Brainiac hat geschrieben:(01 Oct 2018, 22:14)Könntest du dazu bitte mal eine halbwegs plausible Modellrechnung erstellen oder verlinken? Ansonsten zweifle ich diese Aussage sehr stark an. Ich gehe davon aus, das Ungarn erheblich mehr von der EU profitiert, als umgekehrt. Das ist aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslage und der Strukturförderungszuwendungen auch plausibel, das Gegenteil müsste man mir beweisen.
Btw, die Gewinne deutscher Unternehmen aus ungarischen Standorten werden idR dort auch versteuert und landen keineswegs 1:1 im deutschen Staatshaushalt.
Ich habe auch nicht geschrieben, dass sie im Staatshaushalt landen und davon Schulen und Kindergärten gebaut werden, sondern dass sie vermutlich dazu beitragen, dass Unternehmen wie VW trotz Milliardenstrafen weiterhin fröhlich Umsatzsteigerungen erzielen. Und dass eine immer schmalere Gruppe von Vermögenden die Preise für Mieten und Wohneigentum hochtreibt. Weiterhin: Die Inverstorenanlockungspolitik ist definitiv eben durch Steuer
erleichterungsangebote gekennzeichnet. In Ungarn moderat. In Polen in den Sonderwirtschaftszonen exzessiv. Und Irland treibt dieses Modell in schier ungeahnte Höhen. Alle großen Technologiekonzerne haben ihren Europa-Sitz in Irland, weil sie dort praktisch kaum Steuern zahlen müssen. Von einer konservativen slowakischen Poltikerin hörte ich unlängst den Satz "Die Slowakei ist ein reiches Land mit armen Menschen". Und das gilt - mit anderen absoluten Zahlen aber gleicher Relativität auch für Deutschland - Deutschland ist der ökonomische Superstar Europas mit haufenweise prekär Beschäftigten.
Ich kann keine exakte Modellrechnung erstellen. Sondern nur auf Symptome verweisen: Ausländische Investorenvertreter haben erwiesenermaßen ausgezeichnete Kontakte zu ungarischen Regierungsvertretern und interessieren sich für Demokratieeinschränkungen einen Scheiß. Wenn der Vorteil nicht auf ihrer Seite läge, müsste man hier als Grund Philantropismus vermuten. Das aber glaube wer will. Ich nicht. Was kann der Grund für immer neue Errichtungen von Produktions- und Entwicklungszentren in Ungarn sein? Wiederum Philantropismus? Oder Orbán-Fantum? Oder nicht vielleicht doch einfach Vorteils-Durchrechnungen? Und es geht dabei um
ganz andere SUmmen als bei EU-Infrastrukturförderung. Bekanntermaßen zahlt ein großes superreiches Unternehmen wie Google oder Ikea im prozentualen Vergleich zu einem Handwerksbetrieb so gut wie gar keine Steuern.
Das Problem verschiebt sich einfach nach hierher. Die Frage müsste eigentlich lauten: Warum kommt im Staatshaushalt der Bundesrepublik nix von diesen exorbitanten Gewinnnen der Unternehmen an? Glaubst Du im Ernst, dass sich im internationalen Gefüge tatsächlich primär und vor allem "Staatshaushalte" gegenüberstehen? Und die einen gewähren und die anderen nehmen? Das ist doch naiv! Das wäre so, wenn die Wirtschaft rein im nationalen Rahmen agierte, den Staat mit Steuern finanzierte und dann die Staaten/Regierungen/Könighäuser international handelten. Diese Zeiten sind schon seit der Hanse oder den Fuggern und Welsern vorbeí. DIe Welser finanzierten die Kriegszüge Kaiser Karls und erhielten dafür das Vorrecht, in der Überseeprovinz Venezuela nach Belieben schalten und walten zu können.
Der Geldtransfer der Staatshaushalte (z.B. über EU-Zuwendungen) ist ein dünnes Bächlein in die eine Richtung. Der internationale Produkt- und Unternehmensgewinnntransfer ist ein reißender Strom in die andere Richtung. Und
so war das gemeint mit den Netto-Gewinnlern und -Verlierern.