so gehandhabt!
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Sungawakan »

In entsprechenden Beiträgen über den Zweiten Weltkrieg wird immer über die Sowjetunion gesprochen und nicht über Russland. Und ich denke schon, dass es zwingend notwendig ist, über bestimmte Regionen zu reden, da hier die westlichen Unionsrepubliken stärker betroffen gewesen sein dürften als Russland selbst.

Hier ein Ausschnitt eines Artikels aus der Welt zu den Opferzahlen in der Sowjetunion:

Das alles wäre der Sowjetunion und ihren Menschen erspart geblieben, hätte es den deutschen Überfall und die verbrecherische Ideologie, die ihn antrieb, nicht gegeben. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. In seiner Geheimrede auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956, mit der Nikita Chruschtschow die Entstalinisierung einleitete, führte der Parteichef aber auch neben „der Gefahr der faschistischen Unterjochung“ andere Gründe an, warum die Sowjetunion derartige Opfer hatte erbringen müssen.

Chruschtschow nannte die großen Säuberungen der Dreißigerjahre, die die Rote Armee nachhaltig geschwächt hatten, die Liquidierung zahlreicher Offiziere, die Unfähigkeit, Hitlers Absichten zu erkennen und die Kriegsindustrie beizeiten in Gang zu setzen, die Opfer der stalinschen Deportationen und die Inkompetenz seiner militärischen Führung. Die Forderung, „ständig Frontalangriffe zu führen“, statt weiträumige Flankenmanöver zu unternehmen, habe zu „gewaltigen Verlusten“ geführt.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Quatschki »

Hier mal ein älterer Beitrag aus dem "Spiegel" über die deutsche Sicht der Dinge:

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46273395.html
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von BlueMonday »

Die "Sowjets" haben jedenfalls in ihrem Besatzungsbereich den einen nationalen Sozialismus mit einem anderen ersetzt. Also kam man eher vom Regen in die Traufe.

Ich glaube auch nicht, dass es den sog. Alliierten vornehmlich um die "Vertreibung des Nationalsozialismus" ging. Der war vor Kriegsbeginn ja weltweit eher bewundert worden. Und auch anders herum: einiges sahen sich die dt. Nationalsozialisten von den Amerikanern ab: https://www.fr.de/kultur/literatur/nazi ... 19149.html
" Die Idee, dass „Vermischung“ eine Rasse schwäche, dass eine der wesentlichen Aufgaben der Politik daran bestand, die Bevölkerung möglichst reinrassig zu halten oder wieder zu machen, war kein Nazi-Einfall. Es war eine weit verbreitete Vorstellung der hundert Jahre zwischen Gobineau und Auschwitz. Überall auf der Welt. "

Es ging im Kern darum, einen größenwahnsinnig und viel zu weit gegangenen Konkurrenten bis zur Kapitulation zurückzudrängen und schlussendlich unschädlich zu machen, eher unabhänging von irgendwelchen Ideologien.
Die ganze Gestalt Europas, ja der ganzen Welt - also die Grenzverläufe der Staatsgebiete - kamen zum großen Teil durch kriegerische Mittel zustande. Das sollte man nicht vergessen. Was wir heute "Deutschland" nennen, war lange Zeit umkämpfter "Lebensraum". Hitler war so gesehen Kulminations- und vorläufiger Endpunkt dieser Moral und Weltsicht, dass man sich mit Gewalt nimmt, wenn es nicht anders geht. Der ganze amerikanische Kontinent wurde so von Europäern erobert. Dass man in Südamerika vornehmlich spanisch und portugiesisch spricht und in Nordamerika englisch, hat ja seine geschichtlichen Ursachen :) Frankreich, GB ... imperialistische Reiche. Ein Wettlauf um die Aufteilung der Welt. Das riesige Russland und die noch riesigere Sowjetunion sind auch nicht friedlich vom Himmel gefallen...

