Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

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H2O
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(10 Apr 2018, 11:10)

Wen wollen Sie alles draußen haben?
Ich will gar nicht darüber entscheiden. Ich will, daß Vertragsverletzungen mit dem Ausschluß aus der EU enden, wenn der betroffene Partner nach Feststellung der Vertragsverletzung nicht sofortige Besserung gelobt und die vertragskonforme Änderung nicht fristgerecht abarbeitet. Dazu sollte der Beschluß des EuGH ausreichen, also kein politisches Gemauschele in Brüssel. Ein wichtiger neuer Vertragspunkt ist der Korruptionsindex von Transparency International. Mindestens Platz 20 in der Bewertungsliste. Ansonsten ist Ende der Vorstellung.
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relativ
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von relativ »

Senexx hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:09)

Davon kann keine Rede sein. Nach Umffagen sind 70% gegen die Islamisierung Deutschlands, die Merkel betreibt.
Du hast aber nicht von Umfragen gesäuselt, sonder behauptet die Ungarn wurden befragt und wir Deutschen nicht, was ja so völlig falsch ist, wie Tom dir schon bewiesen hat.
Das Banale braucht man nicht zu schälen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Senexx »

relativ hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:14)

Du hast aber nicht von Umfragen gesäuselt, sonder behauptet die Ungarn wurden befragt und wir Deutschen nicht, was ja so völlig falsch ist, wie Tom dir schon bewiesen hat.
Die Regierung Merkel hatte kein Mandat, die Türen aufzumachen.

Die Regierung Orban hat die Schleußen erst gar nicht geöffnet, sich sogar geweigert, sich von der EU Immigration aufdrücken zu lassen, und dieser Kurs wurde nun eindrücklich bestätigt.
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relativ
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von relativ »

H2O hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:13)

Ich will gar nicht darüber entscheiden. Ich will, daß Vertragsverletzungen mit dem Ausschluß aus der EU enden, wenn der betroffene Partner nach Feststellung der Vertragsverletzung nicht sofortige Besserung gelobt und die vertragskonforme Änderung nicht fristgerecht abarbeitet. Dazu sollte der Beschluß des EuGH ausreichen, also kein politisches Gemauschele in Brüssel. Ein wichtiger neuer Vertragspunkt ist der Korruptionsindex von Transparency International. Mindestens Platz 20 in der Bewertungsliste. Ansonsten ist Ende der Vorstellung.
Nunja evtl. rächt sich jetzt die EU Vereinbahrung, daß quasi niemand aus der EU herrausgeschmissen werden kann.
Bleibt nur selber austreten und etwas Neues zu gründen, schön ist aber anders.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

think twice hat geschrieben:(09 Apr 2018, 21:02)

Gesamtausgaben der EU in Ungarn: 4,546 Milliarden Euro
Beitrag Ungarns zum EU-Haushalt: 0,924 Milliarden Euro
Das ist eine Milchmädchenrechnung. Ein nicht geringer Anteil dieser Fördergelder wird für Infrastrukturverbesserung mit dem Ziel ausgegeben, Investoren anzulocken. Für die gibt es dann auch direkte Förderung und Steuervergünstigung in den Anfangsjahren. Und irgendwann werden die Gewinne in die Herkunftsländer zurücktransferiert. Auch das Gesundheits- und vor allem das BIldungssystem gibt die EU-Förderungen in Form von Fachkräften an diese Unternehmen weiter. Gerade in und rund um die Universitätsstädte bilden sich solche Ansiedlungen. Und zwar in einem Maße (für ein relativ kleines Land), das alle Vorstellungen übersteigt. Summa summarum dürfte der eigentliche Netto-Rückfluss in erheblichem Maße eher aus Ungarn heraus erfolgen als herein.

Und dann muss man natürlich mal kritisch sagen: Du legst bei anderen Themen großen Wert auf eine kritische Bewertung aus Fakten und nicht aus dem Bauchgefühl heraus. Ungarn als "Entwicklungsland" zu sehen, geht nun wirklich aber völlig an allen Fakten vorbei.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

relativ hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:11)

Nun diese Selbsteinschätzung , oder besser gesagt Selbstüberschätzung könnte Teil des Problems so einiger Deutscher sein. Nur ist diese Arroganz nicht nur Grundsätzlich falsch, sondern m.M. auch gefährlich.
Sehen Sie, ich komme auch für mich ganz allein klar, wenn keine Banditen mich umkreisen. Aber viel besser ist es doch in einer Gemeinschaft, die sich gegenseitig schützt und stützt. Diese Arroganz bin ich mir ganz einfach schuldig. Ja, ganz gefährlich!
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:13)

Ich will gar nicht darüber entscheiden. Ich will, daß Vertragsverletzungen mit dem Ausschluß aus der EU enden, wenn der betroffene Partner nach Feststellung der Vertragsverletzung nicht sofortige Besserung gelobt und die vertragskonforme Änderung nicht fristgerecht abarbeitet. Dazu sollte der Beschluß des EuGH ausreichen, also kein politisches Gemauschele in Brüssel. Ein wichtiger neuer Vertragspunkt ist der Korruptionsindex von Transparency International. Mindestens Platz 20 in der Bewertungsliste. Ansonsten ist Ende der Vorstellung.
So etwas können Sie nur einstimmig machen. [...]
Zuletzt geändert von Brainiac am Di 10. Apr 2018, 19:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von relativ »

Senexx hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:16)

Die Regierung Merkel hatte kein Mandat, die Türen aufzumachen.
Wie jetzt schon etliche male bewiesen, brauchte Frau Merkel für ihr humanitäres Verhalten kein Mandat von den Deutschen und wenn bin ich mir sicher, daß sie dies in der Situation Ende 2015 auch bekommen hätte. Was danach alles schief lief hätte so wohl kein Bürger vorhersehen können.
Die Regierung Orban hat die Schleußen erst gar nicht geöffnet, sich sogar geweigert, sich von der EU Immigration aufdrücken zu lassen, und dieser Kurs wurde nun eindrücklich bestätigt.[
Auch falsch, erst nachdem Orban die Erfahrungen am Budapester Hauptbahnhof gemacht hat mit der humantitären Geste von Deutschland und Österreich für die Ungarn und die Flüchtlinge, hat sich Orban entschieden, Zäune zu bauen, weil er wohl auch wusste, daß er noch nicht mal den Durchgangsverkehr würde humantitär leisten können noch es wollen.
Zuletzt geändert von relativ am Di 10. Apr 2018, 14:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

relativ hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:16)

Nunja evtl. rächt sich jetzt die EU Vereinbahrung, daß quasi niemand aus der EU herrausgeschmissen werden kann.
Bleibt nur selber austreten und etwas Neues zu gründen, schön ist aber anders.
Tja, diese letztere Lösungsmöglichkeit ist schon Präsident Mitterand eingefallen, um korrupte Stinkstiefel abschieben zu können. Er war noch vorsichtig dabei mit der EU der verschiedenen Geschwindiglkeiten. Ich glaube, das hilft auf Dauer leider auch nicht. Da müssen klare Schnitte her, meinetwegen mit Gerichtsbeschluß am EuGH, um Willkür aus zu schließen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Und schon beim Threadtitel gerät etwas völlig aus dem Blickfeld: Der Unterschied nämlich zwischen einer Diktatur und einer Autokratie. Nicht um den (völlig zurecht) schlechten Ruf der ungarischen Regierung aufzuwerten. Sondern, weil wir sonst die gesamtpolitische Entwicklung in Europa und der Welt nicht verstehen werden. Trump, Putin, Erdogan, Kaczynski etc. sind keine verhassten Diktatoren sondern höchst charismatische Autokraten. Wenn der Kern des Problems darin bestünde, einer von einer Diktatur unterdrückten Mehrheit zur Freiheit zu verhelfen ... dann müsste man in irgendeiner Form dagegen vorgehen. Die Wirkung einer Diktaturunterstellung auf die große Anhängerschaft solcher charismatischen Führungsfiguren ist verheerend. Sie bringt immer nur neue Steil-Vorlagen für die Festigung dieser Anhängerschaft hervor.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Orbiter1 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:23)

