Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Moderator: Moderatoren Forum 8

Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Nov 2019, 12:31)

Der "Kampf gegen Rechts" ist Mainstream und wird oft genug völlig übertrieben.
Da kann ich dir aus meiner eigenen Erfahrung nur widersprechen. Der "Kampf gegen Rechts" ist überhaupt nicht Mainstream.

Das wichtigste soziologische Gesellschaftsmodell der Gegenwart arbeitet bei den "Sinus-Millieus" mit einem zweidimensionalen Koordinatensystem. "Soziale Lage/Einkommen" auf der y-Achse und "Grundorientierung" (von "traditionell/konservativ" bis "modernistisch") auf der x-Achse. Darin zeichnen sich dann insgesamt zehn wesentliche soziale Milieus ab. Wie etwa "Konservativ-Etablierte", "Hedonisten" oder "Prekäre". Und alle haben sie ganz unterschiedliche Einstellungen zu Meinungsäußerungen, politische Korrektheit, "Kampf gegen Rechts" usw. Pauschale Aussagen, was irgendeine "Mehrheit der Deutschen" angeblich tut, wie sie denkt, was sie möchte, sind so nicht mehr möglich.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(14 Nov 2019, 11:43)

Ich glaube man sollte zwei Dinge zur Kenntnis nehmen: Erstens den Verlust des privaten Raumes und seinen Übergang in den totalen öffentlichen - auch die Arbeit am Selbst geschieht ja längst vor aller Augen - und den zweitens damit einhergehenden Kontrollverlust des Einzelnen über seine Äußerungen. Daher wird, wer halbwegs bei klarem Verstand ist, sich in der Öffentlichkeit auch vorsichtig äußern, da man weder die Heftigkeit der Gegenreaktion vernünftig abschätzen kann noch die mögliche Verbreitung.
In einem Artikel der linken-nahestenden Rosa-Luxemburg-Stiftung (von 2005) ist - im Gegenteil - vom "Verlust des öffentlichen Raums" die Rede. (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_up ... ndgens.pdf). Aber so widersprüchlich ist das gar nicht. Wo überall Öffentlichkeit ist, ist am Ende nirgends Öffentlichkeit. Die Wahrnehmung von "Öffentlichkeit", von Meinungsäußerungsfreiheit in der Öffentlichkeit kann meiner Ansicht nach nur über die Wahrnehmung von Widerstand und Reibung passieren. Kaum etwas ist aus meiner Sicht der individuellen Wahrnehmung von Meinungsfreiheit so förderlich, als wenn ich laute Buhrufe auf meine Meinungsäußerung zu erwarten habe. Man muss gegen irgendeine Flussrichtung schwimmen, um überhaupt einen FLuss wahrzunehmen. Aber vielleicht ist das auch meine persönliche Macke. Die Öffentlchkeit der neuen sozialen Medien kennt nur Likes oder Ignorieren. Ich sehe im öffentlichen Verkehr in den Gesichtern der Leute am Smartphone nur Lächeln oder Gelangweiltheit.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 73208
Registriert: Sa 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 12:56)

Der "Kampf gegen Rechts" ist überhaupt nicht Mainstream.
Ich kenne niemanden, der sich GEGEN den Kampf gegen Rechtsradikalismus/-extremismus ausspricht, weder privat, noch bei demokratischen Politikern, noch in den seriösen Medien, überall ist es Konsens, dass Rechtsradikalismus/-extremismus bekämpft werden muss. Was ja auch nur gut und richtig ist.

Dein Ausflug in die Soziologie mag zwar interessant sein, ist aber nicht zielführend, es geht um Meinungsfreiheit und wie sie von radikalen Kräften immer mehr eingeschränkt wird, entweder mit verbaler oder tatsächlicher Gewalt. Das ist inakzeptabel und dieser Zustand muss bereinigt werden, in einer Demokratie sind Diskurs und Kompromiss unverzichtbar.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
Thomas Jefferson
---
Diffamierer der Linken.
Stoner

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 13:08)

In einem Artikel der linken-nahestenden Rosa-Luxemburg-Stiftung (von 2005) ist - im Gegenteil - vom "Verlust des öffentlichen Raums" die Rede. (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_up ... ndgens.pdf). Aber so widersprüchlich ist das gar nicht. Wo überall Öffentlichkeit ist, ist am Ende nirgends Öffentlichkeit. Die Wahrnehmung von "Öffentlichkeit", von Meinungsäußerungsfreiheit in der Öffentlichkeit kann meiner Ansicht nach nur über die Wahrnehmung von Widerstand und Reibung passieren. Kaum etwas ist aus meiner Sicht der individuellen Wahrnehmung von Meinungsfreiheit so förderlich, als wenn ich laute Buhrufe auf meine Meinungsäußerung zu erwarten habe. Man muss gegen irgendeine Flussrichtung schwimmen, um überhaupt einen FLuss wahrzunehmen. Aber vielleicht ist das auch meine persönliche Macke. Die Öffentlchkeit der neuen sozialen Medien kennt nur Likes oder Ignorieren. Ich sehe im öffentlichen Verkehr in den Gesichtern der Leute am Smartphone nur Lächeln oder Gelangweiltheit.
Zum öffentlichen Raum haben beispielsweise Pörksen oder Rauterberg ganz andere Auffassungen.

Was die Buhrufe angeht, so sind sie eben in der Form von Shitstorms auch Diskurstöter - es gibt ja Buhrufe in alle Richtungen und für buchstäblich alles. Daraus ist die Hasskultur entstanden.

