Selina hat geschrieben:(09 Apr 2019, 13:20) Es gab von mir lediglich eine Bemerkung dazu, dass es historisch verbrieft ist, dass die damalige "bürgerliche Mitte" auch eine Aktie am Aufstreben des Nationalsozialismus hatte.
Tom Bombadil hat geschrieben:(09 Apr 2019, 13:21) Das ist falsch.
Den Begriff gab es, aber das mit der bürgerlichen Mittelschicht stimmt so nicht:schokoschendrezki hat geschrieben:(09 Apr 2019, 16:00)Tatsächlich gab es in den 20ern diesen Begriff der "Ordnungszelle". [..] Hinter dieser Ordnungszellensehnsucht stand in der Tat vor allem die bürgerliche Mittelschicht.
Die Angst vor einer erneuten Bedrohung durch die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und eine tief empfundene Ablehnung linker Bestrebungen bereiteten den Boden für eine massive Radikalisierung nach rechts. Gustav Ritter von Kahr, seit März 1920 bayerischer Ministerpräsident, wollte Bayern als rechte "Ordnungszelle" innerhalb einer vermeintlich in "marxistischem Chaos" versinkenden und vollkommen "verjudeten" Weimarer Republik erhalten. Unter dem republikfeindlichen Kurs bayerischer Rechtsregierungen entwickelte sich der zweitgrößte Einzelstaat des Reichs zu einem Aufmarschgebiet von Rechtsextremen, wo selbst steckbrieflich gesuchte Mörder der berüchtigten Organisation Consul - die für die Ermordung von Walther Rathenau und andere Anschläge verantwortlich war - sichere Zuflucht genossen. Ungehindert von bayerischen Behörden konnten rechte Republikfeinde von Bayern aus Hetze gegen die "jüdischen Novemberverbrecher" entfalten. Vor allem München wurde zu einem Zentrum rechter Agitation von "vaterländischen" und völkischen Gruppierungen.
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimare ... nungszelle
Es haben viele Menschen aus den unterschiedlichsten Milleus und den unterschiedlichsten Gründen NSDAP gewählt, da lässt sich nicht eine Gruppe als "Hauptschuldiger" ausmachen:Interessanterweise kamen genauere Untersuchungen zum Wahlverhalten der Deutschen dann Anfang der 90er zu dem Ergebnis, dass die größte Korrelation (nicht unbedingt Kausalität) zu NSDAP-Affinität in der Verwurzelung im Protestantismus als Konfession bestand.
Ab den Reichstagswahlen im Juli 1932 gaben mehr Arbeiter der NSDAP ihre Stimme als jeweils der KPD und SPD. Deswegen wurde die NSDAP noch nicht, wie sie sich selbst gern gesehen hat, eine Arbeiterpartei. Aber eine reine Mittelschichtspartei war sie ebenso wenig. Auch die Affinität von Angestellten zur NSDAP ist weniger eindeutig als es häufig angenommen wird. Eher haben es die Nationalsozialisten in Wahlkreisen, in denen überdurchschnittlich viele Angestellte wohnten, sogar schwerer gehabt als anderswo. Dagegen war die Beamtenschaft in ihrer Gesamtheit deutlich anfälliger für den Nationalsozialismus. Zwischen 1928 und 1933 traten Beamte in überdurchschnittlicher Zahl in die NSDAP ein, so dass sogar die amtliche Parteistatistik feststellen musste, dass sie als Berufsgruppe unter den Mitgliedern schon vor dem September 1930 überrepräsentiert waren.
http://www.bpb.de/izpb/137186/aufstieg?p=all