Und schon beim Threadtitel gerät etwas völlig aus dem Blickfeld: Der Unterschied nämlich zwischen einer Diktatur und einer Autokratie. Nicht um den (völlig zurecht) schlechten Ruf der ungarischen Regierung aufzuwerten. Sondern, weil wir sonst die gesamtpolitische Entwicklung in Europa und der Welt nicht verstehen werden. Trump, Putin, Erdogan, Kaczynski etc. sind keine verhassten Diktatoren sondern höchst charismatische Autokraten. Wenn der Kern des Problems darin bestünde, einer von einer Diktatur unterdrückten Mehrheit zur Freiheit zu verhelfen ... dann müsste man in irgendeiner Form dagegen vorgehen. Die Wirkung einer Diktaturunterstellung auf die große Anhängerschaft solcher charismatischen Führungsfiguren ist verheerend. Sie bringt immer nur neue Steil-Vorlagen für die Festigung dieser Anhängerschaft hervor.
Ob nun Autokratie oder Diktatur. Das ändert im Kern nichts. Beides ist mit den Werten der EU, zu deren Einhaltung sich alle EU-Mitglieder verpflichtet haben, nicht vereinbar.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:19)

So etwas können Sie nur einstimmig machen. [...]
Sie sind offenbar der festen Überzeugung, daß die Suche nach sinnvollen und objektiven Lösungen Mist ist, und nur das Zertrümmern ist gut. Meinetwegen; beeindruckt mich allenfalls Ihre Unhöflichkeit.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von relativ »

Orbiter1 hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:27)

Ob nun Autokratie oder Diktatur. Das ändert im Kern nichts. Beides ist mit den Werten der EU, zu deren Einhaltung sich alle EU-Mitglieder verpflichtet haben, nicht vereinbar.
Es ist doch schon ein Witz, daß man mit Anti europäischen Wahlkampf eine 2/3 Mehrheit bekommt, aber nächste Woche wieder bei der EU in Brüssel die Hand für Subventionen aufhält. Man könnte echt nur noch kotzen, was echte Europäer alles ertragen muessen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:27)

Sie sind offenbar der festen Überzeugung, daß die Suche nach sinnvollen und objektiven Lösungen Mist ist, und nur das Zertrümmern ist gut. Meinetwegen; beeindruckt mich allenfalls Ihre Unhöflichkeit.
Das Suchen nach Lösungen nicht, aber ihre absurden, radikalen Ideen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:34)

Das Suchen nach Lösungen nicht, aber ihre absurden, radikalen Ideen.
Darüber wäre doch zu streiten, denn gar keine Lösung ist noch nicht einmal absurd.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Orbiter1 hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:27)

Ob nun Autokratie oder Diktatur. Das ändert im Kern nichts. Beides ist mit den Werten der EU, zu deren Einhaltung sich alle EU-Mitglieder verpflichtet haben, nicht vereinbar.
Die Crux besteht (u.a.) darin. dass zu diesen Werten Rechtsstaatlichkeit gehört. Und dass ein Ausshluss von daher nur über den Weg formal eingehaltener Regel erfolgen kann. Den meisten ist das eine mehr oder weniger durchgezogene Beispiel von EU-Sanktionen noch im Gedächtnis.: Die diplomatische Isolierung der österreichischen Regierung mit Haider-Beteiligung 2000. Ich behaupte: Solange die Fidesz (wie auch die Berlusconi-Partei) nicht nur Mitglied der größten EU-Parlamentsfraktion EVP bleibt sonder jemand wie Orbán auch aktuell von anderen Parteien wie CSU offensiv verteidigt und als "lieber Freund" bezeichnet wird, ist an einen für Sanktionen notwendigen gemeinsamen Willen zur Verteidigung der EU-Werte nicht im entferntesten auch nur zu denken. Meiner Ansicht nach hat sich in Europa eine Art Parallelwelt gebildet. Die Welt der großen Unternehmen, der Lobbyverbände, der international agierenden Firmen und Banken. Die ihre eigeneAgenda hat. Der teilentmündigten Welt der Politik, Regierungen und Parlamente bleibt ein rhetorisches Bekenntnis zu "Werten". Viel mehr aber auch nicht.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von relativ »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:45)

Die Crux besteht (u.a.) darin. dass zu diesen Werten Rechtsstaatlichkeit gehört. Und dass ein Ausshluss von daher nur über den Weg formal eingehaltener Regel erfolgen kann. Den meisten ist das eine mehr oder weniger durchgezogene Beispiel von EU-Sanktionen noch im Gedächtnis.: Die diplomatische Isolierung der österreichischen Regierung mit Haider-Beteiligung 2000. Ich behaupte: Solange die Fidesz (wie auch die Berlusconi-Partei) nicht nur Mitglied der größten EU-Parlamentsfraktion EVP bleibt sonder jemand wie Orbán auch aktuell von anderen Parteien wie CSU offensiv verteidigt und als "lieber Freund" bezeichnet wird, ist an einen für Sanktionen notwendigen gemeinsamen Willen zur Verteidigung der EU-Werte nicht im entferntesten auch nur zu denken. Meiner Ansicht nach hat sich in Europa eine Art Parallelwelt gebildet. Die Welt der großen Unternehmen, der Lobbyverbände, der international agierenden Firmen und Banken. Die ihre eigeneAgenda hat. Der teilentmündigten Welt der Politik, Regierungen und Parlamente bleibt ein rhetorisches Bekenntnis zu "Werten". Viel mehr aber auch nicht.
Ich gebe dir Recht, von der großen Vision eines gemeinsamen Europas ist nicht mehr viel übrig.
Mom. überwiegen die Stimmen vom Stamme Nimm, bzw sind diese am lautesten
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

relativ hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:32)

Es ist doch schon ein Witz, daß man mit Anti europäischen Wahlkampf eine 2/3 Mehrheit bekommt, aber nächste Woche wieder bei der EU in Brüssel die Hand für Subventionen aufhält. Man könnte echt nur noch kotzen, was echte Europäer alles ertragen muessen.
Man hält von seiten Ungarns nicht "die hand auf". Das ganze Bild suggeriert, dass "Brüssel" quasi das Staatswesen in Ungarn aufrecht erhält. Es ist in der Realität aber völlig anders. Die EU-Fördergelder halten zu ganz wesentlichen Teilen die Auslagerung von produktions- und Entwicklungskapazitäten in Ländern wie Ungarn (in Form von Infrastrukturmaßnahmen und Vergünstigungsanlockungen) am Laufen. In denen (auch deutsche) Unternehmen produzieren und entwickeln und am Ende summa summarum für Deutschland mehr herausholen als durch die (im Verhältnis zum BIP eigentlich eher marginalen) EU-Beträge hereingeholten Beträge. Weiterhin nur eine Erzählung und inzwischen ein völlig falsches Bild ist die Metapher von der "verlängerten Werkbank". In Ungarn betreiben Unternehmen wie Bosch, Audi oder Mercedes mehr und mehr Entwicklungszentren. Deutsche Ingenieure sind inzwischen Mangelware. Und genauso falsch wäre es, diese Richtigstellungen als einen Aufwertungsversuch der ungarischen Regierungspolitik zu werten. Diese Politik ist im Namen der europäischen Werte nur zu verurteilen. Sie werden aber von dern wirklich entscheidenden Akteuren - den globalen Unternehmen - längst nicht mehr in dem notwendigen Maße geteilt. So wie Audi in Ungarn eines der größten Fahrzeugentwicklungszentren weltweit betreibt und der Deutsche Industrieinteressenverband in Ungarn höchst zwielichtigen Politikern dort Preise spendet und mit der Regierung quasi auf Du und Du ist, macht die Deutsche Bank in Russland krumme Geschäfte. Usw. In dieser Richtung ist das Grundproblem zu suchen.
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Brainiac
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Brainiac »

[MOD] Einige Off Topic-Beiträge entsorgt. Andere habe ich drin gelassen, obwohl sie eher in das "Quo vadis, EU"-Thema gehören würden. Die Grundsatzdiskussionen zur EU sollten dort weitergeführt werden.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Skeptiker »

Orbiter1 hat geschrieben:(10 Apr 2018, 14:07)
Sie meinen so etwas wie Minderheitenschutz aus den Werten der EU herausnehmen und wie der OSZE-Wahlbeobachter festgestellt hat Einschränkungen bei der Pressefreiheit mit reinnehmen? Nein danke, da sollte man die Werte so belassen wie sie sind und alle die mit diesen Werten ein Problem haben ausschließen. Die können ja dann ihre Ost-EU gründen. Mit ihren Werten wie Fremdenfeindlichkeit, Einschränkungen bei der Pressefreiheit oder Korruption die, wie die rumänische Regierung vorschlägt, erst ab 50.000 € aufwärts einen Gesetzesbruch darstellt.
Kann es sein, dass Sie mich absichtlich missverstehen? Habe ich den Eindruck erweckt Minderheitenschutz solle man abschaffen? Sie meinen ich will die Demokratie abschaffen? Unsinn!

