Sören74 hat geschrieben:(29 May 2019, 16:34)
Es ist vermutlich Dein persönliches Glück, dass Du das nie am eigenen Leib erlebt hast. Als jemand, der solche organisierten Jubelfeiern erleben und mitmachen musste, muss ich ehrlich sagen, dass dieser Vergleich so ziemlich an den Haaren herbeigezogen ist. Es ist kein gesellschaftlich verordnenter Freudentaumel, wenn Zeitungen und Parteien sich damals positiv über die Ereignisse geäußert haben. Es kann natürlich auch sein, dass Dir die Bedeutung von "Verordnen" nicht wirklich bewusst ist und mit welchen harten Folgen man wirklich rechnen musste, wenn man dem nicht nachkam. Da hilft es durchaus, in zwei verschiedenen Gesellschaftsformen aufgewachsen zu sein.
Ja, dieses Erleben zweier Gesellschaftssysteme kann auf alle Fälle nicht schaden. Aber das mit den "verordneten Jubelfeiern" in der DDR sehe ich ein wenig anders. Gerade in der Zeit um Glasnost und Perestroika herum hat sich doch keiner mehr zu irgendsoner Demo oder Jubel-Veranstaltung zwingen lassen. Bin nie hin zu sowas. Und vorher auch nicht. Die haben zwar mal kurz gefragt an der Uni und später auf Arbeit, naaa, wo warste denn am 1. Mai, aber dass man da Ärger gekriegt hat, wenn man nicht hinging, kann ich nicht bestätigen. Das war vielleicht auch von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich und anders. Manche Betriebe sollen ja sogar Schmiergeld (5 Mark) an die Kollegen ausgegeben haben, damit die zur Maidemo gehen. Hab ich selbst nie erlebt und wenn man die Leute konkret und persönlich fragte, na, hast du auch Demo-Geld gekriegt, sagten sie, nein, das muss woanders gewesen sein. Das kannte man immer nur vom Hörensagen. Ich weiß, gleich springen wieder einige im Dreieck, wenn ich sowas sage: Aber ich persönlich hab da keinen Zwang erlebt. Im Gegenteil: Meine Kollegen und ich haben uns an den Kopf gegriffen, gelacht und gesagt, die mit ihrem Mist, nee, muss nicht sein. Wir gingen nur manchmal ganz gerne und sogar freiwillig zu sowas, weil wir da zusammen waren und wussten, dass wir hinterher mörderisch einen draufmachen konnten in einem Klub. Das, was da palavert wurde von den Oberen, hat keine Sau interessiert. Aber dass es natürlich viele Jubelfeiern von Staat und Partei zu allen möglichen Anlässen gab, das steht außer Frage. Und die waren alle bescheuert und hohl. Hingehen hat man nicht gemusst. Was aber die flachen und oberflächlichen Sonntagsreden anbelangt, die gibt es auch heute zur Genüge. Ich erinnere nur an die jährlichen offiziellen Einheitstagsfeiern mit ihren diversen Reden, wo nie erwähnt wird, welche gravierenden Probleme es bis heute mit dem "Zusammenwachsen" gibt. Alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz