Raskolnikof hat geschrieben:(02 Jan 2019, 22:00)Es ist schon irgendwie witzig wie hier einige Foris krampfhaft versuchen sich einen ÖRR/ÖRF zurecht zu basteln ganz nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen. So eine Denkweise nennt man auch „Pippi Langstrumpf Symdrom“ („Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt...“)
Leider funktioniert so aber die Welt überhaupt nicht. Da scheint der eine oder andere das Grundverständnis von Demokratie auf den Kopf stellen zu wollen und einer Mehrheit vorschreiben zu wollen, was die zu hören und sehen bekommt. Verrückte Weltanschauung…
Erinnern wir uns doch mal daran, was sich seinerzeit der ÖRR auf die Fahne geschrieben hat und staatlich abgesegnet wurde:
„Der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk hat im Rahmen seines Programmauftrages nach § 11 Abs. 2 und 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) die Pflicht, „im Interesse von Informationsfreiheit und Demokratie, ein vielfältiges, umfassendes und ausgewogenes mediales Angebot zu sichern (...)
Auch das Bundesverfassungsgericht hat zur so genannten Grundversorgung Stellung genommen. Grundversorgung bedeutet für das Gericht weder eine Mindestversorgung noch beschränkt sie sich auf den informierenden und bildenden Teil des Programms; sie ist vielmehr eine Versorgung mit Programmen, die dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechen.[3] Die Grundversorgung umfasst dabei drei Elemente, nämlich die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen, die Veranstaltung eines Vollprogramms und die Gewährleistung der Meinungsvielfalt innerhalb des Programms.[4] Grundversorgung sei ein „gleichmäßiges, möglichst alle interessierten Bürger erreichendes kontinuierliches Rundfunkprogramm zu sozialen Bedingungen“
Und weiter speziell zum Rundfunkauftrag: „Die Rundfunkprogramme sollen demnach der Information, Bildung und Unterhaltung gleichermaßen dienen“. (Quelle: Wikipedia)
Fazit: Zu verlangen, dass der ÖR nur die eigenen Wünsche und Bedürfnisse befriedigt ist nicht nur äußerst egoistisch gedacht sondern widerspricht auch den Grundsätzen des Rundfunkauftrags.
Ich persönlich wünsche mir ein rundum vielfältiges Rundfunk- und Fernsehprogramm mit Politik, Diskussionen zu allen erdenklichen Themenbereichen, Dokus, Nachrichten und natürlich auch Unterhaltung, ausgerichtet auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Dabei freue ich mich über anspruchsvolle Spielfilme, schaue mir aber auch gern mal etwas albernes an. Verdummen lasse ich mich aber nicht. Die Privaten habe ich längst aus den Senderspeichern meiner Fernsehgeräte gelöscht, schon allein der Werbung wegen.
Dennoch darf nicht vergessen werden, dass beispielsweise die Fernsehserie „Dallas“, die niemand gesehen haben will der ARD Traumquoten bescherte. Dallas war einer der beliebtesten Fernsehserien überhaupt. Und heute sind das eben „Lindenstraße“, „Rote“ Rosen“, „Sturm der Liebe“ oder „Traumschiff“. Alles Sendungen, die den Ansprüchen und Wünschen sehr vieler Fernsehzuschauer gerecht werden.
Meine Welt ist das ganz sicherlich nicht. Aber ich akzeptiere diese Soaps. Ich bin doch nicht der Nabel der Welt. Zudem gibt es allein auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen eine so große Auswahl an mehr oder weniger anspruchsvollen Sendungen, dass ich gar nicht alles schauen kann, was mich interessiert. Anders ausgedrückt: Jeder kann da glücklich werden.
Wenn es aber vier oder fünf hier dauerpostende Foris zu sagen hätten kämen derartige Serien wohl auf den Index.
Demokratieverständnis? Nicht die Bohne! Schön, dass wir in einem Land leben, wo immer noch die Mehrheit bestimmt, wo es lang geht.
Gut dass wir natürlich noch in den 50er und 60er leben, aus denen diese Gesetze stammen. Noch besser, dass sich die Welt in dieser Zeit v.a. auch im letzten Jahrzehnt nicht dramtisch geändert und weiterentwickelt hat. Weshalb sollte ausgerechnet der ÖR nicht von der Digitalisierung betroffen sein? Es braucht schlicht eine komplette Reform des ÖR und somit auch der von Ihnen zitierten rechtlichen Grundlagen. Und genau dies fordern die Foristen, denen Sie ein "mangelndes Demokratieverständnis" vorwerfen, was wie ein Bumerang auf Sie selbst zurückfällt. Ihr Standpunkt - Status Quo soll so bleiben, war ja schon immer so - ist ebenfalls nur eine Sichtweise, die z.B. meiner diamentral gegenübersteht, aber nicht weniger oder mehr berechtigt ist als meine.
Der ÖR hat im 21 Jhdt., in Zeiten von Privaten Sendern, Streaming, Youtube, und Co. genau zwei berechtigte Aufträge: Objektive Bildung und Information. Volksbespassung gehört definitiv nicht zur Aufgabe des ÖR. Panem et circenses sollte eher im alten Rom und nicht in einer aufgeklärten Demokratie des 21. Jhdt. anzusiedeln sein. Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, ein Unterhaltungsprodukt nicht zu kaufen. Es ist nicht hinnehmbar, dass ureigenste Staatsaufgaben wie Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, z.T. Wasserversorgung etc. privatisiert werden, aber der Unterhaltungsblödsinn von ARD und ZDF sakrosankt ist. Unterhaltung als Grundversorgung ist im 21 Jdht. ein totaler Anachronismus.
Wenn es, wie von Ihnen behauptet, stimmt, dass das gesendete Programm dem Wunsch der Mehrheit entspricht, "die bestimmt wo es lang geht", verstehe ich auch nicht, weshalb man sich mit Händen und Füßen dagegen sträubt, die Unterhaltungssparte zu privatisieren. Wären die gezeigten Sendungen wirklich so hochwertig und gewünscht, wäre Ihre zitierte "Mehrheit" sofort bereit sich ein Abo zu kaufen, um diese Unterhaltungsprodukte zu sehen und das auch noch zu einem höheren Preis als die derzeitigen Gebühren. Da dem aber nicht so ist, ist es nur das Eingeständnis, dass man einen Preis oberhalb des Marktpreises durchsetzt und auch noch erhöhen will.
Arte, Phoenix, 3Sat und DLF behalten, GEZ auf 4€ senken und den Rest privatisieren (freischaltbares Abo über Code) oder, falls kein Investor gefunden wird, Insolvenz anmelden wegen Überschuldung (siehe irrwitzige Pensionsverpflichtungen des Selbstbedienungslandes). Der Bildungs- und Informationsauftrag ist mit obigen 4 Sendern vollumfänglich abgedeckt. Volksbespassung ala Tatort und sonstiger Schrott ist keine Staatsaufgabe. Und selbst auf Phoenix sind heute die Übertragungen der Bundestagsdebatten überflüssig (siehe
http://www.bundestag.de).
In meiner Generation (U35) sieht heute so gut wie niemand mehr Fernsehen, auch nicht ÖR. Bleibt beim ÖR der Status Quo, wird es in den nächsten 10 Jahren Gelbe Westen in Deutschland geben, die den ÖR komplett wegfegen. Und wenn Bellut irgendwas von Qualtität bei ZDF erzählt muss ich auch lachen. Traumschiff ist genau so "qualitativ" wie "Jungle-Camp", nur bedienen die unterschiedliche Zielgruppen Ü60 vs U50. Der Unterschied ist aber, dass ich Gegensatz zu "Jungle-Camp" gezwungen werde, Traumschiff zu finanzieren.
Auf "den Index" kommt rein gar nichts. Nur sollen eben die, die meinen ÖR Unterhaltung zu brauchen, diese Unterhaltung auch selbst bezahlen. Ich hab zwar kein Netflix, aber meine Freunde lassen sich ihr Netflix Abo eben auch nicht von Ihnen subventionieren. Und meine persönliche Unterhaltung subventioniert überhaupt niemand.