Schade dass es in den Augen vieler offenbar nur zwei Gesellschaftsmodelle zu geben scheint: Einen rechtsfaschistischen Polizeistaat oder der Drift in eine rorarot altruistische Hippierepublik mit Kirchentagsfaire. Vollkommen abwegig etwas in der Mitte zu suchen ... :rolleyes:
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Orbiter1 »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Apr 2018, 20:46)

Kann es sein, dass Sie mich absichtlich missverstehen? Habe ich den Eindruck erweckt Minderheitenschutz solle man abschaffen?
Den Minderheitenschutz hatte ich nur beispielhaft genannt. Welche der bisherigen Werte der EU wollen sie denn abschaffen weil die Osteuropäer damit nicht zurecht kommen? Hier nochmal die aktuell geltenden Werte der EU.

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Die Achtung der Menschenwürde muß man wohl abschaffen. Wir schieben ja aktuell keine Flüchtlinge mehr nach Ungarn zurück weil sie dort menschenunwürdig behandelt werden. https://meta.tagesschau.de/id/126540/bu ... ach-ungarn Die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören muß man dann wohl auch streichen. Aufgrund der ausgeprägten Fremdenfeindlichkeit, das zentrale Thema mit dem Orban seinen Wahlkampf geführt hat muß man auch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz und Solidarität streichen. Was bleibt denn dann noch an gemeinsamen Werten übrig? Oder schwebt ihnen eine komplett wertefreie EU vor? Jedes Land darf sich sein Regierungssystem aussuchen (von Demokratie bis Diktatur) und das Gemeinsame besteht neben möglichst viel Geld verdienen in der Abwehr von Flüchtlingen?
Sie meinen ich will die Demokratie abschaffen? Unsinn!
Sie vielleicht nicht, Orban und Kaczynski sind aber bereits nachweisbar dabei, s. EU-Verfahren.
Schade dass es in den Augen vieler offenbar nur zwei Gesellschaftsmodelle zu geben scheint: Einen rechtsfaschistischen Polizeistaat oder der Drift in eine rorarot altruistische Hippierepublik mit Kirchentagsfaire. Vollkommen abwegig etwas in der Mitte zu suchen ... :rolleyes:
Dann beschreiben sie doch einmal diese Mitte und deren Werte.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Apr 2018, 13:41)

Ja. Leider, leider. Alles Richtung Mitte und Links jenseits von Fidesz ist zerstritten und gespalten. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite aber ist: Alles, was ab und einschließlich Fidesz Richtung rechts ist, ist - zumindest weit weniger - zerstritten. Auch europaweit. Es haben sicherlich nicht wenige den demonstrativen Zusammenhalt von CSU und Fidesz innerhalb der EVP anlässlich der letzten Wahl in den Medien mitbekommen. Und noch einmal um einiges größer ist der Zusammenhalt der ungarischen Regierung mit ausländischen Investoren. Das ist die eigentliche Quelle des enormen Selbstbewusstseins, das Politiker wie Orbán oder Kaczynski an den Tag legen. Und auch weil dieses Geschäft (zumindest in wichtigen Teilregionen) läuft wie geschmiert und Arbeitsplätze, Einkommen und nicht zuletzt auch Steuereinnahmen generiert, werden diese Politiker gewählt. Selbstverständlich - wie viele Medien suggerieren - nicht ausschließlich wegen Zustimmung zu einer restriktiven Fremdenpolitik. Glaubt man wirklich, die Ungarn und Polen seien komplett dumm und denken nicht auch an ihren eigenen langfristigen Wohlstand und den ihrer Familien? Mit der Forderung nach Kürzung der EU-Fördergelder machen sich die Grünen (zum Beispiel) etwas vor. Das wird oder würde politisch so gut wie nix bewirken.
Es ist sicher nicht überspitzt zu konstatieren, dass sich die CSU als Schwesterpartei etabliert hat.
Auch wenn Weber die Schwierigkeiten innerhalb der EVP mit Orbans verbalisiert, kann er keinen Lösungsvorschlag vorweisen. Will er auch nicht, da er Orban und seine Fidesz als Schwesterpartei betrachtet.

Es bleibt aber nach wie vor ein Problem der EU, Orban mit seiner Fidesz soweit zu reglementieren, dass die Vorgaben, die einst Vorbedingung für Beitritt darstellten eingehalten werden. Nicht zuletzt, um einer weiteren Spaltung Einhalt zu gebieten. Ich erwarte Maßnahmen. Wie diese zu gestalten sind, ob über eine Kombination von Rechtsstaatlichkeitsverfahren, welches von Polen boykottiert werden wird, und struktureller Umschichtung finanzieller Unterstützung, oder ähnlich zügelnder Maßnahmen das überlasse ich der EU, davon ausgehend, dass eine Trennung von beiden Seiten unerwünscht ist. Dazu kommt, sollte die EU in der Lage sein, die Auswüchse von Orbans Fidesz zu zügeln, wird das ebenfalls seinen Effekt auf die polnische Regierung haben.

Denn dass etwas passieren muss, darüber sind wir uns doch einig?
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

JJazzGold hat geschrieben:(11 Apr 2018, 08:51)

...

...Denn dass etwas passieren muss, darüber sind wir uns doch einig?
Die EU kann aber nichts bewirken, weil in ihrem Regelwerk niemand den Fall vorgesehen hatte, daß sich gleich mehrere Mitglieder in Gegenrichtung bewegen würden. Eine völlig verfahrene Kiste.

Präsident Macron mit seinem Plan für die Euro-Zone ist die einzige technisch saubere Möglichkeit, sich von diesen Leuten zu lösen. Da will aber die deutsche Seite nicht hin, weil sie das große Ganze retten möchte, das längst verloren ist.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von JJazzGold »

H2O hat geschrieben:(11 Apr 2018, 09:19)

Die EU kann aber nichts bewirken, weil in ihrem Regelwerk niemand den Fall vorgesehen hatte, daß sich gleich mehrere Mitglieder in Gegenrichtung bewegen würden. Eine völlig verfahrene Kiste.

Präsident Macron mit seinem Plan für die Euro-Zone ist die einzige technisch saubere Möglichkeit, sich von diesen Leuten zu lösen. Da will aber die deutsche Seite nicht hin, weil sie das große Ganze retten möchte, das längst verloren ist.
So negativ betrachte ich das nicht, immerhin ist es der EU, besser gesagt der EVP, schon gelungen, Orban einzunorden. Zudem muss man auch Wahlkampfgetöse und aktueller Politik betrachten. Orban hat jetzt ein mindestens ebenso großes Problem mit seinen Versprechungen im Wahlkampf, wie die EU mit ihm und seinem Wahlkampfgetöse. Er muss innenpolitisch seinen Wählern glaubhaft erläutern, weshalb er die EU während seines Wahlkampfs als Feindbild verkauft und sich doch von ihr nicht löst, sonder sich ggfls. sogar deren Vorgaben beugt.

