Orbiter1 hat geschrieben:(12 Mar 2018, 08:54)
In der Realität wird aber halt nicht nur abgearbeitet, da müssen vorher auch Entscheidungen getroffen werden. Z.B. welcher Vorschlag denn nun in die Umsetzung kommt, der von den Franzosen oder der von den Deutschen? Fakt ist jedenfalls dass es zwischen deutsch-französischen Unternehmen auffällig häufig knirscht.
Diese manchmal unangenehme Entscheidungsnot gibt es doch auch national zwischen Unternehmen, die durch einen Vertrag mit einem gemeinsamen Auftraggeber verbunden sind. In der Art habe ich das in Italien, Frankreich, Großbritannien, Schweden und den USA erlebt. Mir hat dann immer Gelassenheit und Humor weiter geholfen. Wenn es viel Zusammenarbeit mit Franzosen gibt, dann knirscht es auffällig häufig in dieser Paarung.
Dass der Kern der EU auf die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Krieg zurückgeht ist doch unbestritten. Das ändert aber nichts daran dass die bisherigen Verträge aber auch die Projekte die über den Lissabon-Vertrag hinaus vereinbart wurden (EURO-Einführung, Schengen-Abkommen, PESCO) immer von einer deutlichen Mehrzahl der Mitgliedsländer mitgetragen und mitgestaltet wurden. Die von Macron und Teilen der deutschen Politik angestrebte engere deutsch-französische Zusammenarbeit weicht davon deutlich ab.
Es ist schon richtig, daß es jetzt erst einmal eine besonders enge Abstimmung geben muß zwischen Franzosen und Deutschen. Das ist doch aber nichts Neues unter der Sonne. Hier entscheiden sich die Möglichkeiten für ein weiteres gemeinsames Vorgehen... nirgendwo sonst. Wenn dann die notwendigen Groschen gefallen sind, dann sind alle anderen Partner eingeladen, an der endgültigen Ausgestaltung mit zu wirken. Auch nichts Neues! Nachdem Sie nun erneut die Entstehung des Lissabonvertrags als Paradebeispiel für eine umfassende Zusammenarbeit der 28 Partnerländer angeführt haben: Der Vertrag sollte als Verfassung durchgehen, ist aber in Irland, Niederlanden und Frankreich abgeschmettert worden. Damit wäre dieses Thema "durch" gewesen, wenn nicht die Kanzlerin Merkel mit der EU-Administration so lange daran herum gefeilt hätte, daß sie zum Schluß ohne Volksabstimmung und nach Drohung mit Nichtbeachtung der Polen das Ding durchprügeln konnte. Das nenne ich "Dampf machen!" Sehen Sie da andere "Dampfmacher"? Jetzt sehe ich an der Stelle erst einmal den Präsidenten Macron am Werk.
Da konnte doch realistisch nur wenig darauf reagiert werden. Macron wurde während des deutschen Bundestagswahlkampf Präsident und er hat während der Koalitionsverhandlungen seine europapolitischen Vorschläge unterbreitet.
Tja, fällt Ihnen denn gar nicht auf, daß kein Italiener, kein Spanier, kein Schwede, kein Deutscher... zuvor vergleichbare Vorschläge auf den Tisch geknallt hat? Das "So nicht!" der 8 Nordlichter ist doch kein Konzept, das die EU zusammen bindet. Es ist die reine Reaktion auf Macrons Vorschlag, sonst nichts. Jetzt ist die Bundesregierung am Zuge. Wenn sie gut ist, dann nimmt sie die besten Brocken auf und baut davon ein gemeinsames Konzept.
Ich nicht. Für die Ungleichgewichte in der EURO-Zone gibt es 2 Möglichkeiten sie zu beseitigen. Strukturreformen oder Transferunion. Bisher habe ich den Eindruck dass man über Strukturreformen nur reden möchte, aber in Wirklichkeit eine Transferunion anstrebt. Die Union wird hoffentlich darauf achten dass Deutschland hier nicht ausgetrickst wird.
Bisher haben die Bundesregierungen jedenfalls einen tüchtigen Beitrag dazu geleistet, daß die EU wenigstens das werden konnte, was sie heute ist. Ich bin ganz überzeugt davon, daß ihr das auch weiter gelingt... in der üblichen Vorgehensweise.
Was mir vollkommen bei der ganzen Geschichte fehlt ist die Teilhabe des Bürgers. Das wird ein Projekt der Eliten ohne Mitspracherecht der Bürger. Hierzulande konnten Ausländer über eine Regierungskoalition entscheiden, sofern sie Mitglied der SPD waren, aber dass die Deutschen mal über herausragende Projekte (wie z. B. die Euro-Einführung, usw.) entscheiden dürfern, werden wir sicher nicht mehr erleben. Ob sich die Franzosen das gefallen lassen wird man sehen. Die haben auch die EU-Verfassung abgelehnt. Insgesamt scheinen mir die Voraussetzungen nicht sehr gut. Es lernen immer weniger Kinder in Deutschland Französisch und umgekehrt ist Deutsch in Frankreich sowieso eine eher exotische Sprache die weit hinter Englisch oder Spanisch liegt.
Das halte ich für das übliche Genörgele. "Die Bürger" können doch beliebig viel ihrer freien Zeit in Sachen Europa in Parteien und Vereinen verbringen und sich die Köpfe dort heiß reden, vielleicht sogar Vorschläge ausarbeiten und durchbringen. Denn beim Nörgeln wissen alle, daß es eine europäische Anlaufstelle gibt; beim Gestalten gibt es die doch auch! Wo bleibt denn der besorgte Bürger da? Bei "Pulse of Europe" sind leider nur wenige der besorgten Bürger an zu treffen.
Tja, ob unsere Kinder eine bestimmte Fremdsprache lernen, das entscheiden letztendlich doch wir Eltern, oder? Und wenn sich am Ende Griechen, Franzosen, Deutsche, Balten, Polen und Kroaten auf Englisch austauschen... ist das etwa nichts? Und das reicht weit über Europa hinaus!
Noch bessere Quellen als die Wahlergebnisse in den EU-Staaten, das Statement der Nordstaaten und die Position der Visegradstaaten kann es doch gar nicht geben. Reicht das denn nicht aus um die Abneigung gegenüber einer Vertiefung der EU zum Ausdruck zu bringen?
Nein, reicht nicht aus; das sind Stimmungsbilder, die bei genügend guter Gesprächsführung auch wieder ins Wanken geraten. Schon die Aussicht, daß notfalls zwei Partner besonders eng zusammen rücken, wird dabei Wirkung zeigen. Wer möchte, der kann ja mitmachen. Wer nicht möchte, kann einen eigenen Club eröffnen, etwa die EFTA wiederbeleben.