Identitätswirrwarr

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schokoschendrezki
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Betrachter hat geschrieben:(06 Sep 2018, 10:23)
Man sollte schon trennen zwischen Identität und Identifizierung. Identisch ist jeder Mensch nur mit sich selbst.
Gott sei Dank erkennen noch einige Menschen diese simple Wahrheit und diese eigentlich simple begriffliche Einordnung.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Stoner

Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2018, 10:02)

Gott sei Dank erkennen noch einige Menschen diese simple Wahrheit und diese eigentlich simple begriffliche Einordnung.
Das ist doch reine Tautologie oder eine unnötige Verdoppelung.
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schokoschendrezki
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(11 Sep 2018, 10:15)

Das ist doch reine Tautologie oder eine unnötige Verdoppelung.
Das sehe ich nicht so. "Identität" ist eine Relation und bedeutet nicht nur "Gleichheit, Entsprechung, Äquivalenz in Hinsicht auf irgendwas", zum Beispiel "gleiche Anzahl", "gleiche Masse" usw. sondern wirklich völlige Identität. Ununterscheidbarkeit. Ein und dasselbe Ding seien. Hans Meier ist identisch mit dem Mörder. Er entspricht ihm nicht nur irgendwie. Er ist es. "Identifizierung" dagegen bedeutet lediglich das Anstreben einer solchen Relation.
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Selina
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(10 Sep 2018, 22:41)

Geschichtsklittelung/Revisionismus wird NICHT von Historikern betrieben, sondern von Leuten wie DIR!
"Geschichtsklitteler"/Revisionisten sind Menschen, die mit historischen Fakten nix am Hut haben, die aus ideologischen Gründen Fakten verdrehen und dann entsprechend ihrem Weltbild zusammen basteln!

Das hat aber absolut nichts mit deiner Behauptung

"Je nachdem, wer die Herausgeber der jeweiligen Geschichtsbücher sind. Nichts ist so macht- und politikbesetzt wie die Geschichtsschreibung. Das heißt im Klartext: Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet. Das passiert alle paar Jahrzehnte immer wieder. Objektiv Stattgefundenes und subjektive Widerspiegelung in Publikationen und Reden sind nicht deckungsgleich. Dazwischen liegen Wahrnehmung und Interpretation durch verschiedene Interessengruppen."

zu tun! DU bist diejenige, die mit dieser Behauptung unterstellt, dies wäre bei Historikern die ganz nomale Verfahrensweise. Dass du damit einen ganzen Wissenschaftsbereich diffamierst, kommt dir nicht ansatzweise in den Sinn!

Schau mal ins Geschichtsforum, dort gibt es einen ganzen Thread zu Geschichtsrevisionismus rechter UND linker Coleur!
Ich rede gar nicht von Historikern. Geschichtsbücher werden auch meistens nicht direkt von den Historikern selbst geschrieben, sondern das sind für den Unterricht an diversen Bildungseinrichtungen aufbereitete Erkenntnisse, bearbeitet von Lektoren in Verlagen etcpp. Manchmal handelt es sich auch nur um sehr kleine Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen. Das ist nix Weltbewegendes, sondern völlig normal. Gibt es in allen Gesellschaftssystemen und unter allen möglichen Machtkonstellationen. Auch hier gilt: Wem nutzt eine bestimmte Info, Nachricht, Erkenntnis und warum? Eine hundertpozentig objektive Geschichtsbetrachtung findet man in der Publizistik und im Alltag nicht. Alles, was dazu gesagt und geschrieben wird, ist immer nur eine Annäherung an diese Objektivität. Um solche "Verschiebungen" und "Kommentierungen" zu vermeiden, müsstest du die Bücher von Automaten verfassen lassen. Außerdem ist mein erstes Posting an den User da oben überhaupt nicht als Entgegnung auf deine Bemerkungen gedacht. Du darfst nicht immer alles auf dich beziehen. Du und deine unverrückbaren "einmaligen" Ansichten sind meistens überhaupt nicht gemeint. Das, was du hier kundtust (meist in beleidigendem Tonfall), ist deine Meinung, andere haben eine andere.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Dark Angel
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(11 Sep 2018, 11:28)

Ich rede gar nicht von Historikern. Geschichtsbücher werden auch meistens nicht direkt von den Historikern selbst geschrieben, sondern das sind für den Unterricht an diversen Bildungseinrichtungen aufbereitete Erkenntnisse, bearbeitet von Lektoren in Verlagen etcpp. Manchmal handelt es sich auch nur um sehr kleine Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen. Das ist nix Weltbewegendes, sondern völlig normal. Gibt es in allen Gesellschaftssystemen und unter allen möglichen Machtkonstellationen.
"Populäre" - allgemeinverständliche Aufarbeitung von wisssenschaftlichen Fachtexten für Unterrichtsmaterialien und/oder Sachbücher oder -artikel haben immer noch nichts mit deiner behaupteten "macht- und politikbesetzt[en] [wie die] Geschichtsschreibung" zu tun! Da finden auch keine "Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen." statt. Allgeinverständliche - heißt auch für den Laien - verständliche Erklärungen haben nichts mit dem von dir behaupteten zu tun!

Selina hat geschrieben:(11 Sep 2018, 11:28) Auch hier gilt: Wem nutzt eine bestimmte Info, Nachricht, Erkenntnis und warum? Eine hundertpozentig objektive Geschichtsbetrachtung findet man in der Publizistik und im Alltag nicht.
Nein - das gilt genau NICHT!
Es geht eben NICHT darum von wem die Erkenntnis stammt und auch NICHT wem sie nutzt und erst recht nicht warum, sondern darum welche Schlussfolgerungen sich aus der Erkenntnis ergeben.
Das ist dein grundlegender Fehler - nicht zwischen Nachricht und Überbringer der Nachricht unterscheiden zu können und unterscheiden zu wollen!
Du unterstellst "Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen., möglicherweise, weil die Darstellung(en) deinem Verständnis widersprechen!
Die behaupteten "Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen." müssen nachgewiesen, belegt werden können und dazu muss man auch belegen welche genau, wo genau und durch wen genau, wie ist die ursprüngliche Bedeutung.
Genau DAS kannst du jedoch nicht und damit bleibt deine Behauptung eine Unterstellung!
Selina hat geschrieben:(11 Sep 2018, 11:28)Alles, was dazu gesagt und geschrieben wird, ist immer nur eine Annäherung an diese Objektivität. Um solche "Verschiebungen" und "Kommentierungen" zu vermeiden, müsstest du die Bücher von Automaten verfassen lassen. Außerdem ist mein erstes Posting an den User da oben überhaupt nicht als Entgegnung auf deine Bemerkungen gedacht. Du darfst nicht immer alles auf dich beziehen. Du und deine unverrückbaren "einmaligen" Ansichten sind meistens überhaupt nicht gemeint. Das, was du hier kundtust (meist in beleidigendem Tonfall), ist deine Meinung, andere haben eine andere.
Mit genau dieser Aussage beweist du nur, dass du keinerlei Ahnung davon hast, WIE Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten. Die Bewertung geschichtlicher Ereignisse in ihrem geschichtlichen Gesamtkontext und die entsprechenden Kommentare/Interpretationen haben nicht das geringste mit mangelnder Objektivität und noch viel weniger mit "Macht haben und/oder Politik" zu tun und auch nicht mit "subjektiver Widerspiegelung"!
In KEINEM Wissenschaftsbereich gibt es "unverrückbare[n] "einmalige[n]" Ansichten"! Neue Erkenntnisse werden in der scientific Community IMMER mit den bisherigen verglichen/abgeglichen und diskutiert - sehr oft lange und kontrovers!
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Selina
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Ich rede überhaupt nicht davon, "wie Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten". Das ist gar nicht mein Thema. Ich rede von Verzerrungen und Umschreibungen von Geschichte, die es immer schon gab. Geschichtsklitterung gibt es in allen Gesellschaften. Das geht gar nicht von den jeweiligen Wissenschaftlern aus, sondern oft von Politikern, Publizisten und anderen so genannten Multiplikatoren. Interessante Beispiele für fotografische Geschichtsklitterung findet man hier in dem relativ alten Spiegel-Text:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13520825.html
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Laertes
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Laertes »

Interessantes Gedankenexperiment. Allerdings: Menschen sind keine Spielsteine. Der Mensch wird geformt durch Interaktion. Mit anderen Menschen. Mit seiner Umwelt. Verpflanzt man den Menschen in eine andere Umwelt, ändert er sich. Zwangsläufig. Identität entsteht ebenfalls aus Interaktionen. Ich empfinde mich deutsch, weil ich in Deutschland unter Deutschen vom etwas zum Ich wurde. Wäre ich im Kongo geboren und aufgewachsen, wäre ich einerseits derselbe und anderseits ein anderer. Verpflanzt man mich in den Kongo, werde ich weniger deutsch und weniger mein ich von heute und mehr kongolesisch und mehr mein ich von morgen. Absurd: Die Idee der Mensch habe nur eine einzige, oder auch nur eine primäre Identität. Man lese Amartya Sen: Die Identitätsfalle.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2018, 10:22)

Das sehe ich nicht so. "Identität" ist eine Relation und bedeutet nicht nur "Gleichheit, Entsprechung, Äquivalenz in Hinsicht auf irgendwas", zum Beispiel "gleiche Anzahl", "gleiche Masse" usw. sondern wirklich völlige Identität. Ununterscheidbarkeit. Ein und dasselbe Ding seien. Hans Meier ist identisch mit dem Mörder. Er entspricht ihm nicht nur irgendwie. Er ist es. "Identifizierung" dagegen bedeutet lediglich das Anstreben einer solchen Relation.
Richtig. Am lustigsten ist es, wenn sich Menschen mit Institutionen identifizieren, die ihnen schaden. Etwa mit dem Staat, der so schöne Gesetze macht wie Hartz IV. Damit werden Millionen schikaniert, nicht wenige davon sind stramme Nationalisten. Sie halten viel auf ihre "nationale Identität". Und sind ständig enttäuscht.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 00:10)

Ich rede überhaupt nicht davon, "wie Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten". Das ist gar nicht mein Thema. Ich rede von Verzerrungen und Umschreibungen von Geschichte, die es immer schon gab. Geschichtsklitterung gibt es in allen Gesellschaften. Das geht gar nicht von den jeweiligen Wissenschaftlern aus, sondern oft von Politikern, Publizisten und anderen so genannten Multiplikatoren. Interessante Beispiele für fotografische Geschichtsklitterung findet man hier in dem relativ alten Spiegel-Text:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13520825.html
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Laertes hat geschrieben:(12 Sep 2018, 00:43)

Interessantes Gedankenexperiment. Allerdings: Menschen sind keine Spielsteine. Der Mensch wird geformt durch Interaktion. Mit anderen Menschen. Mit seiner Umwelt. Verpflanzt man den Menschen in eine andere Umwelt, ändert er sich. Zwangsläufig. Identität entsteht ebenfalls aus Interaktionen. Ich empfinde mich deutsch, weil ich in Deutschland unter Deutschen vom etwas zum Ich wurde. Wäre ich im Kongo geboren und aufgewachsen, wäre ich einerseits derselbe und anderseits ein anderer. Verpflanzt man mich in den Kongo, werde ich weniger deutsch und weniger mein ich von heute und mehr kongolesisch und mehr mein ich von morgen. Absurd: Die Idee der Mensch habe nur eine einzige, oder auch nur eine primäre Identität. Man lese Amartya Sen: Die Identitätsfalle.
Was ist denn "deutsch"- außer der Sprache natürlich? Wenn du rechnest, rechnest du dann deutsch? Liebst du deutsch? Hast du einen deutschen Geschmack?
Was ist deutsch an deiner Art, zu denken?
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 07:54)
Richtig. Am lustigsten ist es, wenn sich Menschen mit Institutionen identifizieren, die ihnen schaden. Etwa mit dem Staat, der so schöne Gesetze macht wie Hartz IV. Damit werden Millionen schikaniert, nicht wenige davon sind stramme Nationalisten. Sie halten viel auf ihre "nationale Identität". Und sind ständig enttäuscht.
Es scheint häufig nicht mehr anders zu gehen. Es gibt zum Beispiel diese sogenannte "Fassadendebatte". Worum gehts da: Die Alice Salomon Hiochschule für Sozialberufe in Berlin-Hellersdorf vergibt seit einigen Jahren einen Poetikpreis. Den bekam 2011 der deutsch-bolivianische, 1925 geborene Lyriker Eugen Gomringer. Und man brachte sein kurzes Gedicht "avenidas" an der Südfassade des Hochschulegebäudes an. In diesem Gedicht ("avenidas/avenidas y flores/flores/flores y mujeres/avenidas/avenidas y mujeres/avenidas y flores y mujeres y/un admirador") werden Frauen mit Blumen verglichen und der Autor outet sich als Bewunderer beider Phänome. Der Asta der HS fand das sexistisch, unzeitgemäß und setzte sich (schließlich erfolgreich) für die Überpinselung dieses Textes durch ein anderes Gedicht ein. Es gab eine große Debatte in den Medien. Von einem barbarischen Akt war die Rede, Vergleiche mit dem Umgang der Nazis mit entarteter Kunst wurden gezogen. Was ist das eigentliche Problem der ganzen Angelegentheit: Öffentliche Äußerungen werden immer als Bekenntnisse aufgefasst. So als würde sich die gesamte Hochschule, die Stadt Berlin oder auch ganz Deutschland quasi ein T-Shirt mit dem abgedruckten Text überziehen. Dabei ist Lyrik, Kunst allgemein sowohl von seiten des Künstlers als auch von Seiten des Rezipienten immer eine persönliche, individuelle Angelegenheit. Einen Text als solchen, so wie er eben ist, wahrzunehmen und nicht auch gleichzeitig als Identifizierung mit irgendetwas ... das scheint kaum noch denkbar zu sein.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Realist2014 »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 07:54)

Richtig. Am lustigsten ist es, wenn sich Menschen mit Institutionen identifizieren, die ihnen schaden. Etwa mit dem Staat, der so schöne Gesetze macht wie Hartz IV. Damit werden Millionen schikaniert, nicht wenige davon sind stramme Nationalisten. Sie halten viel auf ihre "nationale Identität". Und sind ständig enttäuscht.

Interessant, dass manche die zur Verfügung Stellung des bedarfsgerechten und somit sozial gerechten Existenzminimums an arbeitsfähige und deren Zugehörigen in den Bedarfsgemeinschaften als "Schikane" einordnen.

Sollte man das nach deiner Vorstellung ersatzlos streichen?
Laut Aussage der linken Ideologen sind alle ökonomisch erfolgreichen dumm, und die wahre Intelligenz tritt sich in der untersten ökonomischen Etage auf die Füße.....daher muss diese Etage ausgebaut werden
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Aus „Der Verlust des Mitgefühls“ von Arno Gruen:


„Menschen, die ihre Identität aus einer Identifikation mit Macht und ihren Symbolen beziehen, verlieren den Boden ihres Menschseins unter ihren Füßen, und ihr Selbstverständnis dient dann der Perpetuierung eines Gesellschaftssystems, das auf Macht basiert. Der Teufelskreis beginnt.

Eine zusätzliche Gefahr geht von der »bürokratischen« Persönlichkeit aus, in der Pflicht das Gewissen und Identifikation mit Macht die Identität ersetzt. Denn hier passieren Gewalt und Mord auf hoch-organisierter Ebene und nur aus ihrer technologischen Machbarkeit heraus. In Wahrheit verdecken aber solche Vorgehensweisen nur die Entfremdung vom Mitgefühl.“
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Realist2014 hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:14)

Interessant, dass manche die zur Verfügung Stellung des bedarfsgerechten und somit sozial gerechten Existenzminimums an arbeitsfähige und deren Zugehörigen in den Bedarfsgemeinschaften als "Schikane" einordnen.

Sollte man das nach deiner Vorstellung ersatzlos streichen?
Die Frage kann man politisch-inhaltlich berechtigterweise stellen. Hier ist sie aber eher ein Beispiel für diesen Identifizierungswahn. Nicht: Kritisch distanziert. Sondern zunehmend häufig: Bist Du dagegen oder dafür? Reflexhafte Grenzziehungen würde ich das nennen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:12)

Es scheint häufig nicht mehr anders zu gehen. Es gibt zum Beispiel diese sogenannte "Fassadendebatte". Worum gehts da: Die Alice Salomon Hiochschule für Sozialberufe in Berlin-Hellersdorf vergibt seit einigen Jahren einen Poetikpreis. Den bekam 2011 der deutsch-bolivianische, 1925 geborene Lyriker Eugen Gomringer. Und man brachte sein kurzes Gedicht "avenidas" an der Südfassade des Hochschulegebäudes an. In diesem Gedicht ("avenidas/avenidas y flores/flores/flores y mujeres/avenidas/avenidas y mujeres/avenidas y flores y mujeres y/un admirador") werden Frauen mit Blumen verglichen und der Autor outet sich als Bewunderer beider Phänome. Der Asta der HS fand das sexistisch, unzeitgemäß und setzte sich (schließlich erfolgreich) für die Überpinselung dieses Textes durch ein anderes Gedicht ein. Es gab eine große Debatte in den Medien. Von einem barbarischen Akt war die Rede, Vergleiche mit dem Umgang der Nazis mit entarteter Kunst wurden gezogen. Was ist das eigentliche Problem der ganzen Angelegentheit: Öffentliche Äußerungen werden immer als Bekenntnisse aufgefasst. So als würde sich die gesamte Hochschule, die Stadt Berlin oder auch ganz Deutschland quasi ein T-Shirt mit dem abgedruckten Text überziehen. Dabei ist Lyrik, Kunst allgemein sowohl von seiten des Künstlers als auch von Seiten des Rezipienten immer eine persönliche, individuelle Angelegenheit. Einen Text als solchen, so wie er eben ist, wahrzunehmen und nicht auch gleichzeitig als Identifizierung mit irgendetwas ... das scheint kaum noch denkbar zu sein.
Ich kenne die Geschichte, da gings um überzogenen Feminismus, der ist ja sehr populär unter Studenten. Das ist freilich Blödsinn, wenn der Vergleich von Frauen mit Blumen als "sexistisch" gedeutet wird.
Allerdings kann durchaus irgendein Text an der Fassade einer staatlichen Einrichtung etwas über diese Einrichtung aussagen. Man denke an "Dem deutschen Volke" am Reichstag. Ob das nun jeder für sich akzeptiert und gar meint, sich damit identifizieren zu müssen, ist eine ganz andere Sache, als wenn die Institution das propagiert. Aber nochmal zu dem Gedicht. Wenn schon so ein harmloses Poem solche Aufregung verursacht, was wäre erst los, wenn da ein Gedicht von Erich Fried stünde, ein politisches Gedicht?
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:24)

Ich kenne die Geschichte, da gings um überzogenen Feminismus, der ist ja sehr populär unter Studenten. Das ist freilich Blödsinn, wenn der Vergleich von Frauen mit Blumen als "sexistisch" gedeutet wird.
Allerdings kann durchaus irgendein Text an der Fassade einer staatlichen Einrichtung etwas über diese Einrichtung aussagen. Man denke an "Dem deutschen Volke" am Reichstag. Ob das nun jeder für sich akzeptiert und gar meint, sich damit identifizieren zu müssen, ist eine ganz andere Sache, als wenn die Institution das propagiert. Aber nochmal zu dem Gedicht. Wenn schon so ein harmloses Poem solche Aufregung verursacht, was wäre erst los, wenn da ein Gedicht von Erich Fried stünde, ein politisches Gedicht?
Es gibt einen aktuellen Beitrag in der Reihe "Essay und DIskurs" des Deutschlandradios. Titel: "#Metoo-Debatte: Das komplizierte Verhältnis der Geschlechter". Deswegen bin ich auch auf das Beispiel gekommen. Darin heißt es zur "Fassadendebatte" (aus meiner Sicht ganz richtig):
Die Distanzierung und die Objektivierung, die der poetischen Arbeit vorausgehen und sie begleiten, sie machen ja Mühe - und die haben Frauen kaum je auf sich genommen. Die richtige Antwort auf das Gedicht von Gomringer wäre ein Gesang der Frauen zum Preise männlicher Schönheit, erotischer Attraktivität, sinnlicher Ausstrahlung.
https://www.deutschlandfunk.de/metoo-de ... _id=424409
Der heute 93-jährige Autor Gomringer reiste an und verteidigte sein Werk. Seine Kritikerinnen indes blieben hart. Er wisse nicht, wie Frauen heute fühlen.
Das grundlegende Missverständnis besteht darin, dass ein Gedicht in der Regel nicht von den Gefühlen anderer sondern von den eigenen Gefühlen getragen wird. Und da besteht nun der ZUsammenhang zum "Identitätswirrwarr". Zu großen Teilen sehe ich das Problem in der allgemein verlorengegangenen Fähigkeit des Perspektivwechsels. Genau diese Fähigkeit ist nötig, um zwanghafte Bekenntnisse für oder gegen irgendwas zu vermeiden.

Ein wirklich freier Mensch hat seine Ansichten, vertritt die auch und bedarf keiner ausdrücklichen Identifizierung mit irgendetwas. Und aus dieser Nichtzwanghaftigkeit heraus kann er auch versuchsweise die Perspektive anderer Menschen oder Menschengruppen einnehmen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Realist2014 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:18)

Die Frage kann man politisch-inhaltlich berechtigterweise stellen. Hier ist sie aber eher ein Beispiel für diesen Identifizierungswahn. Nicht: Kritisch distanziert. Sondern zunehmend häufig: Bist Du dagegen oder dafür? Reflexhafte Grenzziehungen würde ich das nennen.
Falsche Interpretation

Die Frage war natürlich hinsichtlich EINER von möglichen "Alternativ-Optionen" zu verstehen . Also nix mit Grenzziehung
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:47)

Es gibt einen aktuellen Beitrag in der Reihe "Essay und DIskurs" des Deutschlandradios. Titel: "#Metoo-Debatte: Das komplizierte Verhältnis der Geschlechter". Deswegen bin ich auch auf das Beispiel gekommen. Darin heißt es zur "Fassadendebatte" (aus meiner Sicht ganz richtig):

https://www.deutschlandfunk.de/metoo-de ... _id=424409

Das grundlegende Missverständnis besteht darin, dass ein Gedicht in der Regel nicht von den Gefühlen anderer sondern von den eigenen Gefühlen getragen wird. Und da besteht nun der ZUsammenhang zum "Identitätswirrwarr". Zu großen Teilen sehe ich das Problem in der allgemein verlorengegangenen Fähigkeit des Perspektivwechsels. Genau diese Fähigkeit ist nötig, um zwanghafte Bekenntnisse für oder gegen irgendwas zu vermeiden.

Ein wirklich freier Mensch hat seine Ansichten, vertritt die auch und bedarf keiner ausdrücklichen Identifizierung mit irgendetwas. Und aus dieser Nichtzwanghaftigkeit heraus kann er auch versuchsweise die Perspektive anderer Menschen oder Menschengruppen einnehmen.
Gefühle sind Gefühle- und die sind meist Geschmackssache. Es gibt keine falschen Gefühle. Doch mit Gefühlen allein schreibt man keinen Gedichte.
Dazu braucht man Gedanken- und die können richtig und falsch sein. Frauen sind keine Blumen, aber wem der Vergleich schmeckt- bittesehr. Darüber lässt sich gar nicht diskutieren. Für einen anderen sind Frauen vielleicht bunte Vögel, naja.

Ein kluger Mensch mag sich teilweise mit anderen Menschen identifizieren, die er mag. Etwa beim Sex, wenn die eigene Lust durch die des anderen steigt und man kaum noch weiß, wer da gerade gestöhnt hat. Darum heißt es auch "Vereinigung". Danach ist jeder wieder nur mit sich selbst "identisch".
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 07:58)

"Man kann sogar die Vergangenheit ändern. Die Historiker beweisen es immer wieder." (Jean Paul Sartre)
Genau. Und es gibt unzählige weitere Beispiele für Geschichtsklitterung. Auch in der jüngeren Vergangenheit, wo Dinge aus Wendenzeiten massenhaft geschönt worden sind, was dann wiederum zu viel Frust vor allem bei etlichen Ostdeutschen führte. Ich glaube, wenn man die Dinge, die nach der Wende schiefgelaufen sind (neben denen, die richtig gut waren), stattdessen immer beim Namen genannt hätte, wäre die heutige Frustration vieler so genannter "Abgehängten" beiweitem nicht so groß und die eine oder andere Demo nicht so aggressiv. Das hat aber nix mit dem "Lügenpresse"-Gebrülle der Rechtspopulisten zu tun, sondern eher mit einem langfristigen Ausbleiben kritischer, Widersprüche einbeziehender Nachwendebetrachtung in den meisten Medien.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 09:43)

Genau. Und es gibt unzählige weitere Beispiele für Geschichtsklitterung. Auch in der jüngeren Vergangenheit, wo Dinge aus Wendenzeiten massenhaft geschönt worden sind, was dann wiederum zu viel Frust vor allem bei etlichen Ostdeutschen führte. Ich glaube, wenn man die Dinge, die nach der Wende schiefgelaufen sind (neben denen, die richtig gut waren), stattdessen immer beim Namen genannt hätte, wäre die heutige Frustration vieler so genannter "Abgehängten" beiweitem nicht so groß und die eine oder andere Demo nicht so aggressiv. Das hat aber nix mit dem "Lügenpresse"-Gebrülle der Rechtspopulisten zu tun, sondern eher mit einem langfristigen Ausbleiben kritischer, Widersprüche einbeziehender Nachwendebetrachtung in den meisten Medien.
Bei der Demo am 4. November 1989 in Berlin- Ost sagte Heiner Müller, dass nach der "Wiedervereinigung" das Leben für die meisten noch härter wird.
Er wurde ausgebuht. Dabei sagte er durchaus das Richtige.
Im Zusammenhang mit der DDR- Geschichte wissen die meisten Leute in D heute noch sehr wenig Wahres. Natürlich hat der Staat der BRD kein Interesse daran, dass Sozialismus richtig erklärt wird, auch nicht daran, dass über die Fehler der "Realsozialisten" Wahrheiten verbreitet werden. Sonst wäre das schwierig mit der Identifizierung der lieben Bürger mit "ihrem" Staat.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von JJazzGold »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 09:43)

Genau. Und es gibt unzählige weitere Beispiele für Geschichtsklitterung. Auch in der jüngeren Vergangenheit, wo Dinge aus Wendenzeiten massenhaft geschönt worden sind, was dann wiederum zu viel Frust vor allem bei etlichen Ostdeutschen führte. Ich glaube, wenn man die Dinge, die nach der Wende schiefgelaufen sind (neben denen, die richtig gut waren), stattdessen immer beim Namen genannt hätte, wäre die heutige Frustration vieler so genannter "Abgehängten" beiweitem nicht so groß und die eine oder andere Demo nicht so aggressiv. Das hat aber nix mit dem "Lügenpresse"-Gebrülle der Rechtspopulisten zu tun, sondern eher mit einem langfristigen Ausbleiben kritischer, Widersprüche einbeziehender Nachwendebetrachtung in den meisten Medien.
Gutes Beispiel für die Frage bezüglich des Schiffs des Theseus. Wieviele Bretter müssen entfernt werden, um einen Identitätsverlust zu erzeugen? Etliche Ostdeutsche haben demnach ihre Identität verloren und einige waren bis heute nicht in der Lage eine Identität zu etablieren. Was zwangläufig dazu führt, dass sie auch von aussen als identitätsverlustig wahrgenommen werden.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Laertes »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:00)

Was ist denn "deutsch"- außer der Sprache natürlich? Wenn du rechnest, rechnest du dann deutsch? Liebst du deutsch? Hast du einen deutschen Geschmack?
Was ist deutsch an deiner Art, zu denken?
Warum wird bei der Aussage „ich bin deutsch“ jedesmal nur der Begriff des Deutschseins in Frage gestellt?
Natürlich hält der keiner radikalen Dekonstruktion stand. Die beiden anderen Begriffe (Ich und Sein)
allerdings genau so wenig.

Die Selbstgewissheit meiner Identität bedarf keiner Vorausgehenden Definition dessen womit ich mich identifiziere. Identität endteht, indem ich Zuschreibungen bejahe: Bin ich deutsch? Ja! Bin ich Vater? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Familie? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Arbeitskollegen? Ja! Diese innerlichen Bejahungen stiften Identität, nicht die rationale Defintion oder Dekonstruktion der emotional bejahten Begriffe.
"Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann."
(Ernst-Wolfgang Böckenförde)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Laertes hat geschrieben:(12 Sep 2018, 10:28)

Warum wird bei der Aussage „ich bin deutsch“ jedesmal nur der Begriff des Deutschseins in Frage gestellt?
Natürlich hält der keiner radikalen Dekonstruktion stand. Die beiden anderen Begriffe (Ich und Sein)
allerdings genau so wenig.

Die Selbstgewissheit meiner Identität bedarf keiner Vorausgehenden Definition dessen womit ich mich identifiziere. Identität endteht, indem ich Zuschreibungen bejahe: Bin ich deutsch? Ja! Bin ich Vater? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Familie? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Arbeitskollegen? Ja! Diese innerlichen Bejahungen stiften Identität, nicht die rationale Defintion oder Dekonstruktion der emotional bejahten Begriffe.
Was haben deine Arbeitskollegen und deine Vaterschaft mit "Deutschsein" zu tun? Und ws ist mit dem schönen WIR, wenn auch deine Kollegen um Arbeitsplätze konkurrieren? Deine Identität hast du nur mit dir selbst. Womit du dich identifizierst, ist doch sehr von der Tageslaune und äußeren Verhältnissen abhängig.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 00:10)

Ich rede überhaupt nicht davon, "wie Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten". Das ist gar nicht mein Thema. Ich rede von Verzerrungen und Umschreibungen von Geschichte, die es immer schon gab. Geschichtsklitterung gibt es in allen Gesellschaften. Das geht gar nicht von den jeweiligen Wissenschaftlern aus, sondern oft von Politikern, Publizisten und anderen so genannten Multiplikatoren. Interessante Beispiele für fotografische Geschichtsklitterung findet man hier in dem relativ alten Spiegel-Text:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13520825.html
Lesen und (vor allem) verstehen!
Ich schrieb:
"Geschichtsklitteler"/Revisionisten sind Menschen, die mit historischen Fakten nix am Hut haben, die aus ideologischen Gründen Fakten verdrehen und dann entsprechend ihrem Weltbild zusammen basteln!


und weiter schrieb ich:
"Schau mal ins Geschichtsforum, dort gibt es einen ganzen Thread zu Geschichtsrevisionismus rechter UND linker Coleur!"

Ändert aber nichts an der Tatsache, dass deine Behauptung in ihrer Verallgemeinerung eine Unterstellung bleibt und die Beweispflicht für jeden konkreten Fall von Geschichtsklittelung/Geschichtsrevisionismus bei demjenigen liegt, der die Behauptung aufstellt!
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Geschichtsklittelungen/Geschichtsrevisionismus aufgedeckt und richtig gestellt wird.
Womit deine Behauptung:

"Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet."

ad absurdum geführt ist.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Laertes hat geschrieben:(12 Sep 2018, 10:28)

Warum wird bei der Aussage „ich bin deutsch“ jedesmal nur der Begriff des Deutschseins in Frage gestellt?
Natürlich hält der keiner radikalen Dekonstruktion stand. Die beiden anderen Begriffe (Ich und Sein)
allerdings genau so wenig.

Die Selbstgewissheit meiner Identität bedarf keiner Vorausgehenden Definition dessen womit ich mich identifiziere. Identität endteht, indem ich Zuschreibungen bejahe: Bin ich deutsch? Ja! Bin ich Vater? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Familie? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Arbeitskollegen? Ja! Diese innerlichen Bejahungen stiften Identität, nicht die rationale Defintion oder Dekonstruktion der emotional bejahten Begriffe.
Und am Ende dieses Identitätsstiftungsprozesses (Familie, Kollektiv, Muttersprache usw.) steht die triviale Relation "Ich ≡ Ich". Die hätte ich auch ohne diese Mühe aufstellen können.

Die eigene Selbstergründung und Selbspositionierung kann völlig ohnen diesen (trivialen) Identitätsbegriff erfolgen. Das was man da meint zu "haben" hat man sowieso und ohnehin.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

JJazzGold hat geschrieben:(12 Sep 2018, 09:53)

Gutes Beispiel für die Frage bezüglich des Schiffs des Theseus. Wieviele Bretter müssen entfernt werden, um einen Identitätsverlust zu erzeugen? Etliche Ostdeutsche haben demnach ihre Identität verloren und einige waren bis heute nicht in der Lage eine Identität zu etablieren. Was zwangläufig dazu führt, dass sie auch von aussen als identitätsverlustig wahrgenommen werden.
Ich weiß nicht genau, ob "Identität" da der richtige Begriff ist. Denn die meisten Ostdeutschen - also die, die ich kenne - sind sich ihrer Herkunft, ihres Charakters, ihres Könnens, ihres Tuns und Wollens schon sehr bewusst. Sie haben ihre Identität nicht verloren. Einige bezeichnen das dann sogar als ne Art Ostidentität. Ich selbst verwende jedoch diesen Begriff der Identität nicht, weil der in meinen Augen heute zu oft missbraucht wird, um bestimmte ideologische und politische Absichten damit zu kennzeichnen. Siehe Debatten um die so genannte "kulturelle Identität" und um den so genannten "Kampf der Kulturen". Ich würde eher sagen, die von mir gemeinten Ostdeutschen werden nicht einbezogen, nicht gefragt, nicht auf Augenhöhe betrachtet, sondern immer nach wie vor noch als die, die voller Dankbarkeit auf die Banane reichende Hand schauen müssen. Die sich wegen des von allen (Ost und West) gezahlten Solis zu schämen bzw. ewig zu verneigen haben etcpp. Dabei wollen sie nur mitreden können, nach ihrer Meinung gefragt werden, damit sie das Empfinden dafür kriegen, Demokratie mitgestalten zu können. Schließlich haben sie etwas getan, was ihnen so schnell keiner nachmachen kann: Mit einer friedlichen Revolution eine alte Herrschaftskaste hinweggefegt. Nun wollen sie natürlich auch endlich mal ankommen in der Demokratie. Was ihnen auf allen Gebieten sehr schwer gemacht wird: In der Wirtschaft, im Sozialen, Kulturellen, Sportlichen und und und. Es geht nicht um Passivität. Nein, die, die ich meine, engagieren sich schon, sind ehrenamtlich tätig oder gehen zum Teil zwei Jobs nach oder verdienen sich zur Rente was dazu, weil die nicht reicht. Nee, die machen schon alle viel, trotzdem fühlen sie sich immer noch nicht angekommen und angenommen in der viel gepriesenen Demokratie. Das hat knallharte Ursachen, die nüscht mit den oft als "Jammerossis" bezeichneten Menschen selbst zu tun haben. Darüber lohnt es sich schon, einmal länger nachzudenken. Das meine ich alles keinesfalls als Polemik gegen Ihre Worte. Mehr so als Ergänzung ;)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 13:16)

Und am Ende dieses Identitätsstiftungsprozesses (Familie, Kollektiv, Muttersprache usw.) steht die triviale Relation "Ich ≡ Ich". Die hätte ich auch ohne diese Mühe aufstellen können.

Die eigene Selbstergründung und Selbspositionierung kann völlig ohnen diesen (trivialen) Identitätsbegriff erfolgen. Das was man da meint zu "haben" hat man sowieso und ohnehin.
Nee kann nicht, weil Identität eben NICHT nur Selbstergründung und Selbstwahrnehmung ist, sondern IMMER Selbstwahrnehmung PLUS Außenwahrnehmung ist.
Identität ist ein bzw DAS Unterscheidungs-/Abgrenzungsmerkmal einzelner Individuen voneinander. Nicht nur ICH unterscheide mich von von anderen, auch andere stellen diese Unterschiede fest bzw unterscheiden.
Identität wird NICHT "gestiftet", sondern vom Individuum selbst entwickelt und dazu gehört auch, wie es von anderen wahrgenommen wird.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(12 Sep 2018, 14:12)

Nee kann nicht, weil Identität eben NICHT nur Selbstergründung und Selbstwahrnehmung ist, sondern IMMER Selbstwahrnehmung PLUS Außenwahrnehmung ist.
Identität ist ein bzw DAS Unterscheidungs-/Abgrenzungsmerkmal einzelner Individuen voneinander. Nicht nur ICH unterscheide mich von von anderen, auch andere stellen diese Unterschiede fest bzw unterscheiden.
Identität wird NICHT "gestiftet", sondern vom Individuum selbst entwickelt und dazu gehört auch, wie es von anderen wahrgenommen wird.
Selbstverständlich gibt es "Selbstwahrnehmung" und "Fremdwahrnehmung". Uns es mag durchaus auch einen Antrieb geben, beides möglichst in Übereinstimmung zu bringen, eine möglichste Äquivalenz herzustellen. Oder in einigen Fällen auch gerade nicht. Nicht als der zu erscheinen, der man eigentlich ist. "Identisch" wird aber beides jedenfalls niemals sein. Wesentlich für mich ist, dass Identität (nicht Identifizierung) eine Relation und keine Eigenschaft oder Einzelobjekt ist. Man also immer sagen müsste, was denn nun womit (oder mit wem) identisch sein soll. Es muss eine linke und eine rechte Seite der Relation benannt werden.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von JJazzGold »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 13:21)

Ich weiß nicht genau, ob "Identität" da der richtige Begriff ist. Denn die meisten Ostdeutschen - also die, die ich kenne - sind sich ihrer Herkunft, ihres Charakters, ihres Könnens, ihres Tuns und Wollens schon sehr bewusst. Sie haben ihre Identität nicht verloren. Einige bezeichnen das dann sogar als ne Art Ostidentität. Ich selbst verwende jedoch diesen Begriff der Identität nicht, weil der in meinen Augen heute zu oft missbraucht wird, um bestimmte ideologische und politische Absichten damit zu kennzeichnen. Siehe Debatten um die so genannte "kulturelle Identität" und um den so genannten "Kampf der Kulturen". Ich würde eher sagen, die von mir gemeinten Ostdeutschen werden nicht einbezogen, nicht gefragt, nicht auf Augenhöhe betrachtet, sondern immer nach wie vor noch als die, die voller Dankbarkeit auf die Banane reichende Hand schauen müssen. Die sich wegen des von allen (Ost und West) gezahlten Solis zu schämen bzw. ewig zu verneigen haben etcpp. Dabei wollen sie nur mitreden können, nach ihrer Meinung gefragt werden, damit sie das Empfinden dafür kriegen, Demokratie mitgestalten zu können. Schließlich haben sie etwas getan, was ihnen so schnell keiner nachmachen kann: Mit einer friedlichen Revolution eine alte Herrschaftskaste hinweggefegt. Nun wollen sie natürlich auch endlich mal ankommen in der Demokratie. Was ihnen auf allen Gebieten sehr schwer gemacht wird: In der Wirtschaft, im Sozialen, Kulturellen, Sportlichen und und und. Es geht nicht um Passivität. Nein, die, die ich meine, engagieren sich schon, sind ehrenamtlich tätig oder gehen zum Teil zwei Jobs nach oder verdienen sich zur Rente was dazu, weil die nicht reicht. Nee, die machen schon alle viel, trotzdem fühlen sie sich immer noch nicht angekommen und angenommen in der viel gepriesenen Demokratie. Das hat knallharte Ursachen, die nüscht mit den oft als "Jammerossis" bezeichneten Menschen selbst zu tun haben. Darüber lohnt es sich schon, einmal länger nachzudenken. Das meine ich alles keinesfalls als Polemik gegen Ihre Worte. Mehr so als Ergänzung ;)

In einer Diskussion über die Frage, worauf beruht Identität, wann droht sie verloren zu gehen und inwieweit kann sie oktroyiert werden, wird sich der Begriff Identität schwerlich vermeiden lassen. Insofern war das Beispiel Kongo nur geographisch weiter entfernt, als die ehemalige DDR. Wäre, nur als Beispiel, Selina, nicht aufregen, 1970 schagartig die DDR Bevölkerung nach Westdeutschland transferiert und die gesamte westdeutsche Bevölkerung in die DDR transferiert worden, hätten sich auf beiden Seiten etliche Identitätskrisen ergeben, durch die äusseren Umstände wie z.B. Geographie und Politik, bedingt durch externen Einfluss. Gesellschaft ist in der Beziehung belanglos. Die wäre nur durch nicht vollständigen Austausch relevant. Nur ist das genau passiert, es war kein vollständiger Austausch, es war eine Vermischung, es änderten sich zwei von drei Faktoren, Politik und Gesellschaft und das hat nachvollziehbar Identitätskrisen ausgelöst.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 15:06)

Selbstverständlich gibt es "Selbstwahrnehmung" und "Fremdwahrnehmung". Uns es mag durchaus auch einen Antrieb geben, beides möglichst in Übereinstimmung zu bringen, eine möglichste Äquivalenz herzustellen. Oder in einigen Fällen auch gerade nicht. Nicht als der zu erscheinen, der man eigentlich ist. "Identisch" wird aber beides jedenfalls niemals sein. Wesentlich für mich ist, dass Identität (nicht Identifizierung) eine Relation und keine Eigenschaft oder Einzelobjekt ist. Man also immer sagen müsste, was denn nun womit (oder mit wem) identisch sein soll. Es muss eine linke und eine rechte Seite der Relation benannt werden.
Identität hat für jeden Menschen auch etwas mit Identifizierung zu tun und IST damit ein Merkmal/eine Eigenschaft des Individuums.
ob dir das nun gefällt oder nicht.
"Die psychische Identität stellt keine wie auch immer geartete eindeutige Essenz oder ein unveränderliches Wesen dar. Im Gegenteil: Identität als psychologisches Konzept geht geradezu davon aus, dass sich ein Mensch mit etwas „identifiziert“, also ein äußeres Merkmal einer bestehenden Gruppenidentität als sein eigenes Wesensmerkmal annimmt. In gewisser Hinsicht erscheint dies als notwendiger Prozess zur Heranbildung einer eigenen Persönlichkeit, aber es bleibt stets ein Element der Fremdbestimmung und Zuschreibung. Die soziale Identität hingegen wird einer Person durch die Gesellschaft zugeschrieben und umfasst alle Eigenschaften die diese Identität enthält. Eine soziale Identität ist eng mit der Übernahme bestimmter Rollen innerhalb einer (sozialen) Gruppe verbunden. Eine Rolle kann die berufliche Arbeit sein. Identitätsentwicklung verläuft im Spannungsprozess zwischen Selbstverwirklichung und den Anforderungen der Gesellschaft. Bildung von Identität ist das Ausbalancieren der personalen und sozialen Dimension, es erfordert vom Individuum seine eigenen Wertmaßstäbe, Bedürfnisse und Interessen einzubringen und sich gleichzeitig auf die Anforderungen und Erwartungen der Umwelt einzulassen." .
Quelle


Menschen identifizieren sich MIT etwas, was er als SEIN Wesensmerkmal annimmt. Was du da zu Identität zusammenschreibst, ist Nonsens!
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Laertes »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 15:06)
Wesentlich für mich ist, dass Identität (nicht Identifizierung) eine Relation und keine Eigenschaft oder Einzelobjekt ist. Man also immer sagen müsste, was denn nun womit (oder mit wem) identisch sein soll. Es muss eine linke und eine rechte Seite der Relation benannt werden.
Dieser Identitätsbegriff entspricht eher der streng mathematischen Definition. Ich glaube nicht, dass man die sinnvoll auf nicht mathematische Gegenstände anwenden kann. Die Aussage 4 ist identisch 4 wird immer und ewig gelten, weil die 4 immer die 4 bleibt und sich nie ändert, abnutzt, wächst, altert, dement wird, stirbt oder an Erfahrung gewinnt.