Es geht dabei gar nicht nur um politisch extreme Meinungen. Ich habe keine Kontrolle, was mit Bemerkungen von mir im digitalen Raum geschieht, wohin sie gezerrt werden, ohne dass ich auch nur den geringsten Einfluss darauf habe. Man schaue sich diese amerikanische Politikerin an, die plötzlich mit dem Privaten im Öffentlichen landet. Und darüber muss jeder sich inzwischen im Klaren sein. Ich habe digital niemals eine allgemeine Bemerkung über eine zweifelhalfte Branche gemacht, die mein Arbeitgeber hätte gegen mich verwenden können. Und ab dem Auftauchen der AfD war es ebenso ratsam, bestimmte Themen lieber sein zu lassen. Das ist eine Frage der Klugheit und der Erkenntnis, was die neuen Medien leisten können. Insofern muss man sich auch nicht beklagen, dass die Schere im Kopf, die angeblich wie von Zauberhand verschwunden ist, niemals präsenter war.
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Dieses ständige Beklagen, die Meinungsfreiheit sei nicht mehr gewährleistet, geht in die Richtung Diskursverschiebung. Indem die Neue Rechte (in allen ihren Schattierungen) gebetsmühlenartig wiederholt, es gäbe keine freie Meinungsäußerung mehr und man könne sich in der Öffentlichkeit nicht mehr angstfrei äußern, will sie erreichen, das gefragt wird: Wie kann man diesen Zustand einer "wirklichen Meinungsfreiheit" wieder erreichen? Verlogene und nicht ganz ungefährliche Sache. Die Leute sollen manipuliert und überzeugt werden, dass sich die Verhältnisse (Machtverhältnisse) endlich ändern müssten, damit man wieder "frei" reden könne. Gemeint sind damit extrem rechtsnationale Verhältnisse, die man anstrebt. Das Ergebnis wäre dann aber wahrhaftig eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, weil dann nur noch gesagt werden darf, was diese rechtsradikalen und rechtsextremen Höcke-Leute für opportun halten. Wer dem widerspricht, erfährt dann die Höckesche "wohltemperierte Grausamkeit". Alles bereits ernsthaft angekündigt.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Die Selbstinszenierung zum Opfer eines angeblichen linken politisch korrekten und gutmenschlichen Meinungskartells hat eine offensichtliche historische Parallele:
Während die marxistischen Zeitungen in der gemeinsten Weise gegen alles, was Menschen heilig zu sein vermag, in das Feld zogen, Staat und Regierung in der infamsten Weise angriffen und große Volksteile gegeneinander hetzten, verstanden es die bürgerlich-demokratischen Judenblätter, sich den Anschein der berühmten Objektivität zu geben, mieden peinlich alle Kraftworte, genau wissend, daß alle Hohlköpfe nur nach dem Äußeren zu urteilen vermögen und nie die Fähigkeit besitzen, in das Innere einzudringen, so daß für sie der Wert einer Sache nach diesem Äußeren bemessen wird statt nach dem Inhalt; eine menschliche Schwäche, der sie auch die eigene Beachtung verdanken. Für diese Leute war und ist freilich die "Frankfurter Zeitung" der Inbegriff aller Anständigkeit. Verwendet sie doch niemals rohe Ausdrücke, lehnt jede körperliche Brutalität ab und appelliert immer an den Kampf mit den "geistigen" Waffen, der eigentümlicherweise gerade den geistlosesten Menschen am meisten am Herz liegt.
Aus A. Hitler: "Mein Kampf",

"Judenpresse" und "Lügenpresse" werden heute nicht selten auf derselben Demo gerufen. Eine besonders antiurbane und intellektuellenfeindliche Angelegenheit war die Beklagung einer angeblichen "Wiener Judenpresse". Sie gebe vor wie man zu denken habe, was man sagen dürfe und was nicht.

Jetzt bitte nicht mit "Nazikeule" kommen. Es wurden auch schon damals einfach die Kommunikationsformen des einen (in diesem Fall urbanen, gebildeten) sozialen Millieus für sozusagen kanonisch und verbindlich gehalten. Das waren sie gar nicht. [...] Das (für "gehoben" gehaltene) Zeitungswesen in Deutschland und Österreich wurde allerdings tatsächlich zu einem großen Teil von Menschen jüdischer Herkunft aufgebaut. Und zwar sehr erfolgreich. In den Zeilen Hitlers zum Zeitpunkt der Niederschrift schwingt neben einem grundsätzlichen intellektuellenfeindlichen Antikosmopolitismus noch deutlich auch so etwas wie Neid auf diesen Erfolg mit.
Zuletzt geändert von Brainiac am So 17. Nov 2019, 07:18, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: [MOD] Unangebrachter NS-Vergleich
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Fliege
Beiträge: 7323
Registriert: Sa 26. Mai 2018, 00:15

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Gegen 58 Prozent der Deutschen (siehe den Threadstartbeitrag: "in der Öffentlichkeit [äußern sich] jedoch 58 Prozent [vorsichtig]") möchte ich nicht die Nazi-Keule schwingen.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 73208
Registriert: Sa 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

Hat sich damit erledigt.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
Thomas Jefferson
---
Diffamierer der Linken.
Schnitter
Beiträge: 19029
Registriert: Di 7. Feb 2012, 15:02

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Schnitter »

Ich denke mal Schoko geht es nicht um die "58%" sondern die die diese Umfrage für ihre braune Agenda missbrauchen wollen.

Hätte man aber von ganz alleine drauf kommen können-
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 15:16)

Die Selbstinszenierung zum Opfer eines angeblichen linken politisch korrekten und gutmenschlichen Meinungskartells hat eine offensichtliche historische Parallele:
Aus A. Hitler: "Mein Kampf",

"Judenpresse" und "Lügenpresse" werden heute nicht selten auf derselben Demo gerufen. Eine besonders antiurbane und intellektuellenfeindliche Angelegenheit war die Beklagung einer angeblichen "Wiener Judenpresse". Sie gebe vor wie man zu denken habe, was man sagen dürfe und was nicht.

