Wähler hat geschrieben:(08 Sep 2019, 11:28)
Für mich ist der von May dem Parlament vorgelegte Austrittsvertrag in seiner jetzigen Fassung gescheitert. Also betrachte ich seine Bestandteile einzeln, also nicht als Teil eines veralteten Ganzen. Das heißt, dass ein Brexit möglich ist, bei dem es für eine Übergangszeit eine Zollgrenze zwischen Irland und Nordirland auf Grundlage der WTO-Regeln gibt, die den Friedensvertrag von 1998 nicht gefährdet. Das wäre dann aber nicht mehr ein Backstop in seiner ursprünglichen Bedeutung - vielleicht liegt hier ein Missverständnis vor. Großbritannien wäre dann nicht mehr Mitglied der Zollunion der EU und könnte eigene Handelsverträge mit allen Ländern der Welt aushandeln. Großbritannien würde seine Austrittsrechnung bezahlen und den in Großbritannien lebenden EU-Bürgern ihre Rechte garantieren.
Das können Sie gerne so interpretieren. Nur steht dem halt die Faktenlage gegenüber, dass es bisher keinerlei erkennbare Bereitschaft der EU gibt, gerade von den zollrechtlichen Bedingungen der Anbindung GBs an die EU-Zollunion
für die Übergangsphase abzuweichen, bis eben ein Handelsvertrag zustande kommt. Und ebenso kann und wird die EU niemals den back-stop streichen oder zeitlich begrenzen, genauso wenig wie die Bindung GBs an die EU-Zollunion. Sofern GB nicht garantiert, dass man ein schnelles und seriöses neues Handelsabkommen bekommt. Und was dabei die detaillierten Vorstellungen der britischen Seite als Lösung beeinhaltet.
Denn das war bisher schon das Problem Nr.1: Sowohl die jeweilige britische Regierung und auch das Parlament waren sie nur in einem einig: Was sie nicht wollten oder wollen...
Und ausser Johnson, der notfalls auch keinen deal will, kommt oder kam bisher NICHTS, REIN gar nichts von britischer Seite, dass eine Kompromisslösung als Übergangsregelung für die EU diskutier- oder annehmbar machen würde.
Brüssels wiederholte Aufforderung an die britische Seite, endlich substanzielle Vorschläge vorzulegen, ausser Streichung des back-stop und Streichung der Anbindung an die EU-Zollunion (und stattdessen Gültigkeit der WTO-Regeln)
führten ins nebulöse Nirvana. Sprich sind einfach von EU-Seite unannehmbar. Weil die EU und ihr Selbstverständnis definitiv zerstörend.
btw:
Johnson Drohungen, falls GB nicht seinen, Johnsons Austrittswillen bekäme, die Zahlungen gegenüber der EU einfach nicht zu erfüllen, aus den juristisch und vertraglich bindenden Verpflichtungen, die GB als EU-Mitglied zusicherte, unterschrieb und garantierte, ist nur eine leere Drohung und allenfalls eine weitere Lüge, die er für Wählerzustimmung benutzt. Aber nicht ernsthaft als tatsächliche Regierungshandlung durchhalten kann.
Denn auf einen so dermaßen vertragsbrüchigen Handelspartner GB, der vertragliche Verpflichtungen ohne mit der Wimper zu zucken, bricht oder nicht einhält, wird sicher auch unter dem Aspekt der Seriosität und Vertrauenswürdigkeit weltweit dabei beobachtet. Von künftigen Handelspartnern, von denen GB ja bessere Verträge will, als sie die EU abschloss und auch seriös einhält.
Wenn Johnson meint, in der Manier eines dubiosen Gebrauchtwagenhändlers vertragliche, finanzielle Verpflichtungen gegenüber der EU einfach ignorieren zu können, wird ihm das nicht nur von der EU, die auch nach dem Austritt ein wichtiger Marktraum für GB bleiben wird, auf die Füße fallen. Sondern auch global äusserst argwöhnisch verfolgt werden.
Das wesentlichste Element des Handels, des politischen als auch des ökonomischen, ist Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit der politisch Handelnden. Und bezüglich seiner ökonomischen Bedeutung ist GB nicht so eine große
Nummer im globalen Maßstab, dass man den Handel mit so einem heissen Eisen - in Sachen seriöser Vertragstreue - unbedingt so nachlaufen müsste wie der Dackel hinter der dicken Wurst am Stecken. Die in Wirklichkeit nur kleineres Würstchen ist. Ein leicht verderbliches dazu. Mit unsicherem Haltbarkeitsdatum nach Boris Johnson-Art, Verträge und Verpflichtungen als etwas anzusehen, dass man in die Tonne kloppen könne wie es passt.
Für so deppert halte ich Mr. Johnson nun auch wieder nicht. Sprich, eine gewisse Restintelligenz will ich diesem bauernschlauen upperclass-ENGLÄNDER nicht absprechen.