Die Informatik kennt neben Werten im streng mathematischen Sinn (z. B. die oben erwähnte Zahl 4) auch sogenannte 'Objekte'. Diesen haben eine Identität, die durch ein oder mehrere identifizierende Merkmale definiert ist (Max Mustermann, geb. am 4. Mai 1970 im Klinikum Süd in Bielefeld), die sich im Verlauf seiner Existenz nie ändern werden. Aber auch zusätzliche Eigenschaften, die sich sehr wohl im Lauf der Zeit ändern können (z. B. Gewicht, Größe, Sehstärke,...), ohne dass das Objekt Max Mustermann seine Identität verliert. Aber bereits hier kommt es - wie bei Theseus' Schiff - schnell zu Komplikationen und Widersprüchen bezüglich der Identität (z. B. wenn das Max-Objekt im Computerspeicher kopiert/geklont wird oder in einer Datenbank gespeichert und später wieder eingelesen wird).

Beim echten Max Mustermann (also der aus Fleisch und Blut, nicht das Datenobjekt Max Mustermann im Computer), stellt sich die Frage, ob er denn auch lebenslang unveränderliche, identifizierende Merkmale besitzt. Vielleicht seine DNA? Nur kenne ich niemanden, der wenn er von seiner Identität spricht, damit seine DNA meinen würde. Und wenn sich ein Mitmensch in einer Identitätskrise befindet, so gehe ich davon aus, dass er nicht mehr genau weiß, was ihn definiert und welchen Gruppen er sich zugehörig fühlt und nicht, dass er seine individuelle DNA verlegt oder verwechselt hat.
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(Ernst-Wolfgang Böckenförde)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Occham »

Na dann sind wir nach 7 Seiten Diskussion nun eeendlich der Ansicht, dass das Wort "Identität" eine übereilte Verallgemeinerung dafür ist, das man sich mit etwas identifiziert. Kein Wunder das da "Wirrwarr" entsteht :s
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Occham hat geschrieben:(13 Sep 2018, 06:00)

Na dann sind wir nach 7 Seiten Diskussion nun eeendlich der Ansicht, dass das Wort "Identität" eine übereilte Verallgemeinerung dafür ist, das man sich mit etwas identifiziert. Kein Wunder das da "Wirrwarr" entsteht :s
Danke, dass ich mich nicht mit einer in diesem Fall mühsamen und schwierigen Antwort an User Laertes herumplagen muss ...

Nur soviel zu Informatik/Datenbanken. Auch im Beitrag von Laertes ist nicht von "Identiät" die Rede sondern von "identifizierenden Merkmalen". Was in der Abfragesprache SQL einem - neben dem meist automatisch generierten Primärindex, zum Beispiel einer Matrikelnummer - einem weiteren Unique Index entspricht, zum Beispiel Vorname, Nachname, Geburtsort, Geburtsdatum. Auch hier meint "Identifizieren" nicht "Identität". Ich setze noch einmal das Beispiel - nicht aus der Mathematik sondern aus dem realen Leben - entgegen: "Heinz Müller ist mit dem Mörder identisch". Das meint wirklich: "Heinz Müller ist als Person der Mörder. Und nicht "identifiziert sich selbst" oder "wird identifiziert" mit ihm.

Und nochmal zur Mathematik: Die Anzahl der natürlichen Zahlen und die Anzahl der rationalen Zahlen ist gleich. Die Mengen sind gleichmächtig. Aber nicht identisch. 8/2 und 4 dagegen sind nicht nur gleich sondern identisch.

Ich weiß doch, dass "Identität" weit weit verbreitet anders verwendet wird. Entweder als vorgestellte, erwünschte oder tatsächliche Zugehörigkeit zu einer imagined community oder auch als möglichste Übereinstimmung zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Ist mir egal. Etymologisch (und nicht nur mathematisch) bedeutet "Identität", " īdem" "dasselbe" oder "derselbe". Womit man auch argumentativ jeglichem Nonsensschreibensvorwurf entgegentreten kann.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Sich seiner Identität immer wieder versichern zu müssen und das auch noch im wechselseitigen Diskurs, wo man die angebliche Wichtigkeit dieser eigenen Identität immer wieder hervorhebt, ist ein Zeichen tiefer Verunsicherung und mangelnden Selbstbewusstseins. Dass jeder selbstverständlich eine Identität hat, ist eine Binsenweisheit und bedarf keiner näheren Erläuterung.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 11:22)

Sich seiner Identität immer wieder versichern zu müssen und das auch noch im wechselseitigen Diskurs, wo man die angebliche Wichtigkeit dieser eigenen Identität immer wieder hervorhebt, ist ein Zeichen tiefer Verunsicherung und mangelnden Selbstbewusstseins. Dass jeder selbstverständlich eine Identität hat, ist eine Binsenweisheit und bedarf keiner näheren Erläuterung.
Das ist ja das Dilemma der Nationalisten. Sie trennen ihre Identität und ihre persönlcihen Interessen von der Identifizierung mit der Nation.
Statt zu überlegen, warum ihre Interessen gerade in einer Nation ständig unter die Räder kommen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Betrachter hat geschrieben:(13 Sep 2018, 11:39)

Das ist ja das Dilemma der Nationalisten. Sie trennen ihre Identität und ihre persönlcihen Interessen von der Identifizierung mit der Nation.
Statt zu überlegen, warum ihre Interessen gerade in einer Nation ständig unter die Räder kommen.
Sorry, eine Rückfrage: Welche Interessen der Nationalisten kommen "in einer Nation ständig unter die Räder"? Soziale? Oder meintest du die fragwürdigen Interessen, die eigene Nation vor "dem Fremden" zu bewahren und zu schützen?
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 11:53)

Sorry, eine Rückfrage: Welche Interessen der Nationalisten kommen "in einer Nation ständig unter die Räder"? Soziale? Oder meintest du die fragwürdigen Interessen, die eigene Nation vor "dem Fremden" zu bewahren und zu schützen?
Natürlich eher "soziale Interessen". Also das Interesse, keine Angst haben zu müssen vor Arbeitslosigkeit, steigenden Preisen usw.
Da gehen die Leute nicht massenhaft auf die Straße, weil sie ständig Angst haben müssen um ihre Existenz.
Aber "Deutschland" brüllen... Nationalismus ist schon schizophren.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 11:22)

Sich seiner Identität immer wieder versichern zu müssen und das auch noch im wechselseitigen Diskurs, wo man die angebliche Wichtigkeit dieser eigenen Identität immer wieder hervorhebt, ist ein Zeichen tiefer Verunsicherung und mangelnden Selbstbewusstseins. Dass jeder selbstverständlich eine Identität hat, ist eine Binsenweisheit und bedarf keiner näheren Erläuterung.
Das Problem besteht nicht darin, dass sich Menschen ihrer (individuellen) Identität immer wieder versichern müssen, sondern dass etwas ganz natürliches, ein ganz normaler Prozess der Persönlichkeitsentwicklung (bei dem Identitätsentwicklung ein Bestandteil ist) politisiert, ideologisiert und negativ konnotiert wird. Das Problem besteht darin, dass Prägung =

"Prägung nennt man in der Verhaltensbiologie eine irreversible Form des Lernens: Während eines meist relativ kurzen, genetisch festgelegten Zeitabschnitts (sensible Phase) werden Reize der Umwelt derart dauerhaft ins Verhaltensrepertoir aufgenommen, dass sie später wie angeboren erscheinen.
Prägung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur in einer bestimmten Zeitspanne stattfinden kann, die daher als sensible Lebensphase bezeichnet wird. Prägung ist also nicht nachholbar. In welchem Alter diese Phase nachweisbar ist und wie lange sie dauert, kann je nach Tierart sehr unterschiedlich sein.

Prägung ist unwiderruflich, das durch sie Gelernte wird besonders schnell und effektiv gelernt und auf Lebenszeit behalten; zumindest werden die durch Prägung erworbenen Auslöser („Schlüsselreize“) auf Dauer bevorzugt."
Quelle


durch gesellschaftliche, soziale und kulturelle Einflüsse auf die Identitätsentwicklung des Individuums geleugnet bzw ideologisch/politisch stigmatisiert werden.
Stichwort kulturelle Identität.
Die hat es nicht zu geben, die darf es nicht geben, die ist rääächts.
An diesem Mantra wird trotz mehrfacher Erklärungsversuche, dass die Sache (Tatsache als solche) und die Ideologische Instrumentalisierung der Sache NICHT das gleiche sind, (unzulässigerweise) festgehalten.
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Das beste Beispiel für diese unzulässige Gleichsetzung bist DU und lieferst DU!
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(13 Sep 2018, 12:48)

Das Problem besteht nicht darin, dass sich Menschen ihrer (individuellen) Identität immer wieder versichern müssen, sondern dass etwas ganz natürliches, ein ganz normaler Prozess der Persönlichkeitsentwicklung (bei dem Identitätsentwicklung ein Bestandteil ist) politisiert, ideologisiert und negativ konnotiert wird. Das Problem besteht darin, dass Prägung =

"Prägung nennt man in der Verhaltensbiologie eine irreversible Form des Lernens: Während eines meist relativ kurzen, genetisch festgelegten Zeitabschnitts (sensible Phase) werden Reize der Umwelt derart dauerhaft ins Verhaltensrepertoir aufgenommen, dass sie später wie angeboren erscheinen.
Prägung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur in einer bestimmten Zeitspanne stattfinden kann, die daher als sensible Lebensphase bezeichnet wird. Prägung ist also nicht nachholbar. In welchem Alter diese Phase nachweisbar ist und wie lange sie dauert, kann je nach Tierart sehr unterschiedlich sein.

