Regenmacher hat geschrieben:(15 Aug 2019, 06:31)
Stimmt, die inverse Zinsstruktur habe ich vergessen, außerdem die drohende Zahlungsunfähigkeit Argentiniens.
Weltwirtschaftlich gesehen ist das ebenfalls eine Baustelle, die den gesamten Eindruck rückläufiger Konjunkturaktivitäten untermauert.
Es gibt natürlich noch weitere im Hintergrund schwelende Krisenherde, wie etwa die wirtschaftliche Entwicklung in der Türkei.
Siehe auch das Abschmieren der türk. Lira. Und in der Türkei sind besonders ital. Banken sehr stark engagiert...
Womit wir wieder bei den Auswirkungen im europäischen Bankensystem wären, das gerade den Euroraum angeht und
einen ital. Rechtspopulisten Salvini, der noch mehr Schulden machen will, und offenbar auch nicht davor zurückschreckt,
dass Problem seiner angeschlagener Banken (siehe Kursrückgang auch der Deutschen Bank gestern mit satten 5%) zu ignorieren.
All das - mit denen von Ihnen ja schon erwähnten - Krisenherden bzw. Unwägbarkeiten und dem über allem schwebenden
Handelskrieg USA vs. China, und auch dem erklärten Ziel Trumps, auch die EU insgesamt als Wirtschaftskonkurrenzraum
entscheidend zu schwächen, ergibt eine Gemengelage innerhalb einer global rückläufigen Wirtschaft, die
nicht gerade zu kurz- bzw. mittelfristigem Optimismus Anlass gibt.
Ob sich die Einschätzungen z.B. der EZB, die für 2019 eine eher langsam wachende Wirtschaft des Euroraums prognostizierte
und die Wachstumsprognosen dann derb nach unten korrigieren musste und ebenso die Voraussage, ab 2020 erwarte man
wieder ein spürbares Anziehen der Konjunktur, an die man wohl auch nicht mehr "glaubt", bewahrheiten, darf man eher bezweifeln.
Was die EZB betrifft, ist wohl - glaubt man gut informierten Quellen und Experten - bei der nächsten Leitzinssitzung wieder
mit einem QE-Programm zu rechnen und einer längerfristigen Positionierung der EURO-Wächter, die auch negative Leitzinsen
offenbar für ein Mittel der guten Wahl hält. Nicht nur eine negative Einlagefaziliät für Banken.
Ob das - salopp gesagt - erneute Zuscheissen der Finanzmärkte mit Billigst-EURO-Geld die Wirtschaft und den Konsum
wieder anfacht, zu investieren bzw. die Nachfrage zu stärken, wird vielfach angezweifelt.
Unternehmen werden meiner Meinung nach nur dann investieren oder mehr produzieren, wenn die Nachfrage
für D - als sehr exportlastige Volkswirtschaft elementar - im gesamten Euroraum bzw. weltweit anzieht.
Und da ist bei etwaigen Investitionen nicht entscheidend, ob man Geld für 0,1 % Zins bekommt oder für 2%,
sondern die Aussicht, wieviel "mehr" man verkaufen kann und wie die Erwartung vermehrter Gewinne eingeschätzt wird.
Solange das nicht positiv bewertet wird, wird man auch bei massenhaft verfügbarem Geld eher abwarten, keine Kredite aufnehmen, um zu investieren, sondern eher
die Produktion zurückfahren, egal was die EZB sagt oder finanztechnisch flutend ins Werk setzt.
Die Industrieproduktion in D nahm ja im Zeitraum Juni '18 bis Juni '19 ebenso um satte 4% ab. Und ist wohl auch weiterhin rückläufig.
Selbiges trifft auch auf die US-Wirtschaft bzw. die FED zu. Es werden zwar die Aktienkurse durch billige Dollars
aufgeblasen und noch mehr von der Realität abgekoppelt, aber wie lange wird das gut gehen?
Der S&P 500 als sehr breit angelegter Indikator hat seit der letzten Korrektur nach unten wieder ca. 20% zugelegt, während im gleichen Zeitraum die Unternehmensgewinne nur mickrige 2% wuchsen.
Trump Steuerreformgeschenk als Gewinnzunahme für Unternehmen ist aufgebraucht. Und seine Annahme, dass eine tough wachsende US-Wirtschaft die
steuerlichen Mindereinnahmen durch die Steuersenkung mehr als ausgleichen werden und die Staatseinnahmen aufgrund der satten Unternehmensgewinne
dennoch steigen werden, dürfte eher ein Volltreffer in der Kloschüssel werden. Was ist, wenn zwar die Aktienkurse steigen, die Unternehmensgewinne aber dennoch ins
Negative rutschen? - Irgendwann wird der Markt diese Aktienüberbewertungen korrigieren.
Auch ein Indiz, das letztlich nicht dazu angetan ist, von neuen konjunkturellen Höhenflügen auszugehen, sondern eher dem jähen und vielleicht gar nicht
mehr so fernen Erwachen in einer konjunkturellen Delle bzw. einer Rezession. Die, wenn sie kommt, auch nicht gleich wieder verschwinden wird...
Und speziell, was China angeht, begann sich das Wirtschaftswunder bereits erkennbar abzuschwächen, als Donald Trump noch gar nicht an
Handelskrieg dachte. Wenn man so will, die rückläufige bzw. strukturelle innchinesische Korrektur- und Umstrukturierungsproblematik durch sein Cowboy-Gehabe
nur verstärkte. Den Abwärtstrend dort sicher noch verstärkte. Und was die allgemeine globale Wirtschaftsstimmung angeht, letzterer zusätzlich noch
einen kräftigen Arschtritt verpasste.
Ich kann mich noch gut an die Finanzkrise 2007/8 erinnern, wo seriöse Expertenvorhersagen für die US-Wirtschaft ein langsames Wachsen
bzw. Gesunden prognostizierten, das sie erst ab ca.2013 stark wachsend sahen, mit einem Höhepunkt bei etwa 2017/18, und von da an eher seitwärts bzw. langsam wieder zyklisch
abnehmend nach einer so langen Wachstumsphase. Ob diese Wachstumsphase letztlich - entgegen bisheriger - statistischer Zyklen länger sein wird,
bevor eine völlig normale rezessive Phase einsetzt, wird man sehen müssen.
Die fundamentale Situation bei einigermaßen stabilen globalen (politischen) Verhältnissen ist jedenfalls dieses Mal eine andere.
Insofern kann es gut sein, dass das, was einmal galt, das Papier der Prognosen bzw. statistischen Rückbetrachtungen das Geld nicht wert ist, auf das sie gedruckt sind,
und die Abschwungspropheten derb eins ausgewischt bekommen. Und die Bären weinen werden. Zur Freude der Bullen.
Aber um im Tierreich zu bleiben. Bären sind schlau und bereiten sich rechtzeitig auf den Winter in der Höhle vor, während Ochsen einfach dumm wie Brot sind,
und solange - auch im tiefsten Winter - voranziehen bis sie im tiefen Schnee stecken bleiben und anfrieren. Möglicherweise bis zum nächsten Frühling warten müssen,
bis sie wieder auftauen und in einen neuen Sommer hineinrennen können.
Klimatisch gesehen befinden wir uns vielleicht in einer Warmphase. Wirtschaftlich tippe ich eher auf eine kommende Kaltphase.
Alles menschengemacht, versteht sich.