Also das mal zu Einordnung der Motivation der Beteiligten damals. Dass man dann im Nachhinein allerlei Legitimationen und blütenrein ehrenwerte Gründe nachschiebt, versteht sich ja von selbst.
Zuletzt geändert von BlueMonday am Mi 13. Mai 2020, 14:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Progressiver »

Natürlich war auch Stalin ein paranoider Massenmörder. Aber die Sowjetunion hatte eine viel größere Bevölkerungsanzahl als das Dritte Reich. Und so unterentwickelt war sie dann doch nicht, dass Hitler die Sowjetunion in einem etwas größeren "Blitzkrieg" im Handstreich erobern hätte können. Im Gegensatz zu den deutschen Territorien verfügte die Sowjetunion auch über große Ressourcen an Öl, welches für die Panzer notwendig war.

Was die Bevölkerung der Ukraine etc. betrifft: Diese haben ja den Deutschen anfangs zugejubelt, weil sie sie als Befreier sahen. Aber mit der Zeit wird wohl selbst dem Allerletzten klar geworden sein, dass Hitler alle Ukrainer, Russen etc. entweder als Arbeitssklaven erhalten wollte oder aber alle umbringen. Wenn man das mal mit anderen asymetrischen Kriegen vergleicht wie denjenigen der Amerikaner in Vietnam oder derjenigen der Sowjetunion in Afghanistan, so zeigt sich, dass auch der Vietcong sich zu verteidigen wusste. Aber was Hitler versucht hatte, war ein Angriffskrieg und Vernichtungskrieg gegenüber einer Sowjetunion, die dem Deutschen Reich an Menschen, Ressourcen, Opferbereitschaft und zuletzt auch an Panzern weit überlegen war.

Hitler hatte es nicht geschafft, 1941 Moskau einzunehmen. Dies gilt auch für sämtliche weiteren Großstädte wie Leningrad. Stalingrad 1942/43 war dann die Kriegswende. Und spätestens nach der größten Panzerschlacht des Zweiten Weltkrieges um Orel/Kursk verloren die Deutschen an der Ostfront die Initiative. Wenn es Stalin danach nur darum gegangen wäre, Deutschland zu besiegen, dann hätte er schon 1944 in Berlin einmarschieren können. Aber interessanterweise machten seine Armeen dann einen Schwenk nach Südosteuropa. Und er riss sich bis auf das Territorium Jugoslawiens so gut wie ganz Osteuropa und Südosteuropa unter den Nagel. Dies legte dann den Grundstein für den späteren Ostblock.

Wie man es dreht und wendet, so kann man aber nur zu der Einsicht kommen: Der Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion war von vorhinein zum Scheitern verurteilt. Und insofern größenwahnsinnig.

Hätte Hitler außerdem aus der Geschichte lernen wollen, dann hätte er sich auch schon Napoleons Russlandfeldzug als mahnendes Beispiel ansehen können. Wenn die USA nicht eingegriffen hätten, dann gäbe es vielleicht fünfzig bis sechzig Millionen tote Russen. Aber es wären immer noch genug von ihnen übrig geblieben, um das Dritte Reich zu zerschmettern.

Die deutsche Wehrmacht wurde also nicht ausschließlich von den Amerikanern auf der einen Seite und dem russischen Winter auf der anderen Seite besiegt. Sondern die Sowjetunion war militärisch und von der Bevölkerung her stärker als das Deutsche Reich. Alles andere wäre eine Legende a la "im Felde unbesiegt", welche Hindenburg nach dem Ersten Weltkrieg in die Welt setzte. Und selbst die Amerikaner hatten nicht Deutschland den Krieg erklärt, sondern es war umgekehrt. Wer aber mit zwei derart großen und mächtigen Staaten gleichzeitig Krieg führen will -plus die vielen anderen-, der sollte sich nicht wundern, wenn sein Größenwahnsinn in der totalen Kriegsniederlage endet.