Prägung ist unwiderruflich, das durch sie Gelernte wird besonders schnell und effektiv gelernt und auf Lebenszeit behalten; zumindest werden die durch Prägung erworbenen Auslöser („Schlüsselreize“) auf Dauer bevorzugt."
Quelle


durch gesellschaftliche, soziale und kulturelle Einflüsse auf die Identitätsentwicklung des Individuums geleugnet bzw ideologisch/politisch stigmatisiert werden.
Stichwort kulturelle Identität.
Die hat es nicht zu geben, die darf es nicht geben, die ist rääächts.
An diesem Mantra wird trotz mehrfacher Erklärungsversuche, dass die Sache (Tatsache als solche) und die Ideologische Instrumentalisierung der Sache NICHT das gleiche sind, (unzulässigerweise) festgehalten.
Don't kill the messenger!
Das beste Beispiel für diese unzulässige Gleichsetzung bist DU und lieferst DU!
Da erhebt sich die alte Frage, was zuerst da war, das Ei oder das Huhn. Denn bevor ich mal was zur so genannten "kulturellen Identität" sage, sind hier schon ellenlange leidenschaftliche (Leidenschaft erkennt man in der schriftlichen Kommunikation an häufigen Fettungen, Großschreibungen und Unterstreichungen) Abhandlungen zum Stichwort geschrieben worden. Leider mit keinem Argument bisher, das mich überzeugen konnte, dass es sich beim Begriff "kulturelle Identität" um eine Sache voller Wichtigkeit und Priorität in der politischen Debatte handeln könnte. Aber ich verspreche dir, ich rufe laut "hier", wenn ich etwas entdecke, das mich in meinen Überlegungen ein kleines Stück voranbringt :D
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Betrachter hat geschrieben:(13 Sep 2018, 12:09)

Natürlich eher "soziale Interessen". Also das Interesse, keine Angst haben zu müssen vor Arbeitslosigkeit, steigenden Preisen usw.
Da gehen die Leute nicht massenhaft auf die Straße, weil sie ständig Angst haben müssen um ihre Existenz.
Aber "Deutschland" brüllen... Nationalismus ist schon schizophren.
Ach so hattest du es gemeint. Ja, stimmt. Mir ist die martialische Marschiererei und Brüllerei auf der Straße ("Ihr seid hier nicht willkommen", "Das ist unsere Stadt", "Ausländer raus" uswusf) in höchstem Maße suspekt. Ein Rückfall in die Steinzeit. Oder ein Wirrwarr der viel zitierten "Identitäten" ;)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 13:13)

Ach so hattest du es gemeint. Ja, stimmt. Mir ist die martialische Marschiererei und Brüllerei auf der Straße ("Ihr seid hier nicht willkommen", "Das ist unsere Stadt", "Ausländer raus" uswusf) in höchstem Maße suspekt. Ein Rückfall in die Steinzeit. Oder ein Wirrwarr der viel zitierten "Identitäten" ;)
Die da so herumbrüllen, das sind schwer enttäuschte Nationalisten. Während die Nationalisten, welche es noch einigermaßen gut geht, stramme Demokraten sind, Bürger eben, die im Falle des "sozialen Abstiegs" auch gern auf dumme Gedanken kommen. Die meisten wohl. Die Klügeren erklären sich ihre falsche Identifikation mit der Nation. Sogar Kommunisten sind schon auf diese Art entstanden.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 13:05)

Da erhebt sich die alte Frage, was zuerst da war, das Ei oder das Huhn. Denn bevor ich mal was zur so genannten "kulturellen Identität" sage, sind hier schon ellenlange leidenschaftliche (Leidenschaft erkennt man in der schriftlichen Kommunikation an häufigen Fettungen, Großschreibungen und Unterstreichungen) Abhandlungen zum Stichwort geschrieben worden. Leider mit keinem Argument bisher, das mich überzeugen konnte, dass es sich beim Begriff "kulturelle Identität" um eine Sache voller Wichtigkeit und Priorität in der politischen Debatte handeln könnte. Aber ich verspreche dir, ich rufe laut "hier", wenn ich etwas entdecke, das mich in meinen Überlegungen ein kleines Stück voranbringt :D
Tja - DIESE Frage leite ich an DICH weiter, denn DU bist diejenige, die a) den Begriff vor längerer Zeit überhaupt ins Gespräch gebracht und einen Thread dazu eröffnet hat, b) den Begriff politisch ideologisch aufgeladen hat, indem sie sich an einer Bewegung, die sich "identitär" nennt, aufgeilt, c) "die Sache (als solche)" mit der ideologischen Instrumentalisierung der Sache gleichsetzt und d) diejenige bist, die unterstellt "die Sache (als solche)" habe besondere Wichtigkeit und Priorität in der politischen Debatte.
DU bist diejenige, die die Tatsache dass gesellschaftliches und soziales Umfeld sowie die Kultur und deren Wertekanon in dem ein Individuum aufwächst, auch Einfluss auf die individuelle Identitätsentwicklung hat, diese mit prägt, leugnet bzw politisiert. (Prägung siehe zitierte Quelle)
Kulturelle Identität ist schlicht und ergreifend Teil der individuellen Identität und Persönlichkeitsentwicklung. Nicht mehr und nicht weniger!
Es ist halt so, da denkt niemand darüber nach, weder permanent noch überhaupt.
Also musst du DICH schon selber fragen, warum DU "die Sache" dermaßen politisch auflädst und ihr eine derartige Wichtigkeit beimisst.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Nö. Ich wurde aufgefordert dazu, einen Extra-Thread zur kulturellen Identität zu eröffnen, weil jemand (weiß nicht mehr, wer) die spezielle Diskussion aus einem anderen Strang ausklammern wollte. Was ich daraufhin tat. Und nein, ich leugne keine kulturellen Prägungen. Ich weiß nur immer noch nicht, warum das Thema "kulturelle Identität" so wichtig sein soll. Diese Frage stellte ich im Laufe der letzten Monate schon mindestens dreimal, erhielt aber keine Antwort darauf. Ich selbst weiß es schon, warum es seit einigen Jahren wieder schick ist, die eigene "kulturelle Identität" so prononciert hervorzuheben, wollte die Antwort aber gerne mal von anderen Usern hören, um möglicherweise neue Aspekte der Debatte sehen zu können. Aber es gibt nichts Neues. Und es ist auch alles gesagt worden dazu. "Wertekanon", auch so ein hübscher Begriff. "Heinrich, mir grauts vor dir".
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Dark Angel
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 14:03)

Nö. Ich wurde aufgefordert dazu, einen Extra-Thread zur kulturellen Identität zu eröffnen, weil jemand (weiß nicht mehr, wer) die spezielle Diskussion aus einem anderen Strang ausklammern wollte. Was ich daraufhin tat. Und nein, ich leugne keine kulturellen Prägungen. Ich weiß nur immer noch nicht, warum das Thema "kulturelle Identität" so wichtig sein soll. Diese Frage stellte ich im Laufe der letzten Monate schon mindestens dreimal, erhielt aber keine Antwort darauf. Ich selbst weiß es schon, warum es seit einigen Jahren wieder schick ist, die eigene "kulturelle Identität" so prononciert hervorzuheben, wollte die Antwort aber gerne mal von anderen Usern hören, um möglicherweise neue Aspekte der Debatte sehen zu können. Aber es gibt nichts Neues. Und es ist auch alles gesagt worden dazu. "Wertekanon", auch so ein hübscher Begriff. "Heinrich, mir grauts vor dir".
Ach ja? Und wer den Begriff "kulturelle Identität" überhaupt ins Gespräch gebracht und sich daran festgebissen hat, blendest du aus. Wer den Begriff politisch aufgeladen hat und permanent mit der "Identitären Bewegung" gebracht hat und bringt, blendest du ebenfall aus.
Nach deinen Motoven, warum kulturelle Identität für DICH so wichtig ist, warum alles, was mit der eigenen Kultur zusammenhängt, bei die zwanghaft räächts ist, das musst du dich schon selbst fragen.
ICH kann dir diese Frage nämlich NICHT beantworten!
Für MICH ist kulturelle Identität, als Teil meiner individuellen Identität nur in dem Zusammenhang wichtig, wie Humanismus, die Universalität der Menschenrechte, Aufklärung etc, als immanente Werte unserer Kultur, (sehr) wichtig sind.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Selina
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(13 Sep 2018, 14:29)

