Anderes Unterforum, gern.
Die Speicherung auf Zeit geschieht routinemäßig, u.a. weil es auch wieder Gesetze gibt, die das verlangen. Dass die Herausgabe nicht freihändig geschieht, ist richtig so. Dann muss die verfolgende Behörde sich darum kümmern. In der Praxis werden diese Instrumente immer mehr benutzt und die Staazis gieren schon nach neuen Durchgriffen.
Hast du irgendwelche Quellen oder Zahlen die deinen Eindruck untermauern. Ich bin mir da selbst unsicher - vielleicht hast du auch recht. Mein Eindruck ist aber eher wie dieser hier:
https://rp-online.de/digitales/internet ... d-22548717
Ich befürchte aber, dass selbst eine sehr geringe Anzahl von Verletzungen immer noch meinem Gerechtigkeitsempfinden widerstrebt.
Petersons Rechtsposition ist aus meiner Sicht schwach. Youtube hat einen Rahmenvertrag mit der Verwertungsgesellschaft und der Urheber des Uploads war auch jemand anderes. Du kannst selbstverständlich jeden Bagatellfall als Verbrechen ansehen. Das ist eine legitime Position, daran gibt es nichts zu moralisieren. Ich finde es aber persönlich nicht maßvoll und gesellschaftlich eher schädlich, wenn man das so handhabt. Es war auch bisher in der Medienbranche nicht allgemeine Praxis, etwa wenn ein Kind unautorisiert Happy Birthday singt (was niedlich ist aber grauenvoll klingt) und das ins Netz gelangt oder wenn jemand einen unautorisierten Konzertausschnitt vom Mobiltelefon versendet (was meistens ziemlich widerlich ist). Ich war erst kürzlich wieder auf einem Konzert, bei dem der Veranstalter darauf hinwies, dass Blitzlicht, digitale Aufnahmen usw verboten sind und dann überhaupt nicht einschritt, als trotzdem die Leute ihre Clips abdrehten und dabei vorübergehend anderen Zuschauern die Sicht versperrten. In der Praxis haben zumindest die meisten Künstler ein Auge für Bagatellen und belassen es beim Hinweis, ohne die Sache tatsächlich zu verfolgen. Auch beim Fan-Upload etwa eines Musikvideos mit Untertitel stehen Möglichkeiten offen: Nachlizensierung, schweigende Duldung, Löschantrag. Es besteht überhaupt kein Grund für die Medienbranche, den Hobbyisten, meist erklärten Fans, unnötig aufs Dach zu steigen. Wo der Verdacht auf Systematik, Erwerbsabsicht steht, werden recht erfolgreich andere Methoden losgelassen.
Beispiel: Schüler führen einen alten Loriotsketch am Tag der Offenen Tür auf. Eifrige Eltern filmen das, stellen es ins Netz, es gibt eine moderate Anzahl Klicks. Der Rechteinhaber kann das verfolgen, löschen lassen, Geld fordern. Das wird er in der Regel nicht tun. Wäre eine Gesellschaft besser eingerichtet, in der Eltern so ein Video grundsätzlich nicht oder nur nach erheblichen Deklarationshürden ihren Freunden teilen können? Dass man sowas besser in einer geschlossenen YT-Gruppe als im öffentlichen Teil macht, ist ein anderes Thema.
Für die Plattformen hältst du es für unzumutbar, wenn die alles kontrollieren müssen.
Wenn ich morgen am Hauptplatz öffentlich ein Buch von Stephen King vorlese, ist das zunächst ein Eingriff in die Rechte des Verlags und wenn ich die deutsche Übersetzung hernehme, gleich doppelt. Trotzdem fordert keiner, dass die Polizei oder Stadtverwaltung öffentlich gesprochene Worte vorfiltert. Wenn ich am Stadion der Kleinstadt, Kreisliga, laut eine populäre Melodie gröhle, ist das auch wieder so ein Eingriff. Man muss Maß halten. Das Internet hat die Nutzung geschützter Werke nicht erfunden. Schon immer musste der Rechteinhaber auf eine unautorisierte Nutzung erst mal draufkommen, bevor er sie verbieten konnte. Wer irgendwie kommerziell unterwegs ist, kümmert sich in der Regel proaktiv darum, dass ihm kein lästiger Rechtsstreit in sein Album mit dem 30-Sekunden-Madonna-Motiv in dem einen auskopplungswürdigen Song reinfährt.
Den Urhebern mutest du den Mehraufwand aber zu.
Das war schon immer so und hat sich gesellschaftlich bewährt.
Ich finde, um etwas im Internet veröffentlichen zu dürfen, sollte man die Messlatte etwas höher hängen: Ich plädiere für eine Identifizieriungsmöglichkeit eines jeden Publishers (des Verantwortlichen) - für jeden Youtube-Kanal für jeden Twitter oder Instagram-Account.
Gegenprobe: Lege doch erstmal deine Identität hier im Forum offen, wenn du das so gut findest
Es muss nicht öffentlich einsehbar sein, mir reicht's, wenn ich es nachprüfen kann.
Aber ein System, was es anonym und straffrei ermöglicht Straftaten zu begehen, ist grundlegend falsch.