Das große Ganze benötigt viel Zeit, um sich zu konsolidieren. Je besser es den einzelnen Partnern geht, desto vollmundiger treten sie in der angeblichen Wahrung ihrer nationalen Interessen auf. Die kleinste externe Krise führt in der Regel zur Besinnung. Das muss man manchmal auch eine Zeit laufen lassen, im Vertrauen darauf, dass auch oder gerade externe Persönlichkeiten und Ereignisse, die Besinnung auf Einigkeit macht stark generieren werden. Denn auch Orban und Kaczyński ist bewusst, dass sie als nationale Inseln im heutigen Europa wenig Überlebenschancen haben. Man muss man seitens der EU ergo nur verhindern, dass sie sich als solche innerhalb der EU gebärden und den spaltenden östlichen Schulterschluß generieren.

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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

JJazzGold hat geschrieben:(11 Apr 2018, 09:45)

So negativ betrachte ich das nicht, immerhin ist es der EU, besser gesagt der EVP, schon gelungen, Orban einzunorden. Zudem muss man auch Wahlkampfgetöse und aktueller Politik betrachten. Orban hat jetzt ein mindestens ebenso großes Problem mit seinen Versprechungen im Wahlkampf, wie die EU mit ihm und seinem Wahlkampfgetöse. Er muss innenpolitisch seinen Wählern glaubhaft erläutern, weshalb er die EU während seines Wahlkampfs als Feindbild verkauft und sich doch von ihr nicht löst, sonder sich ggfls. sogar deren Vorgaben beugt.

Das große Ganze benötigt viel Zeit, um sich zu konsolidieren. Je besser es den einzelnen Partnern geht, desto vollmundiger treten sie in der angeblichen Wahrung ihrer nationalen Interessen auf. Die kleinste externe Krise führt in der Regel zur Besinnung. Das muss man manchmal auch eine Zeit laufen lassen, im Vertrauen darauf, dass auch oder gerade externe Persönlichkeiten und Ereignisse, die Besinnung auf Einigkeit macht stark generieren werden. Denn auch Orban und Kaczyński ist bewusst, dass sie als nationale Inseln im heutigen Europa wenig Überlebenschancen haben. Man muss man seitens der EU ergo nur verhindern, dass sie sich als solche innerhalb der EU gebärden und den spaltenden östlichen Schulterschluß generieren.

So wohlgemut sehe ich unsere Entwicklung nicht. Da gibt es schon eine wachsende Anzahl nationalstaatlich ausgerichteter Mitgliedländer mit den Visegrad-Staaten als Ausgangspunkt. Das darf man einfach nicht übersehen... es lohnt sich nicht, loyal die Ziele der EU zu befolgen und zu vertreten. Dann fühlt sich der Getreue vielleicht ganz gut, aber das Ding geht weiter in die Hose. Ich kann's nicht ändern, muß aber auf diesen abschüssigen Weg hinweisen. Ganz schnell die Kurve ziehen!
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von JJazzGold »

H2O hat geschrieben:(11 Apr 2018, 09:55)

So wohlgemut sehe ich unsere Entwicklung nicht. Da gibt es schon eine wachsende Anzahl nationalstaatlich ausgerichteter Mitgliedländer mit den Visegrad-Staaten als Ausgangspunkt. Das darf man einfach nicht übersehen... es lohnt sich nicht, loyal die Ziele der EU zu befolgen und zu vertreten. Dann fühlt sich der Getreue vielleicht ganz gut, aber das Ding geht weiter in die Hose. Ich kann's nicht ändern, muß aber auf diesen abschüssigen Weg hinweisen. Ganz schnell die Kurve ziehen!
Es ist schon richtig beobachtet, dass Nationalismus zur Zeit wieder Aufwind bekommt, aber H2O, wie wäre er besser zu zügeln, als in einer Allianz, deren Vorgaben sich jedes Mitglied vorab verpflichtet hat?
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

JJazzGold hat geschrieben:(11 Apr 2018, 11:20)

Es ist schon richtig beobachtet, dass Nationalismus zur Zeit wieder Aufwind bekommt, aber H2O, wie wäre er besser zu zügeln, als in einer Allianz, deren Vorgaben sich jedes Mitglied vorab verpflichtet hat?
Ganz schlicht durch Ansage, Verwarnung und Rausschmiß bei anhaltender Hartleibigkeit. Da Rausschmiß technisch nicht möglich ist: Eigene Wege gehen mit Gleichgesinnten.
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Orbiter1
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Orbiter1 »

Skeptiker hat geschrieben:(09 Apr 2018, 21:52)

Ich bin mir sehr sicher, dass die östlichen Staaten sich die Demokratie nicht nehmen lassen werden.
Die Ungarn können sie mit ihrer Aussage jedenfalls nicht gemeint haben. Die haben Orban bei den Wahlen ja mit verfassungsändernder Mehrheit wieder bestätigt. Den Ungarn ist eine saftige Kindergelderhöhung und ein 2 m höherer Grenzzaun lieber als dieses Rechtsstaats- und Demokratiegedöns. In Ungarn sieht es nach einem Bericht des Europäischen Parlaments wie folgt aus. Aktuell jedenfalls, Orban wird das sicher weiter in seinem Sinn Veränderungen vornehmen.

"In der jüngsten Analyse des Europäischen Parlaments wird verwiesen auf Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Forschungsfreiheit, eine Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems und von Nichtregierungsorganisationen. Darüber hinaus werden Korruption sowie Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen genannt. Diese "Fakten und Trends zusammengenommen stehen für eine beginnende systemische Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte in Ungarn", resümierte die Berichterstatterin Judith Sargentini vor den Abgeordneten in Brüssel. "Die Zeit der Warnungen ist vorbei", sagte die niederländische Politikerin. In einem Resolutionsentwurf empfahl sie, ein Sanktionsverfahrens wegen Gefährdung von EU-Grundwerten einzuleiten, wie es bereits gegen Polen läuft." Quelle: http://www.dw.com/de/eu-parlamentsberic ... a-43354598

Deswegen noch einmal meine Frage. Welche Werte der EU sollen gestrichen werden damit Länder wie Ungarn und Polen in der EU bleiben können? Welche Werte sollen es sein mit denen sich sowohl die EU-West als auch die EU-Ost identifizieren können? Ich seh die nicht.
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H2O
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Apr 2018, 12:58)

...
...
... Deswegen noch einmal meine Frage. Welche Werte der EU sollen gestrichen werden damit Länder wie Ungarn und Polen in der EU bleiben können? Welche Werte sollen es sein mit denen sich sowohl die EU-West als auch die EU-Ost identifizieren können? Ich seh die nicht.
Vermutlich bleibt immer eine mitmenschliche Hoffnung auf einen tragfähigen Kompromiß. Wie bringt man aber Dinge zusammen, die sich völlig ausschließen? Je länger man diese Hoffnung "mit aller Gewalt" aufrecht erhält, desto größer die Gefahr eines ganz großen Zusammenstoßes in Wut und Enttäuschung.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Vongole »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Apr 2018, 12:58)

Die Ungarn können sie mit ihrer Aussage jedenfalls nicht gemeint haben. Die haben Orban bei den Wahlen ja mit verfassungsändernder Mehrheit wieder bestätigt. Den Ungarn ist eine saftige Kindergelderhöhung und ein 2 m höherer Grenzzaun lieber als dieses Rechtsstaats- und Demokratiegedöns. In Ungarn sieht es nach einem Bericht des Europäischen Parlaments wie folgt aus. Aktuell jedenfalls, Orban wird das sicher weiter in seinem Sinn Veränderungen vornehmen.