Und auch Osteuropa wäre niemals unter die Knute Stalins gefallen, wenn nicht der größenwahnsinnige Hitler sich seinen Angriffskrieg erspart hätte. Dass von Polen bis Bulgarien ganz Osteuropa stalinistisch wurde, ist also im weiteren Sinne auch eine Folge des verlorenen Angriffskrieges der Deutschen.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Quatschki »

Dazu das passende deutsche Liedgut:

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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(13 May 2020, 08:26)

Wird uns diese Trennschärfe neue Erkenntnisse vermitteln? Rußland sieht sich völkerrechtlich als Rechtsnachfolger der Sowjetunion; die sah sich gefühlt als Rechtsnachfolger des Zarenreichs Rußland. In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion leben überall russische Minderheiten. Aus meiner Sicht hat die höhere Auflösung des Begriffs Rußland nur dann einen Sinn, wenn eine bestimmte Region zur Tatzeit besonders betrachtet werden muß. Das wurde aber auch so gehandhabt!
Dazu der bekannte Historiker Timothy Snyder:
In absoluten Zahlen starben mehr Bewohner der Sowjetukraine im 2. Weltkrieg als Bewohner Sowjetrusslands. Und das sind die Berechnungen russischer Historiker. Was bedeutet, dass relativ gesehen, die Ukraine während des Krieges einem viel, viel höheren Risiko als Sowjetrussland ausgesetzt war. Anders gesagt, es ist wichtig, den deutschen Vernichtungskrieg als einen Krieg gegen die Sowjetunion zu sehen – aber in seinem Zentrum befand sich die Sowjetukraine.
http://de.euromaidanpress.com/2017/06/2 ... r-ukraine/

Snyder meint weiter, dass die Rote Armee mit der Russischen Armee verwechselt werde.
Tatsächlich sei die Rote Armee die Armee der Sowjetunion gewesen, in der die Ukrainer wegen der Geographie des Krieges substantiell überrepräsentiert waren.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(15 May 2020, 23:57)

Dazu der bekannte Historiker Timothy Snyder:
http://de.euromaidanpress.com/2017/06/2 ... r-ukraine/

Snyder meint weiter, dass die Rote Armee mit der Russischen Armee verwechselt werde.
Tatsächlich sei die Rote Armee die Armee der Sowjetunion gewesen, in der die Ukrainer wegen der Geographie des Krieges substantiell überrepräsentiert waren.
Der Erkenntnis stelle ich einmal eine Aussage eines Korrespondenten in Kiew gegenüber: "Bis zur ernsthaft betriebenen Loslösung der Ukraine aus dem russischen Einflußgebiet galt Kiew als die westlichste durchweg russischsprachige Großstadt!"
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(16 May 2020, 07:19)

Der Erkenntnis stelle ich einmal eine Aussage eines Korrespondenten in Kiew gegenüber: "Bis zur ernsthaft betriebenen Loslösung der Ukraine aus dem russischen Einflußgebiet galt Kiew als die westlichste durchweg russischsprachige Großstadt!"
Die Russifizierung wird ja nun wieder rückgängig gemacht.
Als frühe konkrete Maßnahme der Russifizierung kann das Verbot des öffentlichen Gebrauchs der polnischen, litauischen und ukrainischen Sprache im Jahre 1863 genannt werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Russifizierung
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

Tja, alles nicht so einfach... jeder macht das so, wie er es gerade einmal braucht. Mein Schulwissen von Anno Toback sagt mir, daß die Waräger in Kiew mit den Umsassen den ersten Rus gebildet hatten. Und siehe da, das wird auch heute noch behauptet:

https://www.welt.de/geschichte/article1 ... inger.html

Mein Gefühl sagt mir, daß sich diese uralte Geschichte der Zwistigkeiten fortsetzt bis in die heutige Zeit. Na gut, so lange das so ist, lassen diese Völkerscharen uns zufrieden. Bloß nicht daran rühren!
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

H2O hat geschrieben:(16 May 2020, 07:19)
Der Erkenntnis stelle ich einmal eine Aussage eines Korrespondenten in Kiew gegenüber: "Bis zur ernsthaft betriebenen Loslösung der Ukraine aus dem russischen Einflußgebiet galt Kiew als die westlichste durchweg russischsprachige Großstadt!"
Russland und die Ukraine sind über die Geschichte untrennbar miteinander verbunden. Die Ukraine ist ein unabhängiger Staat, aber ethnisch und kulturell eng mit Russland verbunden.