Es war schon immer möglich, Straftaten anonym zu begehen. Es gibt genau einen User hier im Forum, der sich deshalb einen Polizeistaat mit massiver Repression wünscht. Ich meine nicht dich. Alle anderen gehen mehr oder minder konstruktiv damit um, dass es Straftaten leider gibt und man die Gesellschaft nur maßvoll darauf einrichten kann, ohne sich selbst zu verlieren. Beim Internet tun alle so, als seien alle Probleme dort neu und einzigartig. Warum eigentlich? Ich bin dafür, dass grundsätzlich erlaubt und genehmigungsfrei ist, was nicht aus wichtigem Grund verboten ist.
So ist Parken grundsätzlich erlaubt, jedoch nicht im Kreuzungsbereich oder in explizit ausgewiesenen Verbotszonen. Ich finde es wichtig, den Bürger nicht unter einen Generalverdacht zu stellen und der Meinungsäußerung immer neue Hürden abzuverlangen.
Ein System, in dem ich etwa Dissidenten aus Venezuela oder Russland dazu zwinge, selbst bei an sich legalen Beiträgen jedesmal dem Staat oder dem Kläger ihre Identität hinterher zu schmeißen (klagen kann man ja erstmal gegen alles), würde ich höchst bedenklich finden.
A & B) sind richtig. Die B-Pflicht erfordert meiner Ansicht nach aber die Kontrolle VOR Veröffentlichung durch den Plattformanbieter.
Das ist nicht sinnvoll. Nimm das Beispiel der Streamingradios. Hobbyisten mieten sich auf Standardplattformen ein, haben in ihrem Audiostream vielleicht 20 Zuhörer, sie spielen Popmusik, die qua GEMA-Verdacht von den Plattformanbietern pauschal vorlizensiert ist - die GEMA bekommt einen vorhersehbaren Betrag für eine vorhersehbare Anzahl Zuhörer und Stunden. Eine faire Sache. Jedoch mit einem Haken: Die Moderation erfolgt live und freihändig, wenn etwa die jugendliche Moderatorin, nennen wir sie mal die ungeduldigeNachtmar17, einem ihrer Zuhörer zum Geburtstag gratuliert und dabei ein ironisch-weises Gedicht von Bernd Eilert zitiert, wäre das eigentlich anmeldepflichtig. Zuständig wäre hier vermutlich die VG Wort, mit der die Radioanbieter in der Regel keinen Rahmenvertrag haben. Streng genommen müsste die Moderatorin das proaktiv melden und vermutlich on top zum Stream bezahlen (je nach Angebot). Nehmen wir mal an, sie weiß das nicht oder tut es einfach nicht. Das ist wie bei der Rede im Vereinslokal vor 20 Zuhörern. Das ist sogar ungefähr dieselbe Größe. Die Streams sind in der Regel nicht nachträglich hörbar, wer soll das bitte als Plattformbetreiber durchprüfen? Das ist vollkommen unmöglich, ohne die Preise prohibitiv hoch anzusetzen. Wollen wir so eine Gesellschaft? Und für was? Für Bagatell-Tantiemen weit unter dem Wert des Prüfaufwandes. Erscheint mir nicht angemessen.
Als Plattformanbieter darauf zu warten, dass der Urheber eine Straftat feststellt und erst darauf mit einer Löschung (und nicht mit einer Schadenswiedergutmachung) zu reagieren, ist keine Lösung. Das bürdet allen Aufwand und alle Schäden den Urhebern auf.
Als Plattformanbieter lasse ich mir von meinen Nutzern zusichern, dass sie etwa keine rechtswidrigen oder lizenzpflichtigen Inhalte einstellen. Wird ein Verstoß bemerkt durch mich, durch Beauftragte oder durch Dritte, muss ich einschreiten. Nicht anders funktioniert dieses Forum hier.
Wenn es um ein niedrgstes Strafmaß und Nachsicht bei Ersttätern ohne Gewinnabsichten geht, dann bin ich sofort dabei. Aber einen Brief vom Anwalt sollt man schon erhalten. Einfach nur die Inhalte zu löschen wird niemanden davon abhalten es erneut zu versuchen.
Diese Diskussion ist so alt wie die Musikkassette und das Tonbandgerät. Niemand ist je für die Erstellung eines Mix-Tapes für seine Liebste in den Knast gekommen. Für das Mitschneiden von Westradio in der Zone vielleicht, dazu kann ich nichts sagen. Arme Kerls da drüben damals. Aber vielleicht auch nicht, wie gesagt.
Ich bin sehr dafür, im Internet nicht plötzlich zu vergessen, wie ein freiheitlicher Rechtsstaat bisher funktioniert hat. Ich rede nicht der Straffreiheit jedes Rechtsbruchs das Wort, ich habe selbst Beispiele angeführt, dass das System funktioniert. Wir brauchen aber eine Kultur des Fair Use, des maßvollen Umgangs mit Bagatellen, Zitaten, Irrtümern und Medienlaien und vor allem ein klares Bekenntnis zur Freiheit von Rede und Kunst. Anderenfalls leben wir bald in einer Gesellschaft, in der es uns zunehmend schwer fallen wird, den eingeschlagenen Weg zu revidieren, falls wir wollen.