Uffzach hat geschrieben:(20 Jul 2018, 19:58)
Na sieh, wenn du "Gott oder Götter"
ablehnen musst, dann brauchst du vermutlich eine Weltsicht, in die diese Ablehnung eingebettet ist. Aber wozu braucht es einen "-ismus", wenn man einfach weiß, dass "Gott oder Götter" nicht existieren? ich weiß das, ganz ohne "-ismus".
Da bist du schon ganz nah an Kant ... mit den "menschlichen Denkstrukturen" mein ich.
Ich kann nur sagen, dass die meisten, die ich bisher getroffen habe, die sich "Atheisten" nannten, bei genauerem Hinhören einen anderen Sparren locker hatten: sie waren entweder Sozialisten/Kommunisten und/oder Humanisten oder sonstige -isten, zu deren Weltbild der Atheismus untrennbar gehört.
Zwei Dinge will ich hiermit anmerken:
1. Jemand, der die Existenz von Göttern ablehnt und sie aktiv bekämpft, ist ein Antitheist. Atheisten dagegen wollen nicht beweisen, dass es Götter auf keinen Fall gibt, sondern gehen darüber hinaus. Eigentlich ist die Frage also, ob es diese Fabelwesen oder aber das "Fliegende Spaghettimonster" gibt, für einen wahren Atheisten völlig unwichtig. Das atheistische Weltbild, wie ich es vertrete, kümmert sich also lieber um reale Probleme. Die Frage, ob nun irgendein göttliches Wesen X eine bestimmte Handlung Y von einem erwartet oder aber deren Gegenteil, spielt keine Rolle mehr. Tatsächlich ist es auch sinnlos, mit Beweisen aus beispielsweise der (Astro-)physik die NIchtexistenz von irgendwelchen Wesen aus der Metaphysik zu belegen.
2. Stichwort Humanisten: Jeder Mensch braucht ein wie auch immer geartetes Wertesystem. Das ist also nicht an sich falsch, wenn sich jemand zu einem humanistischen Weltbild bekennt. Ohne Wertesystem herrscht Chaos in den eigenen Empfindungen und Handlungen. An was soll man sich orientieren, wenn man kein Wertesystem hat? Im Übrigen ist selbst diese Position mit einem "-ismus" verknüpft. Es ist der Nihilismus.
Speziell den Humanismus halte ich für den besten aller Wertesysteme. Wenn er säkular und evolutionär begründet wird, dann heißt das doch nur, das er das Wohl der Menschen im Blick hat. Denn was ist denn sein Gegenteil? Wenn ein Nihilist oder Anhänger Machiavellis inhuman und menschenverachtend denkt und handelt, dann wird er ein Problem für die Gesellschaft. Ich weiß, dass es solche Psychopathen gibt. Wenn aber alle Leute gleichermaßen machiavellistisch, nihilistisch, inhuman und menschenverachtend denken und agieren, dann nennt sich dieser Zustand "Barbarei".
Als Humanist ist es einfach, sich auf demokratische Werte und die Menschenrechte zu berufen. Ich bin überzeugt, dass gerade wegen dieser Werte in unserer Gesellschaft kein Bürgerkrieg herrscht. Wer diese jedoch nicht anerkennt, ist eine Gefahr für die dünne Decke der Zivilisation.
Religionen wiederum geben zwar ebenfalls vor, sich um das Wohl der Menschen zu sorgen. Was aber ein Problem für mich ist: Sie stellen das Gotteswort über das Menschenwohl! Als moderner Mensch ist das für mich genau anders: Bei Abtreibungen zum Beispiel ist es wichtig für mich, dass die potentielle Mutter keinen Schaden erleidet. Der lebendige Mensch ist dabei das Maß aller Dinge. Fundamentalistische Gotteskrieger dagegen haben keine Hemmungen, für ihre Überzeugungen sogar gegen Menschen Gewalt anzuwenden, wenn das biblisch oder durch den Koran legitimiert wird. Warum auch sonst ist das tief christliche Land USA keines, in dem die Todesstrafe abgeschafft wird? Rein finanziell betrachtet ist die Durchführung einer Todesstrafe de facto teurer, als wenn man die Verbrecher lebenslänglich hinter Gitter bringt. Zumal es auch ungezählte Justizmorde gibt an Leuten, die eigentlich unschuldig waren. Aber die Amerikaner berufen sich hier vermutlich auf "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Und die göttlichen Gebote sind -genau so wie bei Abtreibungen- wichtiger als das Wohl der Menschen. Lieber soll eine schwangere Frau zu einer Engelmacherin gehen und dort unter größten Qualen verbluten!
Und vom Islam will ich schon gar nicht reden. Warum steht dort auch "Tötet!", wenn doch das Wohl der Menschen im Vordergrund stehen soll?
Ohne Wertesystem geht es also gar nicht. Der Unterschied zwischen säkularen Humanisten und streng religiösen Fundamentalisten ist nur dieser: Erstere kennen nur die diesseitige Welt an. Und, wenn es gut läuft, möchten sie, dass möglichst viele Menschen im Hier und Jetzt ein glückliches und im philosophischen Sinne gutes Leben leben können. Für die diesseitiige Welt gibt es auch handfeste Beweise, dass es uns und die anderen gibt. Wir leben in keiner Matrix. Die religiösen Fundamentalisten dagegen gründen ihr Wertesystem auf irgendwelche metaphysischen "Tatsachen", die aber nur in ihren eigenen Hirnen als Ideen existieren -also Götter, Geister, Dämonen oder auch ein wie auch immer geartetes Jenseits. Und auf diesen Phantasmen gründet ihr moralisches wie ethisches Wertesystem, in dem "Gottes Wille" über dem tatsächlichen Wohl der Mitmenschen steht.
Ich für meinen Teil bin als nicht ohne Grund Humanist. Zwar sind die ethischen Werte des Humanismus alle menschengemacht und als solche fehlerhaft. Aber man kann sie natürlich auch zum noch besseren verändern. Im Idealfall sind sie auch für jeden und jede verständlich. Was die religiösen ethischen Werte betrifft: Diese sind natürlich ebenfalls alle menschengemacht. Es wird aber so getan, als ob sie von einem höheren Wesen kommen würden, welches sich nie irren kann. Wenn jemand diese starren Regeln dann beispielsweise in einem islamischen Land in Frage stellt, anstatt sich ihnen sklavisch zu unterwerfen, dann wird argumentiert: 1. Das ist halt der ewige und unveränderliche Wille Gottes. Und als solcher unanfechtbar. 2. Wer laut dieses Denkmodell in Frage stellt, der wird halt für vogelfrei erklärt und ermordet.