"In der jüngsten Analyse des Europäischen Parlaments wird verwiesen auf Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Forschungsfreiheit, eine Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems und von Nichtregierungsorganisationen. Darüber hinaus werden Korruption sowie Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen genannt. Diese "Fakten und Trends zusammengenommen stehen für eine beginnende systemische Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte in Ungarn", resümierte die Berichterstatterin Judith Sargentini vor den Abgeordneten in Brüssel. "Die Zeit der Warnungen ist vorbei", sagte die niederländische Politikerin. In einem Resolutionsentwurf empfahl sie, ein Sanktionsverfahrens wegen Gefährdung von EU-Grundwerten einzuleiten, wie es bereits gegen Polen läuft." Quelle: http://www.dw.com/de/eu-parlamentsberic ... a-43354598

Deswegen noch einmal meine Frage. Welche Werte der EU sollen gestrichen werden damit Länder wie Ungarn und Polen in der EU bleiben können? Welche Werte sollen es sein mit denen sich sowohl die EU-West als auch die EU-Ost identifizieren können? Ich seh die nicht.
Keine. Die ungarische Regierung verstößt, offensichtlich mit Billigung vieler ihrer Wähler, gegen elementare Menschenrechte.
Die EU sollte also mit allen ihr gebotenen Möglichkeiten dagegen vorgehen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Vongole hat geschrieben:(12 Apr 2018, 17:03)

Keine. Die ungarische Regierung verstößt, offensichtlich mit Billigung vieler ihrer Wähler, gegen elementare Menschenrechte.
Die EU sollte also mit allen ihr gebotenen Möglichkeiten dagegen vorgehen.
An der Wirkung von Gegenmaßnahmen zweifele ich dann doch. Die hätte man viel früher ansetzen müssen. Jetzt hat sich schon ein Bündnis solcher Staaten gebildet, das gemeinsam gegen angedachte Maßnahmen der EU vorgehen will. Die Visegrad-Gruppe hat sich bereit erklärt, das Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen zu vereiteln, und die Gegenrichtung halte ich für naheliegend.

Damit könnte Polen nicht das Stimmrecht in der EU aberkannt werden, und Ungarn eben auch nicht. Die EU ist Gefangener des eigenen Regelwerks, das in solchen wichtigen Fragen Einstimmigkeit vorsieht.

Was vielleicht geht, das wäre die Abspaltung der Euro-Gruppe, oder wenigstens eines Teils davon von der EU in einer EU-Kerngruppe, die ihre inneren und äußeren Angelegenheiten wie ein einziger Staat betreibt... politisch, wirtschaftlich, finanziell, Außengrenzen... ohne ansonsten die EU an zu fassen.

Auch dieser Ansatz scheint wenig Gegenliebe zu finden. Damit wäre dann aber die EU gescheitert. Der Lissabonvertrag ist dann ein sinnloses Unterfangen geworden.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(11 Apr 2018, 08:51)

Es ist sicher nicht überspitzt zu konstatieren, dass sich die CSU als Schwesterpartei etabliert hat.
Auch wenn Weber die Schwierigkeiten innerhalb der EVP mit Orbans verbalisiert, kann er keinen Lösungsvorschlag vorweisen. Will er auch nicht, da er Orban und seine Fidesz als Schwesterpartei betrachtet.

Es bleibt aber nach wie vor ein Problem der EU, Orban mit seiner Fidesz soweit zu reglementieren, dass die Vorgaben, die einst Vorbedingung für Beitritt darstellten eingehalten werden. Nicht zuletzt, um einer weiteren Spaltung Einhalt zu gebieten. Ich erwarte Maßnahmen. Wie diese zu gestalten sind, ob über eine Kombination von Rechtsstaatlichkeitsverfahren, welches von Polen boykottiert werden wird, und struktureller Umschichtung finanzieller Unterstützung, oder ähnlich zügelnder Maßnahmen das überlasse ich der EU, davon ausgehend, dass eine Trennung von beiden Seiten unerwünscht ist. Dazu kommt, sollte die EU in der Lage sein, die Auswüchse von Orbans Fidesz zu zügeln, wird das ebenfalls seinen Effekt auf die polnische Regierung haben.

Denn dass etwas passieren muss, darüber sind wir uns doch einig?
Darüber sind wir uns absolut einig. Kritiker im eigenen Land sind in Ungarn vor allem die Menschen, die man gemeinhin als "Kulturschaffende" zusammenfasst. Ildikó Enyedi zum Beispiel ist die Regisseurin des Films "On Body and Soul", der voriges Jahr den Goldenen Bären der Berlinale gewann. Sie ist mit dem deutschen Germanisten Wilhelm Droste verheiratet, der seit sehr langer Zeit in Budapest lebt und sich dort u.a. als Herausgeber betätigt. Spricht man mit Menschen wie diesen, so trifft man in allerjüngster Zeit auf geradezu Verzweifeltheit über die aktuelle Situation. Denn anders als in einer Diktatur, in der Oppositionelle und kritisch eingestellte Menschen - zumindest wenn sie nicht total unterdrückt werden - in der Regel Gemeinschaften bilden - ist man in einem Land mit einer charismatischen und von vielen bejubelten Persönlichkeit an der Spitze mehr oder weniger allein und umgeben von überzeugten Befürwortern. Man muss sich allerdings davor hüten, zu meinen, wir hier in Deutschland seien Lichtjahre von einer solchen Gesellschaft entfernt. Sind wir nicht. "Audi und Daimler: Distanziert euch von den Autokraten! Unternehmen wie Audi und Daimler legitimieren Ungarns und Polens Politik." war ein Artikel in der ZEIT 2017 überschrieben (http://www.zeit.de/2017/39/audi-daimler ... autokraten), in der der Politologe Thorsten Brenner sich an die Wirtschaft wendet. Aber wenn er in ebendiesem Artikel Audi-Chef Stadler mit "Wir fühlen uns zu Hause in Ungarn" zitiert und darauf hinweist, dass die von Unternehmen wie diesem finanzierte Lobbyorganisation "Deutscher Wirtschaftsclub Ungarn" Leute wie Orbáns antisemitisch angehauchte Chefideologin Mária Schmidt mit Preisen beehrt, dann klingt diese Forderung in meinen Ohren ziemlich hilflos. Die europäische Politik distanziert sich realiter nicht von der ungarischen Regierungspartei, nur verbal. Die Wirtschaft, speziell die mit Sitz in Deutschland denkt nicht im Traum daran, sich zurückzuziehen. Neben Polen nähert sich inzwischen Nachbar Österreich politisch an. Ja. Es müsste etwas passieren. Aber was, das weiß ich auch nicht.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Nomen Nescio »

die kugel ist durch die kirche, soros-university siedelt um nach wien. das machte sie heute bekannt.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von DieBananeGrillt »

Ausgerechnet die Länder wo früher Kommunismus an der Tagesordnung war, wollen nun wieder in Richtung Diktatur streben, weil angeblich der starke Mann im Staat gefehlt hatte, der das Chaos der Nichtverantwortlichkeit nicht im Griff hatte.
Sollen sich die Länder doch auskotzen darüber, das nicht der Einzelne verantwortlich ist, sondern nur der Führer eines Staates.
Demokratie ist aber auch lernbar, man muß nicht zwischen Extremen hin-und her schwanken.
In Ungarn, wie auch in Polen oder auch in Ostdeutschland ist der Weg nur darüber lernbar, das erst ein Diktator kommen muß, um anschließend den Weg in die Demokratie zu finden.
Das kann dauern.
Die nächsten Generationen werden Erfahrungen machen und den weiteren Weg bestimmen.
Vielleicht werden sie handlungsfähig sein.
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H2O
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

DieBananeGrillt hat geschrieben:(03 Dec 2018, 17:50)

Ausgerechnet die Länder wo früher Kommunismus an der Tagesordnung war, wollen nun wieder in Richtung Diktatur streben, weil angeblich der starke Mann im Staat gefehlt hatte, der das Chaos der Nichtverantwortlichkeit nicht im Griff hatte.
Sollen sich die Länder doch auskotzen darüber, das nicht der Einzelne verantwortlich ist, sondern nur der Führer eines Staates.
Demokratie ist aber auch lernbar, man muß nicht zwischen Extremen hin-und her schwanken.
In Ungarn, wie auch in Polen oder auch in Ostdeutschland ist der Weg nur darüber lernbar, das erst ein Diktator kommen muß, um anschließend den Weg in die Demokratie zu finden.
Das kann dauern.
Die nächsten Generationen werden Erfahrungen machen und den weiteren Weg bestimmen.
Vielleicht werden sie handlungsfähig sein.
Wäre die Hinwendung zur Diktatur einer Person oder einer Partei klar erkennbar, dann müßte dieser Partnerstaat seinen Weg zur Demokratie außerhalb der EU suchen. Sowohl Polen als auch Ungarn müssen sich mit Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH auseinander setzen. Ein Schuldspruch ohne sofortige Umkehr würde hohe Geldstrafen nach sich ziehen. Polen beginnt schon ein zu lenken in Sachen "Durchgriff der Regierung in die Besetzung des Verfassungsgerichts". Polen hat erkannt, daß Kumpanei mit gleichgesinnten Parteienfamilien im EU-Parlament kein Schutz gegen diese Strafen sein wird.
Ger9374

Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Ger9374 »

Der Rückzug oder das Einlenken bei den Richterposten und deren Besetzung in Polen hat aber einen schalen Beigeschmack . Lange konnte die PIS sich damit als stark gegenüber Brüssel
profilieren. Die eigene Opposition in Polen schien auch machtlos gar uninteressiert.Es mag jetzt alles zum Vorteil des Polnischen Rechtsstaates
auszugehen, aber das Brüsseler Vorgehen war doch Recht behäbig. Zu schwerfällig mahlen da die Mühlen. Andererseits kam es so zu keiner weiteren Stufe der Eskalation, die propagandistisch hätte ausgenutzt werden können!
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(03 Dec 2018, 22:26)

Der Rückzug oder das Einlenken bei den Richterposten und deren Besetzung in Polen hat aber einen schalen Beigeschmack . Lange konnte die PIS sich damit als stark gegenüber Brüssel
profilieren. Die eigene Opposition in Polen schien auch machtlos gar uninteressiert.Es mag jetzt alles zum Vorteil des Polnischen Rechtsstaates
auszugehen, aber das Brüsseler Vorgehen war doch Recht behäbig. Zu schwerfällig mahlen da die Mühlen. Andererseits kam es so zu keiner weiteren Stufe der Eskalation, die propagandistisch hätte ausgenutzt werden können!
Ich lobe das Vorgehen der EU-Kommission ausdrücklich. Die polnische Regierung hatte jederzeit die Möglichkeit, sich im Gespräch mit Herrn Timmermann und der "Venedig-Kommission" um einen Ausweg aus der selbst gestellten Falle zu bemühen. Geht erst nach Strafandrohung, und dann auch noch ganz schnell. Auf die polnische Regierung kann man stolz sein! :thumbup:
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Orbiter1 »

Orban hat die Medienlandschaft Ungarns inzwischen nahezu vollständig unter seine Kontrolle gebracht.

"In Ungarn entsteht ein riesiges regierungstreues Medienkonglomerat, das unter mittelbarer Kontrolle des Ministerpräsidenten steht. Mit einem Dekret blockiert Orban sogar die Prüfung durch die Kontrollbehörden. ... Neben dem ungarischen Journalistenverband äusserten auch verschiedene internationale Interessenvertretungen wie Reporter ohne Grenzen ihre tiefe Besorgnis über das Vorgehen. Letztere schrieben in einer Stellungnahme, die Stiftung stelle eine akute Gefahr für die Medienvielfalt in Ungarn dar und bedrohe das Überleben der wenigen verbliebenen unabhängigen Medien. Von politischer Meinungsvielfalt in den Medien kann in Ungarn ohnehin kaum noch die Rede sein." Quelle: https://www.nzz.ch/amp/international/de ... ld.1442891

Ungarn ist damit weiter in Richtung Autokratie/Diktatur unterwegs.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(09 Dec 2018, 09:07)

Orban hat die Medienlandschaft Ungarns inzwischen nahezu vollständig unter seine Kontrolle gebracht.

"In Ungarn entsteht ein riesiges regierungstreues Medienkonglomerat, das unter mittelbarer Kontrolle des Ministerpräsidenten steht. Mit einem Dekret blockiert Orban sogar die Prüfung durch die Kontrollbehörden. ... Neben dem ungarischen Journalistenverband äusserten auch verschiedene internationale Interessenvertretungen wie Reporter ohne Grenzen ihre tiefe Besorgnis über das Vorgehen. Letztere schrieben in einer Stellungnahme, die Stiftung stelle eine akute Gefahr für die Medienvielfalt in Ungarn dar und bedrohe das Überleben der wenigen verbliebenen unabhängigen Medien. Von politischer Meinungsvielfalt in den Medien kann in Ungarn ohnehin kaum noch die Rede sein." Quelle: https://www.nzz.ch/amp/international/de ... ld.1442891

Ungarn ist damit weiter in Richtung Autokratie/Diktatur unterwegs.
Sicher, dieses Vorgehen ist alles andere als das, was wir uns als Grundlage der Meinungsfreiheit wünschen können. Wir müssen aber sehen, daß in Polen ein vergleichbarer Einfluß staatstreuer Kräfte im Rundfunk und in kulturellen Einrichtungen eingebaut wurde. Aber es gibt immer noch einige gern gekaufte unabhängige Tageszeitungen mit kritischen Journalisten. Mir werden diese vielen Kommentare schon fast ein wenig lästig. Gut recherchierte Nachrichten wären mir oft lieber.

Wir müssen eben prüfen, ob die EU-Verträge solchen Bestrebungen entgegen stehen... und die Einhaltung dieser Verträge einfordern, oder wir müssen es bei unserem Befremden belassen. Dann gehört die Gestaltung der Medien eben zu der Vielfalt, die innerhalb der EU möglich ist.
Ger9374

Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Ger9374 »

Medienvielfalt hat mit mehr Qualität nicht immer zu tun.Sobald aber eine Art Zensur die Medieninhalte einschränkt um Meinungsfreiheit zu unterdrücken da wird es kritisch. Da kann es auch zu verschiedenen Auffassungen zwischen Regierungen und der E.U in Brüssel kommen.
Da gibt es dann auch die Gerichte.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(09 Dec 2018, 19:43)

Medienvielfalt hat mit mehr Qualität nicht immer zu tun.Sobald aber eine Art Zensur die Medieninhalte einschränkt um Meinungsfreiheit zu unterdrücken da wird es kritisch. Da kann es auch zu verschiedenen Auffassungen zwischen Regierungen und der E.U in Brüssel kommen.
Da gibt es dann auch die Gerichte.
Na ja, so lange es noch einige freie Stimmen gibt, die sich keinem Eigentümer beugen müssen, hilft einem Autokraten das dicke Pressepaket wenig. Der Bürger, dieser Lümmel, greift doch immer dorthin, wo er findet, was er sucht, nämlich den höchsten Wahrheitsgehalt... und er spottet über die Hofberichterstattung. Ich meine, daß dieser Ausweg in Ungarn noch verfügbar ist... und wer mit Fremdsprachen keine Schwierigkeiten hat, der hat Internet-Radio und Internet-Fernsehen (?). In Polen liegen die Verhältnisse so, wie ich sie selbst vor Ort so nutze.

Insofern ist auch nicht sonderlich überraschend, wie sehr an der Regierungsmeinung vorbei sich der Widerspruch zeigt. Die Leute wissen eben, was in ihrem Lande veranstaltet wird und wo Grenzen des Zumutbaren überschritten wurden.

Noch einmal Medienvielfalt und Qualität: Man muß doch nur an den Auslagen der großen Lebensmittelmärkte vorbei gehen... meist als letzte Instanz vor der Kasse, um zu sehen, wie sehr auch in unserem Lande die angebotetenen Informationen sich um niederschmetternd einfache Sachverhalte herum ranken. Wenn mit einem Schlage 100 Zeitschriften vom Markt verschwänden, so wäre nichts verloren, so lange die entscheidenden 3 oder 4 Zeitschriften ("Qualitätsmedien") noch erhältlich wären.

In ähnlicher Weise wäre über die Vielfalt der Rundfunkstationen zu berichten. So lange die entscheidenden Sender ("Qualitätsmedien") nicht verstummen, so lange sind wir bestens unterhalten und unterrichtet.