Dabei kann man einen deutlichen Unterschied zwischen West- und Ostukraine machen. In der Westukraine lebt ein deutlich größerer Anteil ethnischer Ukrainer, während im Ostteil der Anteil Russen deutlich höher ist als im Westen, auf der Krim sogar die Mehrheit ( Übersicht ). Deutlicher noch die Anteile bei russischer Muttersprache ( Übersicht ).

Natürlich war die Ukraine vom 2. Weltkrieg insbesondere betroffen, weil der Kriegsschauplatz vorwiegend in der Ukraine lag. Ich bezweifle allerdings, dass es in der Wahrnehmung der Bevölkerung und der Soldaten irgendeinen Unterschied machte, ob jemand Ukrainer oder Russe war. Das hat doch vor der politischen Abspaltung als Folge des Untergangs der Sowjetunion nur eine kleine Minderheit interessiert. Noch vor der Maidan-Bewegung hätten sich die Ukrainer in der großen Mehrheit nicht vorstellen können Russland feindlich gegenüber zu stehen.

Wenn man also bei der Beurteilung der Akteure des zweiten Weltkrieges zwischen Ukrainern und Russen unterscheiden möchte, dann wäre das ähnlich, als würde man zwischen Preussen und Bayern unterscheiden, mit dem einzigen Unterschied, dass in Deutschland früher der Unterschied gemacht wurde und in der Ukraine und Russland dagegen heute. Das sollte eigentlich auch jeder Historiker wissen. Umso bemerkenswerter, dass nun Leute auf den Plan treten, die so tun, als hätte die Unterscheidung Ukraine/Russland für die große Mehrheit der Menschen damals schon irgendeine Relevanz gehabt.

Der nationalistische Aufwand mit dem die Ukraine dabei eine kulturelle Loslösung von Russland betreibt ist dabei wirklich bemerkenswert. Das wäre ein eigenes Thema - hier geht es ja um etwas anderes.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

Ja, dem stimme ich zu; aber mich macht die Zusammenarbeit von Ukrainern mit der Naziherrschaft in diesem Gesamtthema etwas ratlos. Feinde des Kommunismus, ukrainische Nationalisten... Scheint eine Randbedingung bei der Auflösung von "Vielvölkerstaaten" zu sein, verhältnismäßig geringe Unterschiede mit aller Macht heraus arbeiten zu müssen... siehe Jugoslawien.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Skeptiker »

H2O hat geschrieben:(16 May 2020, 10:04)
Ja, dem stimme ich zu; aber mich macht die Zusammenarbeit von Ukrainern mit der Naziherrschaft in diesem Gesamtthema etwas ratlos. Feinde des Kommunismus, ukrainische Nationalisten... Scheint eine Randbedingung bei der Auflösung von "Vielvölkerstaaten" zu sein, verhältnismäßig geringe Unterschiede mit aller Macht heraus arbeiten zu müssen... siehe Jugoslawien.
Tja, die Kollaboration mit Nazideutschland wollte ich garnicht ansprechen. Es ist wohl bekannt, dass die nationale Bewegung in der Ukraine Wurzel hat, die bis in diese Zeit zurückgehen. Es kann sich ja jeder mal zur Rolle des heutigen gefeiterten Helden Stepan Bandera informieren. Vielleicht wird dann ja klarer welcher Strömungen man sich in der Ukraine bedient hat, um einen Zwist zwischen Staaten zu fördern, den es originär garnicht in der Breite gab.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

Skeptiker hat geschrieben:(16 May 2020, 10:33)

Tja, die Kollaboration mit Nazideutschland wollte ich garnicht ansprechen. Es ist wohl bekannt, dass die nationale Bewegung in der Ukraine Wurzel hat, die bis in diese Zeit zurückgehen. Es kann sich ja jeder mal zur Rolle des heutigen gefeiterten Helden Stepan Bandera informieren. Vielleicht wird dann ja klarer welcher Strömungen man sich in der Ukraine bedient hat, um einen Zwist zwischen Staaten zu fördern, den es originär garnicht in der Breite gab.
Dann haben wir gleich das Thema Jugoslawien am Wickel, mit dem bösen Zwist zwischen Serben/Tschetniks und Kroaten/Ustascha. Aber da ist die Gemengelage noch verrückter mit Bosniern und Slowenen.