Jetzt bitte nicht mit "Nazikeule" kommen. Es wurden auch schon damals einfach die Kommunikationsformen des einen (in diesem Fall urbanen, gebildeten) sozialen Millieus für sozusagen kanonisch und verbindlich gehalten. Das waren sie gar nicht. [...] Das (für "gehoben" gehaltene) Zeitungswesen in Deutschland und Österreich wurde allerdings tatsächlich zu einem großen Teil von Menschen jüdischer Herkunft aufgebaut. Und zwar sehr erfolgreich. In den Zeilen Hitlers zum Zeitpunkt der Niederschrift schwingt neben einem grundsätzlichen intellektuellenfeindlichen Antikosmopolitismus noch deutlich auch so etwas wie Neid auf diesen Erfolg mit.
Aber schon ziemlich deutlich und erschütternd die Parallelen zwischen dem Mein-Kampf-Zitat und heutigen Diskurs-Beiträgen. Scrollt man nur allmählich runter und sieht dieses "A. Hitler" unten drunter noch nicht gleich (wie bei mir am Handy zufällig beim ersten Lesen geschehen), dann glaubt man wahrhaftig zunächst, einen Beitrag aus den bekannten heutigen Ecken vor sich zu haben. Gruselig.
Zuletzt geändert von Selina am Do 14. Nov 2019, 18:35, insgesamt 1-mal geändert.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 17:54)

Ich denke mal Schoko geht es nicht um die "58%" sondern die die diese Umfrage für ihre braune Agenda missbrauchen wollen.

Hätte man aber von ganz alleine drauf kommen können-
Erstens das und zweitens sind unter den 58 Prozent selbstverständlich auch Leute, die einfach länger und gründlicher nachdenken, bevor sie sich äußern. Und wenn sie eine Auskunft dazu in einer Umfrage geben sollen, wird das dann mitgezählt unter dem Stichwort "äußert sich vorsichtig in der Öffentlichkeit". Wie weiter oben im Thread schon oft ausgeführt, ist eine bestimmte Nachdenklichkeit und Zurückhaltung heutzutage eher zu loben statt zu kritisieren. Denn wenn man sieht und hört, welch rassistischer und fremdenfeindlicher Müll von morgens bis abends so abgesondert wird, dann sind die nicht gesagten Worte oft eher eine Wohltat.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Fliege
Beiträge: 7323
Registriert: Sa 26. Mai 2018, 00:15

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 17:54)
Ich denke mal Schoko geht es nicht um die "58%" sondern die die diese Umfrage für ihre braune Agenda missbrauchen wollen.
Wie stellst du dir einen solchen "Missbrauch" vor?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
Schnitter
Beiträge: 19029
Registriert: Di 7. Feb 2012, 15:02

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Schnitter »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 18:06)

Wie stellst du dir einen solchen "Missbrauch" vor?
Der allgegenwärtige Katzenjammer und das erbärmlicher Geopfere der rechtsbraunen bezüglich irgendwelcher angeblichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit für Neonazis wird dir nicht entgangen sein nehme ich an.
Benutzeravatar
Fliege
Beiträge: 7323
Registriert: Sa 26. Mai 2018, 00:15

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 19:59)
Der allgegenwärtige Katzenjammer und das erbärmlicher Geopfere der rechtsbraunen bezüglich irgendwelcher angeblichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit für Neonazis wird dir nicht entgangen sein nehme ich an.
Was Rechtsextemisten finden, ist mir nicht wichtig. Mir ist hingegen wichtig, dass (siehe Threadstartbeitrag) 58 Prozent der Deutschen finden, man müsse bei der öffentlichen Ausübung seiner Meinungsfreiheit vorsichtig sein.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
Schnitter
Beiträge: 19029
Registriert: Di 7. Feb 2012, 15:02

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Schnitter »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 20:22)

Was Rechtsextemisten finden, ist mir nicht wichtig. Mir ist hingegen wichtig, dass (siehe Threadstartbeitrag) 58 Prozent der Deutschen finden, man müsse bei der öffentlichen Ausübung seiner Meinungsfreiheit vorsichtig sein.
Ich habe nur festgestellt dass Schoko nicht 58% der Deutschen als Nazi bezeichnet hat, wie du in deiner Antwort an ihn suggeriertest.
Benutzeravatar
Fliege
Beiträge: 7323
Registriert: Sa 26. Mai 2018, 00:15

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 20:29)
Ich habe nur festgestellt dass Schoko nicht 58% der Deutschen als Nazi bezeichnet hat, wie du in deiner Antwort an ihn suggeriertest.
Bitte nicht ablenken davon, dass 58 Prozent der Deutschen befürchten, ihre öffentliche Meinungsäußerung könnte ihnen schädlich sein.

(Übrigens: Mit der Nazi-Keule werden nicht Nazis geschlagen, sondern Leute als Nazis verunglimpft, egal ob sie Nazis sind oder nicht.)
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 15:36)

Gegen 58 Prozent der Deutschen (siehe den Threadstartbeitrag: "in der Öffentlichkeit [äußern sich] jedoch 58 Prozent [vorsichtig]") möchte ich nicht die Nazi-Keule schwingen.
Verschreiber: Bitte nicht mit dem Vorwurf der Nazikeule kommen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(14 Nov 2019, 17:57)

Aber schon ziemlich deutlich und erschütternd die Parallelen zwischen dem Mein-Kampf-Zitat und heutigen Diskurs-Beiträgen. Scrollt man nur allmählich runter und sieht dieses "A. Hitler" unten drunter noch nicht gleich (wie bei mir am Handy zufällig beim ersten Lesen geschehen), dann glaubt man wahrhaftig zunächst, einen Beitrag aus den bekannten heutigen Ecken vor sich zu haben. Gruselig.
Dabei aber nicht vergessen, dass "Mein Kampf" in den 20er Jahren geschrieben wurde und auch bereits in ebendiesen ein Bestseller war. Und auch der "Völkische Beobachter" erschien bereits in den 20ern. Der erste Band entstand unmittelbar nach dem Hitlerputsch am 9. November 23 (noch so ein 9. November ...). Es geht nicht um den "Holocaust" sondern um das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik oder auch das in Wien, Prag, Budapest um die Jahrhundertwende. Das "gesunde Volksempfinden" wird gegen eine vermeintliche urbane, kosmopolitische, "abgehobene" Gruppe ins Feld geführt. Heute spricht man nicht mehr von "gesundem Voksempfinden" und es geht abgesehen von Ausnehmen auch nicht gegen die Juden. Man kann aber auch in diesem Forum Sätze lesen wie "Bei uns hier in ... redet man noch Klartext". "Hier kann man uns nicht ein x für ein y vormachen". Die Mechanismen sind ähnlich. Und selbst noch gestern im Ersten bei Dieter Nuhr kann man das beobachten: Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!" Und diese Kreisläufe spielen sich mehr und mehr nur noch in einem Debattentheater ab. Schaut man wirklich einmal in die Wirklichkeit, siehts erheblich komplexer und vielfältiger aus. Keineswegs können junge Menschen und schon gar nicht Studenten ihr Wissen nur noch über das Smartphone abrufen. Im Gegenteil: Haptik, Arbeiten mit der Hand erlebt geradezu einen Höhenflug. Zumindest in einigen urbanen Kulturen. Freie Werkstätten, Urban Gardening ... um nur einige Beispiele zu nennen. Gestern habe ich tatsächlich in einem Regionalzug junge Leute gesehen, die ein komplettes Band-Equipment im Fahradabteil auf Radkarren transportierten. Also jetzt nicht Streetmusic-Technik mit Akkus, sondern richtige Instrumentalverstärker. Dieter Nuhr sollte öfter mal mit Öffentlichen fahren.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Stoner