Vermutlich würde dann auch die EU-Kommission zu Recht sehr energisch nachfassen. Da sind wir aber wirklich noch nicht!
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cat with a whip »

In Ungarn scheint sich wie in Frankreich ebenfalls breiter sozialer Protest gegen die neoliberale arbeiterfeindliche Politik des neoliberalen rechtsautoritären Orbanregimes zu formieren.
Nun erlebt Ungarn wieder eine Protestwelle - die größte seit Langem. Seit mehreren Tagen demonstrieren Tausende Menschen in der Hauptstadt Budapest, aber auch in anderen Städten des Landes. Wegen einzelner Randalierer ging die Polizei teilweise unverhältnismäßig brutal gegen die Demonstranten vor, setzte massiv Tränengas ein und verhaftete wahllos Teilnehmer der Kundgebungen wie auch Unbeteiligte - was die Proteste eher noch anheizte.

Auslöser ist das von der Opposition so genannte "Sklavereigesetz". Mit dieser Arbeitsrechtsnovelle wird die jährlich mögliche Überstundenzahl von 250 auf 400 erhöht. Zugleich können sich Arbeitgeber mit der Bezahlung der Zusatzarbeit künftig drei Jahre Zeit lassen statt wie bisher ein Jahr. Das Gesetz ist die neueste Maßnahme einer langen Liste arbeitnehmerfeindlicher Maßnahmen, die unter Orbán seit 2010 verabschiedet wurden.

In den vergangenen acht Jahren sind rund 600.000 eher gut ausgebildete Menschen aus Ungarn abgewandert, weil der öffentliche Dienst, vor allem das Bildungs- und Gesundheitswesen, schlecht organisiert und unterfinanziert sind. Zudem hängen private Unternehmen häufig vom Wohlwollen der Regierung ab. Hinzu kommt ein bedrückendes öffentliches Klima, in dem viele nicht mehr wagen, offen ihre Meinung zu äußern. Vor diesem Hintergrund erscheint es vielen zynisch, das Problem des Arbeitskräftemangels einfach mit der Erhöhung der Überstundenzahl zu beheben.

"Arroganz der Macht"

Doch es geht bei den Protesten nicht nur um das "Sklavereigesetz". Ebenfalls am vergangenen Mittwoch wurde ein Gesetz über die neu zu schaffenden Verwaltungsgerichte verabschiedet. Anders als herkömmliche Gerichte stehen sie unter der Kontrolle des Justizministeriums. Unabhängige Juristen befürchten, dass diesen neuen Gerichten alle Fälle zugewiesen werden, bei denen die Regierung ein bestimmtes Urteil wünscht. Ungarische Bürgerrechtsorganisationen sprechen von einem weiteren Schlag gegen die ohnehin mangelnde Unabhängigkeit der Justiz.

Nicht nur an diesen Gesetzen zeigt sich, was der Politologe Péter Krekó als "Arroganz der Macht in einem zunehmend autoritären, hybriden System" bezeichnet. In diesem Jahr etwa verabschiedete Orbáns Regierung repressive Gesetze gegen Nichtregierungsorganisationen, schränkte das Demonstrationsrecht ein oder untersagte Obdachlosen den "lebensführenden Aufenthalt" im öffentlichen Raum. Umfragen ergeben, dass selbst viele Anhänger der Orbán-Partei Fidesz zum Teil nicht mit solchen Maßnahmen einverstanden sind. Auch wächst allgemein der Unmut über Missstände im Land wie etwa die verbreitete politische Korruption.

Dennoch deuten die derzeitigen Reaktionen der Orbán-Regierung auf die Proteste nicht darauf hin, dass es irgendeine Art von Einlenken geben wird. Anders als im Herbst 2014 ziehen Politiker aus Orbáns Partei Fidesz und regierungsnahe Medien in einer Weise über die Demonstranten her, wie man es eher in Russland oder der Türkei vermuten würde. Hinter den Protesten stünden "Provokateure", "ausländische Straftäter", eine "kleine, aggressive Minderheit", der US-Börsenmilliardär George Soros und Leute, die Ungarn mit "Migranten überschwemmen" wollten.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/u ... 44150.html
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Cat with a whip hat geschrieben:(17 Dec 2018, 18:54)

In Ungarn scheint sich wie in Frankreich ebenfalls breiter sozialer Protest gegen die neoliberale arbeiterfeindliche Politik des neoliberalen rechtsautoritären Orbanregimes zu formieren.


http://www.spiegel.de/politik/ausland/u ... 44150.html
Zu fragen ist dabei, wer die eigentlichen Profiteure dieses neuen Arbeitsgesetzes sind. Es sind vor allem deutsche Großkonzerne wie Audi, Mercedes und Bosch. Industrievertretungen und -verbände in Ungarn haben seit längerem enge und gute Beziehungen zur ungarischen Regierungspartei.

https://www.handelsblatt.com/politik/in ... 48818.html
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cat with a whip »

Da sollte man mal genauer untersuchen ob es Korruption zwischen deutschen Konzernen und der ungarischen Rechtsregierung gibt. In Deutschland ist es ja auch fast immer die korrupte Union und FDP die die arbeitende Bevölkerung verarscht und ganz legal Milionenspenden aus der Wirtschaft dafür erhalten.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Cat with a whip hat geschrieben:(22 Dec 2018, 17:26)

Da sollte man mal genauer untersuchen ob es Korruption zwischen deutschen Konzernen und der ungarischen Rechtsregierung gibt. In Deutschland ist es ja auch fast immer die korrupte Union und FDP die die arbeitende Bevölkerung verarscht und ganz legal Milionenspenden aus der Wirtschaft dafür erhalten.
Diese Form der Korruption ist gar nicht zu verhindern, wenn die "Staatsmacht" dafür empfänglich ist. Darauf stellt sich ein Management ein und ebnet sich die Wege für gute Geschäftsbedingungen. Wenn die Staatsmacht dann auch noch die Rechtspflege steuert, dann gibt es Rechtssicherheit nur auf diesem Wege. Als Unternehmen sind sie ohne diese Schmiermittel auf verlorenem Posten. Dann machen andere eben gute Geschäfte, und Sie sind eine ehrliche Haut.

Deshalb meine ich, daß die EU sehr hartnäckig einen Kampf gegen diese Unsitte führen sollte, die man sehr schön von transparency international als Länderlisten weltweit dargestellt sehen kann.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cat with a whip »

Deutschland ist bei Transparency International durch die Politik der ruhigen Hand, also durch die Weigerung Angela Merkels Korruption zu bekämpfen im Ranking gefallen.
Das wird schwieriger dann in der EU Antikorruptionspolitik zu betreiben wenn das mächtigste Land der EU dies hintertreibt. Sicher, die EU-Komission müsste sich halt mehrheitlich gegen die Korruptis der DEUTSCHEN Merkel-CDU durchsetzen. Geht sicher, klar. Man hats ja mitbekommen wie die deutsche Regierung Merkels auf EU-Ebene versuchte im Auftrag der deutschen Autohersteller Emmissionsgrenzen zum Schaden der Gesundheit der Menschen und zum Profit der Autohersteller möglichst hoch anzusetzen.

Ok, Ungarn ist sicher kein Maßstab für Deutschland und dort hat sich die Korruption in den letzten Jahren unter Orban ausgeweitet:

https://www.transparency.de/korruptions ... king-2017/
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Das Thema Korruption hatten wir im EU-Unterforum schon einmal am Wickel, mit genau Ihrer beigesteuerten Rangfolge des Korruptionsausmaßes in Ländern der Welt. Das ist als Nebenthema in einem Sammelstrang verloren gegangen, obwohl ich das Thema für die Entwicklung der EU für ganz entscheidend halte. Ich überlege nun, ob wir hier nicht ein Thema "Korruption in der EU anlegen, wo wir unsere Gedanken dazu leichter wiederauffindbar ablegen können.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ich war zwischen Weihnachten und Silvester in Ungarn und speziell (und u.a. aus Neugier wegen der aktuellen Proteste) am Samstag in Budapest. Berechtigterweise ist bei politisch interessierten Leuten eine gewisse Enttäuschung angesagt: Bei den Gelbwesten in Frankreich gehts (u.a.) um Benzinpreise und bei den Protestlern in Ungarn um Überstunden. Da darf man natürlich auch nicht zu überhablich sein.