Mit Blick auf die Ukraine hat Rußland sich auch nicht gerade durch Liebeswerben hervorgetan, und auch da gibt es Parallelen zu Serbien im Jugoslawienkonflikt.

Wenn Sie dann die obige Quelle darauf überfliegen, dann kommt man zur Erkenntnis, daß seit 1200 Jahren diese zerstörerische Tradition gepflegt wird.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Quatschki »

H2O hat geschrieben:(16 May 2020, 11:02)

Mit Blick auf die Ukraine hat Rußland sich auch nicht gerade durch Liebeswerben hervorgetan, und auch da gibt es Parallelen zu Serbien im Jugoslawienkonflikt.
Orthodox vs. Katholisch
Bis Ende 19.Jh war die Identität stärker durch die Religion als die nationale Zugehörigkeit geprägt

Und natürlich hat die Westukraine mit der langen Zugehörigkeit zu Polen eine "Westbindung", die die Gebiete östlich des Dnepr historisch nicht haben.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Der Punkt ist, dass im Zuge des WK II Millionen ukrainischer Zivilisten umkamen, dazu weitere Millionen als Soldaten der Roten Armee.
Insofern lässt sich die damalige Sowjetunion - inklusive der Sowjetukraine - nicht mit der Russischen Föderation von heute gleichsetzen.

Aktuell ist die geschichtspolitische Betrachtung natürlich ein Thema, es spiegelt den heutigen russisch-ukrainischen Krieg.
Kritiker sprechen auch vom "Putin-Stalin-Pakt", weil z. B. die Propaganda die Kriegsverantwortung Polen zuschieben möchte.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von oga »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 May 2020, 22:25)

Der Punkt ist, dass im Zuge des WK II Millionen ukrainischer Zivilisten umkamen, dazu weitere Millionen als Soldaten der Roten Armee.
Insofern lässt sich die damalige Sowjetunion - inklusive der Sowjetukraine - nicht mit der Russischen Föderation von heute gleichsetzen.

Aktuell ist die geschichtspolitische Betrachtung natürlich ein Thema, es spiegelt den heutigen russisch-ukrainischen Krieg.
Kritiker sprechen auch vom "Putin-Stalin-Pakt", weil z. B. die Propaganda die Kriegsverantwortung Polen zuschieben möchte.
Wohl eher den damaligen Verbündeten Polens - Grossbritannien und Frankreich, oder?
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

oga hat geschrieben:(16 May 2020, 23:45)

Wohl eher den damaligen Verbündeten Polens - Grossbritannien und Frankreich, oder?
Nein, nein, da ist ganz unbildlich Polen gemeint.

Die Vorwürfe: Polen habe mit Nazi-Deutschland viel früher einen Nichtangriffspakt beschlossen, die Rote Armee sei 39 nur einmarschiert, weil Warschau die Kontrolle verloren habe, und zudem habe sich der damalige polnische Botschafter als Antisemit "komplett mit Hitler" solidarisiert.

https://www.tagesspiegel.de/politik/ges ... 97584.html

Den Warschauer Aufstand habe man nicht unterstützen können, weil die Polen das schlecht vorbereitet hatten - so ein weiterer Vorhalt.
Usw. usf.

Der sog. Erinnerungskrieg tobt ja schon seit Jahren.