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

Ob nun Weimarer Republik oder Mein Kampf - diese Art der Kostümierung der Wirklichkeit des 21. JH mit seinen neuen Medien und Kommunikationsräumen verstellt den Blick auf die eigene Wirklichkeit. Es ist ein a-historischer Historizismus.

Wer noch ganz bei Trost ist, wird sich in einem öffentlichen Medium wie Zwitscher oder Fehsbuk auch unter Wahrung allen Anstands zu einigen Themen nicht äußern. Diese Themen stehen nicht für alle Ewigkeit fest, sondern unterliegen bestimmten gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Und wer glaubt, er könne sich im Zeitalter der Hysterie und Shitstürme sanktionsfrei gegen diese Machtverhältnisse stellen, ist bestenfalls naiv.
Benutzeravatar
3x schwarzer Kater
Beiträge: 25726
Registriert: Mo 26. Mai 2014, 16:25
user title: Do legst di nieda
Wohnort: Schwaben

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 20:53)

Bitte nicht ablenken davon, dass 58 Prozent der Deutschen befürchten, ihre öffentliche Meinungsäußerung könnte ihnen schädlich sein.
Das ist eine Schlussfolgerung von dir, die sich aus dem Artikel so nicht rauslesen lässt.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
PeterK
Beiträge: 13971
Registriert: Di 31. Mai 2016, 11:06

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von PeterK »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(15 Nov 2019, 12:21)
Das ist eine Schlussfolgerung von dir, die sich aus dem Artikel so nicht rauslesen lässt.
Ich las:
Es gebe "viele ungeschriebene Gesetze, welche Meinungen akzeptabel und welche tabu sind" – dieser Ansicht sind 63 Prozent der Befragten.
Ich meine, der Wert sei zu niedrig. Das bedeutete ja, dass 37% meinen, es gebe keine "ungeschriebenen Gesetze" wie z.B. Anstand und Rücksichtnahme mehr. Das wäre in der Tat besorgniserregend.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(15 Nov 2019, 11:37)

Ob nun Weimarer Republik oder Mein Kampf - diese Art der Kostümierung der Wirklichkeit des 21. JH mit seinen neuen Medien und Kommunikationsräumen verstellt den Blick auf die eigene Wirklichkeit. Es ist ein a-historischer Historizismus.

Wer noch ganz bei Trost ist, wird sich in einem öffentlichen Medium wie Zwitscher oder Fehsbuk auch unter Wahrung allen Anstands zu einigen Themen nicht äußern. Diese Themen stehen nicht für alle Ewigkeit fest, sondern unterliegen bestimmten gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Und wer glaubt, er könne sich im Zeitalter der Hysterie und Shitstürme sanktionsfrei gegen diese Machtverhältnisse stellen, ist bestenfalls naiv.
Seit Oktober gibts erstmals seit längerer Zeit in Budapest einen Oberbürgermeister, der nicht von der vaterländischen allmächtigen Orbán-Partei Fidesz gestellt wird. Sondern von einer grün-linksliberalen Partei. Dreimal darfst du raten, was bestimmt einer von zwei Fidesz-Wählern in einer ungarischen Kleinstadt in der Provinz als erstes darüber denkt. Auch wenn er das Wort "zsidók" (Juden) nicht explizit in den Mund nimmt. Die Vergangenheit lebt auf erschreckende Art und Weise weiter. Und die Metropolen samt ihrem kosmopolitischen Bewohneranteil werden noch eine entscheidende Rolle bei der Überwindung dieser Vergangenheit und der Rettung der Idee von Liberalismus und Demokratie spielen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 09:06)

Dabei aber nicht vergessen, dass "Mein Kampf" in den 20er Jahren geschrieben wurde und auch bereits in ebendiesen ein Bestseller war. Und auch der "Völkische Beobachter" erschien bereits in den 20ern. Der erste Band entstand unmittelbar nach dem Hitlerputsch am 9. November 23 (noch so ein 9. November ...). Es geht nicht um den "Holocaust" sondern um das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik oder auch das in Wien, Prag, Budapest um die Jahrhundertwende. Das "gesunde Volksempfinden" wird gegen eine vermeintliche urbane, kosmopolitische, "abgehobene" Gruppe ins Feld geführt. Heute spricht man nicht mehr von "gesundem Voksempfinden" und es geht abgesehen von Ausnehmen auch nicht gegen die Juden. Man kann aber auch in diesem Forum Sätze lesen wie "Bei uns hier in ... redet man noch Klartext". "Hier kann man uns nicht ein x für ein y vormachen". Die Mechanismen sind ähnlich. Und selbst noch gestern im Ersten bei Dieter Nuhr kann man das beobachten: Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!" Und diese Kreisläufe spielen sich mehr und mehr nur noch in einem Debattentheater ab. Schaut man wirklich einmal in die Wirklichkeit, siehts erheblich komplexer und vielfältiger aus. Keineswegs können junge Menschen und schon gar nicht Studenten ihr Wissen nur noch über das Smartphone abrufen. Im Gegenteil: Haptik, Arbeiten mit der Hand erlebt geradezu einen Höhenflug. Zumindest in einigen urbanen Kulturen. Freie Werkstätten, Urban Gardening ... um nur einige Beispiele zu nennen. Gestern habe ich tatsächlich in einem Regionalzug junge Leute gesehen, die ein komplettes Band-Equipment im Fahradabteil auf Radkarren transportierten. Also jetzt nicht Streetmusic-Technik mit Akkus, sondern richtige Instrumentalverstärker. Dieter Nuhr sollte öfter mal mit Öffentlichen fahren.
Der Nuhr ist in den letzten Jahren in dieselbe Richtung gewandert wie Lengsfeld und co. Das Paradoxe dabei: Wirkliches Kabarett im besten Wortsinne kommt normalerweise nicht aus so einer Ecke. Ein weiteres Zeichen dafür, wie verschoben und verquer die politischen Koordinatensysteme und Verhältnisse inzwischen sind. Und urban gardening, so schön das auch klingt, es erinnert mich doch ein wenig an Rudolf Steiner mit seiner "biologisch-dynamischen Landwirtschaft", einschließlich Gartenbau. Aber was solls, hängt ja alles mit allem irgendwie zusammen.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 12:58)