Ach ja? Und wer den Begriff "kulturelle Identität" überhaupt ins Gespräch gebracht und sich daran festgebissen hat, blendest du aus. Wer den Begriff politisch aufgeladen hat und permanent mit der "Identitären Bewegung" gebracht hat und bringt, blendest du ebenfall aus.
Nach deinen Motoven, warum kulturelle Identität für DICH so wichtig ist, warum alles, was mit der eigenen Kultur zusammenhängt, bei die zwanghaft räächts ist, das musst du dich schon selbst fragen.
ICH kann dir diese Frage nämlich NICHT beantworten!
Für MICH ist kulturelle Identität, als Teil meiner individuellen Identität nur in dem Zusammenhang wichtig, wie Humanismus, die Universalität der Menschenrechte, Aufklärung etc, als immanente Werte unserer Kultur, (sehr) wichtig sind.
Bei mir ist nichts "zwanghaft räächts", was mit der "eigenen Kultur" zusammenhängt. Ich weiß nur nicht, was du mit "eigener Kultur" eigentlich genau meinst. Da gibt es nichts Einheitliches. Einer wächst zweisprachig auf und besucht den internationalen Kindergarten, der nächste macht Karriere an einer ausländischen Hochschule und wieder einer inszeniert als Lateinamerikaner einen deutschen Klassiker in Berlin. Ich schaue mir Goethe im Theater genauso interessiert an wie Dario Fo, verehre James Baldwin genauso wie Gustave Flaubert. Meine "eigene Kultur" ist ganz sicher nicht identisch mit deiner "eigenen Kultur", um mal dieses merkwürdige Konstrukt zu gebrauchen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Joka »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 14:53)

Bei mir ist nichts "zwanghaft räächts", was mit der "eigenen Kultur" zusammenhängt. Ich weiß nur nicht, was du mit "eigener Kultur" eigentlich genau meinst. Da gibt es nichts Einheitliches. Einer wächst zweisprachig auf und besucht den internationalen Kindergarten, der nächste macht Karriere an einer ausländischen Hochschule und wieder einer inszeniert als Lateinamerikaner einen deutschen Klassiker in Berlin. Ich schaue mir Goethe im Theater genauso interessiert an wie Dario Fo, verehre James Baldwin genauso wie Gustave Flaubert. Meine "eigene Kultur" ist ganz sicher nicht identisch mit deiner "eigenen Kultur", um mal dieses merkwürdige Konstrukt zu gebrauchen.
Mit Kultur gemeint ist wohl unsere christlich abendländische gemeint. Heute kann man in dem Wirrwarr tatsächlich wenig noch davon erahnen. Tatsache ist: heute eher selten früher aber die Regel ist mit Kultur vor allem die Werte gemeint die man seinen Kindern früher noch mitgegeben hat. Stärke, treue, pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft, Respekt vor dem Alter, der Oma über die Straße helfen, im Zug Aufstehen, sonntags in die Kirche, essen alle zusammen etc etc. Die eigenen Wurzeln kennen, Loyalität, Vater und Mutter ehren. Führe diese Liste beliebig fort.

Heute ist das alles nicht mehr gegeben. Und wird durch den ganzen Kultur mischmasch nur verwässert und verfälscht.

Religion ist auch ein ganz wichtiger Faktor. Auch wenn meiner Meinung nach Religion verboten gehört. ( ja schon gut, schon gut, ist MEINE Meinung). Aber ich denke es wird damit so viel schobdluder getrieben und in einer modernen Welt ist für aufgeklärte Menschen kein Platz für Phantasie.

Nun alles was mit unserer Kultur zusammenhängt wird tatsächlich oft als rechts empfunden. Das hängt damit zusammen da die viel gepriesenen Deutschen Tugenden früher hochgehalten und gefördert worden.
Man muss erst so manches gelernt haben, ehe man über die Handlungsweise eines Anderen richtig urteilen kann

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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(13 Sep 2018, 14:53)

Bei mir ist nichts "zwanghaft räächts", was mit der "eigenen Kultur" zusammenhängt. Ich weiß nur nicht, was du mit "eigener Kultur" eigentlich genau meinst. Da gibt es nichts Einheitliches. Einer wächst zweisprachig auf und besucht den internationalen Kindergarten, der nächste macht Karriere an einer ausländischen Hochschule und wieder einer inszeniert als Lateinamerikaner einen deutschen Klassiker in Berlin. Ich schaue mir Goethe im Theater genauso interessiert an wie Dario Fo, verehre James Baldwin genauso wie Gustave Flaubert. Meine "eigene Kultur" ist ganz sicher nicht identisch mit deiner "eigenen Kultur", um mal dieses merkwürdige Konstrukt zu gebrauchen.
Sorry, aber den Kulturbegriff, wie ich ihn gebrauche, habe ich nun schon so oft erläutert, dass das selbst bei dir inzwischen angekommen sein müsste, aber ich wiederhole es extra für dich nochmal:
Der Begriff Kultur ist a) ein Erklärungsmodell für gesellschaftlich und historisch gewachsene Prozesse und b) (das Komplexe Ganze) die Gesamtheit der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Überzeugungen die Menschen, als Mitglieder der Gesellschaft, durch soziales Lernen erworben hat.
Und auch was ich mit "eigener Kultur" meine, habe ich bereits mehrfach dargelegt - nämlich unsere westliche/europäische Kultur, die ihre Wurzeln in der griechisch-römischen Antike hat.
Und JA - MEIN Kulturbegriff ist sehr viel weiter gesteckt, als deine enge, kleinkarierte Sichtweise!
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Joka »

Dark Angel hat geschrieben:(13 Sep 2018, 20:49)

Sorry, aber den Kulturbegriff, wie ich ihn gebrauche, habe ich nun schon so oft erläutert, dass das selbst bei dir inzwischen angekommen sein müsste, aber ich wiederhole es extra für dich nochmal:
Der Begriff Kultur ist a) ein Erklärungsmodell für gesellschaftlich und historisch gewachsene Prozesse und b) (das Komplexe Ganze) die Gesamtheit der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Überzeugungen die Menschen, als Mitglieder der Gesellschaft, durch soziales Lernen erworben hat.
Und auch was ich mit "eigener Kultur" meine, habe ich bereits mehrfach dargelegt - nämlich unsere westliche/europäische Kultur, die ihre Wurzeln in der griechisch-römischen Antike hat.
Und JA - MEIN Kulturbegriff ist sehr viel weiter gesteckt, als deine enge, kleinkarierte Sichtweise!

Dem ist nichts hinzuzufügen. Das hätte man nicht besser beschreiben können.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(13 Sep 2018, 20:49)

Sorry, aber den Kulturbegriff, wie ich ihn gebrauche, habe ich nun schon so oft erläutert, dass das selbst bei dir inzwischen angekommen sein müsste, aber ich wiederhole es extra für dich nochmal:
Der Begriff Kultur ist a) ein Erklärungsmodell für gesellschaftlich und historisch gewachsene Prozesse und b) (das Komplexe Ganze) die Gesamtheit der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Überzeugungen die Menschen, als Mitglieder der Gesellschaft, durch soziales Lernen erworben hat.
Und auch was ich mit "eigener Kultur" meine, habe ich bereits mehrfach dargelegt - nämlich unsere westliche/europäische Kultur, die ihre Wurzeln in der griechisch-römischen Antike hat.
Und JA - MEIN Kulturbegriff ist sehr viel weiter gesteckt, als deine enge, kleinkarierte Sichtweise!
Mir geht es auch so: Ich finde deine Sichtweise ebenfalls sehr kleinkariert. Schon, wie du über Kopftuch tragende muslimische Frauen redest, über Gender Studies, Leitkultur und Gleichstellung (siehe frühere Diskussionen), das klingt alles sehr eng und sehr bieder. Passend zum ständig erhobenen Zeigefinger. Nichts, was ich spannend oder anregend finden könnte. Wirklich interessant sind die internationalen Verflechtungen in Wissenschaft und Forschung, in Kunst und Literatur, im Alltagsleben, die unaufhaltsamen Prozesse der Internationalisierung.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Noch etwas, was nicht als Polemik oder als Antwort auf irgendeinen Kommentar hier gedacht ist, sondern nur als kleine Ergänzung: Dringend hinterfragt werden sollte diese ständige Betonung des "Wir"-Gefühls, der "eigenen Kultur", der "kulturellen Identität". Ohne Inhalt sind das leere propagandistische Begriffe. Kultur ist etwas Belebendes, Prozesshaftes, Bewegtes und Bewegendes, ständig von Einflüssen aus aller Welt durchdrungen, ständig in Bewegung, im Fluss. Da gibt es nichts Ewiges, Unantastbares, Heiliges, Götzenhaftes. Und schon gar nichts, was eine Kultur besser oder gar "wertvoller" als eine andere macht.
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