2015 nahm Putin höchstpersönlich an der Parade des "Unsterblichen Regimentes" teil, das Bildnis seines Vaters tragend.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Diese Woche beschuldigte die russische Nachrichtensendung Westi Nedeli Polen, den Zweiten Weltkrieg begonnen zu haben.
https://euvsdisinfo.eu/de/kremlfreundli ... ght=stalin

In dem genannten, fremdsprachigen Sender wird Polen 2017 als "räuberischer Initiator" (des WK II) dargestellt.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Sungawakan »

H2O hat geschrieben:(16 May 2020, 07:19)

Der Erkenntnis stelle ich einmal eine Aussage eines Korrespondenten in Kiew gegenüber: "Bis zur ernsthaft betriebenen Loslösung der Ukraine aus dem russischen Einflußgebiet galt Kiew als die westlichste durchweg russischsprachige Großstadt!"
Russischsprachig heißt nicht unbedingt russisch. In Österreich-Ungarn gab es viele Beamte aus anderen Landesteilen, die deutsch und / oder ungarisch auch zuhause gesprochen haben, nach Auflösung des Kaiserreiches jedoch wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückgegangen sind, weil sie sich trotz allem alles Tschechen, Slowaken, Ukrainer usw. gefühlt haben. Hier wird der Fehler begangen, dass Sprache mit der Nation(alität) gleichgesetzt wird. Also wären (fast) alle Österreicher auch Deutsche.
Zuletzt geändert von Sungawakan am So 17. Mai 2020, 15:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Ukrainisch ist nicht russisch, es sind zwei verschiedene Sprachen. Richtig ist, dass es einen polnischen, ungarischen und russischen Einfluß in der Ukraine gab.

Der renommierte Osteuropa-Historiker Andreas Kappeler kritisierte die "russische Sichtweise" sehr deutlich, die im Westen seit 200 Jahren praktiziert werde.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

Sungawakan hat geschrieben:(17 May 2020, 15:14)

Russischsprachig heißt nicht unbedingt russisch. In Österreich-Ungarn gab es viele Beamte aus anderen Landesteilen, die deutsch und / oder ungarisch auch zuhause gesprochen haben, nach Auflösung des Kaiserreiches jedoch wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückgegangen sind, weil sie sich trotz allem alles Tschechen, Slowaken, Ukrainer usw. gefühlt haben. Hier wird der Fehler begangen, dass Sprache mit der Nation(alität) gleichgesetzt wird. Also wären (fast) alle Österreich auch Deutsche.
Ich meine, daß man über Fragen der Volksangehörigkeit das davon betroffene Volk entscheiden lassen sollte. Der Zerfall eines Vielvölkerstaats ist immer eine sehr bedrückende Angelegenheit, ob nun des Russischen Zarenreichs, des Habsburger Reichs, des Osmanischen Reichs oder zuletzt noch Jugoslawien. Die Vertreibung von viele Jahrhunderte ansässigen Menschen von Haus und Hof ist und bleibt ein Verbrechen. Darüber sollten Außenstehende nicht rechten. Wie Österreicher und Deutsche miteinander umgehen, das sollte unsere innere Angelegenheit bleiben. Als Partner in der EU sind wir doch bestens miteinander verbunden... oder gibt es da andere Gedanken?
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von oga »

H2O hat geschrieben:(17 May 2020, 15:43)

Ich meine, daß man über Fragen der Volksangehörigkeit das davon betroffene Volk entscheiden lassen sollte. Der Zerfall eines Vielvölkerstaats ist immer eine sehr bedrückende Angelegenheit...
Ja, Selbstbestimmung sollte schon das einzige Kriterium sein, was die Frage der Volksangehörigkeit betrifft. Kritisch wird es aber, wenn die Volksangehörigkeit Stoff für separatistische Tendenzen liefert und zwar in Vielvölkerstaaten, welche nicht oder noch nicht zerfallen sind.
H2O hat geschrieben:(17 May 2020, 15:43)

Wie Österreicher und Deutsche miteinander umgehen, das sollte unsere innere Angelegenheit bleiben. Als Partner in der EU sind wir doch bestens miteinander verbunden... oder gibt es da andere Gedanken?
Ob es sie noch gibt - keine Ahnung. Aber es gab sie vor nicht allzu langer Zeit. Im Vertrag von Saint-Germain war ein Vereinigungsverbot enthalten, im Staatsvertrag von 1955 wohl auch.
Ausserdem gab es eine Phase der österreichischen Identitätssuche, also ganz so einheitlich ist die Meinung nicht gewesen.
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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