Seit Oktober gibts erstmals seit längerer Zeit in Budapest einen Oberbürgermeister, der nicht von der vaterländischen allmächtigen Orbán-Partei Fidesz gestellt wird. Sondern von einer grün-linksliberalen Partei. Dreimal darfst du raten, was bestimmt einer von zwei Fidesz-Wählern in einer ungarischen Kleinstadt in der Provinz als erstes darüber denkt. Auch wenn er das Wort "zsidók" (Juden) nicht explizit in den Mund nimmt. Die Vergangenheit lebt auf erschreckende Art und Weise weiter. Und die Metropolen samt ihrem kosmopolitischen Bewohneranteil werden noch eine entscheidende Rolle bei der Überwindung dieser Vergangenheit und der Rettung der Idee von Liberalismus und Demokratie spielen.
Genau. Auch die relativ niedrigen Großstadt-Ergebnisse für die AfD lassen hoffen.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2019, 13:08)

Der Nuhr ist in den letzten Jahren in dieselbe Richtung gewandert wie Lengsfeld und co. Das Paradoxe dabei: Wirkliches Kabarett im besten Wortsinne kommt normalerweise nicht aus so einer Ecke. Ein weiteres Zeichen dafür, wie verschoben und verquer die politischen Koordinatensysteme und Verhältnisse inzwischen sind. Und urban gardening, so schön das auch klingt, es erinnert mich doch ein wenig an Rudolf Steiner mit seiner "biologisch-dynamischen Landwirtschaft", einschließlich Gartenbau. Aber was solls, hängt ja alles mit allem irgendwie zusammen.
"Urban Gardening" ist mir nur eingefallen, weil es gestern in der Sendung um "Bildung" ging und einfach nur ein 0815-Pauschalurteil nach dem anderen abgelassen und beklatscht wurde.

Bei einem Satz wie "Soldaten sind Mörder" musst du schon eher aufpassen. 1931 von Tucholsky in der Weltbühne geschrieben. (Typisches Exemplar für das, was seine Gegner "Judenpresse" nannten). Der letzte einer Reihe von Prozessen zu diesem Satz fand 1995 in der Bundesrepublik statt. Woher die Aufregung, fragt man sich, wenn doch alles schon historisiert ist.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 13:22)

"Urban Gardening" ist mir nur eingefallen, weil es gestern in der Sendung um "Bildung" ging und einfach nur ein 0815-Pauschalurteil nach dem anderen abgelassen und beklatscht wurde.

Bei einem Satz wie "Soldaten sind Mörder" musst du schon eher aufpassen. 1931 von Tucholsky in der Weltbühne geschrieben. (Typisches Exemplar für das, was seine Gegner "Judenpresse" nannten). Der letzte einer Reihe von Prozessen zu diesem Satz fand 1995 in der Bundesrepublik statt. Woher die Aufregung, fragt man sich, wenn doch alles schon historisiert ist.
Ja. Und dass es auch bei jüngeren Leuten wieder eine stärkere Hinwendung zu Selbstgedachtem und Selbstgemachtem - weg vom ewigen Smartphone - gibt, ja, das sehe ich auch so.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Von Weltbühnen-Herausgeber Jabosohn ist übrigens bekannt, was er auf Leserbriefe aufgebrachter Bürger antwortete: "Sie haben nur ein Recht: Mein Blatt nicht zu lesen." Das müsste man auch all diesen Leuten sagen, die unentwegt diesen Unsinn von der Entreißung der "Deutungshoheit" faseln. Wenn ich das schon höre. Eine "Deutungshoheit" muss man sich im eigenen Kopf selbst schaffen. Und niemand hat ein Anrecht darauf, dass andere dieser eigenen Deutungshoheit folgen müssen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Wenn mit dieser "Deutungshoheit" der Einfluss auf die öffentliche Meinung gemeint ist, so muss meiner Ansicht nach genau dieser Begriff einmal hinterfragt werden. Inwiefern und ob die "öffentliche Meinung" tatsächlich mehr und anderes ist als die Summe individueller Meinungen oder die Summe der Positionierungen von politischen und sonstigen Gruppen. Und zwar in einer Gesellschaft, in der bereits auch der politische Willen mehr und mehr nicht von 2 ein viertel "Volksparteien" repräsentiert wird sondern von mehr und mehr ganz unterschiedlichen politischen Parteien. Ich glaube, die "öffentliche Meinung" ist bei denen, die von ihr sprechen und die sie zu kennen glauben, einfach nur das, was sie sich jeweils als "öffentliche Meinung" vorstellen. In vielen Fällen einfach das imaginierte Ziel einer Wutablassung oder umgekehrt die imaginierte Quelle einer Meinungsbestätigung.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Man braucht sich nur die Entstehungsgeschichte des Wortes "Deutungshoheit" ansehen. Vor allem die der letzten Jahre. Dann weiß man alles.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 15:00

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 09:06)