Gut. Ganz aktuell gings am letzten WE in Budapest um was ganz, völliig anderes. Um die Schleifung des Imre-Nagy-Denkmals mitten in der Stadt gleich hinter dem Landesparlament. Ich war einen Tag danach da. Die Scheinwerfer waren noch montiert. Die Denkmalsverankerungen noch sichtbar. Imre Nagy war weg. Touristengruppenleiterinnen mit aktuellen Tageszeitungen in der Hand versuchten, den Touristen zu erklären, warum diese Sehenswürdigkeit nun plötzlich nicht mehr zu besichtigen ist.

Nur kurz zur Erklärung. Worum geht es? Imre Nagy war im Prinzip ein "Reformkommunist", ähnlich wie vielleicht Alexander Dubcek oder auch Gorbatschow. Nur dass es beim Ungarnaufstand 1956 wirklich zur Sache ging und Nagy nicht einfach abgesägt sondern hingerichtet wurde. Das Nagy-Denkmal befand sich dementsprechend auch auf einem Platz der "Märtyrer". ("Vértanuk Tere") Allerdings der Märtyrer der antihabsburgischen Aufstände 1848/49. Das Nagy-Denkmal soll nun durch ein Denkmal aus der Zeit des Hitler-Verbündeten und Reichsverwesers Horthy ersetzt werden, das an die Opfer der ungarischen Räterpublik 1918 erinnern soll. So. Was ist das pikante daran? Der politische Aufstieg Orbáns begann Ende der 80er als oppositioneller Studentenführer genau mit der Forderung für ein Denkmal für den Reformkommunisten Nagy. Heute lässt er es schleifen und dafür durch eines aus der Nazi-Zeit ersetzen. Opportunusmus pur sage ich nur. Orbán ist morgen auch Stalinist, Leninist, Islamist oder was auch immer, wenns seiner Herrschaft dient. Und dann: Bitte aufmerksam zur Kenntnis nehmen: Es gab vor kurzem die Chance, Orbáns Fidesz aus der EVP-Fraktion zu schmeißen. Mit der Durchsetzung des CSU-Kandidaten Weber ist diese Chance vertan. Auch wenn der sich verbal kritisch äußert. Er steht für Orbán. Und Deutschland als Ganzes, mit seinen C-Parteien als Regierungsparteien wird in Ungarn auf Seiten des autokratischen Regimes gesehen. Und nicht auf Seiten derer, die sich für Demokratieerhalt einsetzen. Bitte zu beachten. Man braucht nur einen der Demonstranten zu fragen. Auch wenn ich mich immer für eine differenzierte Sicht auf Deutschland einsetze. Ebenso wie ich mich für eine differenzierte Sicht auf Ungarn einsetze. Es sind vor allem Deutschlands große Industireunternehmen, die die große Übereinkunft wünschen und die Orbán/Fidesz stützen.

Ich kann nur noch einmal auf einen Hinweis von Userin Selina auf den Film "Mephisto" hinweisen. Das war ja nun gerade eine deutsch-ungarische Produktion. Was gegenwärtig in Europa passiert ... noch passiert nix wirklich existenziell Schlimmes. Aber Vorsicht. Auch in dem Film Mephisto gab es so eine vorlaufende kulturelle Verdunklung. So eine ungute Stimmung. Die ich heute in Deutschland genauso wie in Ungarn wahrnehme.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Über das, was in Ungarn vorgeht, sind wir völlig auf unsere Medien angewiesen. Da ist es natürlich gut, wenn "Ortskundige" ihre Beobachtungen beisteuern.

Ich meine, die zeitgleichen Ereignisse in Ungarn und in Deutschland haben ganz unterschiedliche Hintergründe:

In Ungarn scheint ein ganz abgebrühter Politiker sein Machtgeflecht immer weiter aus zu bauen... und die EU muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie diesen Partner nicht wirksam dazu bringt, die demokratischen Grundlagen in seinem Lande zu erhalten.

In Deutschland erleben wir einen schleichenden Macht- und Bedeutungsverlust unserer Volksparteien und unserer Kanzlerin. Ich kann aber nicht unken, daß ich darin einen Verlust an demokratischen Gepflogenheiten sehe. Im Gegenteil scheint mir ein in Routine erstarrtes Machtsystem infolge demokratischer Entscheidungen ins Rutschen zu kommen, ohne daß es deshalb zu einer Bewegung "Gelbe Westen" kommt.

Schwer zu sagen, ob es in Deutschland in 2021 oder schon vorher zu einem tiefgreifenden Machtwechsel kommen wird, oder zu einer Umwertung derzeitig führender Themen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(02 Jan 2019, 00:53)

Über das, was in Ungarn vorgeht, sind wir völlig auf unsere Medien angewiesen. Da ist es natürlich gut, wenn "Ortskundige" ihre Beobachtungen beisteuern.

Ich meine, die zeitgleichen Ereignisse in Ungarn und in Deutschland haben ganz unterschiedliche Hintergründe:

In Ungarn scheint ein ganz abgebrühter Politiker sein Machtgeflecht immer weiter aus zu bauen... und die EU muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie diesen Partner nicht wirksam dazu bringt, die demokratischen Grundlagen in seinem Lande zu erhalten.

In Deutschland erleben wir einen schleichenden Macht- und Bedeutungsverlust unserer Volksparteien und unserer Kanzlerin. Ich kann aber nicht unken, daß ich darin einen Verlust an demokratischen Gepflogenheiten sehe. Im Gegenteil scheint mir ein in Routine erstarrtes Machtsystem infolge demokratischer Entscheidungen ins Rutschen zu kommen, ohne daß es deshalb zu einer Bewegung "Gelbe Westen" kommt.

Schwer zu sagen, ob es in Deutschland in 2021 oder schon vorher zu einem tiefgreifenden Machtwechsel kommen wird, oder zu einer Umwertung derzeitig führender Themen.
Nee. "Gelbwesten" in Deutschland ... das kann ich mir auch nur schwer vorstellen. In Deutschland gibts eher "Wutbügrer". Aber das ist was anderes. Die kämpfen nicht für ihre Rechte und Interessen (wie fragwürdig diese auch immer sein mögen) sondern lassen ihrer gefühlten Ohnmacht freien Lauf.

Der Punkt in einem Land wie Ungarn ist, dass es der zentralen Vorgabe des Maastricht-Vertrags eigentlich genau entspricht: Nämlich Wettbewerb um Kapitalinvestoren statt staatlichem Etatismus. Wettbewerb um günstige Produktionsbedingungen, sprich vor allem: niedrige Löhne bei gleichzeitig hoher Fachqualitfikation. Das läuft eigentlich. Nur kommt jetzt in ganz Osteuropa das Problem a) der Fachkräfteabwanderung durch Personenfreizügigkeit und b) dieselben demographischen Probleme wie überall in Europa. Im Grunde genommen haben wir genau das Maastricht-Europa, was im Maastricht-Vertrag konzipiert wurde. Es funktioniert nur nicht! Und der Frust über dieses Nichtfunktionieren entlädt sich überall in einem Neonationalismus. Und die Parteien nutzen diesen Neonationalismus allesamt weidlich aus.

Für die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung muss man auch nicht zwangsläufig vor Ort sein. Die Ergebnisse seriöser Analysen sind im wesentlichen überall dieselben:
Hauptsache, die Kasse stimmt: Warum die Automobilindustrie auf Ungarn abfährt

Während auf der politischen Ebene Ungarn vor allem wegen seiner restriktiven Flüchtlingspolitik von den meisten EU-Mitgliedstaaten sehr kritisch beäugt wird, erlebt das Land wirtschaftlich einen bis dahin nie gekannten Aufstieg.
https://www.mdr.de/heute-im-osten/orban ... k-100.html

Das heißt: Ein Politiker wie Orbán wird einerseits innerhalb der EVP-Fraktion vor allem durch die deutschen C-Parteien gedeckt und hat andererseits wirtschaftlich alle Trümpfe in der Hand.

Nur, dass ihm möglicherweise die eigene Bevölkerung zunehmend einen Strich durch die Rechnung macht.

Man wird sehen, wohin das Blatt in Europa sich wendet. Die Entwicklungen in Österreich, Dänemark, Italien lassen nix gutes ahnen.
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