Dabei aber nicht vergessen, dass "Mein Kampf" in den 20er Jahren geschrieben wurde und auch bereits in ebendiesen ein Bestseller war. Und auch der "Völkische Beobachter" erschien bereits in den 20ern. Der erste Band entstand unmittelbar nach dem Hitlerputsch am 9. November 23 (noch so ein 9. November ...). Es geht nicht um den "Holocaust" sondern um das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik oder auch das in Wien, Prag, Budapest um die Jahrhundertwende. Das "gesunde Volksempfinden" wird gegen eine vermeintliche urbane, kosmopolitische, "abgehobene" Gruppe ins Feld geführt. Heute spricht man nicht mehr von "gesundem Voksempfinden" und es geht abgesehen von Ausnehmen auch nicht gegen die Juden. Man kann aber auch in diesem Forum Sätze lesen wie "Bei uns hier in ... redet man noch Klartext". "Hier kann man uns nicht ein x für ein y vormachen". Die Mechanismen sind ähnlich. Und selbst noch gestern im Ersten bei Dieter Nuhr kann man das beobachten: Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!" Und diese Kreisläufe spielen sich mehr und mehr nur noch in einem Debattentheater ab. Schaut man wirklich einmal in die Wirklichkeit, siehts erheblich komplexer und vielfältiger aus. Keineswegs können junge Menschen und schon gar nicht Studenten ihr Wissen nur noch über das Smartphone abrufen. Im Gegenteil: Haptik, Arbeiten mit der Hand erlebt geradezu einen Höhenflug. Zumindest in einigen urbanen Kulturen. Freie Werkstätten, Urban Gardening ... um nur einige Beispiele zu nennen. Gestern habe ich tatsächlich in einem Regionalzug junge Leute gesehen, die ein komplettes Band-Equipment im Fahradabteil auf Radkarren transportierten. Also jetzt nicht Streetmusic-Technik mit Akkus, sondern richtige Instrumentalverstärker. Dieter Nuhr sollte öfter mal mit Öffentlichen fahren.
In den 20er Jahren war "Mein Kampf" noch kein Bestseller. Zu dem wurde dieses Machwerk erst in den 30ern.
Das hat zwar mit dem eigentlichen Thema des Stranges wieder einmal nichts zu tun, ist aber bezeichnend für das Argumentationsmuster:

Mein Kampf - gesundes Volksempfinden - Dieter Nuhr.

Und schon sind wir tatsächlich beim Thema: die Diffamierung eines Andersdenkenden.

Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!"

Auf deine "Empfehlung" hin habe ich mir die Sendung angeschaut. Diese Stelle kommt überhaupt nicht vor. Aber das macht nichts. Der Vorwurf ist zwar sachlich falsch, aber moralisch korrekt, also darfst du das auch behaupten.
Dieter Nuhr hat allerdings, und zwar in ganzen Sätzen, auf eine Umfrage unter Soziologie- und Politologiestudenten in Frankfurt hingewiesen, derzufolge rund die Hälfte der Studierenden kontroverse Standpunkte an der Universität ablehnt:

"Der Soziologe und Kommunikationswissenschaftler Matthias Revers und der Politologe Richard Traunmüller hatten ihre Befragung durchgeführt, weil sie den Eindruck gewonnen hatten, dass es unter den Studenten einen hohen ideologischen und sprachlichen Konformitätsdruck gibt. Die Ausladung des Polizeigewerkschafters Rainer Wendt an der Universität Frankfurt Ende 2017 war einer der Auslöser, die Haltung einiger Studenten genauer kennenzulernen. Auch damals war es Susanne Schröter gewesen, die ihn einlud, dann aber nach dem offenen Brief von 60 Wissenschaftlern der Universität wieder auslud.

Bücher sollen entfernt werden

In der repräsentativen Befragung der beiden Wissenschaftler hat sich gezeigt, dass ein Drittel bis über die Hälfte der Befragten sich dezidiert dagegen aussprachen, dass Menschen mit kontroversen Standpunkten an der Universität reden dürfen. Bis zu ein Drittel der Befragten war sogar dagegen, dass deren Bücher in der Universitätsbibliothek ausgelegt werden können, und forderte deren Entfernung. Als Themen dienten Revers und Traunmüller Beispiele wie die Unvereinbarkeit von Islam und westlichem Lebensstil, biologische Unterschiede in den Fähigkeiten von Männern und Frauen und die Ablehnung jeglicher Form der Einwanderung."

https://edition.faz.net/woche/politik/2 ... c/?GEPC=s5

Wenn Dieter Nuhr im Nazi-Kontext steht, in welchem Kontext steht dann die Forderung, Bücher von Andersdenkenden aus der Unibibliothek zu entfernen? Haptik, Urban Gardening, Instrumentalverstärker, ÖPNV?

Es ging übrigens um Bildung. Das Resümee:
Benutzeravatar
naddy
Beiträge: 2667
Registriert: Mo 18. Mär 2019, 11:50

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von naddy »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 15:16)

Aus A. Hitler: "Mein Kampf",...
Die Ursachen für heutige Probleme findet man nicht selten in der Vergangenheit. In diesem Fall in einer ganz speziellen Art deutscher Vergangenheitsbewältigung nach dem Motto: "Aus den Augen, aus dem Sinn". Statt offensiver Auseinandersetzung mit nazistischem Gedankengut entschloß man sich, alle äußeren Symbole zu verbieten und Hitlers Machwerk in den Giftschrank zu sperren. Sinnigerweise zu einer Zeit, als nicht wenige Posten in Politik, Polizei und Justiz noch mit echten Nazis besetzt waren. Warum hat man nicht die inhaltliche Auseinandersetzug versucht, wenigstens in gymnasialen Oberstufen? Mögliche Hypothesen: Entweder man hielt das Lehrpersonal für unfähig oder die Schüler für zu blöd. Stattdessen wurden durch Mystifizierung und Aufladung mit Protestpotential die Grundlagen für aktuelle Zeitphänomene gelegt - vermutlich in "bester Absicht". Die aktuellen Nazis und Neonazis wissen wenig bis gar nichts über ihre ideologischen Vordenker. Was sie aber wissen ist, dass man durch das Zeigen von Symbolen und Gesten öffentliche Aufregung erzeugen und Andere gewaltig ärgern kann.
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
Stoner

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2019, 14:06)

Man braucht sich nur die Entstehungsgeschichte des Wortes "Deutungshoheit" ansehen. Vor allem die der letzten Jahre. Dann weiß man alles.
Und wer alles weiß, hat eben recht.

Vielleicht ist das ja das Problem: Dass zu viele alles wissen.
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

MäckIntaier hat geschrieben:(15 Nov 2019, 15:11)

Und wer alles weiß, hat eben recht.

Vielleicht ist das ja das Problem: Dass zu viele alles wissen.
Der Begriff "Deutungshoheit" wird in dieser Häufigkeit erst seit 2015 verwendet. Und das vorzugsweise von den Neurechten. Das wird man ja wohl mal sagen dürfen :D
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Stoner

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2019, 15:43)

Der Begriff "Deutungshoheit" wird in dieser Häufigkeit erst seit 2015 verwendet. Und das vorzugsweise von den Neurechten. Das wird man ja wohl mal sagen dürfen :D
Sie sagen es ja den ganzen Tag, Beitrag um Beitrag um Beitrag.

Was einen auf die Idee bringen könnte, dass "alles wissen" sehr wenig sein kann. :D
Benutzeravatar
naddy
Beiträge: 2667
Registriert: Mo 18. Mär 2019, 11:50

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von naddy »

Zunder hat geschrieben:(15 Nov 2019, 14:50)

In der repräsentativen Befragung der beiden Wissenschaftler hat sich gezeigt, dass ein Drittel bis über die Hälfte der Befragten sich dezidiert dagegen aussprachen, dass Menschen mit kontroversen Standpunkten an der Universität reden dürfen. Bis zu ein Drittel der Befragten war sogar dagegen, dass deren Bücher in der Universitätsbibliothek ausgelegt werden können, und forderte deren Entfernung.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die in meinem vorhergehenden Beitrag angesprochene Strategie "Aus den Augen, aus dem Sinn" immer noch großer Beliebtheit erfreut. Dass selbst Studenten den rationalen Diskurs scheuen und stattdessen auf Rede- und Bücherverbot setzen, ist wirklich kein gutes Zeichen.
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
Diestel
Beiträge: 866
Registriert: So 13. Okt 2019, 22:54

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Diestel »

naddy hat geschrieben:(15 Nov 2019, 15:53)

Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die in meinem vorhergehenden Beitrag angesprochene Strategie "Aus den Augen, aus dem Sinn" immer noch großer Beliebtheit erfreut. Dass selbst Studenten den rationalen Diskurs scheuen und stattdessen auf Rede- und Bücherverbot setzen, ist wirklich kein gutes Zeichen.
Hättest du gern die Reichsfahne in deutschen Hörsälen hängen? :rolleyes:
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

MäckIntaier hat geschrieben:(15 Nov 2019, 15:50)

Sie sagen es ja den ganzen Tag, Beitrag um Beitrag um Beitrag.

Was einen auf die Idee bringen könnte, dass "alles wissen" sehr wenig sein kann. :D
Der Witz ist nur, dass es diese ständig beklagte "Deutungshoheit", angeblich ausgeübt von Linksgrün, gar nicht gibt. Gehört alles in die Kategorie Diskursverschiebung. Man muss es nur oft genug sagen, dass man sich in der Öffentlichkeit nicht mehr frei äußern darf, und es finden sich garantiert ein paar Leute, die den Käse glauben.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Ammianus
Beiträge: 6089
Registriert: Sa 17. Dez 2011, 22:05

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Ammianus »

Diestel hat geschrieben:(15 Nov 2019, 16:14)

Hättest du gern die Reichsfahne in deutschen Hörsälen hängen? :rolleyes:
Was hat jetzt irgendeine "Reichsfahne" mit der faschistoiden Haltung gut eines Drittels befragter Studenten zu tun. Obwohl, interessant ist, dass z.B. die NSDAP gerade unter der Studentenschaft schon vor ihrer Machtübernahme zahlreiche Anhänger hatte. Und ich glaube mich zu erinneren, dass wohl auch unter den Teilnehmern der Bücherverbrennungen 1933 - ach nee, die haben das sogar organisiert und durchgeführt ...
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
Benutzeravatar
naddy
Beiträge: 2667
Registriert: Mo 18. Mär 2019, 11:50

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von naddy »

Diestel hat geschrieben:(15 Nov 2019, 16:14)

Hättest du gern die Reichsfahne in deutschen Hörsälen hängen? :rolleyes:
Nein, hätte ich nicht. Obwohl ich es in Kauf nehmen könnte, wenn unter dieser Fahne die Zeitprobleme im rationalen Diskurs statt mit Parolen angegangen würden. Wie ich schon im Thread "Rechtsextremismus"schrieb: "Wenn man einen Gegner erfogreich bekämpfen will, sollte man tunlichst nicht die gleichen Mittel anwenden wie er. Es ist eine denkbar schlechte Idee, Pauschalisierungen mit Pauschalisierungen zu begegnen.".
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
Skeptiker

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Skeptiker »

Zunder hat geschrieben:(15 Nov 2019, 14:50)
Vollzitat
Korrekt.

Ich habe die letzte Zeit eher beiläufig diesen Strang beobachtet und gewinne mehr und mehr die Erkenntnis, dass es sich nicht lohnt das überhaupt noch zu diskutieren. Wenn man bei einem Thema wie diesem tatsächlich Meinungen liest, dass sich dann eben nur die Minderheit nicht zu benehmen wisse, dann kann ich nur annehmen, dass manche Foristen hier jeglichen Bezug zur Realität verloren haben. Je vorsichtiger man bei Äußerungen in der Öffentlichkeit sein muss, umso besser weiß man sich zu "benehmen". Unglaublich - Deutschland im Jahr 2019 - Geschichte: Setzen 6!

Die Äußerungen die ich hier von diversen Leute lese, zeigen letztendlich, dass bestimmte Teile der Bevölkerung bereits bestens auf eine Verdrängung Andersdenkender vorbereitet ist. Es wird nicht als Bedrohung aufgefasst kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen - nein, die Bedrohung ist sie reden oder schreiben zu lassen. Diese Einstellung ist nur einen Befehl von Bücherverbrennungen entfernt. Wer will hier ernsthaft glaubhaft machen, er würde nicht mit Freude Werke des so wahrgenommenen "Feindes der Demokratie" den Feuer übergeben wollen? Hätte es nicht entsprechenden Symbolcharakter, wäre das wohl längst passiert - so radikal wie man aktuell die Meinungsvielfalt vor der falschen Meinung zu schützen entschlossen ist.

Welch Wunder also, dass die Menschen auf der Straße lieber die Klappe halten - die sind ja auch nicht blöd. Wenn schon ein Nuhr, der ganz sicher keine anrüchigen Sachen verbreitet, zur Zielscheibe entsprechender Diffamierungen wird, wieso sollte sich dann ein Normalo sicher fühlen diese Themen öffentlich anzusprechen? Er kann es natürlich nicht, und das spiegelt das Umfrageergebnis wieder.

Ich habe mich noch nie so sehr wie in einem Land schrulliger Einfallspinsel gefühlt, wie derzeit. Es scheint einen wahren Wettlauf der Tugendhaftigkeit zum Schaden der Freiheit zu geben, der in meinen Augen dringend durch eine Besinnung auf demokratische Tugenden begegnet werden muss.
Diestel
Beiträge: 866
Registriert: So 13. Okt 2019, 22:54

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Diestel »

Skeptiker hat geschrieben:(15 Nov 2019, 18:40)

Es wird nicht als Bedrohung aufgefasst kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen - nein, die Bedrohung ist sie reden oder schreiben zu lassen.
Das hast du gut erkannt.
Stoner

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

Skeptiker hat geschrieben:(15 Nov 2019, 18:40)



Ich habe mich noch nie so sehr wie in einem Land schrulliger Einfallspinsel gefühlt, wie derzeit. Es scheint einen wahren Wettlauf der Tugendhaftigkeit zum Schaden der Freiheit zu geben, der in meinen Augen dringend durch eine Besinnung auf demokratische Tugenden begegnet werden muss.
Das ist jetzt widersprüchlich, wenn es einerseits einen Wettlauf um Tugendhaftigkeit gibt und im nächsten Gedanken eine Rückkehr zu demokratischen Tugenden gefordert wird. Das Problem ist doch gerade, dass alle Tugenden zugunsten von Werten abgeschafft wurden! Redner nicht auftreten oder Bücher nicht zuzulassen ist ein Bekenntnis zu Werten.
Skeptiker

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Skeptiker »

MäckIntaier hat geschrieben:(15 Nov 2019, 19:05)
Das ist jetzt widersprüchlich, wenn es einerseits einen Wettlauf um Tugendhaftigkeit gibt und im nächsten Gedanken eine Rückkehr zu demokratischen Tugenden gefordert wird. Das Problem ist doch gerade, dass alle Tugenden zugunsten von Werten abgeschafft wurden! Redner nicht auftreten oder Bücher nicht zuzulassen ist ein Bekenntnis zu Werten.
Die Tugenden in denen man sich ereifert sind keine demokratischen Tugenden. Demokratische Tugenden ermuntern zum Diskurs - das was die Eiferer als Tugenden bezeichnen ist auf eine Zerstörung des Diskurses ausgelegt - auf eine Verengung auf die eigene Position. Die "Grenzen des Anstandes" werden so weit nach innen geschoben, bis die Menschen endlich so "anständig" sind nur noch die "richtige" Meinung zu vertreten. Meinungen außerhalb dieser Grenzen werden dann "unerträglich", womit dieses Attribut auch auf die Menschen übergeht die diese Vertreten.

Nuhr ist ein sehr schönes Beispiel dafür.
Skeptiker

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Skeptiker »

Diestel hat geschrieben:(15 Nov 2019, 18:44)
Das hast du gut erkannt.
Danke für die Bestätigung, dass Du das genau so vertrittst.
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Ich finde die als "tugendhaft" beschriebenen Kommentare, die hier sehr rar sind, in jedem Falle interessanter als dieses ständige larmoyante Beklagen, man könne nicht mehr alles sagen. Es ist so oft zu lesen, was es ist, was man angeblich nicht mehr sagen kann, dass kaum noch ein ungesagter Rest bleibt. Wie ausgewickelte Schokolade. Oder besser: Ein abgelutschtes Bonbon. Reizlos.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
3x schwarzer Kater
Beiträge: 25726
Registriert: Mo 26. Mai 2014, 16:25
user title: Do legst di nieda
Wohnort: Schwaben

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2019, 19:40)

. Es ist so oft zu lesen, was es ist, was man angeblich nicht mehr sagen kann, dass kaum noch ein ungesagter Rest bleibt. .
Ja, es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
Benutzeravatar
Fliege
Beiträge: 7323
Registriert: Sa 26. Mai 2018, 00:15

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(15 Nov 2019, 12:21)
Das ist eine Schlussfolgerung von dir, die sich aus dem Artikel so nicht rauslesen lässt.
Wie lautet deine Interpretation in dieser Sache?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
Benutzeravatar
3x schwarzer Kater
Beiträge: 25726
Registriert: Mo 26. Mai 2014, 16:25
user title: Do legst di nieda
Wohnort: Schwaben

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Fliege hat geschrieben:(15 Nov 2019, 22:56)

Wie lautet deine Interpretation in dieser Sache?
Wieso sollte ich hier was interpretieren? Ich lese nur was dort steht.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
Benutzeravatar
Fliege
Beiträge: 7323
Registriert: Sa 26. Mai 2018, 00:15

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2019, 13:08)
Der Nuhr ist in den letzten Jahren in dieselbe Richtung gewandert wie Lengsfeld und co.
Was du sagst, höre ich gern, denn regierungshörige Kabarettisten und Kommentatoren braucht es nun wirklich nicht mehr in Deutschland.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Fliege hat geschrieben:(15 Nov 2019, 23:06)

Was du sagst, höre ich gern, denn regierungshörige Kabarettisten und Kommentatoren braucht es nun wirklich nicht mehr in Deutschland.
"Regierungshörige Kabarettisten"? Wer bitte soll das sein?
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Gesperrt